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Generalstreik in Spanien

Ein Signal an Europa

Von einem Korrespondenten in Madrid, Dienstag 20.11.2012, Infomail 657, 27. November 2012

Am 14. November zeigte die spanische Arbeiterklasse ihre Wut und ihren Widerstand gegen die Sparpolitik der Rechts-Regierung unter Premierminister Mariano Rajoy mit Streiks und mehr als hundert Demonstrationen.

Ein Aufschrei

In Madrid und Barcelona versammelten sich Hunderttausende, in Malaga fand die größte Demonstration seit 1977 statt und die Zahl der TeilnehmerInnen war auch in allen anderen Städten bemerkenswert. Ein Aufschrei, der nicht nur von der Regierung gehört werden sollte, die erst vor 11 Monaten gewählt wurde und schon dem zweiten Generalstreik standhalten musste, sondern auch von linken Parteien und den Gewerkschaftsführungen.

Es ist eindeutig, dass es eine Alternative zur ultra-liberalen Politik der Partido Popular und ihrer mehr als gleichgültigen Haltung gegenüber den aufstrebenden Faschisten gibt. Doch was die Arbeiterklasse besorgt, ist das Fehlen einer effektiven Führung in der Linken, von linken Alternativen und die faule und unfähige Art der Gewerkschaftsführungen. All dies lähmt die Arbeiterklasse. Aber der 14. November hat gezeigt, dass die spanische Arbeiterklasse bereit für den Kampf ist.

Die Führungen der großen Gewerkschaften CCOO (Comisiones Obreras) und UGT (Unión General de Trabajadores) sollten diese Bereitschaft der ArbeiterInnen zur Kenntnis nehmen und sofort die Kompromissversuche mit den Chefetagen und deren Partei aufgeben. Sie müssten nun den Kampf gegen die Kürzungen mit Härte und Entschlossenheit anführen und zu einem neuen Generalstreik aufrufen.

Die Arbeiterklasse ist bereit für den Kampf, aber die politischen Führungen und die der Gewerkschaften müssen das Vertrauen der ArbeiterInnen, das sie in fünf Jahren Krise und während des Abbaus des Sozialstaates und der sozialen Rechte verloren haben, wiedergewinnen. Trotz allem war der 14. November ein aufbauender Tag für die Arbeiterklasse, die sich bisher nur auf andere Art, nicht mit effektiven Klassenkampfaktionen, sondern mit eher symbolischen Aktionen Gehör verschaffen musste: z.B. am 15. Mai (dem Tag der Indignados) oder am 25. September, als der Kongress umzingelt wurde.

Der einzige erfolgreiche Weg für die Arbeiterklasse sind die branchenweiten und Generalstreiks, v.a. wenn sie in einem internationalen Kontext geschehen, wie es dieses Mal der Fall war. Nun waren auch die KollegInnen in Portugal beteiligt und in anderen Ländern, die im permanenten Angriff der KapitalistInnen stehen, wie  in Griechenland und Italien, aber auch in Zypern, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.

Die zunehmende Infragestellung der bürgerlichen Demokratie ist zweifellos präsent in der spanischen Gesellschaft. Ein System, das nach dem „exemplarischen Wandel zur Demokratie“, einen Staat hervorbringt, der nur den Kapitalisten und ihren Interessen dient, ein Staat, der RentnerInnen dazu zwingt, ihre Medikamente selbst zu bezahlen, damit er marode Banken retten kann. Dieses In-Fragestellen zeigte sich auf Demonstrationen durch Slogans wie „Zusammen können wir es schaffen“, „Das vereinte Volk ist unschlagbar“, „Wir nehmen die Kürzungen nicht hin“ oder „Ein Generalstreik wird gebraucht“.

Vielen ArbeiterInnen wurde klar, was lange in Vergessenheit geraten war: ohne sie funktioniert nichts. Kein Bus würde fahren, Fabriken würde nichts produzieren, es würde nichts mehr zu essen geben. Daraus ergibt sich die Macht, bessere Arbeitsbedingungen, Gesundheitsversorgung, Schulbildung und Sozialleistungen zu fordern.

Wenn die Gewerkschaftsführungen durch ihre Arbeit eine Behinderung zur Erreichung dieser Ziele darstellen, müssen sie ihres Amtes enthoben werden. Die Gewerkschaften müssen einen Weg vom Protest zum Kampf um die Macht führen - ansonsten verlieren sie jegliche Legitimation, die spanische Arbeiterklasse zu repräsentieren. Wir müssen die Erfahrung der Einheit vom 14. November im Kopf behalten und ausbauen, um uns für die nächsten Kämpfe gegen die Angriffe der Herrschenden bereit zu machen. Das Wichtigste jedoch ist, alle Verbindungen und Kooperationen mit den Herrschenden zu brechen, andernfalls ist unser Kampf verloren.

Wir sollten alle eine organisierte Wiedergeburt der Gewerkschaften fördern, die Mitglieder gewinnen können für den Kampf gegen die immensen Kürzungen der Partido Popular, gegen die schamlosen Angriffe der schon fast faschistischen Massenmedien und die zunehmenden Einbußen der Arbeiterklasse. Dies kann aber nur durch eine grundlegende Demokratisierung der Gewerkschaften umgesetzt werden: das ist auch die Forderung der Straße.

Die jetzigen Führungen haben eine klar Botschaft erhalten: sie müssen die Kampf führen, so dass wir uns alle zusammen gegen die Angriffe der Herrschenden verteidigen können, damit wir für eine andere Gesellschaft kämpfen können, frei vom Kapitalismus, dem Grund für Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit.

