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Tarifkampf in Berlin

Rot-rote Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit?

Brigitte Falke, Neue Internationale 128, April 2008

Der Landesvorsitzende der Partei DIE LINKE in Berlin, Klaus Lederer, bezeichnete die Forderungen von ver.di in der aktuellen Tarifauseinandersetzung als „überzogen.“

Während in anderen Landesverbänden DIE LINKE sich als Kämpfer Seit an Seit mit ver.di geriert, kämpft sie in Berlin vor allem um ihre Senatoren-Posten.

Berliner Sondersituation

Wie unerhört „überzogen“ die Forderungen von ver.di gerade in Berlin sind, zeigt dabei ein kurzer Rückblick:

2003 trat der rot-rote Senat aus den Arbeitgeberverbänden des Öffentlichen Dienstes aus. Seither kann die Berliner Haushaltslage ungehemmt für Tarifflucht genutzt werden. Mitte 2003 wurde dann ein „Anwendungstarifvertrag“ abgeschlossen. Einerseits wurde eine Beschäftigungsgarantie bis 2009 gegeben - gekoppelt an Einkommensabsenkungen von 8-12% (je nach Verdiensthöhe) und Arbeitszeitabsenkung. Andererseits wurde der damalige Tarifabschluss übernommen, der damit letztmalig für die Berliner Beschäftigten im Mai 2004 eine Erhöhung von 1% (!) brachte.

Teil des Abkommens war es auch, dass bei künftigen Tarifauseinandersetzungen bei Bund, Ländern und Gemeinden auch die Berliner Beschäftigten mit einbezogen werden müssen, bzw. über die Übernahme der Abschlüsse verhandelt werden muss. Trotzdem bezeichnet der Berliner Innensenator die derzeitigen Aktionen der Berliner Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes als „illegal.“

2007 stellte ver.di die Forderung auf, dass zumindest die Einmalzahlungen, die in den anderen Bundesländern aufgrund der Tarifreformen (TVöD/TV-L) vereinbart wurden für die Jahre 2005-07 (3 mal 300 Euro) auch in Berlin gezahlt würden. Dazu gibt es von Seiten des „rot-roten“ Senats seither nur „bedauerndes“ Hinhalten. Außerdem sieht die „Beschäftigungssicherung“ so aus, dass etwa 7.000 der 115.000 Beschäftigten nach der Streichung ihrer Stellen im „Stellenpool“ geparkt werden und von dort als Leihkräfte nicht nur innerhalb des Öffentlichen Dienstes verwendet werden.

Insgesamt eine Methode, um weiteren Personalabbau oder zumindest massive Herabgruppierungen vorzubereiten. Nachdem bereits bis 2003 etwa 2/3 des Personals der Wendezeit abgebaut worden war, herrscht heute aufgrund von Arbeitszeitabsenkung, Stellenstreichungen und Nichtersatz von Abgängen eine enorme Arbeitsverdichtung, die sich auch in der Erhöhung der Krankenstände widerspiegelt.

Ende Januar hat die Tarifgemeinschaft der Gewerkschaften der öffentlich Beschäftigten in Berlin (ver.di, GEW, IG BAU und GdP) das Scheitern der Verhandlungen gemäß der oben erwähnten Klausel des Anwendungstarifvertrags erklärt. Mit diesem Trick versuchte man nun, sich an der Tarifauseinandersetzung im Rest der Republik zu beteiligen.

Nachholen

D.h., dass in Berlin zusätzlich die Übernahme des sonstigen Ergebnisses, Nachholen von verpassten Erhöhungen (seit 4 Jahren!), sowie die Übernahme der Tarifreformen (TVöD, TV-L) gefordert wird. Erschwerend kommt hinzu, dass sich daraus für die einzelnen Bereiche (Land, Bezirke, Eigenbetriebe) verschiedene Forderungen und Verhandlungen ergeben. Eine Tatsache, die zu einer Zersplitterung der Kämpfe aufgrund der Zersplitterung der Tarife führt. Nicht einmal eine Koordinierung mit dem wirksamsten Streik, dem der BVG, ist bei ver.di selbstverständlich.

Gerade bei der BVG hat der rot-rote Senat sich als erfolgreicher Spalter der Belegschaft erwiesen: 2005 wurde der Gewerkschaft eine Tarifvereinbarung abgepresst, nach der nicht nur die übliche 12%-Absenkung für die Alt-Beschäftigten zur „Beschäftigungssicherung“ erzwungen wurde, sondern darüber hinaus noch für Neueinstellungen (in einer eigenen Gesellschaft namens „Berlin Transport“) ein 30% geringeres Niveau.

Heute erklärt Klaus Lederer von der LINKEN, dass ver.di sich, statt „überzogene Forderungen“ zu stellen, lieber um die Überwindung der „Tarif-Zweiklassengesellschaft“ kümmern solle. Ihm schwebt dabei vor, dass die „Privilegien“ der Alt-BVGler aus „West-Berliner“ Zeit (2.800 Euro Monatsverdienst für Schichtbetrieb!) abgebaut werden sollten.

Dieser unverschämten Spalterpolitik der „Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit“ muss ein entschlossener und koordinierter Widerstand entgegengesetzt werden: Allgemeiner Streik für die Wiedereingliederung in die Tarifbindung des Öffentlichen Dienstes, für die Rücknahme von Absenkungs-Tarifverträgen (bei Erhalt der Beschäftigungssicherung) und Sonderverträgen für Neu-Einstellungen, für die vollwertige Wiedereingliederung von Stellenpool- und BT-Beschäftigten in ihre Ursprungsbereiche.

Die Umsetzung dieser Forderungen wird nur gelingen, wenn die Kampfführung nicht der kompromissbereiten und in sich mehrfach zerstrittenen Tarifgemeinschaft unter ver.di-Führung überlassen wird, sondern Basiskomitees zur Kampfführung übergreifend über die verschiedenen Bereiche aufgebaut werden.

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Nr. 128, April 2008
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