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Palästina Netanjanhu und Trump stellen Zweistaatenlösung von rechts in Frage Marcus Halaby, Infomail 936, 28. März Normalerweise sind FührerInnen der jüdischen Gemeinde in den USA hocherfreut, wenn ein neuer Präsident Israel freundlicher gesinnt ist als sein unmittelbarer Amtsvorgänger. Donald Trumps Maßnahmen seit seinem Amtsantritt scheinen jedoch viele von ihnen in Panik versetzt zu haben. Dies ist nicht etwa v. a. seinen antisemitischen Provokationen zuzuschreiben, die er z. B. am Holocaust-Gedächtnistag in einer Rede zur Schau gestellt hat, als er sorgfältig vermied, die sechs Millionen jüdischen Opfer zu erwähnen. Auch die Präsenz von offenen Antisemiten wie Steve Bannon oder Richard Spencer in seinem engsten Mitarbeiterstab erschreckte sie nicht so sehr, denn eine unheilige Allianz mit Antisemiten zieht sich durch das gesamte zionistische Projekt. Beide Seiten teilen die Zielsetzung, dass die Juden und Jüdinnen sich dort sammeln sollen, „wo sie hingehören“, nämlich in der östlichen Mittelmeerregion, und sie aus Ländern abzuziehen, in denen sie gegenwärtig leben, aber wo sie angeblich „nicht hingehören“. Eine Mehrheit der pro-Israel Lobby in den USA ist nicht jüdisch, sondern es sind vielmehr „christliche ZionistInnen“, viele davon christlich-evangelikale FundamentalistInnen, die daran glauben, dass ein jüdischer Staat und die jüdische Auswanderung dorthin notwendig wäre, um die zweite Wiederkehr Christi hervorzubringen. Anschließend werden die Juden und Jüdinnen entweder konvertieren oder dem Weltuntergang anheimfallen. Die Begeisterung für Israel und die Unterstützung für die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung ging stets einher mit der feindlichen Einstellung gegenüber der jüdischen Bevölkerung im eigenen Land. Donald Trump macht da keine Ausnahme. Wirklich alarmiert haben die jüdischen FührerInnen in den USA jedoch die Äußerungen aus dem Weißen Haus über die Preisgabe der „Zweistaaten-Lösung“, d. h. der Befürwortung eines separaten palästinensischen Staates neben Israel in Teilen des von diesem seit 1967 besetzten palästinensischen Territoriums. Darin scheint sich Trump mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu einig, der eine ähnlich Alarmstimmung in Israel und den USA ausgelöst hat. Beide Führer sind rechte Demagogen, die in polemischen Tönen gegen das „liberale Establishment“ wettern, das sie für die Schwächung der „Größe“ ihres Landes verantwortlich machen. Beide wurden auf der Basis von Appellen an rassistische Ressentiments gewählt. Netanjahu konnte den extremistischen pro-Siedler-Parteien mit einem Video am Tag der israelischen Parlamentswahlen im März 2015 Stimmen abspenstig machen. In diesem Clip warnte er davor, dass die arabisch-stämmige Minderheit in Israel „scharenweise zu den Wahlurnen“ strömen würde, und dass sie offenbar von „linken Organisationen“ mit Unterstützung von Mahmud Abbas, dem Präsidenten der palästinensischen Behörde in der von Israel besetzten West Bank, „angekarrt“ worden seien. Beide Politiker benutzen eine schwelende Islamophobie im Namen des „Antiterrorismus“. Beide äußerten sich lautstark gegen den Atomvertrag von Trumps Vorgänger Barack Obama und der Abrüstung gegenüber Iran. Der Iran wird von Israel immer noch als Hauptrivale in der Region angesehen. Nun scheinen beide willens zu sein, die Politik zu sprengen, die es Israel in den letzten 50 Jahren ermöglicht hat, seine Besetzung der Territorien seit 1967 fortzusetzen. In Wirklichkeit