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AfD-Parteitag in Köln Nach dem Rechtsruck ist vor dem Rechtsruck Robert Teller, Neue Internationale 219, Mai 2017 „Wissen Sie, ich sage es einmal ganz ehrlich: Ich habe es selbst erst lernen und verstehen müssen, in welch ungeheure Gefahr diese komplett verantwortungslosen Deutschland-Abschaffer unser Land bringen bzw. bereits gebracht haben. Ich habe das, ich gebe es zu, lange Zeit gar nicht gesehen. Gerade in jüngster Zeit gehe ich aber sehr bewusst durch die Straßen meines Landes, meiner Stadt. Und wenn ich an einem Samstagmittag im Zentrum meiner Stadt unterwegs bin, mit offenen Augen, wissen Sie, was ich dann sehe? Ich sage das wirklich ohne jede Übertreibung: Ich sehe noch vereinzelt Deutsche.“ So beschwört der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen auf dem Parteitag in Köln Rassismus bis hin zu völkischen Stimmungen. Die Partei hat sich weiter nach rechts radikalisiert. Der Flügel um den national-konservativen Gauland ist nach dem Parteitag in Köln sicherlich in der Vorhand. Die strategische Ausrichtung der Partei ist damit aber nicht entschieden. Die Vorsitzende Petry, die sich in den letzten Monaten als „Moderate“ und Vertreterin eines „realpolitischen Kurses“ anpries, ist die eindeutige Verliererin. Dies zeigt aber auch, wie relativ die Fronten sein mögen, waren es doch Petry und Co., die Mitte 2015 den marktliberalen Lucke-Flügel „entsorgt” haben, um sich stärker der deutschtümelnden Basis zuwenden zu können. Nun hat sich Petry selbst entthront, indem sie ihren Verzicht auf die Spitzenkandidatur erklärt hat. Nach dem Rechtsruck ist in der AfD eben vor dem Rechtsruck. Dass die sich vertiefenden Gräben schädlich für den anstehenden Wahlkampf sein werden, dürfte dabei allen Beteiligten klar sein. Um diesen geht es aber eben auch nur vordergründig. Dem stramm deutschnationalen bis völkischen Flügel ist daran gelegen, die AfD zu einer rechten Partei der „fundamentalen Opposition“ zu machen. Der „realpolitische” Flügel hat zwar kein Problem, RechtsextremistInnen und auch HalbfaschistInnen als Fußvolk zu verwenden. Er möchte aber die Partei für die herrschende Klasse und für die konservativen Kräfte als „vernünftige“ politische Option, also als „radikale“ Juniorpartnerin einer bürgerlichen Regierung hoffähig machen. Dabei stehen (halb)faschistische oder offen völkische Kräfte im Weg. Programm Nicht zur Diskussion standen auf dem Parteitag in Köln die grundsätzlich erzreaktionäre Ausrichtung, was schon im Entwurf des Wahlprogramms und diversen Anträgen hierzu klar wurde. Insofern sind sich die National-Konservativen, die „Nationalliberalen” ebenso wie die Christlich-Radikalen um AbtreibungsgegnerInnen wie von Storch und die verbliebenen Wirtschaftsliberalen einig darin, dass die AfD in Deutschland das Monopol auf den wahren gesellschaftlichen Rollback beansprucht. Der Leitantrag zum Wahlprogramm forderte die „Anpassung der Genfer Flüchtlingskonvention an die Bedrohung Europas”, die Einrichtung von „Aufnahmezentren nach australischem Vorbild” sowie von Gefängnissen in Drittstaaten, die der deutschen Justiz unterstehen sollen, die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf 12 Jahre und die automatische Ausweisung von „kriminellen Ausländern” sowie den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit bei Mitgliedschaft in einer „ausländischen Terrororganisation”. Weiter finden sich Forderungen nach massiver Ausweitung der Befugnisse für Strafverfolgungsbehörden wie Einführung von Tasern, Videoüberwachung mit Gesichtserkennung und DNA-Untersuchungen hinsichtlich ethnischer und geografischer Herkunft. Das „Wirtschaftsprogramm” vereint grundsätzlich widersprüchliche Forderungen wie den Austritt aus dem Euro und die Verbesserung „gleichberechtigten” Zugangs zu Import- und Exportmärkten, Rohstoffen und Handelswegen für deutsche Unternehmen weltweit. Abgerundet wird das reaktionäre Sammelsurium durch Forderungen wie die Einführung eines „Baby-Begrüßungsgeldes in Form von Bargeld oder sofortigem Steuernachlass”. Der rechte Flügel strebt letztlich an, die AfD als „außerparlamentarische” Kraft beim rechten Mob zu verankern – und betreibt genau das seit langer