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Warnstreiks Buchhandel und Buchverlage

Ein guter Anfang

Helga Müller, Neue Internationale 175, Dezember 2012/Januar 2013

Sei dem 1. April 2012 ist der Entgelttarifvertrag für den Buchhandel und die Buchverlage gekündigt. Der Manteltarifvertrag (MTV) gilt noch weiter. Die Forderungen sind: 6 Prozent mehr Geld, mindestens aber 110 Euro, um die Diskrepanz zwischen den Gehaltsgruppen nicht zu groß werden zu lassen, 55 Euro mehr für Azubis und eine Laufzeit von 12 Monaten.

Erste Verhandlungen

Erst im Oktober 2012 gab es eine erste Verhandlungsrunde zwischen der ver.di-Tarifkommission und dem Arbeitgeberverband. Statt eines Gehaltsangebots beklagte sich der Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes Nitz von der Buchhandelskette Hugendubel über die angeblich desolate wirtschaftliche Situation der Branche, die es dem Verband nicht erlaube, ein Gehaltsangebot zu machen. Er müsse jeden Prozentpunkt Gehaltserhöhung in Arbeitsplatzabbau umsetzen und drohte darüber hinaus noch mit Tarifflucht als möglicher Option.

Dabei verschweigt er, dass sich Hugendubel mit der konkurrierenden Buchhandelskette Thalia, die zum Parfümeriekonzern Douglas gehört, einen ruinösen Wettlauf beim Ausbau der Verkaufsflächen geboten hat, den sie jetzt zurückfahren müssen - verbunden mit Arbeitsplatzbau. Dazu kommt, dass der stationäre Buchhandel den Aufbau von Online-Portalen verschlafen hat und ihnen die Konkurrenz aus den USA - amazon - davon rennt. Dass sich der stationäre Buchhandel und die großen Buchhandelsketten in einer tiefen Krise befinden stimmt - aber nicht die gesamte Branche.

Darüber hinaus hatte der Verhandlungsführer nicht die Möglichkeit wahrgenommen, sich mit der Geschäftsführung des Weltbildverlags über ein Gehaltsangebot zu einigen. Die ver.di-Tarifkommission brach daraufhin die Verhandlungen ab und vereinbarte einen neuen Termin für den 29. November mit der Aufforderung, dann ein verhandlungsfähiges Gehaltsangebot vorzulegen.

In der Zwischenzeit bereitete die ver.di-Tarifkommission Warnstreiks beim Weltbildverlag in Augsburg, bei der Buchhandelskette Hugendubel in München und bei dem juristischen Fachverlag Hüthig Jehle Rehm (HJR) in München vor, um am Tag nach der 2. Verhandlung in Warnstreiks gehen zu können.

Erpressung

Am 29. November trafen sich beide Parteien wieder. Die Verhandlungen gestalteten sich sehr kurz,  weil der Arbeitgeberverband ein „Angebot“ unterbreitet hatte, das nicht anders als eine Erpressung der Tarifkommission und der Belegschaften genannt werden kann:

1,2 Prozent erst ab 01.10.13;

Laufzeit von 24 Monaten (ab 01.04.12);

der Manteltarifvertrag bliebe ungekündigt bis 31.12.14 in Kraft.

Falls ver.di dies ablehnt, drohte der Arbeitgeberverband mit Kündigung des Manteltarifvertrags bereits zum 31.05.13.

Zurecht brach ver.di die Verhandlungen sofort ab, denn 18 Monate ohne Erhöhung und 1,2 Prozent ab dem 1.10.13 entsprechen umgerechnet auf zwölf Monate unterirdischen 0,3 Prozent - ein Affront angesichts der zuletzt stärker gestiegenen Lebenshaltungskosten!

Der Arbeitgeberverband hatte darauf gesetzt, dass ver.di auf diese Erpressung eingehen könnte. Warum? Erstens, weil ver.di in diesem Bereich sehr schwach ist und es nicht viele Streikbetriebe gibt. Zweitens, weil in den letzten Jahren der MTV immer zusammen mit dem Entgelttariftarifvertrag verhandelt wurde und ver.di und die aktiven Belegschaften zugunsten der Verlängerung des MTVs (mit kleineren Zugeständnissen, die in der Tarifkommission nicht unumstritten waren, aber nicht die Substanz des MTVs aufgeweicht hatten wie in anderen Branchen) auf angemessene Entgelttariferhöhungen verzichten mussten.

Die ver.di-Tarifkommission hat sich konsequenterweise - auch wenn sie in diesem Bereich sehr schwach ist -, dazu entschlossen, die Belegschaften von Weltbild, Hugendubel und Hühtig Jehle Rehm zu ersten Warnstreiks am 30. November aufzurufen. Die Beschäftigten dieser Betriebe folgten dem Aufruf - die einzig richtige Antwort auf diese Schweinerei. Bei Weltbild Augsburg waren es ca. 500 Beschäftigte des Versands, so dass die Versandbänder still standen. Dieser Warnstreik wurde am 1.12. fortgesetzt. Die Belegschaft ist entschlossen, die ver.di-Forderungen mit dem Arbeitskampf durchzusetzen. Auch ca. 80 Prozent der anwesenden KollegInnen von Hüthig Jehlre Rehm waren am 30. November im Warnstreik. Bei den Buchhandlung Hugendubel in München beteiligten sich über 50 Beschäftigte im Anschluss an eine Betriebsversammlung an einem befristeten Warnstreik und zogen am Freitag gemeinsam vor die Hugendubel-Filiale am Stachus. Dort haben sie gegen das Angebot protestiert, viele Passanten hatten für den Protest großes Verständnis.

Auf den Streikversammlungen bei Weltbild und HJR wurde darüber diskutiert, die Streiks noch vor dem nächsten Verhandlungstermin am 19. Dezember fortzuführen.

Kontrolle durch die Basis!

Jetzt kommt es darauf an, dass die streikbereiten und -fähigen Belegschaften ihre Warnstreiks fortführen und so lange streiken, dass die Geschäftsführungen die Streiks auch ökonomisch spüren. Parallel mit den Kampfmaßnahmen kann auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad gesteigert werden. Streiks sind immer die beste Grundlage, um den noch nicht organisierten KollegInnen die Notwendigkeit sich zu organisieren, deutlich zu machen.

Die Tarifrunde muss weiter unter der Kontrolle der aktiven Belegschaften bleiben. Auf Streikversammlungen und vorbereitenden Versammlungen müssen die Belegschaften über die Verhandlungen informiert werden und über die Kampfmaßnahmen und über den Tarifabschluss entscheiden können. Noch nicht streikfähige Verlage und Buchhandlungen müssen informiert und möglichst in Aktionen einbezogen werden.

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Nr. 175, Dez. 2012/Jan. 2013
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*  Generalstreik in Spanien: Ein Signal an Europa
*  Heile Welt
*  Flüchtlingscamp am Berliner Oranienplatz: Ein zweites Leben
*  Streik bei Neupack: Gemeinsam gegen Krüger
*  IT-Industrie: Neue Entlassungen
*  Warnstreik Buchhandel und Verlage: Ein guter Anfang
*  Bombardier in Aachen: Gegen die Schließung!
*  Syrien: Sieg der Revolution! Nein zur US-Intervention!
*  Palästina: Brüchiger Waffenstillstand
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