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Metallindustrie

IG Metall unter Druck

Frederik Haber, Neue Internationale 183, Oktober 2013

Im September haben die Metall-Unternehmer zwei Kriegserklärungen abgegeben: Sie wollen keinerlei Einschränkungen beim Einsatz von Werkverträgen und LeiharbeiterInnen und sie wollen niedrigere Löhne.

„Das Lohnniveau ist insgesamt zu hoch bei uns. Ganz klar.“, meint Stefan Wolf, Chef von Südwest-Metall (Stgt. Ztg., 14.9.13). „Schon in der untersten Entgeltgruppe I, die kaum noch jemand hat, liegen wir bei 2075 Euro Grundentgelt.“, beklagt der Unternehmer-Boss, der pro Tag mehr als diese Summe erhält. Weiter sagt er: „Praktisch fangen bei uns viele Facharbeiter bei 3.000 Euro an, manche Ingenieure bei 4.000 Euro und mehr.“ Auch wenn Wolf hier selbst die hohen baden-württembergischen Metall-Löhne übertreibt, ist es nicht so, dass Wolf deren Arbeit nicht schätzen würde. Aber: „Die Einstiegsgehälter in Ländern wie Spanien, Italien oder in den USA zeigen, dass wir uns auch von der globalen Entwicklung ein bisschen abgekoppelt haben.“ Das ist eine offene Drohung mit der Keule der internationalen Konkurrenz in Richtung IG Metall.

Thema Werkverträge

Das Thema Werkverträge ist für Wolf so brisant, dass er deswegen „ganz eindeutig“ findet,  dass „eine rot-grüne Regierung eine Katastrophe für die Wirtschaft“ wäre. Warum? Die rot/grün geführten Bundesländer haben einen Gesetzesantrag eingebracht, der Betriebsräten ein Mitbestimmungsrecht beim Arbeitsschutz für Werkvertragsbeschäftigte geben würde und die gleichen Rechte, einer Einstellung nicht zuzustimmen, wenn z.B. Festangestellte dadurch benachteiligt würden.

Was wohl eher als Wahlwerbung gedacht war, ist auch eine Reaktion auf die Empörung, die sich im Land breit gemacht hat. Leiharbeit ist schon schlimm genug. In manchen Branchen und Firmen wurden Regelungen wie Lohnaufschläge vereinbart. Firmen wie Daimler aber, deren Manager die Tarifverträge mit aushandeln, umgehen selbst diese Aufschläge für LeiharbeiterInnen. Die ARD deckte das in der Sendung „Hungerlohn am Fließband“ auf.

Die Masche funktioniert so: Bestimmte Arbeiten werden als „Werkvertrag“ an eine andere Firma vergeben. Diese Arbeiten finden dann aber im Betrieb des Auftraggebers statt. Die Werksvertragsfirma setzt dazu LeiharbeiterInnen ein, denen keinerlei Zuschläge zustehen, weder die für Metallindustrie noch die für LeiharbeiterInnen bei Daimler. Bei ihrer Rechtfertigung erklären die Manager dann gern, dass Werkverträge etwas ganz Normales seien und erzählen von den Spezialisten, die man sich nicht dauernd im Betrieb halten könne, sondern nach Bedarf beauftrage.

Das Ergebnis ist dann, dass für eine vergleichbare Arbeit die Bezahlung zwischen 8,19 und 25 Euro extrem schwankt. Das wollen die Kapitalisten jetzt ändern - durch Angleichung nach unten. Die Gewerkschaften werden unter Druck gesetzt, entweder neue Angriffe auf „Rand“-Belegschaften und eine „Verbreiterung der Ränder“ zuzulassen oder alle bluten zu lassen. Echte Einbrüche bei den Kernschichten der Industriearbeiterschaft oder eine noch größere Lohnschere und damit Spaltung innerhalb der Klasse wären das Resultat.

Vorauseilendes Kriechen

Die IG Metall-Führung ist durchaus bereit, diesem Druck nachzugeben. Statt die Situation zu nutzen und diesen Doppelangriff auf alle Beschäftigen mit einer Mobilisierung aller zu beantworten; statt die öffentliche Empörung über Leiharbeit, Werkverträge und Hungerlöhne zu nutzen, wirft sich die Spitze der IG Metall schon mal vor den Kapitalisten auf den Bauch.

Am 26.08.13 konnten wir lesen: „Ihr Zweiter Vorsitzender, Detlef Wetzel, sicherte gegenüber der F.A.Z. jedoch zu, dass seine Gewerkschaft bereit sei, mit den Arbeitgebern über die Einstiegslöhne des Metall-Tarifs zu reden.“ Wenige Tage später, auf einem gemeinsamen Treffen der Auto-Bosse mit der Spitze der IG Metall und der Creme der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden aus Anlass der Internationalen Automobil Ausstellung, griff der zukünftige Vorsitzende der Gewerkschaft das Thema erneut auf.

Wer den Finger reicht ...

