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Kampf gegen Stuttgart 21

Baustopp statt Gemauschel!

Anne Moll, Neue Internationale 153, Oktober 2010

Ende August wurde der Runde Tisch mit BefürworterInnen und GegnerInnen des Projekts S21 von den führenden Köpfen der Widerstandsbewegung noch vehement abgelehnt.

"Ohne Baustop keine Gespräche!" war deutlich von der Masse der Bewegung zu hören. Das war eine konsequente Antwort auf die Einladung der Pro-S21-Mafia, die nur das Ziel verfolgt, die Widerstandsbewegung zu stoppen und ihr Bauprojekt durchzuziehen.

Ende September gab es Gespräche beider Gruppen - ohne Legitimation der Bewegung - offiziell ohne Auflagen und Bedingungen. Die Bauarbeiten liefen während dessen weiter. Die InitiatorInnen des S21-Bündnisses haben dafür mit ihrer Glaubwürdigkeit bezahlt. Die Stimmen, die eine demokratische Legitimation der „Führung“ fordern, werden lauter. Die Leute, die sich selbst organisieren und Aktionen planen, werden zahlreicher. Diese Bewegung läuft nicht nach Plan der Herrschenden!

Warum Gespräche?

Stocker und Wölfle, zwei „Köpfen“ der Proteste, wird die eigene Bewegung langsam unheimlich. Immer weniger können sie die Aktionen steuern und die Friedfertigkeit garantieren. Diese Kontrolle ist aber wichtig für Leute wie Stocker und Co., weil ihnen ihre Posten und Pöstchen im Parlament und Stadtrat wichtiger sind als der Sieg einer Widerstandsbewegung die eventuell nicht bei den S21-Protesten stehen bleibt, sondern ein Potenzial entwickelt, das gleich das ganze System in Frage stellt.

So ist Stocker nicht nur selbst ernannter Sprecher Bewegung, sondern zugleich Stuttgarter Stadtrat für SOS, einer linken, kleinbürgerlichen Gruppierung. Wölfle ist Chef der Grünen im Stadtparlament und damit Fraktionsführer der einflussreichsten politischen Kraft in der Bewegung. Die Grüne Partei erhofft sich einen Wahlsieg bei den kommenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg im März 2011. Viele, vielleicht die Mehrzahl der DemonstrantInnen denkt, dass eine Abwahl von Schwarz-Gelb das sichere Aus für Stuttgart 21 sein wird. Doch Vorsicht! Die Grünen weigern sich beharrlich, ein Ende Baus von S 21 zu versprechen, weil sie sich alle „Machtoptionen“ offen lassen wollen und außerdem aus der Erfahrung der Rot-Grünen Bundesregierung wissen, dass allzu große Versprechungen später die eigenen AnhängerInnen zu sehr auf die Palme bringen könnten.

Was wollen die AktivistInnen?

Aber die Widerstandsbewegung hat zum großen Teil klare Forderungen und die große Mehrzahl der DemonstrantInnen will nicht über faule Kompromisse verhandeln oder sich einwickeln lassen.

Allen wird jetzt klar: Wer S21 verhindern will, muss konsequent Widerstand leisten. Der Widerstand muss organisiert sein; er braucht Aktionen, welche die Politik weit mehr unter Druck setzen als bisher.

Das wird deutlich bei den ParkschützerInnen, die die Bewachung des Schlossgartens organisieren. Das wird bei den Demonstrationen deutlich, die sich am Ende der offiziellen Route nicht einfach auflösen, sondern in Gruppen teilen, die Strasse blockieren, vor dem Rathaus eine Kundgebung abhalten oder im Bahnhof "Oben bleiben!" skandieren.

Das wird auch bei den Treffen deutlich. Beim Offenen Plenum im Schlossgarten am 26.09., an dem ca. 100 Leute teilgenommen haben, gab es von vielen Organisierten, aber auch Unorganisierten Forderungen nach:

Aktionsgruppen und -räten;

einem öffentlichen Raum für regelmäßige Versammlungen;

Aktionsräten und Entscheidungen durch Vollversammlungen/ Delegierte;

radikaleren Massenaktionen, die Druck auf die Politik machen, wie Besetzungen und Streiks;

Prüfung von Alternativen zu S21;

Aufforderungen an die Gewerkschaften, den Widerstand massiv zu unterstützen.

Keine Gespräche und Verhandlungen ohne Zustimmung der Basis

Warum werden trotz solcher Forderungen und zunehmender Radikalisierung der Bewegung die Aktionen nicht ausgeweitet? Warum wird der Widerstand nicht besser organisiert?

Erstens, weil die jetzt Führenden keine „unkontrollierte“, also nicht unter ihrer Fuchtel stehende Ausweitung der Proteste wollen. Sie haben von Anfang an die Friedenspflicht und Gesetzestreue gepredigt. Eine Radikalisierung der Bewegung und demokratische Strukturen würden ihren „Spielraum“ einschränken oder könnten überhaupt zu einer Erneuerung der politischen Führung der Bewegung führen.

Zweitens sind manche Aktionsgruppen beschränkt auf ihre autonome oder libertäre Sicht oder rein aktionistisch, wie die BaumbesetzerInnen von Robin Wood. Sie glauben, dass es reicht, dass es „selbstständige“ kleine Aktionsgruppen gibt, die nicht unter Kontrolle von Stocker und Co stehen. Dieser Wunsch ist zwar verständlich. Das Problem ist aber, dass so niemals eine demokratische Massenbewegung organisiert werden kann. Vielmehr bleibt - entgegen der Intention dieser AktivistInnen - die Kontrolle über die Aktionen und über die Masse der DemonstrantInnen bei der bestehenden, selbsternannten Führung.

Drittens wurden die Gewerkschaften und Belegschaften von ihren reformistischen Führungen bisher daran gehindert, die Proteste massiv zu unterstützen oder gar dafür zu streiken. Für sie steht zu viel auf dem Spiel. Bloß keine Eskalation!

Aber genau das braucht die Bewegung: Eskalation! Konkret heißt das: Aneignung öffentlicher Räume für regelmäßige Vollversammlungen, um Massenpräsenz vor Ort zu haben, um Aktionen zu planen und zu organisieren. Vor allem bedeutet Eskalation, Besetzung des Hauptbahnhofs, Unterstützungsstreiks und Baustellenbesetzungen zu organisieren!

Aber immerhin: Von dieser Bewegung ist noch einiges zu erwarten. Sie lässt sich nicht so schnell ausbooten und nach Hause schicken.

Viele organisieren sich jetzt und nehmen an der politischen Auseinandersetzung teil.

Die Gruppe Arbeitermacht und die Jugendorganisation REVOLUTION haben eine Aktionsgruppe gegründet.

Deren nächstes Treffen findet am 07.10. im Schlampazius, Wagenburgstr. 147, Stuttgart-Ost, statt. Alle, die gegen S21 kämpfen wollen; alle, die unsere Forderungen unterstützen, sind herzlich eingeladen, mit uns zu diskutieren!

Aktuelle Infos und Kontakt: stuttgart@arbeitermacht.de

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Nr. 153, Okt. 2010
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