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EU-Verfassung

Nein zum Staatenbund der Imperialisten!

Martin Suchanek, Neue Internationale 97, Februar 2005

Am 18. Juni 2004 billigten die 25 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union den Verfassungsentwurf, der ein Jahr zuvor vom "Europäischen Konvent" beschlossen wurde.

Nun muss der Entwurf noch den einzelnen Nationalstaaten zur Ratifizierung vorgelegt werden. Daher prägt die Entscheidung über die Verfassung auch die politische Auseinandersetzung in vielen EU-Staaten.

Vorgeschichte

Der vorgelegte Entwurf stellt eine politische Zusammenfassung der bisherigen Schritte der großen europäischen Kapitale und imperialistischen Führungsnationen - v.a. Deutschlands und Frankreichs - dar, die Einigung Europas in der Weltmarktkonkurrenz mit den USA voranzutreiben und auf eine neue Stufe zu stellen.

Schon in den 1980ern wurde die ökonomische Verflechtung der EU substantiell beschleunigt. Die "Einheitliche Europäische Akte" vom Februar 1986 schuf den rechtlichen Rahmen für die Vereinheitlichung des Binnenmarktes und eine größere Freizügigkeit des Verkehrs von Kapital, Waren und Personen.

Die ökonomischen Unzulänglichkeiten dieser Regelung zeigten sich u.a. in den Währungsturbulenzen Ende der 1980er Jahre, in den spekulativen Bewegungen gegen Franc und Pfund. Aufgrund des politischen Willens der deutschen und anderer kontinentaleuropäischer Regierungen, aber auch der damals schon engen Verflechtungen zwischen der deutschen und französischen Regierung - so hielt die Bundesbank die größte Menge an Francs außerhalb Frankreichs - konnte die französische Währung gestützt werden, während beim Pfund sowohl der politische Wille fehlte als auch die ökonomischen Möglichkeiten der europäischen Zentralbanken weit geringer waren.

Vom Standpunkt des deutschen wie auch des französischen Kapitals musste auf diese Währungskrise mit einem qualitativen Schritt vorwärts geantwortet werden, der gleichzeitig die Union für die Konkurrenz mit den USA beflügeln sollte. Der Zusammenbruch des Ostblocks und die Wiedervereinigung Deutschlands wirkten als zusätzlicher Katalysator dieses Prozesses, der 1992 im Vertrag von Maastricht gipfelte. Hier wurde eine einheitliche europäische Währung, der spätere Euro, zum politischen Ziel der EU deklariert und mit den "Maastricht"-Kriterien Grundlagen für die Vereinheitlichung der Märkte in der EU gelegt.

Damit einher gingen der verstärkte Aufbau gemeinsamer militärischer und polizeilicher Strukturen. Erstere manifestierten sich z.B. in Plänen zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft und gemeinsamen Korps der "Kernländer" der EU. Zweitere u.a. in den Verträgen von Trevi und Schengen zur gemeinsamen "Sicherung der Außengrenzen" der EU. Hier wurden Elemente gemeinsamer staatlicher Strukturen vorangetrieben.

Wie schon zu Beginn der 1990er stieß aber auch dieser "Modus" der Expansion an Grenzen. Einerseits erforderte die Formierung eines imperialistischen Europa unter deutsch-französischer Führung auch klare politische Entscheidungsmechanismen, welche die Vorherrschaft Deutschlands und Frankreichs und damit die Unterordnung kleinerer imperialistischer Staaten und der osteuropäischen Halbkolonien sichern, die im Zuge der letzten Erweiterungswelle in die Union integriert wurden.

Mehrere EU-Gipfel - insbesondere der Gipfel von Nizza im Dezember 2000 - waren daher auch von einer "Reformdebatte" um die politische Form der EU geprägt.

Anlass dafür war u.a. die Erfahrung der Jugoslawienkriege. Die europäischen Imperialisten hatten es nicht geschafft, im "eigenen" Hinterland die Führungsrolle des US-Imperialismus wirklich zu durchbrechen. Die Kriegführung und Militärstrategie, die zukünftige politische Architektur des Balkans und das Verhältnis zu Russland wurden letztlich von den USA bestimmt.

