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Nachlese zu Umfairteilen

Vom lauen Herbstlüftchen in den Winterschlaf?

Tobi Hansen, Neue Internationale 173, Oktober 2012

Die Initiative „Umfairteilen - Reichtum besteuern“, die hauptsächlich von ver.di, dem Sozialverband VdK und attac ins Leben gerufen wurde, hatte am 29. September ihren  bundesweiten Aktionstag. Positiv anzumerken ist, das sich die Aktionen innerhalb weniger Wochen verbreiterten. Waren zunächst nur in 5 Städten Demos und Kundgebungen geplant, so waren es Ende September gut 40.

Frankfurt, Berlin und Hamburg lagen mit jeweils rund 5.000 auf der Straße an der Spitze. In Berlin und Hamburg trugen v.a. die Gewerkschaften und die Linkspartei dazu bei. Immerhin haben sich DGB-Gewerkschaften und DIE LINKE - die letzten größeren Protestdemos zur Krise fanden 2010 (!) in Stuttgart und Berlin statt - überhaupt mal wieder zur sozialen Frage in Krisenzeiten auf die  Straße getraut.

Hier endet aber die „positive“ Seite des Aktionstages auch schon.

Harmlos - nicht mehr

2009/10 standen die Slogans „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ und „die Krise heißt Kapitalismus“ im Zentrum der Mobilisierung. Damit brachten breite Bündnisse jeweils 20 bis 30.000 auf zwei große Demonstrationen in je zwei Städten.

Im Vergleich dazu ist Umfairteilen sowohl politisch, als auch bezüglich der Mobilisierung ein Rückschritt. Die Hauptforderung „Reichtum besteuern“ wie die gesamte Aktion wurden im wesentlichen auf die Lage in Deutschland ausgerichtet. Die Großorganisationen vermieden jede  Anknüpfung an die aktuellen Klassenkämpfe in Südeuropa.

In Berlin forderte attac Dagobert Duck auf, Geld abzugeben - während zugleich die spanischen Attac-AktivistInnen von der Polizei inhaftiert und verprügelt wurden. Die Proteste von 2009/10 waren auch deutlich antikapitalistischer ausgerichtet. Bei den aktuellen Protesten konnten sich so auch  SPD und Grüne problemlos einreihen, schließlich will sogar SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück zumindest „einige“ Reiche „etwas“ stärker besteuern.

In Hamburg sprach mit Alexis Tsipras immerhin der Wortführer von Syriza und hielt eine kämpferisch-reformistische Rede, bei der er den baldigen Fall der griechischen Regierung versprach und eine linke Regierung, die das Papier, auf dem die Sparauflagen gedruckt sind, zerreißen werde. Auch wenn Tsipras nicht verriet, wie eine solche Regierung zustande kommen soll, und wie sie den unvermeidlichen Angriff des griechischen wie des imperialistischen Kapitals zu begegnen trachtet, so war seien Rede noch ein kämpferischer Höhepunkt inmitten einer drögen Mischung aus politischer Harmlosigkeit und Bittstellerei.

Blamage

Die 40.000 Teilnehmenden im Bundesgebiet sind aber auch eine politische Blamage für die reformistischen Initiatoren wie ver.di-Chef Bsirske - nur für höhere Steuern für Spitzenverdiener und ohne zu sagen, wie sie ihre Ziele durchzusetzen gedenken, bekamen sie ihre Basis nicht auf die Straße.

Bei den ver.di und IGM-Warnstreiks im Frühjahr waren Hunderttausende beteiligt, auch attac hatte in Berlin schon mal mehr auf der Straße - aber letztes Mal hieß es noch „Banken in die Schranken“ während der „Occupy“-Demos im Herbst 2011.

Wenn täglich in Griechenland, Spanien, Portugal, Irland, Britannen, Rumänien etc. gezeigt wird, wie die Krise vom Kapital gelöst werden soll - auf Kosten der Beschäftigten, RentnerInnen und der Jugend, während den Banken die Billionen hinterher geschmissen werden, dann fällt es schwer zu glauben, eine irgendwie „gerechtere Steuerpolitik“ könnte an der Krise etwas ändern. Stattdessen zahlt „der Bundesbürger“ 13-16% Dispozinsen, während „seine“ Bank Geld fast umsonst bekommt.

Wenn also die reformistischen Organisationen an eine Umfairteilung appellieren, so hoffen sie, dass der Staat das für sie tut - mit einer rot/grünen oder rot/grün/roten Bundesregierung. Da ist selbst der französische Präsident Hollande mit seinen Steuerplänen radikaler als DGB und attac.

Vor allem aber gab es bei den Demonstrationen keine Handlungs- und Aktionsperspektive über den Tag hinaus. Während sich die Ereignisse in Südeuropa überschlagen und tatsächlich für einen heißen Herbst sorgen, bereiten sich die Demo-Organisatoren hierzulande in der lauen Septemberluft offenkundig auf den Winterschlaf vor.

Von den Spitzen der reformistischen und gewerkschaftlichen Großorganisationen ist hier nichts zu erwarten. Um eine kämpferische Bewegung gegen die Krise und in Solidarität mit den ArbeiterInnen, Jugendlichen, MigrantInnen und RentnerInnen in Südeuropa aufzubauen, müssen wir selbst - BasisgewerkschafterInnen und Beschäftigte, AktivistInnen von sozialen Bewegungen, linke Organisationen usw. - die Initiative in die Hand nehmen. In den Gewerkschaften und Massenorganisationen müssen wir jeden Schritt unterstützen, Aktionen einzufordern - ohne auf Beschlüsse oder gar „Initiativen“ von oben zu warten.

Ein erster Schritt ist der Aufbau von Solidaritätskomitees für die Kämpfe in Südeuropa, wir müssen Solidarität und Widerstand praktisch machen. Daher fordern wir auch alle Gruppen auf, die bei Umfairteilen auf der Straße waren, sich an solchen Solidaritätskomitees zu beteiligen, diese aufzubauen und deren Aktionen zu unterstützten!

Am 25. September gab es in Berlin eine Unterstützungsdemo für den Generalstreik in Griechenland und die Bewegung in Spanien. In Berlin waren 300 auf der Straße, in Hamburg und Stuttgart jeweils 50. Das ist nicht viel, aber ein Anfang. Ziel muss es sein, jene Tausende, die am 29. September demonstrierten, auch für die Solidaritätsdemos auf die Straße zu bringen!

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Nr. 173, Oktober 2012
*  Europa: Ein heißer Herbst
*  Spanien: Das neue Griechenland
*  Veranstaltungsbericht: Solidarität mit Griechenland
*  Nachlese zu UmFAIRteilen: Vom Herbstlüftchen zum Winterschlaf?
*  Autoindustrie: Comeback der Krise
*  SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück: Merkel-Flüsterer
*  Gewerkschaftslinke: Holpriger Neustart
*  Soziale Lage: Perspektive Armut
*  NAO: Eine neue Chance
*  Syrien: Warum ich mich dem Aufstand anschloss
*  Wahlen in Venezuela: Chavez wählen?
*  Heile Welt
*  Rassismus: Wider Islamhetze und religiöse Doppelmoral



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