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Italien

Berlusconis Ende?

Tobi Hansen, Neue Internationale 157, März 2011

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi ist ein schillerndes Beispiel dafür, was passiert, wenn die Bourgeoisie ihre Vertreter direkt an die Spitze des Staates stellt. Normalerweise bedient sich die westliche Bourgeoisie einer adretten Anzahl bürgerlicher Parteien und verschiedener Marionetten, um ihre Interessen durchzusetzen.

In Italien kam Berlusconi von 1994-2011 auf insgesamt 10 Regierungsjahre, aus den Wahlen 1994, 2001 und 2008 ging der Multimilliardär als Sieger hervor. Nach dem Zusammenbruch der christlich-konservativen „Volkspartei“ DC Mitte der 90ger konnte Berlusconi zwei Parteienformationen auf national-konservativer Grundlage aufbauen, die „Forza Italia“ und „Populo della Liberta“. Gemeinsam mit rechtsextremen Parteien (Lega Nord und Alleanza Nationale, AN) bildete Berlusconi drei Regierungen.

In dieser Zeit scheiterten immer wieder „Volksfrontbündnisse“ wie der „Olivenbaum“ unter dem ehemaligen EU-Chef Romano Prodi an der Regierung, weil diese im Prinzip die gleiche Politik fürs Kapital machten wie die Berlusconi-Regierungen, nur dass diese meist stabiler waren. Gleichzeitig diskreditierten sie die Sozialdemokratie und die „kommunistische“ Rifondacione Comunista - während es die radikalen Gewerkschaften und Linken nicht vermochten, eine wirkliche revolutionäre Partei als Alternative zu den Reformisten aufzubauen.

Berlusconi und die Staatsanwaltschaft

So kam es, dass sich über die Jahre die Mailänder Staatsanwaltschaft einer der konsequentesten und gefährlichsten Gegner Berlusconis entpuppte. Trotz Einschüchterungen und Immunitätsgesetzen für ihn und seine Freunde und massiver politischer Hetze, bereitet die Mailänder Staatsanwaltschaft nun ihr „Meisterstück“ vor: der Ministerpräsident Italiens wird angeklagt wegen Prostitution mit Minderjährigen, Menschenhandel und Missbrauch seiner Vollmachten zur Deckung seiner Straftaten. Ebenfalls besitzt die Staatsanwaltschaft noch Berge von Anklagen aufgrund von Steuerhinterziehung und Bestechung. Sollte die Immunität Berlusconis einmal fallen, wird er zur Rechenschaft gezogen.

Trotz vieler Arbeitskämpfe, Streiks oder Großdemos hat es die organisierte Arbeiterklasse in Italien nicht geschafft, den „Patrone“ zu beseitigen. Sie scheiterte v.a. an der eigenen politischen Schwäche, ihre reformistischen Führer zu bekämpfen und durch eine klassenkämpferische revolutionäre Führung zu ersetzen.

Während Berlusconis Dutzfreund Gaddafi von den Massen hinweg gefegt wird, mutet die „Casa Berlusconi“ grotesk an. Wir erleben die „bürgerliche Demokratie“ in Reinkultur: korrupt, kriminell, sexistisch und machtversessen.

Ein 75jähriger Milliardär, welcher über fast alle Medien herrscht und überall seinem sexistischen und rassistischen Gedankengut freien Lauf lässt, organisiert einen ganzen Staat für seine Profitinteressen und bezahlt Minderjährige für Sex. Zusammen mit dem Vatikan preist Berlusconi Viagra an, an seinen Sex-Partys dürfen Vertraute wie der ehemalige tschechische Ministerpräsident Topalek teilnehmen, die „spätrömische Dekadenz“, welche ein deutscher Außenminister meist mit Hartz IV-EmpfängerInnen in Verbindung brachte, feiert fröhliche Wiederauferstehung im „postmodernen“ Rom.

Selbst auf Wikipedia stehen Zitate, in denen Berlusconi mit seiner „Manneskraft“ prahlt, gemäß der „spätrömischen Dekadenz“ weiß Mann und v.a. Frau, gar nicht, wann das Kotzen darüber aufhören könnte.

Berlusconi sollte zumindest die Chance bekommen, so zu enden wie sein Kumpel Gaddafi - im Angesicht derer, die unter seiner Herrschaft leiden mussten und am besten auch mit gesperrten Konten. Dazu gehören die afrikanischen Flüchtlinge, die auf dem Mittelmeer bekämpft und in Lagern gehalten werden, ebenso wie die Prostituierten und Frauen Italiens, die im Weltbild Berlusconis allein als Sexobjekt fungieren.

Zahme Linke

Für die Linke und die Arbeiterbewegung Italiens kann aber die Hoffnung nicht allein in der Mailänder Staatsanwaltschaft liegen, schließlich kann es nicht nur darum gehen, welcher Teil der Bourgeoisie wie herrscht - Berlusconi als lüsterner alternder Mafiosi oder die „Espresso-Familie“, die derzeit durch ihre Zeitung „La Republica“ am meisten Stimmung macht.

Die Konservativen stellen sich nun neu auf, der ehemalige Faschist und AN-Vorsitzende Fini hat schon mit Berlusconi gebrochen. Er steht bereit, die rechten Truppen nach Berlusconi zu sammeln. Für die Arbeiterbewegung ist weder die „Demokratische Partei“ noch irgendeine Wiederauflage eines „Olivenbaum“-Bündnisses eine Perspektive. Die Abrechnung mit Berlusconi muss die radikale Linke nutzen. Sie muss vereint werden - nicht auf (links)reformistischer Grundlage, sondern als klassenkämpferische und revolutionäre Bewegung in den Gewerkschaften und in den „linken“ Parteien und Gruppierungen. So kann die Klasse, die teils große Kämpfe gegen Berlusconi lieferte, den Aufbau einer revolutionären Arbeiterpartei angehen - gegen die gesamte korrupte Bourgeoisie.

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Nr. 157, März 2011
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