Alice Schwarzer

Alles verschleiert

Martin Suchanek, Neue Internationale 153, Oktober 2010

Die Linke, so Alice Schwarzer in ihrem neuen Buch “Die große Verschleierung” hätte den fatalen Fehler begangen, den Kampf gegen den Islamismus den Rechten zu überlassen. Dem will sie abhelfen. Zukünftig sollen NPD, Sarrazin und Buschkowsky nicht so allein stehen, wenn es gegen “kleine Kopftuchmädchen” geht. Anders als die meist männlichen, deutschen anti-islamistischen HetzerInnen will Schwarzer all das aber vor allem für die migrantischen Frauen tun.

Daher geht es bei ihr auch nicht um angeblich fehlende Arbeitsmoral, Abhängen im Hartz-IV-Paradies, Wegschnappen deutscher Arbeitsplätze oder eine drohende Aushöhlung der deutschen Genpools, sondern vor allem um - das Kopftuch.

Das müsse verboten werden - zumindest in der Öffentlichkeit, dann vielleicht auch im Wohnzimmer oder am Ladentisch im Kaufhaus.

Am Kopftuch macht Schwarzer nämlich eine ganze Verschwörungstheorie fest, die es mit den Irrationalismen eines Sarrazin aufnehmen kann, denen gegenüber der Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister Buschkowsky mit seinem pragmatisch-repressiven Rassismus geradezu rational daherkommt.

“Die” Islamisten würden nämlich die deutschen wie überhaupt alle westlichen Moscheen, islamische Gemeinden und Gebetshäuser unterwandern, ausgehend davon dann ganz Deutschland und überhaupt die Welt. Neben Bomben, Glaubenssätzen und sonstigen Utensilien verwenden sie dabei vor allem ein Kampfinstrument: Das Kopftuch, die Flagge des Islamismus.

Bei solcher Bedrohung des Abendlandes braucht es keine, die billige Verschwörungsabhandlung störenden, Fakten. Dass die christlichen Kirchen in Deutschland staatlich privilegiert werden, dass in einigen Bundesländern das Tragen des Kopftuches für LehrerInnen verboten ist, findet keine Erwähnung. Statt dessen will sie eine besondere Weichheit des deutschen Rechts gegenüber der Scharia ausgemacht haben - ein Unfug, der bisher sogar den Nazis zu blöd war.

Auch die Tatsache, dass es gerade 3 Millionen gläubige Muslime in Deutschland gibt (gegenüber 52 Millionen katholischen und protestantischen Christen). Der Verfassungsschutz - sicherlich nicht pro-islamistischer Umtriebe verdächtig - schätzt die Gesamtzahl der Islamisten auf gerade Mal 35.000. Das sind weniger als die Mitglieder der obskuren christlichen Fundamentalisten und Holocaust-Leugner von der Pius-Bruderschaft, die selbst Papst Ratzinger nicht zu rehabilitieren vermochte.

Dass eine solch kleine Minderheit verwegener Islamisten ganz Deutschland und jede Freiheit bedrohen kann, liegt nicht nur an Schwarzer's großzügiger “Zählweise”, wo jede Kopftuch tragende Muslima ganz unabhängig von ihrer Motivation, ganz unabhängig von ihrer politischen Haltung unwillkürlich zur Vorkämpferin des “Islamismus” wird.

Schwarzer hat noch eine weiteres Problem ausgemacht, das zu (er)finden sicher harter Anstrengung bedurfte: Ein “zu viel” an natürlich “falsch verstandener” Toleranz der Mehrheitsgesellschaft.

Dass die deutsche bürgerliche Gesellschaft nicht rassistisch genug sei - auf diese Idee ist erst die selbsternannte und selbstgefällige Alice Schwarzer gekommen. Ihr Ruf nach mehr Repression, nach staatlichen Verboten des Kopftuchs ist natürlich nicht neu, noch nur auf Deutschland beschränkt. Auch den Angriff auf Afghanistan befürwortete sie und befürwortet sie weiter.

Dabei kommt ihr in der “Integrations”-Debatte dieselbe Funktion zu, wie bei der Rechtfertigung  eines imperialistischen Kriegs: Verklärung von Rassimus und imperialistischem Krieg im Namen von Toleranz und Freiheit. Ironischerweise betitelt Schwarzer ihr Buch “Die große Verschleierung”. Zurecht, denn zur Verschleierung der Wahrheit leistet sie ihren Beitrag.

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