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Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen Wohin fährt der Schulz-Zug? Tobi Hansen, Neue Internationale 219, Mai 2017 Seit dem ernüchternden Wahlergebnis im Saarland konzentrieren sich SPD und ihr Kanzlerkandidat auf die Landtagswahl am 14. Mai in NRW. Dass eine Woche vorher auch in Schleswig-Holstein gewählt wird, wird medial eher ausgeblendet. Dabei stehen beide Bundesländer noch unter einer von SPD und Grünen geführten Regierung, einer Kombination, welche trotz „Schulz-Effekt“ auf Bundesebene eher wenig Chance auf eine Mehrheit hat. In jedem Fall werden die beiden Landtagswahlen ein Stimmungs- und Kräftetest für die Bundestagswahlen. Es steht die Frage, ob die SPD ohne die CDU weiter die Regierungen führen kann. Nach der Saarland-Wahl Bei der Saarland-Wahl wurden im Nachhinein die Koalitionsavancen der saarländischen Spezialität Oskar Lafontaine als Grund für die Niederlage der SPD angeführt. Nicht nur die bürgerlichen Medien und Parteien rückten den „Gerechtigkeitsslogan“ von Schulz direkt in die Nähe einer rot-rot-grünen (R2G) Koalition, auch der rechte Flügel der SPD (Seeheimer Kreis) sah sich genötigt, zumindest die „Ampel“ zu erwähnen, nicht dass wirklich jemand glaubt, Schulz wäre ein Linker. Dieser nahm das dann auch dankend an - eine Ampel mit FDP und Grünen sei für ihn natürlich eher vorstellbar als R2G, nicht dass da Missverständnisse aufkommen. So könnten NRW und Schleswig-Holstein auch zum Test für eine Ampel werden. In NRW könnte außerdem auch die nächste bürgerliche Horrorkoalition im Landtag sitzen. CDU/AfD/FDP - alle werden sicher drin sein. FDP und AfD konkurrieren derzeit um den 3. Platz. Kandidat Schulz setzt bei der NRW-Wahl zusätzlich auf sein Lokalkolorit: Der einfache Buchhändler aus Würselen, der dort seinen Weg bis in die Beletage der EU-Bürokratie startete, greift aktiv in den Wahlkampf ein. Schließlich soll von NRW das Signal für die Bundesebene ausgehen. Hier lässt sich, in Schleswig-Holstein wahrscheinlich auch, ein Vorzeichen sehen, welches auf Bundesebene das letzte Mal 2002 vorkam: die SPD als mandatsstärkste Kraft, jetzt mit Martin Schulz als Kanzlerkandidat. Dafür ist auch eine starke NRW-SPD wesentlich. 2005 läutete das Desaster bei den Landtagswahlen das Ende der Schröder-Regierung ein. Schwung aus NRW? Diesmal scheint zumindest ein CDU-Wahlsieg unwahrscheinlich. Doch selbst die Fotos mit Siegerposen und Ministerpräsidentin Kraft kann Schulz nicht fix einplanen. Die SPD liegt aktuell knapp vor der CDU (es gibt auch ältere Umfragen mit einem SPD-Vorsprung von 10 %), welche mit Armin Laschet als Spitzenkandidat eher gemäßigt auf Merkel-Linie auftritt und sich immer offen für eine Große Koalition gibt. Problematisch wird es erst recht bei den kleineren Parteien, wenn es um künftige Regierungsbildungen geht. Die Grünen wurden unter der SPD zerrieben, von ökologischen Prestigeprojekten ist wenig übrig geblieben, stattdessen gibt's neuen Braunkohletagebau am Hambacher Forst und die Bullen prügeln für RWE die Grüne Jugend aus den Bäumen - so erklären sich teilweise die schlechten Umfragewerte der Grünen (5-7 %). Dass die Linkspartei nach ihrer kurzen Phase 2010-12 im Parlament derzeit überhaupt bei über 5 % steht, ist folgenden Faktoren geschuldet: Zum einen ist sie in NRW vom linken Flügel (AKL, DIDF und anderen) geprägt und aktivistischer als in anderen Bundesländern. Hier wird ein linkerer Straßenwahlkampf inszeniert, der die SPD/Grünen-Regierung bei der sozialen Frage angreift. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein für eine Linkspartei, die sich gerade aus der Opposition gegen die SPD/Grünen-Bundesregierung im „Westen“ aufgebaut hat. Dass dies aber auch anders geht, haben wir erst bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland 2016 erlebt. Sowohl in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern wie Sachsen-Anhalt war die Linkspartei Bittstellerin gegenüber der SPD. Slogans à la „Aus Liebe zu MV“ oder „Berlin gehört uns“ verabschiedeten sich komplett von jeglicher Kapitalismuskritik. In NRW und Schleswig-Holstein besteht auch die Möglichkeit, die Versprechen von Schulz und Co. im Wahlkampf zu entlarven. Wenn R2G eine Option sein soll, warum wird die parlamentarische Mehrheit nicht schon jetzt für „mehr Gerechtigkeit“, also Verbesserungen für die Lohnabhängigen genutzt? Warum würde auch in NRW eine große Koalition bevorzugt? Welches Verständnis steht eigentlich hinter dem Slogan „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ - braucht es dazu eine Große Koalition oder sogar die FDP? Diese Fragen hoffen die SPD, Kraft und Schulz nicht gestellt zu bekommen. Eine ehrliche Antwort könnte nämlich der Linkspartei im Westen Stimmen bringen und dem Schulz-Zug schon vor dem Losfahren einen Prellbock entgegensetzen. Linkspartei In NRW gibt sich die Linkspartei als Opposition sowohl für die Beschäftigten als auch für die Arbeitslosen. Dies verbunden mit einer sichtbaren Verankerung in den Protesten wie z. B. gegen den AfD-Bundesparteitag führt dazu, dass sie im bedeutendsten Bundesland NRW eine reale Chance auf den Einzug hat. Ihr Wahlprogramm ist freilich nur ein links-reformistisches und ihre Duldungspolitik gegenüber Rot-Grün von 2010-2012 samt „irrtümlicher“ Zustimmung zum Landeshaushalt zeigt auch unter Führung ihres linken Flügels die Bereitschaft, sich bei der Stützung einer SPD-Grünen-Regierung vorführen zu lassen. Aber für die politisch bewusstesten ArbeiterInnen, für viele Jugendliche und AktivistInnen im Kampf gegen Rassismus, AfD, Umweltzerstörung, Sozialabbau und Entlassungen ist die Stimmabgabe für die Linkspartei ein Mittel bei den Wahlen, den Aufstieg der RassistInnen sowie die Große Koalition samt der bürgerlichen Opposition aus Grünen und FDP zu bekämpfen. Diesen Schritt unterstützen wir, ohne die Illusionen in das Programm der Linkspartei zu teilen. Daher: Wählt Linkspartei in NRW und Schlewig-Holstein - aber organisiert den Kampf gegen die Angriffe! |
Nr. 219, Mai 2017
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