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Bürgerkrieg im Jemen

Reaktion oder Revolution?

Chris Newcomb, Neue Internationale 161, Juli/August 2011

Die plötzliche Flucht des jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salech nach Saudi Arabien am 4.6.2011, um sich vermutlich wegen schwerer Verbrennungen behandeln zu lassen, war Anlass für Jubelfeiern in Jemens Hauptstadt Sanaa. Aber sein Regime blieb intakt, und er hat seine Absicht bekundet zurück zu kehren. Die Chance ist nun da für einen revolutionären Bürgerkrieg. Bewaffnete Auseinandersetzungen im Jemen sind nicht neu. Seit 2004 befinden sich Rebellen der schiitischen Houthi im Norden des Landes an der Grenze zu Saudi Arabien im Konflikt mit der Regierung, in den auch saudiartabische Militäreinheiten auf Seiten Salechs verwickelt sind. In Aden, der Hauptstadt im Südteil, früher ein prosowjetischer Staat, führen Anhänger der früheren Sozialistischen Partei des Jemen einen Sezessionskampf seit 1994. In anderen südlichen Gegenden kämpfen bewaffnete Sunniten für einen islamischen Staat.

5 Monate währt nun der Massenprotest für demokratische Rechte. An ihm beteiligen sich Studenten, Islamisten, SozialistInnen und Stammesführer und gehen gegen die staatliche Autorität an. Nachdem Präsident Salech sein Wort nicht gehalten hat und seine Macht nicht abgegeben hat, veranlasste dies den früheren Parlamenarier Scheich Sadik-al-Achmar, den Führer von Salechs eigenem Stamm Haschid, am 18.3.2011 zur Opposition überzugehen.

Ende Mai, Anfang Juni kämpften Achmars Gefolgsleute um die Kontrolle von Sanaa, nahmen Besitz von Regierungsministerien, der staatlichen Nachrichtenagentur und dem Sitz der nationalen Luftfahrtgesellschaft. Sie konnten die republikanische Garde daran hindern, nach Sanaa vorzurücken, um Salechs Rückkehr abzusichern. Die Regierungstruppen im Rücken würde er unweigerlich den Waffenstillstand brechen, der hastig nach Salechs Abreise mit den Stammeseinheiten vereinbart worden war.

Konflikt in Sanaa

Salechs Hartnäckigkeit und Unbeugsamkeit ist nicht ohne Hinweis auf die Unterstützung der USA und Saudiarabiens zu verstehen. Lange bevor der gegenwärtige Konflikt entstand, begannen die USA einen heimlichen Krieg im Jemen in Form von Luftangriffen gegen angebliche Al-Kaida Hochburgen im Süden des Landes. Auf die US-Militärhilfe, 2010 allein 150 Millionen Dollar, stützt sich Salechs Regentschaft in erster Linie. US-Präsident Obama hat das Bombardement jetzt verschärft. Die New Yotk Times berichtet von Angriffen der Luftwaffe auf Regierungsgegner. Da im Jemen auch nach US-Schätzungen höchstens 250 Al-Kaida Kämpfer operieren, sollte klar sein, dass das wahre Ziel die Niederschlagung der Rebellion in der Bevölkerung (24 Millionen) ist, und nicht Al-Kaida. Saudiarabien beherrscht den Rat der Golfkooperation (GCC), in dem 6 Länder vertreten sind. Der GCC hat Gespräche zwischen der Protestbewegung und der Regierung ‚vermittelt', mit dem Ziel, die Jugend, die die Revolution gemacht hat, von jeglichen Machtstrukturen in einer Nach-Salech-Ära auszuschließen.

Salech fördert seinerseits einen Bürgerkrieg, um das Land entlang von Stammeslinien zu spalten. Um Innerstammesauseinandersetzungen anzuheizen, befahl er am 23.5.2011 seinen Truppen, eine Zusammenkunft von Stammesführern in Sadik-al-Achmars Haus anzugreifen. Nach den hunderten von Opfern der Regierungsgewalt in den letzten 5 Monaten war die Tötung der Stammesführer besonders provokativ.

Jemenitische Jugendführer haben nichtsdestotrotz die Protesierenden dazu angehalten, sich friedlich zu verhalten. Tawakhol Karman, die Vorsitzende der Journalistinnen ohne Ketten hat sogar die USA und Saudiarabien gebeten, die Opposition zu unterstützen und den Übergang zur Demokratie zu erleichtern und im Gegenzug versprochen, deren ‚Recht, terroristische Zufluchtsorte anzugreifen' anzuerkennen.

In der Tat braucht die jemenitische Demokratiebewegung eine politische Führung, die die Notwendigkeit versteht, einen bewaffneten Kampf zum Sturz der Regierung vorzubereiten. Dazu muss sich die Massenbewegung mit den bestehenden Kräften der bewaffneten Opposition verbinden. Dies bedarf eines Programms, das sich der Lösung der verheerenden Wirtschaftsprobleme des Jemen annimmt und damit Rückhalt bei den Arbeiter, Bauern, der Jugend und den Stämmen gleichermaßen gewinnt.

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Nr. 161, Juli/Aug 2011
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