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100 Jahre Frauentag

Gleichberechtigt - oder was?

Christine Schneider, Neue Internationale 157, März 2011

In den meisten kapitalistischen Staaten sind Frauen und Männer auf dem Papier gleichberechtigt. Frauen dürfen wählen, sich einen Beruf aussuchen, unter bestimmten Bedingungen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen.

Es ist viel erreicht worden, aber eine wirkliche Frauenbefreiung ist lange noch nicht erreicht.

Gleiche Bezahlung ... schön wär's!

In Deutschland beträgt die Lohnspanne zwischen Frau und Mann in gleicher Anstellung 23% im Jahr 2010 (diese und folgende Zahlen aus der DGB-Studie zum Frauentag 2010). Frauen müssten über das Jahresende hinaus bis zum 25. März - also fast ein viertel Jahr länger! - arbeiten, um auf das Jahresgehalt ihrer männlichen Kollegen zu kommen.

Doch selbst das zeigt noch lange nicht das volle Ausmaß der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. 87% der Frauen im Einzelhandel sind z.B. in prekären Beschäftigungsverhältnissen angestellt. Der Anteil im Gesundheitssektor, besonders in der Pflege, ist ebenfalls extrem hoch. Stundenlöhne von 4,87 Euro sind keine Seltenheit. 78% aller erwachsenen Frauen in der BRD können ihre Existenz nicht durch ihre Erwerbsarbeit sichern.

Frauen "investieren" einen Großteil ihrer Arbeitsleistung - entweder unbezahlt oder extrem unterbezahlt - in die Erziehung, Pflege und Betreuung von Kindern und erwachsenen Bedürftigen. Dafür werden sie noch abgestraft, denn sie tragen ein überproportionales Existenzrisiko bei Armut oder im Alter, weil sie nur über die Hälfte des Vermögens verfügen, das Männer besitzen. Aufgrund der schlechteren Lohn- und Einkommenssituation entgehen Frauen (auf die Lebenszeit berechnet) so durchschnittlich 160.000 Euro!

Dabei sind die unentgeltlich geleistete Reproduktionsarbeit der Familie, die Führung des Haushalts und die Erziehung der Kinder noch nicht einmal berücksichtigt.

Alleinerziehende Frauen stehen dabei besonders schlecht da. Sie sind in besonderem Maße auf staatliche Hilfe angewiesen und überdurchschnittlich stark von Armut bedroht. Auf dem Weg ins Berufsleben haben sie es besonders schwer und können oft erst sehr spät wieder von der eigenen Arbeit leben. Bei der Vermittlung in den Personal-Service-Agenturen werden sie noch zusätzlich benachteiligt. Während nur 11% der Hilfesuchenden Frauen eine Vollzeitstelle angeboten wurde, erhielten 26% der Männer einen gleichartigen Vermittlungsvorschlag.

Frauen im Kapitalismus

Grundsätzlich ist die Stellung der Frau im Kapitalismus von Widersprüchen geprägt.

Die Benachteiligung von Frauen im kapitalistischen Lohnarbeitssystem hat verschiedene Facetten. Grundsätzlich wird die Frage, wie viele Frauen zu welchen Bedingungen in den Arbeitsprozess integriert sind, vom krisenhaften Auf und Ab der Wirtschaft beeinflusst.

Einerseits wurden Frauen im letzten Jahrhundert vermehrt zu Lohnarbeiterinnen, Phasenweise wurden sie aus dem Produktionsprozess gedrängt. Immer jedoch waren sie systematisch schlechter gestellt als Männer, was sich in schlechteren Arbeitsverhältnissen und geringeren Löhnen und Gehältern ausdrückt.

Zur Rolle der Frau im Kapitalismus schrieb schon Friedrich Engels in „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“: „Hier zeigt sich schon, dass die Befreiung der Frau, ihre Gleichstellung mit dem Manne, eine Unmöglichkeit ist und bleibt, solange die Frau von der gesellschaftlichen produktiven Arbeit ausgeschlossen und auf die häusliche Privatarbeit beschränkt bleibt. Die Befreiung der Frau wird erst möglich, sobald diese auf großem, gesellschaftlichem Maßstab an der Produktion sich beteiligen kann, und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutendem Maß in Anspruch nimmt.“

Dazu muss freilich angemerkt werden, dass der Marxismus natürlich nicht nur die Eingliederung der Frauen in die moderne Produktion als eine notwendige Bedingung ihrer Befreiung ansah, sondern auch die radikale Umgestaltung der Arbeitswelt, d.h. der Änderung der Eigentumsverhältnisse, ja der gesamten Produktionsweise im Gefolge der sozialen Revolution erst als hinreichende Bedingung dafür ansah.

