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Leserbrief Stalinistisches Fragezeichen Janosch Janglo, Neue Internationale 218, April 2017 In der Märzausgabe der NI ist ein Interview zu „100 Jahre nach der Revolution“ mit Ljudmila Alexejewa Bulavka-Buzgalin erschienen. Soweit nichts Ungewöhnliches für eine politische Zeitung. Leider hätte man hier besser daran getan, den dort vermittelten Positionen zum Stalinismus in der Sowjetunion die eigenen der Gruppe ArbeiterInnenmacht entgegenzustellen. Bei LeserInnen, die diese noch nicht kennen, kann so der Eindruck entstehen, die GAM würde diese Positionen teilen. Natürlich muss man nicht einer Meinung sein, aber das Interview mit dem Redaktionsmitglied der linken Zeitschrift „Alternativij“ ist eine einzige Lobhudelei auf den Stalinismus - so unkommentiert hätte es den Weg in die NI nicht finden dürfen! Der Stalinismus, besonders in der Sowjetunion, hat eben nicht den „werktätigen Menschen Respekt“ verschafft. In keinem anderen Land wurden vor allem während der Säuberungen von 1937 von Tscheka und GPU Tausende auf reinen Verdacht hin überwacht, verhaftet, deportiert und umgebracht. Die ArbeiterInnenklasse in der Sowjetunion war politisch vollkommen entmachtet, konnte somit überhaupt nicht darüber bestimmen, was und wie produziert, wie verteilt, wofür investiert wird. Da half es auch nicht, dass man sich „bei Konflikten mit dem Management … an die Gewerkschaft, die Partei-Struktur oder an die Betriebszeitung wenden“ konnte. Angeblich war „das Erziehungssystem ... selbstbestimmt“. Wer das „Privileg“ hatte, das stalinistische Bildungssystem als SchülerIn oder StudentIn selbst erleben zu dürfen, kann Bulavka-Buzgalin an dieser Stelle nur den verbalen Stinkefinger zeigen. „Selbstbestimmt“ war hier gar nichts. Hier war man eindeutig am ideologischen Gängelband der Parteibürokratie und ihrer Jugendorganisationen gehalten. Auch bei der nächsten „Errungenschaft“ liegt sie total daneben, wenn sie meint, dass „die sowjetische Kunst viele Bücher, Filme, Bilder und Lieder über die Werktätigen hervorbrachte. Das entwickelte im arbeitenden jungen Menschen das Gefühl der Würde und des Stolzes auf seinen Berufsstand.“ Was für eine Leistung! Politisch hatte man als Werktätiger zwar nichts zu sagen gehabt, dafür konnte man sich aber über gewisses verlogenes Kulturgut, das kaum jemanden interessiert hat, dann wieder wichtig fühlen. Ganz krude wird es, wenn Bulavka-Buzgalin behauptet, dass „die Oktoberrevolution das Land führend im Kampf für den Fortschritt auf der Welt machte … Internationalismus nicht nur in Worten, sondern im praktischen Kampf mit dem Faschismus.“ Die Politik der Sowjetunion und der Komintern hat in einigen Ländern Europas (Deutschland, Spanien) erst dazu beigetragen, dass der Faschismus gesiegt hatte. Und auch die neuerschaffenen „handelnden Subjekte“ haben 1989 gezeigt, was sie von der stalinistischen Bürokratie hielten, indem sie sie stürzten, weil sie zu Recht die Schnauze voll hatten von der Gängelung und Bevormundung durch die Bürokratie und ihre Kenntnisse, ihre Bedürfnisse, ihre Erfahrungen nicht oder nur ungenügend in der gesellschaftlichen Entwicklung zum Tragen kamen. Mit revolutionären Grüßen Janosch Janglo Antwort der Redaktion Lieber Genosse, Wir stimmen Dir darin zu, dass im Interview mit Ljudmila Bulavka-Buzgalin eine beschönigende und einseitige Sicht der „sowjetischen“ sozialen Realität zum Ausdruck kommt, indem der politischen Diktatur der stalinistischen Bürokratie eine relativ heile Alltagswelt entgegengestellt wird. Für die Meinungen von interviewten Mitgliedern anderer Organisationen oder politischer Strömungen übernimmt die NI-Redaktion keine Verantwortung. Sicherlich wäre es günstiger gewesen, auf unsere Auffassungen für alle jene LeserInnen, die gar nicht oder nicht genau kennen, kurz zu verweisen. Das holen wir hiermit nach, indem wir auch auf unsere Homepage und die Broschüre „Aufstieg und Fall des Stalinismus“ (www.arbeitermacht.de/broschueren/stalinismus/vorwort.htm) aufmerksam machen. Wir haben das Interview in der letzten Nummer veröffentlicht, weil wir die Genossin zu einer kontroversen Diskussion auf den Internationalismustagen eingeladen haben und weil ihre Haltung auch für den Großteil der russischen Linken - einschließlich jener, die wie Bulavka-Buzgalin sich als anti-stalinistisch begreifen - repräsentativ ist. Wir hoffen auf eine rege und kontroverse Debatte bei den Internationalismustagen. Mit kommunistischen Grüßen Die Redaktion |
Nr. 218, April 2017
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