haben weder Israel noch die USA je irgendwelche Absichten gehabt, den PalästinenserInnen einen bedeutenden unabhängigen Staat zu gewähren. Dies war durch das Netzwerk von illegalen jüdischen Siedlungen in der West Bank sowie durch die „Separationsschranke“– die Apartheid-Mauer, wie sie AntibesetzungsaktivistInnen genannt haben – praktisch bereits unmöglich gemacht worden. Diese zieht sich durch die West Bank und schneidet ganze Gemeinden von angrenzendem Land ab und annektiert diese Flächen praktisch für Israel. In dieser Hinsicht bringen Trump und Netanjahu nur die offizielle Rhetorik in ihren Ländern in Einklang mit ihrer tatsächlichen Praxis. Dennoch hat die endlose Behauptung, der „Friedensprozess“ bewege sich auf die Errichtung zweier Staaten zu, den Zwecken Israels und seiner Beschützerin, den USA, gedient. Für die USA bedeutete diese Haltung eine Beruhigungspille, die sie Verbündeten wie Ägypten und Saudi-Arabien in einer Region, deren Bevölkerung sich instinktiv auf die Seite der PalästinenserInnen stellt, verabreichen konnten. Für Israel erfüllte sie eine Alibifunktion vor den Augen der Weltöffentlichkeit, währenddessen es seine Besatzung und rücksichtslose Ausweitung der Siedlungen fortsetzen konnte. Zugleich bezichtigte Israel die PalästinenserInnen des „Terrors“ und machte sie für das Scheitern von Verhandlungen über eine politische Lösung verantwortlich, während die Regierung den legitimen palästinensischen Widerstand gegen ihr harsches Vorgehen weiter unterdrückte. Trumps konsequentester Vorschlag ist die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, womit Israels illegale Annektierung Ost-Jerusalems 1967 praktisch anerkannt werden würde. In einer spöttisch aufgenommenen Rede während seines Kurzbesuchs in Israel sagte Trump: „So denke ich über zwei Staaten und einen Staat. Und ich mag jenen, den beide Seiten mögen. Ich bin sehr froh über den einen, den beide Parteien mögen. Ich kann mit beiden leben.“ Ein Teil der pro-zionistischen Kräfte in den USA mag Trump und Netanjahu nicht dabei folgen, die Fiktion der „Zweistaatenlösung“ fallenzulassen. Sie fürchten, dass dies mehr Instabilität mit sich bringt. Die Politik der zionistischen Regierung läuft indes darauf hinaus, dass sich „ein Staat“ – nämlich der zionistische – ganz Palästina aneignet. Die zionistische Lösung bestünde in einem „jüdischen Staat“, in dem der arabischen Mehrheit StaatsbürgerInnenrechte wie Wahlrecht verwehrt wären, die der militärischen Besatzung unterworfen wäre und von ihrem Besitz und schließlich aus dem ganzen Land vertrieben werden würde. Nachdem sie die Katze nun aus dem Sack gelassen haben, enthüllen die nationalistischen Demagogen Trump und Netanjanhu jedoch auch, dass ihnen als einzige praktikable Lösung der Albtraum eines Apartheid-Staats bleibt, in dem die Kräfte des israelischen Staates dauerhaft mobilisiert werden, um die palästinensische Mehrheit zu unterdrücken. Diesen Weg verfolgt die israelische Regierung offen – und die US-Regierung macht klar, dass sie diese Linie decken wird. Die Entwicklung macht aber auch eines deutlich: Die Zweistaaten-Lösung hat sich als Fiktion entpuppt, die allenfalls noch als Beruhigungspille herhalten soll. Die einzige Lösung liegt also im Kampf gegen den rassistischen, zionistischen Staat und für ein demokratisches, multi-nationales, sozialistisches Palästina, in dem alle Menschen unabhängig von ihrer religiöser Überzeugung gleichberechtigt leben können. |
Nr. 218, April 2017
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