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Arbeiterbewegung, Krieg und Krise

Interview mit P.D. Sanarapala (SPSL), Neue Internationale 128, April 2008

P.D. Sanarapala, Mitglied des Exekutivkomitees der Sozialistischen Partei Sri Lankas (SPSL), sympathisierende Sektion der Liga für die Fünfte Internationale, und Vorsitzender der Joint Health Services Union.

Neue Internaionale (NI): Wie schätzt die SPSL die politische und ökonomische Lage in Sri Lanka ein?

Antwort (A): Die Inflation ist sehr hoch. Die Güter des Grundbedarfs sind sehr teuer. Im letzten Budget hat die Regierung den armen Schichten der Bevölkerung keinerlei Zugeständnisse gemacht.

Die ArbeiterInnen im privaten und öffentlichen Sektor hatten die Hoffnung, dass ihre Löhne zumindest zum Teil angehoben würden. Doch es gab keinerlei Zugeständnisse.

Die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung verschlechtern sich daher immer mehr.

Die Regierung hat im letzten Budget enorme Summen für den Krieg eingeplant und Präsident Rad möchte, dass die Arbeiterklasse und die Armen den Gürtel enger schnallen, um so den Krieg finanzieren und gewinnen zu können. Er hat versprochen, jedes Problem innerhalb von zwei, drei Monaten zu lösen. Doch das ist unmöglich!

Der Krieg stellt das Land vor massive Probleme. Wir glauben nicht, dass die Regierung die nationale Frage und den Krieg lösen kann. Und wie sollen die Preise sinken, wie soll die Inflation gestoppt werden? Wie soll die Regierung Geld erhalten, um das Land zu entwickeln? Die Regierung hat noch immer nicht ihr sozial-ökonomisches Programm erklärt. Sie erzählen viel - um die Bevölkerung zu täuschen.

Die Regierung wird die Krise im Land noch verschärfen. In den nächsten sechs Monaten werden wir das erleben. Die Regierung wird keines der Probleme lösen, vor denen das Land steht. Sie gibt vor, dass es eine Wahl in der östlichen Provinz gebe, dass dort „Normalität“ herrsche - aber welche Normalität herrscht dort? Es gibt eine Reihe paramilitärischer Gruppen mit Waffen wie die Gruppe Kurumas (eine Überläuferin aus der LTTE, die sich der Regierung ungeschlossen hat und große Teile des Ostens kontrolliert).

In Wirklichkeit wird sich in der kommenden Periode die Lage auch in der östlichen Provinz verschärfen.

Die Regierung hat Wahlen in der östlichen Provinz durchgeführt. Wir glauben, dass jetzt landesweite Wahlen folgen werden, um einerseits „Normalität“ im Land zu demonstrieren und andererseits die parlamentarische Mehrheit der Regierungsallianz auf  einer Welle des Chauvinismus zu erhöhen. Damit hofft die Regierung, einem Stimmungsumschwung der Bevölkerung zuvorzukommen.

NI: Wie stehen die Oppositionsparteien zu Krieg und Krise?

A: Die große Oppositionspartei UNP hat keine Lösung. Sie ist eine traditionelle Partei der Kapitalisten. Sie würde dasselbe ökonomische und sozialpolitische Programm umsetzen, das Rad eingeführt hat.

Unglücklicherweise gibt es keine linke Opposition. Falls es Wahlen geben sollte, würden viele wieder UNP wählen, sie könnte unter bestimmen Bedingungen eine Mehrheit im Parlament erhalten. Aber auch die UNP wird keine Lösung der nationalen Frage bringen.

Gegenwärtig können wir sehen, dass auch sie den Krieg gegen die Tamilen unterstützen.

Die JVP auf der anderen Seite gibt vor, „marxistisch-leninistisch“ zu sein und tritt auf lokaler und Wahlebene mit sozialen Versprechungen und „sozialistischen“ Losungen an. Aber, dass sie sich selbst „progressiv“ nennen, ist eine einzige Lüge. Sie hat selbst die Aufkündigung des Waffenstillstandes mit der LTTE gefordert und warf der Regierung vor, den reaktionären Krieg gegen die LTTE nicht entschlossen genug zu führen. Jetzt stützt sie die Regierung und hat auch ihrem Budget zugestimmt. Die JVP ist eine reaktionäre, chauvinistische Kraft.