Zeit fernab von Parteitagen besonders erfolgreich in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Die nach wie vor verbliebenen Neoliberalen fürchten sich zu Recht, dass hier Fakten geschaffen werden. Petry möchte die AfD als bürgerliche Alternative rechts der CDU etablieren, um innerhalb der nächsten vier Jahre parlamentarische Mehrheiten stellen zu können. Aus diesem Grund hat sie den innerparteilichen Konflikt vorangetrieben, wohl wissend, dass sie auf den rechten Flügel angewiesen ist, ohne den die AfD recht schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit versinken könnte. Sie hat mit dem Verlust der Spitzenkandidatur und der Ablehnung eines von ihr eingebrachten Antrags zur strategischen Ausrichtung eine Niederlage erlitten. Als SpitzenkandidatInnen wurden Alexander Gauland und Alice Weidel nominiert. Letztere repräsentiert den marktliberalen Flügel und eine stärkere, neo-liberale Ausrichtung der Partei. Obwohl das Programm der AfD nicht einen Funken sozialer Politik enthält, sondern im Gegenteil auf den Abbau und die Privatisierung sozialer Sicherungssysteme abzielt, holt die Partei primär jene Teile des Kleinbürgertums und der Mittelschichten ab, die sich vom sozialen Abstieg bedroht fühlen. Auch wenn sie wie z. B. in den neuen Bundesländern deutliche Gewinne bei Erwerblosen und ArbeiterInnenschichten erzielen kann, so sind die AfD-WählerInnen im Durchschnitt keineswegs einkommensschwächer als die anderer Parteien. Sie sind aber „pessimistischer“ und fühlen sich bedrohter. Die AfD und gerade ihre rassistische Botschaft sind für sie ein Mittel, „Protest” und Empörung zu artikulieren. Dass diese „Alternative zu den Etablierten” ein nur noch reaktionäreres Programm gegen die sozialen Interessen der ArbeiterInnen vertritt, versteckt sie hinter rassistischer Demagogie. Entwicklungsperspektiven Die AfD ist auch nach Köln sicherlich nicht zur faschistischen Partei mutiert. Sie spricht kleinbürgerliche oder Mittelschichten, die um ihren sozialen Status fürchten, an. Sie organisiert sie aber insgesamt nicht als eine formierte oder gar militante Bewegung, sondern als WählerInnen für einen „stärkeren“ Staat, für mehr Repression, mehr Unterdrückung, mehr Abschiebungen, mehr Ordnung. Sie kombiniert ein radikalisiertes national-konservatives Programm mit Wirtschaftsliberalismus. Der Protektionismus, dem sie auch das Wort redet, steht für sie nicht im Gegensatz zur Deregulierung im Land, sondern soll nur den deutschen Konzernen bessere Wettbewerbsbedingungen in der globalen Konkurrenz sichern. So wie Trump „America first“ als Programm zur Durchsetzung des US-Kapitals versteht, will die AfD den EU-Austritt und die Rückkehr zur „eigenen“ Währung, weil sie nur so langfristig die Interessen des deutschen Kapitalismus gesichert sieht. Der innere Gegensatz in der AfD, der in den letzten Jahren und auch wieder in Köln offen hervortrat, wird sie auch in den nächsten prägen. Einerseits kann sie bei einer krisenhaften Zuspitzung der Verhältnisse in der EU und hierzulande sehr wohl zu einer „realpolitischen“ Option werden. Andererseits können genau diese Zuspitzungen auch den Nährboden für den rechts-extremen, völkischen bis zum Faschismus reichenden Flügel abgeben, der sie aus einer Wahlpartei in eine rassistische oder gar „Straßenkampfpartei“ umwandeln will. Die Zukunft der AfD wird sicher nicht nur auf Parteitagen entschieden, sondern vor allem von der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung abhängen. Dass sich die AfD als „Partei der Verzweiflung“ und des Rassismus trotz ihrer Flügelkämpfe etablieren konnte, verdeutlicht die Bedrohung. Für MigrantInnen und Geflüchtete ist der Rechtsruck – nicht nur in Form der AfD, sondern auch des zunehmenden staatlichen Rassismus – schon heute lebensgefährlich. Der Widerstand hat sich bisher auf Symbolik und Aufklärung beschränkt. Das wird nicht reichen, um der AfD gerade unter Lohnabhängigen den Nährboden zu entziehen. Notwendig ist dafür gerade eine Politik, die nicht auf klassenübergreifende Allianzen „der DemokratInnen“ setzt, sondern den anti-rassistischen Kampf als Teil des Klassenkampfes begreift. |
Nr. 219, Mai 2017
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