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Südafrika

Bergarbeiterstreik kann ANC-Hegemonie brechen

Jeremy Dewar, Neue Internationale 206, Februar 2016

Südafrika, einer der größten aufstrebenden Märkte der Welt, steht vor der Rezession. Die Währung des Landes befindet sich auf dem historischen Tiefstand im Vergleich zum US-Dollar. Südafrikas Börse, mit 320% über dem BIP die vermutlich am meisten überbewertete auf der Welt, fährt auf ihrer rasanten Talfahrt einem gewaltigen Krach entgegen.

Die Märkte standen bereits im Dezember vor einem Zusammenbruch, als Präsident Jacob Zuma seinen neoliberalen Finanzminister Nhlanhla Nene entließ, nicht etwa weil Nene zu stark am Portemonnaie des heimischen Kapitals hing, sondern weil er sich gegen Zumas ausufernde und korrupte Machenschaften mit ausländischen Fluggesellschaften und Atomenergiekonzernen stellte. Erst als Zuma zwei Tage danach Nene durch Pravin Gordhan ersetzte, einen ebenfalls eingefleischten Neoliberalen, festigten sich die Märkte wieder; doch da hatten bereits 28 Milliarden Dollar das Land verlassen.

Im Kern von Südafrika drohender Krise steckt der Abschwung in China, seinem größten Handelspartner. Dies hat zu einem dramatischen Rückgang in der Nachfrage für südafrikanische Waren geführt, besonders bei Platin, Kohle und Stahl. China stellt mehr Stahl her, als die Welt verbraucht und zu Preisen, die den südafrikanischen Stahl um 10% selbst nach Abzug der Frachtkosten unterbieten. Daher überrascht es nicht, dass die verarbeitende Industrie bereits in tiefer Rezession steckt.

Die Rezession begann 2012 und beschleunigte sich gegen Ende 2015 auf drastische Weise. Sie hat auch die Bergbauriesen Südafrikas schwer getroffen. Lonmin verzeichnet derzeit nur noch 5% seines Wertes von 2012.

Aber natürlich leidet die ArbeiterInnenklasse am meisten unter der Krise, nicht Geschäftsführer und Anteilseigner der Konzerne.

Zehntausende Arbeitsplätze sind bereits in der Fertigung, Telekommunikation und im Bergbau abgebaut worden. Lonmin hat vor kurzem die Einsparung von 35000 Stellen verkündet; der Bergbaukonzern Anglo-American hat 85000 Stellen gestrichen, das sind zwei Drittel seiner Belegschaft. Dazu muss man wissen, dass Südafrikas Arbeitslosenquote bereits vor dieser Entlassungswelle 25% betrug.

Der Einfluss dieser Maßnahmen darf nicht unterschätzt werden. FacharbeiterInnen, die zwar stark ausgebeutet werden, bildeten das Rückgrat der südafrikanischen ArbeiterInnenklasse und sorgten bislang für dringend benötigtes Einkommen und Stabilität in ansonsten völlig verarmten Gemeinden. Nach amtlichen Angaben leben 53% der Bevölkerung Südafrikas unterhalb der Armutsgrenze, obgleich Kenner des Landes die Zahl eher auf 63% schätzen. Südafrika bleibt die unausgeglichenste Gesellschaft auf der Welt.

Gewerkschaften

Dieselbe Schicht von ArbeiterInnen ist allerdings weltbekannt für ihre Kampfkraft. Der Marikana-Streik aus dem Jahr 2012 erlangte deswegen Berühmtheit, weil die Regierung des ANC (Afrikanischer Nationalkongress), aufgehetzt durch den früheren Bergarbeiterführer Cyril Ramaphosa, Polizei einsetzte und auf die Streikenden schießen ließ. Dabei starben 43 von ihnen. Dem folgten viele größere Arbeitsniederlegungen, darunter auch der längste Streik der Landesgeschichte durch die PlatinarbeiterInnen im Jahr 2014.

Jahrelang zeigten die Bosse der Apartheid-Ära ihre Verachtung für die ArbeiterInnen, deren Ausbeutung ihnen Milliarden-Einkünfte bescherte; sie brachten ihre Gewinne außer Landes und hielten ihre ArbeiterInnenklasse bei Hungerlöhnen und in gesundheitsschädlichen Behausungen.

Nun richten die Kapitalisten sich darauf ein, die Minen des Landes zu zerstören. Der einzige Weg, sie daran zu hindern, ist ein allumfassender Streik, die von Schließung bedrohten Bergwerke zu besetzen und von der ANC-Regierung deren entschädigungslose Enteignung unter ArbeiterInnenkontrolle zu fordern. Politisch würde das einen Bruch mit dem Dreierbündnis von ANC, dem Gewerkschaftsverband COSATU und der südafrikanischen KP bedeuten, das die Gewerkschaften seit dem Fall der Apartheid unter Kontrolle gehalten hat.

Die größte Gewerkschaft, die der MetallarbeiterInnen NUMSA, hat diesen Schritt bereits vollzogen und ist deswegen aus COSATU ausgeschlossen worden. Leider hat die NUMSA ihre Versprechen, eine neue revolutionär sozialistische Partei zu gründen bzw. eine Einheitsfront mit anderen Gewerkschaften und Gemeindeorganisationen gegen die neoliberale Offensive zu formen, nicht wahr gemacht. Die NUMSA hat es auch nicht geschafft, andere Gewerkschaften aus dem Verband herauszuziehen, und ist nun wahrscheinlich bankrott. Die AMCU, eine abtrünnige BergarbeiterInnen-Gewerkschaft, hat ebenfalls Abstand von ihrer Forderung nach Verstaatlichung genommen.

Die WirtschaftsfreiheitskämpferInnen (EFF), deren Organisation vom ehemaligen Jugendführer der ANC, Julius Malema, gebildet worden ist, trägt trotz mutiger und unterstützenswerter Kampagnen den Makel von Malemas Verwicklung in Korruptionsaffären und dem Kult um seine Person. Eine Zusammenarbeit zwischen EEF und NUMSA kam auch nicht zustande.

Nichtsdestotrotz ist die Krise so tief wirkend, dass sie die Allianz der Nachapartheid-Ära aufbrechen könnte, die die ArbeiterInnenklasse an ihre eigenen Kapitalisten kettet. Der Schlüssel dafür liegt in der Gewerkschaftsbasis, dem Netzwerk von Gemeindeorganisationen und den sozialistischen Gruppen.

Wenn sie sich in ihren Kämpfen verbinden können und Aktionsräte mit Delegierten von Betrieben und Nachbarschaften aufbauen, könnte eine neue Partei aus der Asche von ANC und südafrikanischer KP emporsteigen, und die COSATU-Gewerkschaften könnten eine ähnlich revolutionäre Rolle spielen wie in d

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en 80er Jahren, als sie den Apartheid-Kapitalismus in die Knie zwangen.


Nr. 206, Februar 2016
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