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Indien

Politik und Wirtschaft

Dave Stockton, Neue Internationale 149, Mai 2010

Indien wird mit über einer Milliarde EinwohnerInnen oft in einem Atemzug mit China als kommende Großmacht genannt. Unter Manmohan Singh hat sich der Indische Nationalkongress ausländischen Direktinvestitionen geöffnet, lockert Zoll- und Schutzbestimmungen, privatisiert die Infrastruktur. Hier zeigen sich Parallelen zu China. Die USA beziehen nun auch Indien in ihre Strategie für Asien ein. Der indisch-amerikanische Nuklearvertrag wird als ‚neue Ebene der Zusammenarbeit' gewertet.

2009 errang die Vereinigte Progressive Allianz, deren Hauptkraft die Kongresspartei ist, einen Erdrutschsieg über die hinduistischen Chauvinisten von der Bharatja Janata Partei. Die früheren Allianzpartner, die stalinistischen KPen CPI und CPI/M erlitten hingegen eine historische Niederlage. Das Großbürgertum drängte auf eine Großoffensive gegen die Arbeiterklasse und die armen Bauern. Doch darin hat sie M. Singh bisher enttäuscht, denn er gab ihrem Drängen nach Eindampfung von Arbeitsschutzgesetzen, nach der Veräußerung von staatlichen Anteilspaketen an industriellen Großunternehmen im Wert von 5 Milliarden zu Gunsten von Steuererleichterungen für ausländische Direktinvestitionen und die Liberalisierung des Energiesektors nicht nach. Die Singh-Regierung versprach eine Ausweitung der Wohlfahrtspflege für die indischen Bauern - 60% der Bevölkerung  arbeiten in der Landwirtschaft.  Das ist begründet durch den Druck der Unruhen über den Anstieg der Lebensmittelpreise.

Das 21.Jahrhundert begann mit einer sprunghaften Wohlstandszunahme bei der Industrie- und Finanzbourgeoisie. 2009 hatte Indien statistisch 57 Milliardäre. Indiens Wachstum war stark abhängig von Stahlerzeugung u.a. Rohstoffen für den Chinaboom. Die e-Kommunikation und der deutlich gestiegene Konsum der Mittel- und Oberschicht haben auch den Binnenmarkt erweitert. Die soziale Ungleichheit, die dadurch hervorgerufen wird, hat große destabilisierende Wirkung. Die Medien in Indien sind erleichtert über den Einbruch an Wählerstimmen für die KPen. Aber dies liegt an deren Identifizierung mit der Begeisterung für die Marktliberalisierung. Im traditionellen Kerngebiet der KP/M in Westbengalen ist ihr Stimmenanteil auch stark zurückgegangen, weil sie gegen bäuerliche und soziale Bewegungen, die sich gegen den Ausverkauf von Land, vorgegangen sind.

Die große Masse der Bevölkerung hat kaum etwas vom Aufschwung Indiens gehabt. Die Weltbank schätzt, dass rund 42% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben und mit 1.25 Dollar am Tag auskommen müssen. Viele Kräfte, auch neben den städtischen Gewerkschaften, leisten Widerstand gegen Neoliberalismus, Armut und Diskriminierung: landlose Bauern, Angehörige von früher als unberührbar geltenden Kasten (Dalits), bestimmte Stämme (Adivasis), Obdachlose, vertriebene Weber usw.

Die größte Gefahr für die Regierung geht von der sog. maoistischen Erhebung aus. In etwa einem Drittel von Indiens 604 Bezirken gehen Kämpfe zwischen einer maoistischen Guerrilla und Polizei und Armee vor sich. Sie werden von der verbotenen KP Indiens (Maoisten) geführt. Die maoistische Guerrillaarmee besteht fast ganz aus Adivasis und landlosen Bauern, die in oder entlang der Wälder Ost- und Zentralindiens leben. Lange waren sie nahe am Verhungern und ausgeschlossen von Bildung und Gesundheitsversorgung, sie wurden von Geldverleihern ausgebeutet, die Frauen wurden von Polizei und Waldaufsehern vergewaltigt.

Vor kurzem hat sich ihr Widerstand am Bau von Durchgangsstraßen durch die Nationale Mineralabbau Gesellschaft entzündet. Die Kongresspartei-Regierung reagierte  mit der Entsendung der Armee, die 300.000 Menschen vertrieben hat. Die Strategie der KP Indiens (Maoisten) läuft darauf hinaus, „die Städte vom Land her einzukreisen“ - eine illusorische Strategie. Notwendig ist vielmehr der Aufbau einer revolutionären kommunistischen Partei in den Städten und Dörfern, die keine Etappenstrategie verfolgt, sondern eine der permanenten Revolution.

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Nr. 149, Mai 2010
*  Erster Mai: Gemeinsam gegen Krise und Kapitalismus
*  Geschichte: Revolutionäre Wurzeln
*  Fascho-Provokationen: Nazi-Aufmärsche blockieren
*  Weltwirtschaftslage: Nach der Krise ist vor der Krise
*  Mahle-Konzern: Übernahme aus Kosten der Belegschaft
*  Daimler: Ausschlussverfahren stoppen!
*  Stuttgart 21: Die Stadt, die Zerstörung und der Profit
*  Programmentwurf der Linkspartei: Ein Linksschwenk?
*  Die Linken und das Programm: Zahme Kritiker
*  NRW-Wahl: Wählt DIE LINKE, aber organisiert den Kampf
*  Frauen: Die unheilige Familie
*  Kopfpauschale: Ende der gesetzlichen Krankenversicherung?
*  Interview Südasien, Teil 2: Klassenkampf und revolutionäre Perspektive
*  Indien: Politik und Wirtschaft
*  Heile Welt
*  Thailand: Aufstand der Rothemden