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US-Militäraggressionen

Riskiert Trump den nächsten Krieg?

Michael Märzen, Neue Internationale 219, Mai 2017

Lange hat es nicht gedauert, bis Donald Trump international den starken Mann spielte. Er, der die Kriege in Afghanistan, Irak und das „Engagement“ der USA als Weltpolizei kritisiert hatte, handelt nun selbst als Weltpolizeichef.

Zuerst überraschte Donald mit einem Militärschlag in Syrien gegen das Assad-Regime als Reaktion auf dessen mutmaßlichen Einsatz von chemischen Waffen in der Provinz Idlib. Das war der erste kriegerische Akt zwischen den USA und der syrischen Armee. Als nächstes entsandte er den Flugzeugträger „USS Carl Vinson“ in Richtung koreanische Halbinsel, alle Optionen lägen auf dem Tisch, um das nordkoreanische Atomprogramm zu unterbinden. Ein ähnlicher Angriff kann auch dort nicht ausgeschlossen werden. Und dann folgte noch der Abwurf der größten nicht-atomaren Bombe („Mutter aller Bomben“) auf eine IS-Stellung in Afghanistan.

Die bürgerlichen Medien wollen diesen Schwenk wieder einmal als Ausdruck seiner unberechenbaren Persönlichkeit erkennen und tatsächlich erscheint der Großkapitalist nicht als schlüssiger politischer Stratege.

Viel entscheidender als individuelle Charaktereigenschaften sind aber die Entwicklungen in der weltpolitischen und weltökonomischen Arena. Die USA sind eben immer noch eine imperialistische Großmacht und als solche, die weltweit um Rohstoffe, Märkte und gute Ausbeutungsbedingungen kämpft, müssen sie auch von ihrem neuen Präsidenten geführt werden.

Aus dieser globalen Perspektive sind schroffe politische Wendungen als Reaktionen auf einschneidende Ereignisse zwar durchaus überraschend, aber keineswegs beliebig. Die sogenannten Global Players verfolgen globale Strategien und die ändern sich in der Regel nicht von ein paar Tagen auf die nächsten. Sie orientieren sich an den Profitinteressen ihrer wichtigsten und einflussreichsten Kapitalfraktionen, an den Kräfteverhältnissen zwischen den imperialistischen Machtblöcken und jenen im eigenen „Hinterland“. Vor diesem Hintergrund finden auch die Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Strategien und Interessen in Regierung und Staatsapparat statt.

Wer in all den Wirren und Wendungen des Weltgeschehens Trumps Säbelrasseln als unheilvolles Omen interpretiert und abseits jeder Kurzsichtigkeit auch negative Konsequenzen für sich selbst und alle Nahestehenden befürchtet, muss sich Rechenschaft ablegen über die Zusammenhänge zwischen Weltwirtschaft, Großmachtpolitik und den eigenen sozialen und politischen Interessen innerhalb dieses großen Ganzen. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt entschlossen und zahlreich gegen imperialistische Machenschaften und Kriegstreiberei vorzugehen.

Kehrtwende in Syrien?

Trump war kein Freund des militärischen Engagements in Syrien, das hat er in seinem Wahlkampf und auch davor deutlich gemacht. Er selbst wäre aus Syrien draußen geblieben und man habe größere Probleme als Assad. Umgekehrt habe Obama zu lasch reagiert und damit Russland zu viel Spielraum gegeben. Überhaupt würde er, Trump, den IS zerbomben. Obamas Position dagegen war offenbar nie über einen längeren Zeitraum zusammenhängend, geschweige denn ernsthaft durchdacht.

Syrien war unter Obama keine Priorität der USA, unter Trump schien sich das auch nicht geändert zu haben. Der Militärschlag in Syrien wird daher auch mutmaßlich andere Gründe haben.

Erstens ist Trump nach seinen ersten 100 Tagen nicht gerade beliebt, geschweige denn erfolgreich. Linke und Liberale machen auf der Straße gegen ihn mobil, die Medien sind voller Skepsis, im eigenen Regierungsteam gibt es Machtkämpfe, Verbindungen von MitarbeiterInnen nach Russland bieten Stoff für Skandale, die Einwanderungsverbote werden von Gerichten aufgehoben und die Gesundheitsreform ist am Widerstand eines Teils der RepublikanerInnen selbst gescheitert.