Verschärfte Konkurrenz

Noch augenfälliger wurde das den europäischen Imperialisten im Irak-Krieg bzw. bei dessen Vorbereitung vor Augen geführt. Die US-Regierung war fähig, eine wirklich gemeinsame EU-Außenpolitik zu verhindern. Nicht nur der traditionell den USA näher stehende britische Imperialismus, sondern auch Spanien, Italien, die Niederlande und Polen - um nur die wichtigsten zu nennen - schlossen sich der "Koalition der Willigen" an. Mit der Abwahl Aznars, dem halben Rückzieher der Tschechischen Republik usw. zeigte sich aber auch die Fragilität dieser Intervention - er zeigt trotzdem deutlich, dass die europäische kapitalistische Integration auf schwachen Füßen steht.

All dem lag aber auch ein ökonomisches Zurückbleiben des europäischen Imperialismus, vor allem Deutschlands, gegenüber den USA in den 1990er Jahren zugrunde, dessen Hauptursachen selbst wiederum in einem, verglichen mit der imperialistischen Führungsmacht ungünstigeren Kräfteverhältnis zwischen den Klassen und einer ungenügenden ökonomischen, politischen und militärischen Vereinheitlichung der EU lagen.

Daher mussten die europäischen Kapitalistenklassen, besonders die deutsche und die französische, auf eine Beschleunigung des Angriffs auf die Lohnabhängigen, auf einen konzertierten Generalangriff im ganzen EU-Raum drängen, auf eine Beschleunigung des politischen und staatlichen Vereinigungsprozesses des imperialistischen Blocks EU.

Der Generalangriff auf die Arbeiterklasse und alle anderen nichtausbeutenden Schichten der Bevölkerung wurde u.a. in der Agenda von Lissabon kodifiziert und schlägt sich in Deutschland in der Agenda 2010 u.ä. nieder.

Die EU-Verfassung soll den politischen Rahmen für die Schaffung eines europäischen imperialistischen Staatsgebildes schaffen und gleichzeitig auch die ökonomische und militärische Formierung der EU vorantreiben.

EU-Verfassung

Die stärkere wirtschaftliche Integration, die von den wichtigsten Bourgeoisien vorangetrieben wird, hat noch nicht zur Schaffung eines europäischen Kapitals geführt. Ein solches wird auch nicht durch den Selbstlauf der Zentralisation von Kapital entstehen, sondern muss durch die EU selbst politisch vorangetrieben werden.

Ein Blick auf die erfolgreichsten europäischen ökonomischen Projekte wie z.B. den Airbus verdeutlicht das. Das "multi-nationale", i.w. deutsch-französische Projekt hätte es ohne massive Unterstützung durch die wichtigsten Staaten in der EU nicht (und schon gar nicht so rasch) zur Weltmarktführung gebracht.

Kurzum, die Schaffung eines imperialistischen Supra-Staats, eines festeren Blocks unter Vorherrschaft des deutschen und französischen Kapitals ist selbst eine Voraussetzung zur Schaffung "europäischer" Monopole, genauer: zu deren rascher Zusammenballung.

In der verschärften Systemkonkurrenz drängt die Zeit nämlich die "kerneuropäischen" Länder Deutschland und Frankreich (und in ihrem Fahrwasser die besonders engen Vasallen wie Belgien) zur Eile. Die ökonomische Überlegenheit des Großkapitals dieser beiden Länder - immerhin kommen mehr als die Hälfte der 50 größten europäischen Unternehmen aus diesen beiden Ländern - würde zwar auch ohne staatliche Hilfe mehr und mehr zur Verdrängung schwächerer Konkurrenten führen. Entscheidend ist jedoch, dass Kapitale entstehen, welche - gestützt auf einen europäischen imperialistischen Staatenblock - die US-amerikanischen und japanischen Konkurrenten in der gegenwärtigen Entwicklungsphase des Kapitalismus auf dem Weltmarkt ausstechen können.

Der Verfassungsentwurf erhält aus dieser verschärften innerimperialistischen Konkurrenz seine Bedeutung. Er kodifiziert gewissermaßen den rechtlichen Rahmen, auf dem ein gefestigter imperialistischer Block auf dem Rücken von Niederlagen der Arbeiterklasse und auf Grundlage einer Festigung der Vorherrschaft des deutschen und französischen Kapitals entstehen soll.