Bei Häppchen, Schnittchen und Sekt hatten sich die versammelten Bosse und Bonzen gegenseitig auf die Schulter geklopft, wie toll man sozialpartnerschaftlich durch die Krise gekommen wäre. Da ließ es sich Detlef Wetzel nicht nehmen, seine Führungsqualität dadurch zu beweisen, dass er sein Angebot erneuerte. Allerdings gekoppelt - wie schon im Interview  mit der FAZ - mit der Forderung, dann auch über eine Einschränkung der Werkverträge zu reden.

Wundert es da noch, dass Stefan Wolf sofort in die Offensive ging und beides forderte: Hände weg von den Werkverträgen und niedrigere Löhne dazu - und nicht nur in den unteren Lohngruppen, sondern flächendeckend?! Wundert es da, dass Wolf nicht nur den kleinen Finger will, sondern die ganze Hand des „Strategen“ Wetzel?

Mit seiner Offensive erzeugte Wolf allerdings Empörung, v.a. im Südwesten. Jörg Hoffmann, Bezirksleiter in Baden-Württemberg, musste gegen solche „Einstiegs-Lohngruppen“ Stellung beziehen. Zahlreiche Funktionäre des Arbeit“geber“-Verbands bekamen in den Betrieben ungewohnten Ärger, weil sie öffentlich ein Abrücken der baden-württembergischen Regierung von dem bescheidenen Gesetzesantrag zu Werkverträgen gefordert hatten.

Ein Widerspruch zwischen Wetzel und Hoffmann also? Kein großer. Innerhalb des Gewerkschaftsapparats gibt es in jedem Fall Einigkeit, dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Metallindustrie zu verteidigen sei. Fraglich ist nur, ob dazu solch gravierende Einschnitte nötig seien und wenn, welche.

Die Linie der „Tarifexperten“ lautet, dass entlang der „Wertschöpfungskette“ Tariflöhne zu zahlen seien. Der Umkehrschluss: Außerhalb der „Wertschöpfungskette“ nicht mehr. Konkret hieße das: Wer die Schraube reindreht, erhält IGM-Tarif; wer sie bringt, aber nicht.

Folgen der IGM-Logik

Gemäß dieser Logik haben Betriebsräte schon viele Ausgliederungen und Leiharbeit akzeptiert. Das wird weitergehen. Es dürfte gerade im Südwesten eine Pilotvereinbarung geben, allerdings nicht mit einer Entgeltgruppe minus 1. Die Dementis des Bezirksleiters Hoffmann weisen in eine andere Richtung: Einen Extratarif für „produktionsnahe Dienstleistungen“.

Natürlich wird das als „Fortschritt“ verkauft werden: LogistikarbeiterInnen, die bislang rund acht Euro erhielten, werden auf ein Niveau irgendwo zwischen 8 und 15 Euro angehoben. Auf dieses Niveau werden dann alle bisherigen Arbeitsplätze, die noch im Metalltarif sind, und einigermaßen als „produktionsnah“ deklariert werden können, abgesenkt. Das sind die die Methoden der Bürokratie.

Diese können und müssen bekämpft werden! Es gilt, jetzt den Protest gegen Wolf und Wetzel auszunutzen. So hat der Arbeitsausschuss der Gewerkschaftslinken und der Stuttgarter Metallertreff einen Offenen Brief an Wetzel aufgesetzt, für den bis zum Gewerkschaftstag im November Unterschriften gesammelt werdensollen .

So kann der steigenden Unzufriedenheit in der IG Metall mit dieser Führung Ausdruck gegeben werden.

Denn es ist klar, dass der langsame Ausverkauf keine langfristige Perspektive hat. Immer mehr Leuten reicht es nicht, sich damit zufrieden zu geben, dass es anderen noch schlechter geht. Es gilt aber auch aufzuzeigen, dass die Quelle des Ausverkaufs - der Pakt der IGM-Spitze mit der dem deutschen Exportkapital - bekämpft werden muss. Stattdessen gilt es, für die Solidarität in der Klasse zu kämpfen: zwischen allen Lohnabhängigen, zwischen den ArbeiterInnen aller Länder.

Der Offene Brief an Wetzel und Unterschriftenlisten finden sich auf:

http://www.labournet.de/gewlinke/

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Nr. 183, Oktober 2013
*  Bundestagswahl: Vor einer Großen Koalition?
*  Heile Welt
*  Berliner GEW-Streiktage: Der Kampf hält an
*  Kongress der Gewerkschaftslinken: Ein Aufbruch ist nötig
*  Metallindustrie: IG Metall unter Druck
*  Neue Anti-kapitalistische Organisation: Wie weiter?
*  Wurzeln des Rassismus: Nation, Ausbeutung, Imperialismus
*  München: Solidarität mit den Flüchtlingen!
*  90 Jahre deutscher Oktober: Die verpasste Revolution
*  Solidarität mit TextilarbeiterInnen in Pakistan: Freiheit für die "Sechs aus Faisalabad"
*  Griechenland: Naziterror stoppen!
*  UN-Resolution zu Syrien: Abkommen gegen die Revolution