Zweitens hat Trump in der Vergangenheit Obama scharf kritisiert, als dieser für den Fall eines Chemiewaffeneinsatzes in Syrien eine „rote Linie“ zog - als das Assad-Regime tatsächlich auf chemische Waffen zurückgriff, wollte Obama seine Drohung nicht ernst machen. Damit habe sich der Demokraten-Präsident einerseits in eine unvorteilhafte Position manövriert, andererseits im entscheidenden Moment Schwäche gezeigt.

Trump musste nun nicht nur in den USA beweisen, dass er entschlossener handelt als Obama. Zurückhaltung wäre aus Sicht des US-Imperialismus auch ein fatales Signal an Assad, Russland und den Rest der Welt gewesen. Zumindest kurzfristig hat das für ihn auch gut funktioniert. im US-Kongress erntete er Erfolg sowohl von RepublikanerInnen als auch DemokratInnen und sogar Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Türkei äußerten sich positiv, der Verstoß gegen das Völkerrecht wurde nicht beklagt.

Pazifik

Zugleich rüstet die Regierung Trump auf und zwar ordentlich. Schon bald nach der Wahl wurde die Erhöhung des Militärbudgets um weitere 54 Mrd. Dollar beschlossen. Der strategische Blick des US-Imperialismus richtet sich dabei aber nicht so sehr nach Syrien, sondern nach Asien, wo China derzeit enorme Investitionen zum Ausbau seiner Handelsbeziehungen tätigt.

Das Säbelrasseln gegenüber Nordkorea geht nicht wie der Militärschlag in Syrien auf ein unerwartetes Ereignis zurück. Das nordkoreanische Atomprogramm ist dem US-Imperialismus schon lange ein Dorn im Auge. Immerhin könnte sich das abgeschottete Land durch die Entwicklung von geeigneten Langstreckenrakten im Fall des Falles einmal ernsthaft zur Wehr setzen. Die Strategen in Trumps Kabinett wollen nun aber eine härtere Linie einschlagen, laut US-Vizepräsident Mike Pence sei Nordkorea nämlich „die gefährlichste und akuteste Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit“ in der Asien-Pazifik-Region.

Laut US-RegierungsvertreterInnen sei bereits ein atomarer Sprengsatz im Tunnelsystem des nordkoreanischen Testgeländes vorbereitet, ein weiterer Atomtest stehe am „Tag der Sonne“ (Geburtstag des Staatsgründers Kim Il-sung) oder am 85. Jahrestag der Gründung der Volksarmee bevor. Am „Tag der Sonne“ wurde dann ein Einkaufszentrum eröffnet und am Tag darauf eine Rakete getestet, die bereits kurz nach dem Start explodierte.

Hände weg von Nordkorea!

Nach unterschiedlichen Schätzungen besitzt Nordkorea 10-20 atomare Sprengköpfe sowie Raketen, die nach Südkorea oder Japan reichen, keineswegs aber in die USA. Anfang Februar 2016 gelang dem Land der Start einer Langstreckenrakete, die einen Satellit in den Orbit brachte. Seither gab es weitere Tests ballistischer Raketen. Für das ultrastalinistische Land, einen der letzten verbliebenen degenerierten ArbeiterInnenstaaten, ist die Atomwaffe das einzige Mittel der militärischen Abschreckung. Zwar stützt sich das Land auf ein riesiges Militär, Flugzeuge, Panzer und anderes Militärgerät sind aber sehr veraltet. In einer konventiellen militärischen Konfrontation würde die Volksarmee wohl rasch den Kürzeren ziehen und die „Partei der Arbeit“ ihre Machtbasis verlieren. Den USA und ihren Verbündeten geht es aber nicht um die Beseitigung einer Diktatur, sondern um die Zerstörung der Planwirtschaft in Nordkorea und die Wiedereinführung des Kapitalismus.

Während die USA ca. 6.800 Atomsprengköpfe zur atomaren Einschüchterung bereithalten, möchten sie dieses Recht möglichst wenig anderen Staaten gönnen, am wenigsten denen, deren Regime sich nicht in die US-Herrschaftspläne einfügen. Seit Jahrzehnten soll Nordkorea durch ökonomischen, diplomatischen und militärischen Druck in die Knie gezwungen werden. Die USA haben ein Embargo verhängt und seit 2006 zahlreiche Sanktionen des UN-Sicherheitsrates durchgesetzt.