Frauen weltweit

Die Rolle der Frauen in den Halbkolonien in der Produktion und Reproduktion wird wesentlich von der imperialistischen Ausbeutung bestimmt. Proletarisierung kann für Millionen Frauen eine endlose Hölle der Wanderarbeit, der besitzlosen Landarbeit oder der Arbeitslosigkeit und ein Leben im Slum bedeuten.

Für die Frauen in Halbkolonien wie in Lateinamerika und Asien kann sie Überausbeutung in der Jugend bedeuten, gefolgt von bitterem Elend, sobald ihre Arbeitsfähigkeit verbraucht ist.

Und für Millionen anderer Frauen führt dieser Prozess unausweichlich zur Prostitution (eine gewaltige Industrie in Ländern wie Thailand) oder dazu, als Dienerin/Hausfrau (de facto als Sklavin) der Männer im Westen exportiert zu werden. Die "verkäuflichen Bräute" auf den Philippinen und der Export junger Frauen aus Sri Lanka sind beides Ekel erregende Beispiele für diesen Frauenhandel. Frühere, patriarchale Formen der Frauenunterdrückung - Mitgift, Brautpreis, Frauenbeschneidung, Polygamie - wurden vom Kapitalismus nicht beseitigt. Millionen Frauen, speziell in Afrika und in einigen islamischen Ländern, erleiden Klitorisbeschneidung und Infibulation (Verschließen des Sexualorgans durch Klammern).

All das zeigt schlagend, wie weit die bürgerliche Gesellschaftsordnung von einer Befreiung der Frauen entfernt ist. Diese besonders brutale systematische Form der Unterdrückung wird von den bürgerlichen Ideologen im Westen gern als Resultat der Rückständigkeit dieser Länder hingestellt. Übersehen wird dabei jedoch, dass die „Dritte Welt“ fest in den Rahmen einer globalen imperialistischen Weltordnung eingebunden ist, aus der es für diese Ländern auf dem Boden des Kapitalismus kein Entrinnen gibt. Dieser hat vorkapitalistische Formen der Unterdrückung (Sklaverei etc.) in die kapitalistische Ordnung eingebunden, die letztlich nur durch eine sozialistische Umwälzung überwunden werden können.

Für eine proletarische Frauenbewegung!

Frauen waren oft die Vorhut in Arbeits- und Sozialkämpfen. Bestes Beispiel aus der Geschichte ist der TextilarbeiterInnen-Aufstand von 1917 in Petrograd, der die Februarrevolution in Russland einleitete. Auch heute, z.B. in Tunesien und Ägypten sind es Frauen, die in der ersten Reihe der Revolution stehen.

Die Interessen der proletarischen Frauen unterscheiden sich von denen der bürgerlichen Frauen ebenso, wie die Interessen der gesamten Arbeiterklasse sich von der Kapitalistenklasse unterscheiden. Sie sind einander entgegensetzt.

Natürlich streiten wir nicht ab, dass auch bürgerliche Frauen Sexismus und Diskriminierung ausgesetzt sind. Aber zugleich, haben sie - wie die gesamte herrschende Klasse - ein Interesse an der Ausbeutung der Lohnabhängigen und auch der lohnabhängigen Frauen. Während z.B. die bürgerliche Frau ihre Reinigungskraft mit sozialversicherungsfreiem Mini-Job für 400 Euro arbeiten lassen will, möchte die Arbeiterin aus der Billiglohn-Mühle heraus. Allein daran scheitert schon eine klassenübergreifende Bewegung für einen Mindestlohn, von dem die Arbeiterin ohne Not und Elend leben kann.

Darüber hinaus müssen sich Frauen aber auch gegen den Chauvinismus innerhalb der eigenen Klasse wehren. Wenn Arbeitsplätze rar werden, wenn die Verteilungskämpfe sich verschärfen, sind auch viele proletarische Männer bereit, die noch verbliebene Arbeit nach Geschlecht zu verteilen bzw. Zugeständnisse zu machen, welche Frauen bei der Erwerbsarbeit benachteiligen. Oft genug wird diese Diskriminierung der Lohnarbeit von den Gewerkschaften auch deshalb nicht verhindert, weil diese v.a. für ihre oft männlichen Stammbelegschaften eintreten - auf Kosten anderer ArbeiterInnen.