Die EU-Verfassung soll die Grundlage staatlicher Institutionen prägen, mit der die kontinentaleuropäischen Kapitale hoffen, eine imperialistische Macht zu schaffen, die es mit den USA aufnehmen kann.

Sicherlich würde sie nicht die endgültige Form einer imperialistischen Vereinigung darstellen, aber ihre Umsetzung und Festigung markiert einen qualitativen Schritt in diese Richtung.

Diese Zielsetzung zieht sich durch die gesamte Verfassung und prägt auch deren Charakter, wie wir im folgenden durch eine Darstellung und Analyse des Dokuments zeigen werden.

Der Verfassungsentwurf gliedert sich in vier Teile. Einen Teil mit den "grundlegenden Verfassungsbestimmungen", eine Charta der Grundrechte, einen Teil über die "Politikbereiche der Union" und schließlich die Bestimmungen für das Verfahren zur An- und Übernahme der Verfassung.

Die "grundlegenden Bestimmungen"

Der erste Teil der EU-Verfassung enthält die für bürgerliche Verfassungen üblichen hehren Ziele: Achtung der Menschwürde und Wahrung der Menschenrecht; Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Gleichstellung von Mann und Frau, Nichtdiskriminierung der BürgerInnen der verschiedenen EU-Staaten, Weltfrieden und Wohlergehen aller Völker der Erde.

Natürlich findet sich in diesem Teil auch die übliche Liste der Staatssymbole wie Flagge, Europatag 9. Mai, Währung und Hymne - die "Ode an die Freude" aus Beethovens Neunter Symphonie, der einzige unstrittige Fortschritt gegenüber den meisten Nationalhymnen der EU-Staaten.

In diesem Abschnitt sind jedoch auch wichtige andere Verfassungsziele festgeschrieben, die deutlich mehr über den Charakter des sich formierenden Staatsgebildes EU aussagen.

Zum einen werden die neoliberalen Verträge und EU-Verordnungen der letzten Jahre noch einmal festgeschrieben. Das geschieht zwar weniger im ersten Teil, der die für alle bürgerlichen Staaten übliche Garantie des Eigentums enthält, sondern v.a. im dritten, wo die Wirtschaftsordnung der EU als "offene Marktwirtschaft mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb" definiert wird.

Natürlich ist die von reformistischer Seite geübte Kritik, dass damit eine grundlegende Änderung der "Gesellschaftsordnung" gegenüber der bundesrepublikanischen stattfinde kompletter Unsinn. Die Verpflichtung des Eigentums aufs Gemeinwohl, wie es im Grundgesetz steht, hat natürlich auch bisher am deutschen Kapitalismus nichts geändert.

Die Marktwirtschaft wurde natürlich dadurch um nichts "sozialer" und die deutsche Verfassung auch nicht ihres bürgerlichen, kapitalistischen und imperialistischen Charakters entbunden, weil darin auch die etwaige Überführung von Unternehmen ins Gemeineigentum aufscheint (genauso wenig wie ein etwaiges "Recht auf Arbeit" die Zahl der Arbeitslosen auch nur im eine Person mindern würde).

All diese Phrasen spiegeln nur eine bestimmte politische Konstellation zur Entstehung einer solchen Verfassung wider - die realen ökonomischen Verhältnisse eines Staates bestimmen sie selbstredend nicht.

Der Wortlaut der Verfassung stellt aber klar den politischen Willen der herrschenden Klasse in Europa und ihrer politischen Repräsentanten dar, die neo-liberalen Erlässe und Gesetze der letzten Jahre, die aktuelle Bolkenstein-Richtlinie zur Privatisierung und Kommerzialisierung öffentlicher Dienstleistungen rechtlich zu fixieren.

Die in vielen Europäischen Verfassungen oder Zusätzen, in der Rechtssprechung usw. in der Nachkriegsperiode angehäuften "sozialen Rechte" oder Phrasen über die "soziale Verantwortung" des Privateigentums an Produktionsmitteln hatte zwar nie irgendeine Auswirkung auf den kapitalistischen und imperialistischen Charakter der europäischen Staaten. Sie spiegelten aber ein bestimmtes Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen, eine weitgehende Einbindung der Arbeiteraristokratie und -bürokratie in einen sozialstaatlich und sozialpartnerschaftlich austarierten Klassenkompromiss wider. Dieser war möglich auf Grundlage der durch den Zweiten Weltkrieg und die Niederlagen der Arbeiterbewegung geschaffenen außergewöhnlich günstigen Akkumulationsbedingungen für das Kapital in den 1950er und 1960er Jahren.