Zweifellos ist die nordkoreanische Staatsbürokratie ein besonders abstoßendes Beispiel stalinistischer Herrschaft, eines bizarren Personenkultes und eine auf die Spitze getriebene Form des „Sozialismus in einem Land“. Man darf aber nicht vergessen, dass Nordkorea seit Jahrzehnten praktisch von den USA und ihrem südkoreanischen Vasallenregime in Beschlag genommen wird.

Angesichts von US-Kriegen gegen Staaten wie Afghanistan ist das Festhalten des nordkoreanischen Regimes am Atomwaffenprogramm alles andere als irrational. Womöglich ist es der entscheidende Grund, dass es bislang zu keinem Angriff der USA und ihrer Verbündeten kam.

Für die USA ist das Atomwaffenprogamm zugleich auch ein Vorwand, um US-Truppen und US-Kriegsgerät in Südkorea zu stationieren, also nicht weit von der chinesischen Grenze. Für China ist nicht nur die Anwesenheit der 30.000 Soldaten umfassenden United States Forces in Südkorea eine Provokation, sondern erst recht die begonnene Stationierung des Raketenabwehrsystems THAAD auf der Südhalbinsel.

Mit der Mobilisierung eines Flottenverbandes sollte daher nicht nur der Druck auf Nordkorea, sondern auch auf China erhöht werden, das Regime „zur Vernunft“ zu bringen und gegen das Atomwaffenprogramm vorzugehen. Das zeigt auch Wirkung. Seit Februar nimmt China nun keine Kohlelieferungen von Nordkorea mehr entgegen.

Als RevolutionärInnen lehnen wir es ab, dass Nordkorea zu einem Spielball konkurrierender imperialistischer Interessen wird. Weder die USA noch China oder die UNO haben ein Recht, darüber zu bestimmen, mit welchen Waffensystemen sich Nordkorea verteidigt, und das Land zu erpressen. Wir lehnen jede militärische Drohung ab, fordern den sofortigen Abzug der US-Truppen und die Aufhebung aller Sanktionen und Embargos gegen das Land!

Schluss mit Militarismus und Krieg!

Der jüngste US-Militärschlag in Syrien, die weitere Militarisierung der koreanischen Halbinsel und die Verlegung von zusätzlichen Kriegsschiffen in den Pazifischen Ozean sind ein Spiel mit dem Feuer. In Syrien wurde Russland zwar über den Angriff informiert, weitere solche Aktionen können aber durchaus zu einer Konfrontation mit dem russischen Imperialismus führen und damit zu einer Eskalation zwischen den beiden gefährlichsten Atommächten. Auf der koreanischen Halbinsel ist ein Krieg gegen den Norden keineswegs ausgeschlossen und kann zur militärischen Konfrontation mit China führen.

Seit der Weltwirtschaftskrise 2007/08 kann man beobachten, wie die kapitalistische Weltordnung instabiler wird, wie neue Brandherde entstehen wie in Syrien, in der Ukraine oder im Jemen. Machtblöcke wie die USA und die EU haben in den letzten Jahren an Einfluss verloren, China hat dazu gewonnen und Russland versucht, diese Situation auszunutzen. Die aggressive, militarisierte Außenpolitik des US-Imperialismus unter Trump dient zur Absicherung der eigenen Einflusszonen und dem Zurückdrängen von Rivalen wie Russland und China. Die EU und Japan sollen als Verbündete zugleich auch in ihre Schranken gewiesen werden. Alle Mächte sind getrieben von den Profit- und Ausbeutungsinteressen ihrer wichtigsten Wirtschaftszweige. Die derzeitige Verschiebung im globalen Kräfteverhältnis bereitet den Kampf um die Neuaufteilung der Welt nur vor. Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die Jugendlichen, die Bauern und Bäuerinnen aller Länder haben kein Interesse, für solche Ziele gegeneinander ins Feld zu ziehen. Ihr Interesse liegt im gemeinsamen Kampf gegen Imperialismus und Krieg.

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Nr. 219, Mai 2017
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