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Münchner Sicherheitskonferenz 2016

Intervention, Krieg und Neuaufteilung der Welt

Helga Müller, Neue Internationale 206, Februar 2016

Vom 12. bis 14. Februar 2016 findet die 52. Münchner Sicherheitskonferenz statt. Mittlerweile hat sie sich zu einem der wichtigsten internationalen Treffen in Fragen der internationalen Sicherheits- und Außenpolitik entwickelt.

Dieses Jahr wird der Sicherheitskonferenz sicherlich noch mehr Bedeutung zukommen, findet sie doch in einer Situation verschärfter Krisen und Konflikte, vor allem im Nahen Osten, in Osteuropa und Afrika statt.

Krisen im Zentrum

Die Themen sind auch entsprechend ausgewählt. So steht auf der offiziellen Website der Münchner Sicherheitskonferenz zu lesen: Der Krieg in Syrien, die Flüchtlingskrise sowie die Zukunft der europäischen Sicherheitsordnung stehen im Mittelpunkt der Debatten (www.securityconferenzce.de/news/article/wer-kommt-nach-muenchen).

Es werden - wie jedes Jahr - die Staats-, Regierungschefs und Verteidigungsminister der größten Nationen sowie Vertreter aus Wirtschaft und dem Militärbereich kommen. So treffen die deutschen Kapitalisten Joe Kaeser (Siemens), Johannes Teyssen (e.on) oder Wolfgang Porsche (Porsche AG) zusammen mit ihren VertreterInnen aus CDU, SPD und Grünen auf internationale Militärs wie etwa Anders Fogh Rasmussen (bis 2014 Generalsekretär der NATO, seit 2015 bei Goldman Sachs), Generalleutnant Frederick B. Hodges (US-Army in Europa) sowie auf politische PartnerInnen wie Victoria Nuland (US-Außenministerium). Mit dabei sind bürgerliche MedienvertreterInnen wie die ZEIT oder die ideologischen Denkfabriken des Imperialismus wie z.B. das „Council on foreign relations“. Hier zeigt sich die dichte Verflechtung der international agierenden Kapitalisten mit den Staats- und Ideologieapparaten.

Schon allein diese Zusammensetzung zeigt, dass es bei dem Treffen nicht, wie es bürgerliche Medien zusammen mit dem Chef der Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger gerne darstellen, darum geht, den Frieden in der Welt wiederherzustellen und Konflikte übereinstimmend zu lösen. Vielmehr geht es um das Abstecken und Austarieren von Einflussbereichen, eine Neuaufteilung der Welt unter den neuen und alten imperialistischen Zentren und letztlich um die Sicherung der Profite für die diversen Kapitalfraktionen, die in weltweiter Konkurrenz zueinander stehen.

Wolfgang Ischinger hat sicherlich recht, wenn er sagt: „Wir haben zu Beginn des Jahres 2016 die gefährlichste Weltlage seit Ende des Kalten Krieges“ (Die Welt, 21.1. 2016). Wenn wir die Ausgangssituation der letzten Jahre und Monate weltweit betrachten, dann können wir ihm nur zustimmen.

Weltlage

Der Konflikt mit Russland, die blutigen Auseinandersetzungen in der Ukraine und vor allem in Syrien haben zum einen den Willen Russlands deutlich zu Tage gebracht, sich nicht aus den Reihen der imperialistischen Großmächte ausgrenzen zu lassen und bei der Neuaufteilung der Welt weiterhin ein „Wörtchen“ mitreden zu wollen. Diese Konflikte hatten und haben tatsächlich das Potential, eine weltweite militärische Auseinandersetzung zu provozieren. Auf der anderen Seite haben diese Krisenherde aber auch die Unfähigkeit der EU aufgezeigt, als gemeinsamer und einheitlicher Block zu handeln, um den zwar angeschlagenen, aber immer noch starken Hegemon USA in dieser Rolle angreifen zu können.

Der ehemalige Diplomat Ischinger ist sich dessen bewusst, wenn er sagt: „Wir brauchen eine bessere Fähigkeit, internationale Konflikte zu behandeln, bevor ihre Folgen an unserer eigenen Haustür ankommen. … Da ist die Inaktivität der EU in der Großkrise des Nahen und Mittleren Ostens in den letzten Jahren. Es ist ein unglaubliches Versagen, dass sich die EU jetzt, nach vier Jahren eines mörderischen Bürgerkriegs, erstmals um Syrien kümmert. Es wäre für die EU ein politisches wie moralisches Gebot gewesen, in diesen Bürgerkrieg frühzeitig einzugreifen, statt wieder - … - auf die Amerikaner zu warten.“ und weiter: „... Warum initiiert Europa nicht die Syrien-Konferenz? Warum erscheinen die EU-Institutionen oft eher als Bremser statt als zentrale Taktgeber? Wir können das doch! Wir über 500 Millionen - drei Mal mehr als die Russen. Mehr als die Amerikaner. Wir müssen das Selbstbewusstsein, das uns unsere Wirtschaftskraft gibt, endlich auch einmal politisch zum Tragen bringen. Sonst werden wir erst recht ignoriert, und sind dann selbst schuld.“ (Interview in: RP online, 4.1. 2016)

Bedeutung

Die Sicherheitskonferenz wird gerade in diesem Jahr eine ganz besondere Bedeutung haben. Es geht - wie dies Bundespräsident Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 sehr deutlich in seiner Rede angesprochen hat - für den deutschen Imperialismus darum, die „Kultur der (militärischen) Zurückhaltung“ zugunsten einer offensiveren Außenpolitik zu Grabe zu tragen und Deutschlands Führungsrolle in der Welt mit Hilfe der EU voranzutreiben.

