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Caritas und Hartz IV

Ein Euro Gotteslohn

Thomas von Berlin, Neue Internationale 97, Februar 2005

In die Diskussion um die Arbeitsmarktreformen haben sich die Wohlfahrtsverbände, allen voran die Caritas, in geradezu zynischer Weise eingeschaltet. Einerseits will die Caritas als katholische Einrichtung sich als Anwalt des "kleinen Mannes" aufspielen und kritisiert die Hartz IV-Reformen der Bundesregierung. Gleichzeitig drängeln sich die nächstenliebenden Manager der Caritas bei der Vergabe der Ein-Euro-Jobs als erste nach vorn. Sie wollen tausende solcher "Stellen" schaffen, z.B. in der Altenpflege.

Arbeitslosigkeit wurde von der internen Bundesarbeitsgemeinschaft "Integration durch Arbeit" IDA (Nomen est Omen!) für 2005 zum Schwerpunktthema erklärt, Internetforen für eine "offene Diskussion" wurden eingerichtet und ein "Modellprojekt" zur Anwendung des Sozialgesetzbuches (SGB) für Beschäftigte im gesundheits- und sozialwirtschaftlichen Bereich gestartet.

Die Arbeitslosen und Hartz IV sollen unter dem Deckmantel der katholischen Soziallehre kritisch und solidarisch begleitet werden. Randgruppen und Problemfälle wie Suchtkranke und arbeitsentwöhnte Langzeitarbeitslose sollen in Beschäftigung gebracht, geschult und fortgebildet werden. Die staatlichen Zuschüsse von bis zu 500 Euro pro Monat (aus den Steuern der Arbeitenden bezahlt) reichen dem Konzern für eine solcherart hoch qualifizierte "Integration" aber nicht aus, zu problematisch sei das Klientel. Slogans wie "Arbeitslose 2005: Chancen statt Vorurteile" oder "Fördern statt Fordern" sind die "humanitäre" Begleitmusik für die in Angriff genommene Ausbeutung durch diesen neuen Reichsarbeitsdienst der Schröder-Regierung.

In den Belegschaften der Caritas nicht nur im Bereich der Altenpflege geht die Angst um die Jobs und um deren Ersatz durch Ein-Euro-Jobber um. Die Pläne dafür liegen schon in den Schubläden der Vorstände, in Berlin sollen schon die ersten 850 Zwangsarbeitsstellen geschaffen werden.

Die Öffentlichkeitsarbeit des Kirchenkonzerns säuselt gleichzeitig etwas von entscheidenden Kriterien wie Freiwilligkeit, Zusätzlichkeit und Transparenz bei ihren neuen Billigarbeitsplätzen, wobei gerade Transparenz bei der Geschichte und Struktur der katholischen Kirche wie blanker Hohn klingt. Der Tendenzbetrieb Caritas bewegt sich ohnehin außerhalb der Legalität des Betriebsverfassungsgesetzes und jedweder innerbetrieblichen "Mitbestimmung".

Der längst erfolgte neoliberale Umbau der Caritas zugunsten höherer Rationalität auf Kosten der MitarbeiterInnen und höherer Gewinne verschleiert noch stärker als bisher Strukturen und Bilanzen. Eine Firma im Namen der Mitmenschlichkeit und des Christentums will keine Offenheit, Demokratie und Kontrolle, sondern brave Hirten und treue Schafe!

Entscheidendes Moment für die Einrichtung eines Zwangsarbeits- und Billiglohnsektors in der Caritas ist aber die Finanzlage der katholischen Kirche, die angeblich aufgrund schwindender Kirchensteuergelder prekär ist. Böse Zungen behaupten, dass sich die Kirche mit den Geldern und Einrichtungen der Pflegeversicherung, also wieder mit den Steuern der Lohnabhängigen, selbst saniert. Andererseits werden genug Gelder von den Bedürftigen in den Caritas-Chefetagen in die eigenen Taschen abgezweigt. Der Konzern lässt sich jedenfalls seine Arbeit im Namen der Mitmenschlichkeit gern (und ausschließlich?) von öffentlicher Seite bezahlen, Spenden und Einnahmen aus einem nicht eben kleinen Wirtschaftsimperium füllen ebenso die Schatullen des heiligen Stuhls.

Um überhaupt einen Einblick in die Bilanzen zu erhalten, ist es nötig, dass die lohnabhängig Beschäftigten selbst eine direkte Kontrolle der Bücher vornehmen können. Darüber hinaus muss die vollständige Trennung von Kirche und Staat durchgesetzt werden. Schluss mit jeder direkten und indirekten Unterstützung der Kirche durch den Staat!

Der Einsatz von Ein-Euro-Jobbern bei der Caritas ist eindeutig mehr der Geldgier als der Gier nach mehr Mitmenschlichkeit geschuldet. Viele Tätigkeiten in der Altenpflege sind früher oftmals erst im Rahmen der "Qualität sichernden Maßnahmen" der Pflegeversicherung ausgelagert worden. Hier sind wir also schon beim Einfallstor für Zwangsarbeit in die Altenpflege: Auslagerung, Prekarisierung und Entlassung, um dann für ein Linsengericht bzw. für einige hundert Euro weniger "neu" eingestellt zu werden, um weiter neoliberale Qualität zu sichern. Zweifellos genügt die soziale Betreuung in vielen Bereichen nicht. Dort müssen tatsächlich mehr Menschen eingestellt und dafür qualifiziert werden - allerdings zum vollen Tariflohn mit allen bisher gewährten Leistungen und nicht für´n Appel und´n Euro.

Der paternalistische Konsens innerhalb der Caritas-Belegschaft ist in den letzten Jahren zerbrochen. Ein großer Teil der Beschäftigten arbeitet längst unter halblegalen und ungesicherten Arbeitsverhältnissen, ohne Aussicht auf Festanstellung. Andere wurden durch die Weigerung, gesetzliche Feiertage bei Nichtarbeit zu bezahlen, brüskiert. Der falsche humanitäre Heiligenschein der Caritas hat für viele an Leuchtkraft eingebüßt.

Doch der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist nach wie vor sehr schwach, geschuldet auch der zögerlichen Haltung von ver.di. Die KollegInnen sollten jedoch einsehen, dass nur eine kämpferische Gewerkschaftsbasis gerade bei MitarbeiterInnen der katholischen Kirche Voraussetzung für die Verteidigung ihrer Interessen ist. Sie müssen lernen, für ihre eigenen Interessen zu kämpfen.

Wir müssen den Konzern zwingen, seine Pläne offen zulegen und auf Ein-Euro- Zwangsarbeit zu verzichten. Dazu müssen Belegschaftsversammlungen abgehalten werden. Die Mitarbeitervertretungswahlen im Frühjahr sollten um das Thema Zwangsarbeit, Prekarisierung und Angriffe auf die Arbeitsbedingungen ablaufen. Dazu ist es nötig, mit deren bisheriger sozialpartnerschaftlicher Ausrichtung zu brechen. So können wir den Kampf gegen den Konzern namens Caritas gewinnen. Möge der Papst für einen Euro vor sich hin beten! Wir nicht!

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Nr. 97, Februar 2005

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