Frauen leben in einer patriarchalen Gesellschaft und werden von klein auf trainiert, dass es geschlechtsspezifische Aufgaben gibt. Aus diesem Grund gilt es für die Masse der Arbeiterklasse als selbstverständlich, das Frauen für Hausarbeit und Kinder zuständig sind, die Männer fürs Geldverdienen. Den Männern erscheint es erstrebenswert, diese Aufgabenteilung beizubehalten, auf den ersten Blick sehen sie Vorteile für sich dabei. Doch diese Aufgabenteilung spaltet die Arbeiterklasse, verschärft letztlich auch die Ausbeutung der Männer und dient dem Kapital. Die proletarischen Männer haben zwar unmittelbare Vorteile, aber diese sind jedoch „nur“ die Kehrseite der Verfestigung ihrer eigenen Unterdrückung. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Frauen haben sie jedoch keine Klassenprivilegien zu verteidigen, kein Interesse, das - historisch betrachtet - im Widerspruch zu dem der proletarischen Frauen steht.

Im Gegensatz zur heuchlerischen Debatte um Frauenquoten in DAX-Unternehmen, brauchen wir für die Frauen Forderungen, welche die Einheit der Klasse betonen und die Befreiung der Frau mit der Befreiung der gesamten ArbeiterInnenklasse verbinden können.

Kampf gegen alle Entlassungen - auch der Leiharbeiterinnen oder prekär Beschäftigten -, die vor allem Frauen treffen! Umwandlung von Billigjobs und Leiharbeit zu unbefristeten, tariflich geregelten Arbeitsplätzen!

Weg mit den Hartz-Gesetzen! Stattdessen Mindestlohn von 11 Euro/Std. netto und steuerfrei, Arbeitslosengeld und Mindesteinkommen für Rentnerinnen, Studierende, Schülerinnen ab 16 von 1.600 Euro/monatlich!

Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich!

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - kontrolliert durch Kontrollausschüsse der arbeitenden Frauen!

Keine Privatisierung von sozialen Leistungen, Kitas, der Gesundheitsvorsorge und Renten!

Kostenlose ausreichende Kitas und Ganztagsschulen, so dass eine Kinderbetreuung rund um die Uhr gesichert ist, deren Qualität von den Eltern, v.a. den proletarischen Frauen kontrolliert wird! Freier und kostenloser Zugang zu allen Bildungseinrichtungen!

Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper! Freier und kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln! Für das Recht auf Abtreibung auf Krankenschein!

Legalisierung aller „illegalen“ Arbeits- und Lebensverhältnisse von Flüchtlingen, Migrantinnen oder verschleppten Frauen (z.B. Zwangsprostituierten)! Besondere Förderungsmaßnahmen zur Integration der Frauen in die Arbeitswelt! Abschaffung aller Aufenthaltsbeschränkungen für MigrantInnen und volle Staatsbürgerrechte für sie!

Viele dieser ökonomischen, sozialen und politischen Forderungen im Kampf gegen Frauenunterdrückung und Krise sind nicht zufällig gleichlautend mit jenen der männlichen Arbeiter. Sie zeigen, dass ein gemeinsamer politischer und gewerkschaftlicher Kampf nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist.

So kann die Grundlage gelegt werden zum gemeinsamen Kampf für die Beseitigung nicht nur der Wurzel der Frauenunterdrückung - der privaten Hausarbeit - durch den Kampf gegen den Kapitalismus selbst.

Denn die Vergesellschaftung der Hausarbeit ist letztlich erst möglich, wenn wir eine Gesellschaft schaffen, in der die Arbeitskraft aufhört, eine Ware zu sein, in der Produktion und Reproduktion nicht gemäß dem Profitinteresse der herrschenden Klasse, sondern gemäß den Bedürfnissen der Arbeitenden, ob Mann oder Frau, organisiert sind.

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Nr. 157, März 2011
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*  Geschichte des 8. März: Der Kampf geht weiter
*  Initiative "Tarifeinheit": Ein Angriff auf das Streikrecht
*  Skandal in München: Ver.di als Streikbrecher
*  Bahn: Sieg dem GDL-Streik!
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*  Blockaden in Dresden: Schlappe für Nazis
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