NI: Was schlagt ihr zum Kampf gegen Inflation und Krieg vor?

A: Es gibt keine Lösung, ohne dass die Arbeiterklasse die Initiative ergreift - und zwar gegen die Regierungsallianz und gegen die bürgerliche Opposition UNP. Wir agitieren and propagieren für eine Einheitsfront der Arbeiterklasse zum Kampf gegen die Angriffe auf die Lebensbedingungen und gegen den Krieg.

NI: Welche Losungen stellt ihr ins Zentrum?

A: Zentrale Forderungen sind Preissenkungen der grundlegenden Güter und Steigerung des Mindestlohns für die Armen, Erhöhung der Löhne, um die Preissteigerung auszugleichen. Wir fordern: Stoppt den Krieg! Nur so ist die Lösung der nationalen Fragen auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des tamilischen Volkes möglich.

NI: Wie soll das verwirklicht werden?

A: Wir rufen zur Bildung von Konsumentenkomitees zur Kontrolle der Preise auf. Gegen die Verschlechterung der Lebensbedingungen und zur Sicherung der Einkommen treten wir für eine landesweite Kampagne ein mit Massenaktionen, Demonstrationen bis hin zum Generalstreik, um die Regierung zu Fall zu bringen.

NI: Welche Haltung nehmt ihr zum Befreiungskampf der Tamilen ein?

A: Vom Beginn des parlamentarischen Systems in Sri Lanka haben die bürgerlichen Parteien die „tamilische Frage“ benutzt, um ihr eigenes Regime zu sichern. Die Führer tamilischer Parteien hatten damals auch den bürgerlichen Hauptparteien UNP und SFLP  Unterstützung gegeben, um ein paar Zugeständnisse für die tamilische Bevölkerung im Norden, Süden und Osten rauszuholen. Die bürgerlichen Parteien haben ihrerseits die tamilischen Politiker ausgenutzt und das tamilische Volk betrogen.

Die linken Parteien wie die LSSP und die KP haben den Kampf gegen die Unterdrückung der Tamilen aufgegeben.

Die Formierung der Guerilla und insbesondere der LTTE war ein Resultat dieser Situation, in der die Tamilen immer härterer Unterdrückung ausgesetzt und von den parlamentarischen Kräften wie von der Linken in Stich gelassen wurden. Das ist der Grund, warum es 1983 zum bewaffneten Kampf und zum Bürgerkrieg kam. Seither sind hunderttausend Menschen oder mehr getötet wurden, die Ressourcen des Landes wurden zunehmend im reaktionären Krieg der Regierung verpulvert.

Daher glauben wir auch, dass es keinen Frieden geben kann ohne Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Tamilen, einschließlich ihres Rechtes, einen eigenen Staat zu formieren, wenn sie das wollen.

Wir unterstützen den Befreiungskampf der Tamilen, wir sind für die Freilassung der politischen Gefangenen, den sofortigen Abzug der sri-lankesischen Truppen aus dem Norden und Osten des Landes und die Anerkennung aller tamilischen Organisationen.

Aber wir stimmen mit der Politik der LTTE nicht überein. Sie ist eine kleinbürgerliche Kraft, die kein Programm für die soziale Befreiung der tamilischen ArbeiterInnen hat - insbesondere nicht für jene, die z.B. auf den Plantagen im Süden und Zentrum des Landes unter bedrückender Ausbeutung und polizeilicher Repression arbeiten müssen.

NI: Was sind die Hauptaktivitäten der SPSL?

A: Wir versuchen, eine Einheitsfront in der Arbeiterklasse mit Gewerkschaften und linken politischen Parteien aufzubauen. Zum 1. Mai schlagen wir eine gemeinsame Demonstration/Kundgebung aller linken und proletarischen Kräfte auf Grundlage des gemeinsamen Kampf gegen Inflation, gegen die Angriffe auf die Arbeiterklasse, gegen Krieg und Chauvinismus und unabhängig von den bürgerlichen Parteien und der JVP vor.

Das ist sehr wichtig, weil die USP, von der wir uns abgespaltet haben, ein Bündnis mit der bürgerlichen UNP gegen den Krieg initiieren wollte und der Illusion aufsaß, dass die UNP die nationale Frage lösen würde.

Die NSSP andererseits hat das zwar korrekterweise abgelehnt. Doch sie lehnt es zugleich ab, eine revolutionäre Arbeiterpartei in Sri Lanka aufzubauen. Stattdessen schlägt sie vor, eine „breite“ Partei aus Revolutionären und Reformisten zu bilden.