Dunkle Aussichten

Während wir die guten Resultate des Streiks und auch der Demonstrationen feiern, sollten wir jedoch nicht blind werden für die weniger erfreulichen Aspekte dieses Tages.

Der Streik wurde von in der Großindustrie und in der Bauwirtschaft massiv befolgt, was beweist, dass die Arbeiterklasse nach wie vor der einzige Teil der Gesellschaft ist, der dazu im Stande ist, organisierten Widerstand zu formieren. Es zeigt andererseits auch die Schwäche von Initiativen wie „Wir sind die 99%“, oder die „neue“ Idee eines ehemaligen Führers der „Vereinigten Linken“, dass wir eine „breite Allianz“ kreieren müssten, ein Bündnis, das auch die „vernünftigen“ Kapitalisten einschließt. Nein, wir sind keine 99%, wir sind etwas weniger - aber wir sind die Arbeiterklasse und zusammen mit den StudentInnen und SchülerInnen, die bei den Demonstrationen und Streiks ebenfalls eine große Rolle gespielt haben, sind wir diejenigen, die die Welt verändern können.

Der Streik am 14.November war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber er war auch kein vollkommener Erfolg. Das Land wurde nicht komplett lahmgelegt, dieser Streik war noch nicht in der Lage, erfolgreichen Widerstand gegen eine Regierung zu bilden, die nahezu alle politische Macht in Spanien, in allen Bereichen - lokal, regional und national - inne hat. Ein gezähmter Streik, der alle Gesetze respektiert, ist nicht genug.

Der Aufruf der Gewerkschaftsführer kam wie immer viel zu spät. Sie bauten darin groteske Forderungen ein, wie ein Referendum über die Kürzungen. Sie versuchten,  die Bewegung unter Kontrolle zu halten. Sie akzeptierten das Argument, dass während des Streiks ein “Minimum an Dienstleistungen” gewährleistet sein müsste, v.a. im Öffentlichen Dienst, so dass der Streik in einigen Sektoren fast bedeutungslos war.

In kleinen Unternehmen und Produktionsstätten wurde in der Regel nicht gestreikt. Dafür gibt es zwei Gründe: Einer ist das Vorhandensein von reaktionären Streikbrechern in der Arbeiterklasse, die sich selbst als „Mittelklasse“ betrachten. Der andere ist das repressive reaktionäre Arbeitsrecht, das für viele ArbeiterInnen gerade in den Kleinbetrieben bedeutet, dass sie ihren Job verlieren, wenn sie sich an  Streiks beteiligen. Die eigentliche Verantwortung dafür liegt bei den Gewerkschaftsführern, die alles unternahmen, um den Streik innerhalb des engen Rahmens der bestehenden Gesetze zu halten und damit seine Effektivität einschränkten.

Auch kleine Läden schlossen auch nicht. Das zeigt, dass diese „Bürger“ der „Mittelklasse“, also Kernschichten des Kleinbürgertums, nicht nur eine besondere soziale Kraft darstellen, sondern - wie traditionell in Spanien - auch eine zutiefst reaktionäre Klasse sind.

Nicht zu vergessen ist natürlich die die Polizei, die wieder einmal gezeigt hat, dass sie nicht davor zurückschreckt, Köpfe einzuschlagen, wenn es ihnen befohlen wird. Und zwar die Köpfe derer, die ihr Gehalt durch Steuern bezahlen. Dieses Geld wäre in Bildung und Gesundheit wohl weit besser investiert, als im Portemonnaie dieses quasi-faschistischen Abschaums.

Die Regierung der Partido Popular weiß, dass sie vielen Streiks wie diesem Stand halten kann, ohne dass ihre Politik in Gefahr gerät. Sie können ungehindert mit der Plünderung der Arbeiterrechte und sozialen Errungenschaften von Jahrzehnten des Kampfes fortfahren, so wie sie auch den Sozialstaat nach und nach zu Grunde richten können, weil sie eben keiner handlungsunfähigen, effektiven Opposition gegenüber stehen.

Die spanische Arbeiterklasse brauchte eine revolutionäre Alternative zu diesen Kräften, die die Frage der Macht klar und unmissverständlich stellt. Eine politische Alternative, die für den Kampf um eine neue Gesellschaftsordnung eintritt, in der soziale Gerechtigkeit herrscht anstelle des kapitalistischen Systems; eine Alternative, die nur international funktionieren kann - als eine neue Weltpartei der sozialistischen Revolution. Andernfalls werden letztendlich die Reaktionäre den Sieg davon tragen.

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Nr. 175, Dez. 2012/Jan. 2013
*  Nach dem europäischen Aktionstag vom 14. November: Was nun?
*  Firenze 10+10: Treffen der Totengräber?
*  Generalstreik in Spanien: Ein Signal an Europa
*  Heile Welt
*  Flüchtlingscamp am Berliner Oranienplatz: Ein zweites Leben
*  Streik bei Neupack: Gemeinsam gegen Krüger
*  IT-Industrie: Neue Entlassungen
*  Warnstreik Buchhandel und Verlage: Ein guter Anfang
*  Bombardier in Aachen: Gegen die Schließung!
*  Syrien: Sieg der Revolution! Nein zur US-Intervention!
*  Palästina: Brüchiger Waffenstillstand
*  Ägypten: Der 18. Brumaire des Mohammed Mursi







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