Auch dies macht Ischinger in dem Interview mit der Rheinischen Post klar und warnt auch gleichzeitig davor, Deutschlands Vorherrschaft in der EU nicht überzustrapazieren, da dies auch zum Scheitern dieses Projekts führen könnte:

„Wir sollten unsere gewachsenen moralischen, politischen, finanziellen, wirtschaftlichen und auch militärischen Möglichkeiten nicht bloß dafür einsetzen, um Deutschland als Führungsmacht weiter zu stärken. Das führt zu Ressentiments. Vielmehr sollten wir sie einsetzen, um die Kraft, die Glaubwürdigkeit und die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union und ihrer Institutionen zu stärken. … Jetzt muss der Stabilitätsanker Deutschland - möglichst mit Paris gemeinsam - die Gegenrichtung [gegen das Auseinanderbrechen der EU, Anm. der Autorin] halten.“ (RP online, 4.1.2016).

Globale Interessen

Dabei geht es vor allem darum, wie Deutschland seine globalen Interessen gegen seine Hauptkonkurrenten USA und China durchsetzen kann. Hierbei spielt die Sicherung von Ressourcen, aber auch von neuen Absatzmärkten eine große Rolle. Insofern werden Deutschland und die EU vor allem ihre strategischen Interessen im eurasischen, aber auch im Mittelmeerraum und in Afrika suchen, wo die EU unwillkürlich in Kollision mit den anderen imperialistischen Mächten wie den USA und China geraten wird.

Dies kam vor allem in der Auseinandersetzung um die Ukraine zum Ausdruck. Die USA verfolgen hier andere Strategien als der deutsche Imperialismus. Während Berlin auf eine Kooperation mit Russland als Juniorpartner orientiert, will die USA die Konfrontation und Isolierung Russlands. Zum Zweiten hat dieser Konflikt auch deutlich gemacht, dass auch die USA am eurasischen Bereich Interesse haben und es nicht dulden, dass die EU und vor allem Deutschland die Expansion nach Osteuropa bestimmen. Dies wird in Zukunft nur noch in Abstimmung mit den USA möglich sein.

Auch wenn die EU den größten Binnenmarkt auf der Welt und mit dem Euro die zweitstärkste Währung besitzt und damit in direkter Konkurrenz zu den USA steht, ist die EU nach wie vor ein fragiles politisches Projekt. Zum einen ist die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich, den beiden stärksten Wirtschaftsnationen in der EU, sehr labil und zum anderen ist die EU in gewisser Weise auch ein Fehlkonstrukt. Es gibt keine einheitliche Außenpolitik, keinen supranationalen Militärapparat, und damit hat sie einen enormen Nachteil gegenüber ihren Hauptgegnern USA und China.

Auch dies bringt Ischinger in dem Interview mit der Rheinischen Post klar zum Ausdruck: „Mittelfristig kommen wir an einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben nicht vorbei. Wenn's zum militärischen Konflikt käme, wäre die Munition nach wenigen Tagen alle. … Deutschland sollte sich mit Frankreich, den Niederlanden und allen anderen Partnern noch stärker bewusst werden, dass wir Einsätze ohnehin nur noch gemeinsam starten werden. Dann sollte man doch auch endlich die Soldaten gemeinsam ausbilden und ausrüsten! Schluss mit der Kleinstaaterei in der Verteidigungspolitik!“ (RP online, 4.1.2016)

Widerstand aufbauen!

Obwohl sich die Weltlage in den letzten Jahren mehr und mehr zuspitzt, Terroranschläge als Begründung für imperialistische Kriege missbraucht werden, der zunehmende Konkurrenzkampf zwischen den imperialistischen Mächten immer offener zu Tage tritt und ganze Weltregionen zusehends destabilisiert, ist der Protest gegen die SiKo die letzten Jahre immer kleiner geworden.

Die Sozialdemokratie und Gewerkschaften tragen die Politik der deutschen Regierung mehr oder minder offen mit. Teile der Friedensbewegung gingen in den letzten Jahren nach rechts. Manche betrachten den russischen Imperialismus als willkommenen Ausgleich zum Westen, andere fallen - gerade nach Paris - auf die humanitären Lügen der KriegstreiberInnen rein oder führen mit wehenden Fahnen des Pazifismus die Bewegung in eine Sackgasse. Wie kann jedoch ein zum Ziel führender Widerstand aussehen?

Zum einen muss er von einer internationalen Grundlage ausgehen, nur so kann den international organisierten KriegstreiberInnen wirkungsvoll entgegen gehalten werden.

Zum anderen muss aber allen AktivistInnen bewusst werden: Der einzige Weg, um Schluss zu machen mit Krieg, Ausbeutung und Zerstörung, ist der Aufbau eines effektiven Widerstands gegen die Verursacher. Dazu ist es auch nötig, die ArbeiterInnenschaft und ihre Organisationen verstärkt für diesen Widerstand zu gewinnen. Es bedeutet für uns, die „eigene“ herrschende Klasse als den Hauptfeind zu identifizieren und zu bekämpfen. Dies beinhaltet auch, den Zusammenhang zwischen der verstärkten militärischen Absicherung der Absatzmärkte und Ressourcen und den Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse im Allgemeinen aufzuzeigen, um sich so mit der ArbeiterInnenklasse verbinden zu können.

Wir rufen deshalb alle Jugendlichen, alle KollegInnen und GewerkschafterInnen auf, zur Großdemonstration am Samstag, 13. Februar, nach München zu kommen und die Proteste gegen die Siko zu unterstützen!

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Nr. 206, Februar 2016
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