Wir hingegen denken, dass es notwendig ist, eine revolutionäre Partei aufzubauen, die eine klares Programm hat und unabhängig von allen bürgerlichen Kräften für die sozialistische Revolution und die Machtergreifung der Arbeiterklasse kämpft.

NI: In welchen Gewerkschaften und Sektoren seid ihr aktiv?

A: Ich selbst arbeite im Gesundheitswesen. Wir arbeiten in der Clerical Service Union und in der Joint Health Services Union, linken, anti-chauvinistischen Gewerkschaften. Wir versuchen, ein Bündnis mit anderen Gewerkschaften, v.a. im Gesundheitssektor und im Öffentlichen Sektor aufzubauen.

Die SLSP ist außerdem dabei, die Socialist Plantation Workers Union (Gewerkschaft der Plantagenarbeiter) als eng verbündeter Gewerkschaft aufzubauen. In Sri Lanka gibt es keinen landesweiten Dachverband der Gewerkschaften oder Arbeiterorganisationen mehr, wie er vor dem Streik 1980 existierte - vor der strategischen Niederlage der Klasse im Zuge der Einführung neoliberaler Reformen in den 1980ern.

Heute gibt es zwar „nationale“ Zentren, aber das sind nur Strukturen der bürgerlichen Parteien oder der JVP - und nicht der Arbeiterklasse insgesamt.

Wir wollen ein solches Zentrum wiederaufbauen, weil wir für den gemeinsamen Kampf landesweite Organisierung und Strukturen brauchen.

NI: Welcher Einschränkung demokratischer Rechte, welcher Repression sind die Minderheiten und die Linke ausgesetzt?

A: Das ist vor allem eng mit dem Krieg verbunden. Die Regierung verbietet Aktionen und Streiks der Gewerkschaften, der Arbeiter, aber auch der Studenten, weil sie behauptet, dass solche Aktionen der LTTE und dem tamilischen Widerstand nützen.

In den letzten sechs Monaten wurden Gewerkschaftsführer festgenommen, v.a. die Führung der Eisenbahner. Sie hatten ein Bündnis der verschiedenen Eisenbahngewerkschaften gegen Lohnkürzungen, gegen Angriffe auf Lebensbedingungen und gegen die Bahnprivatisierung und zur Vorbereitung eines Streiks geschlossen. Außerdem wollten sie den Kampf über den ganzen Öffentlichen Dienst ausweiten. Sie wurden wegen angeblicher LTTE-Unterstützung festgenommen und sitzen seither im Knast.

Auch die Medien und Journalisten sind großer Repression aufgesetzt, wenn sie von der Regierungslinie abweichen. Die Beschäftigten des Öffentlichen Fernsehens wurden eingeschüchtert, weil sie Reden von Ministern nicht gesendet hatten. Es gab mehrere Anschläge, Entführungen und Ermordungen kritischer Journalisten in den letzten sechs Monaten.

Für die Minderheiten - Tamilen, aber auch Muslime - heißt das im schlimmsten Fall, dass sie entführt und misshandelt werden und „verschwinden.“ 2007 gab es davon mindestens 15 nachgewiesene Fälle. Die Dunkelziffer liegt weit höher.

NI: Welche internationale Unterstützung ist notwendig?

A: Wie wenden uns an die internationale Linke, sich mit der Unterdrückung der Tamilen, der Arbeiterbewegung, der Linken oder von demokratischen Journalisten in Sri Lanka zu beschäftigen und sie öffentlich zu machen. Das ist eine wichtige internationale Unterstützung für uns.

Das heißt für uns: Protestaktionen gegen den reaktionären Krieg und für das Selbstbestimmungsrecht der Tamilen, andererseits gemeinsame Aktionen, Austausch und Koordinierung mit Gewerkschafter und anderen Arbeiterorganisationen. Schließlich fordern wir auch dazu auf, uns materiell zu unterstützen z.B. bei der Veröffentlichung unserer sozialistischen Monatszeitung „Asani“ (Donner), beim Aufbau der Gewerkschaften und dabei, eine tamilische Zeitung zu publizieren.

NI: Dieser Aufforderung können wir uns nur anschließen. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg beim Aufbau der SPSL.

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Nr. 128, April 2008
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