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Der junge Karl Marx

Anne Moll, Neue Internationale 218, April 2017

Der Film über das Leben von Karl Marx in den Jahren von 1843 bis 1848 zur Zeit rapider industrieller Entwicklung und des damit verbundenen Elends von Millionen LohnarbeiterInnen ist gelungen und auch heute hochaktuell. Die Anfänge des historischen Materialismus und die Entwicklung eines kommunistischen Programms werden nachvollziehbar dargestellt.

Der Regisseur Raoul Peck hat lange recherchiert und sich in seinen Jahren in Berlin selbst in der marxistischen Theorie gebildet. Das wird sehr deutlich in der Umsetzung und es ist R. Peck gelungen, einen realen historischen Einblick in die damalige Zeit, in das Leben von Marx und sein politisches Wirken zu geben.

Nicht nur Friedrich Engels spielte ab 1846 eine wesentliche Rolle, auch die Bedeutung von Marx' Frau Jenny und Engels' Lebensgefährtin Mary Burns für die politische Entwicklung von den Anfängen der Untersuchung der Eigentumsfrage bis zur Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests wird hervorgehoben.

Es handelt sich um einen Film mit enormer inhaltlicher Dichte, sicher nicht leicht zu verstehen für Menschen, die sich noch nicht mit dem Marxismus und mit der Geschichte der Klassenkämpfe beschäftigt haben, aber motivierend, dies nachzuholen.

Die wichtigsten Aussagen sind aber auch in diesem Film so klar hervorgehoben, wie es im Kommunistischen Manifest nachzulesen ist: die Bedeutung der Eigentumsfrage, die Ausbeutung durch die Besitzer an den Produktionsmitteln, Kinderarbeit, die Klassenfrage und welchen Kampf es dagegen braucht.

Diese Klarheit mag dazu führen, dass die bürgerliche Presse sich mit lobender Kritik zurückhält und versucht, den Film als „Kostümfest“ und „bebilderten Wikipedia-Eintrag“ zu verunglimpfen.

Starke Szenen

Der Film fängt mit einer Szene an, in der arme Menschen sogenanntes Raffholz im Wald sammeln, das also schon auf dem Boden liegt und nur aufgehoben werden muss. Dabei werden sie vertrieben, geschlagen und bestraft, weil es verboten ist, dieses Holz zu sammeln, denn der Wald ist Privatbesitz. Marx hat darüber in der Rheinischen Zeitung 1843 geschrieben. „Das Volk spürt die Strafe, aber erkennt das Verbrechen nicht, es wird sich rächen.“

Die Zeitung wurde verboten und Marx kam in Haft. Anschließend wird sein Leben in Paris gezeigt, mit Frau und Kind und finanziellen Schwierigkeiten. Sehr gut wird hervorgehoben, dass Jenny Marx freiwillig und aus politischen Gründen an der Seite ihres Mannes steht und keinesfalls bereut, diesen Schritt gegangen zu sein, und ihre gut betuchte Familie nicht bereit ist, diese Politik zu unterstützen.

Friedrich Engels wird in der Baumwollfabrik neben seinem Vater gezeigt, als dieser - er war Fabrikbesitzer - Anzeichen einer Auflehnung der Belegschaft, nachdem eine Arbeiterin ihre Finger bei der Arbeit verloren hatte und ohne Umschweife aussortiert, mittellos aufs Pflaster geworfen wurde, mit einem Rauswurf derjenigen beantwortete, die es wagten, dagegen ihre Stimme zu erheben: Mary Burns und ihrer Schwester Lizzy. Beide werden ebenfalls eine wichtige Rolle in der politischen Entwicklung der ArbeiterInnenklasse einnehmen. Engels lernt sie kennen, schreibt über die Lage der arbeitenden Klasse in England und stellt sich damit politisch offen gegen seinen Vater.

Über ihre Arbeit bei den Deutsch-Französischen Jahrbüchern lernen sich Marx und Engels in Paris kennen und arbeiten von da an gemeinsam. Beide standen unter dem Einfluss der „Junghegelianer“ und diesen zunehmend kritisch gegenüber.

Historischer Materialismus

Sie entwickelten über diese Auseinandersetzung und den Gegensatz zu Hegels Idealismus die Theorie des historischen Materialismus, also die Weltanschauung, derzufolge nicht das Denken das Sein, sondern umgekehrt das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt. Nicht der Geist ist für gesellschaftliche Veränderung verantwortlich, sondern die Art der gesellschaftlichen Produktion und Verteilung.

Gezeigt wird, wie sie ihre Auseinandersetzungen mit Proudhon, mit Weitling und dem Bund der Gerechten beginnen und Marx das Studium der Schriften führender Ökonomen aufnimmt.

Aber es gelingt R. Peck auch darzustellen, welche Taktik angewendet wird, um den Bund der Gerechten zu dem der Kommunisten weiterzuentwickeln und damit auf dem Weg zur Ersten Internationale (Internationale Arbeiterassoziation, IAA) einen Schritt voranzukommen.

Im Film wird deutlich, welchen entscheidenden Anteil Engels an der Arbeit von Marx hat, aber eben auch, unter welchen Umständen Marx seine Arbeit fortführt. So bettelt er nach der Ausweisung aus Paris in Brüssel um Arbeit, um seine Familie ernähren zu können.

Es sei auch besonders hervorgehoben, dass die Familie bzw. Liebesgeschichte zwar ihren Platz in diesem Film hat, aber das politische Leben aller Beteiligten im Vordergrund steht.

Besonders deutlich wird dies in einer Szene, in der sich Jenny und Mary über Kinderwunsch unterhalten und Mary antwortet, lieber kämpfen zu wollen, als Kinder großzuziehen, und sie es als Möglichkeit sieht, dass ihre Schwester Kinder mit ihrem Lebenspartner Friedrich Engels haben könnte.

Großartig! Ein wichtiger Film, der Mut macht und anregt, sich mit dem historischen Materialismus zu befassen, die Klassenfrage in den Mittelpunkt aller politischen Überlegungen zu stellen und politisch aktiv zu sein, zu werden und zu bleiben - für eine neue Gesellschaft, für den Kommunismus!

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Nr. 218, April 2017
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