In der gegenwärtigen, durch Überakkumulation von Kapital, massive Überkapazitäten, sinkende Profitraten und verschärfte Konkurrenz geprägten Periode haben die herrschenden Klassen mit diesem Kompromiss gebrochen und natürlich keine Interesse und auch keinen Grund, die verfassungsrechtlichen reformistischen "Mätzchen" weiter fortzuschreiben.

Im Gegenteil: Die EU-Verfassung drückt aus, was im ökonomischen und politischen Generalangriff auf Arbeitsbedingungen, Arbeitszeiten, soziale Sicherung bisher durchgeboxt wurde und in den kommenden Jahren durchgesetzt werden soll.

Das spiegelt sich auch im Grundwertekatalog wider, der im wesentlichen dem Grundrechtsteil anderer Verfassungen entspricht.

Hier wird zwar ein Streikrecht inkludiert, das jedoch im Text (Art. II- 28) auf "soziale Interessenkonflikte beschränkt" wird und direkt in Verbindung mit dem Recht der Unternehmer auf Aussperrung genannt wird.

Was ist neu?

Der wichtigste, neue Aspekte des ersten Abschnitts der Verfassung betrifft freilich den Abschnitt über das Verhältnis von EU-Recht und nationalem Recht. So heißt es in Artikel I-10 des Entwurfes:

"Die Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten."

Um welche Aufgaben handelt es sich, die lt. Verfassungsentwurf der EU übertragen werden sollen:

die Festlegung der für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen Wettbewerbsregeln;

die Währungspolitik;

die gemeinsame Handels- und Zollpolitik;

die Förderung und Gewährleistung der Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik der Mitgliedsstaaten;

die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, einschließlich der damit verknüpften Militärpolitik;

der Abschluss von åinternationalen Übereinkommen und Verträgen.

Schon im Mai 2000 hatte Außenminister Fischer in seiner Rede an der Humboldt-Universität in Berlin gefordert, dass die EU zu einem Bundesstaat würde. Auch wenn sie trotz Verfassung noch ein gutes Stück davon entfernt ist, wurde mit der Festlegung obiger Aufgaben eine ganze Reihe zentraler Staatfunktionen in die Hände der EU und ihrer Organe gelegt.

Eine zentrale Rolle, die auch das Wie dieser Übertragung verdeutlicht, spielt zweifellos die Währungspolitik.

Die Europäische Zentralbank (EZB) - ein Organ der EU-Verfassung - ist allein zuständig für die Währungs- und Geldpolitik der Staaten, die den Euro eingeführt haben, für die Ausgabe von Banknoten, die Festlegung der Wechselkurse des Euro und die Verwaltung der Währungsreserven.

Sie hat nicht nur dadurch enorme Macht. Sie kann auch ohne Mitwirkung aller anderen EU-Instanzen Verordnungen und Beschlüsse erlassen.

Die EZB ist, wie auch noch einmal in Artikel III-80 kodifiziert, jeder noch so rudimentären bürgerlich-demokratischen Kontrolle entzogen.

Das Beschlussorgan der EZB, die dem Modell der deutschen Bundesbank nachempfunden wurde, ist der Rat der EZB, der aus den Zentralbankpräsidenten der EU-Staaten besteht sowie dem Direktorium.

Letzteres umfasst sechs Mitglieder, die für acht Jahre im Einvernehmen mit den Staats- oder Regierungschefs der EURO-Länder ernannt werden und "aus dem Kreise der Währungs- und Bankfragen anerkannten Persönlichkeiten" kommen müssen.

Theoretisch könnten natürlich im Direktorium der EZB Vertreter aus sechs kleineren osteuropäischen Staaten sitzen. Abgesehen davon, dass die verschieden Staats- und Regierungschefs höchst ungleiches Gewicht haben; wenn es darum geht, ihre Interessen durchzusetzen, ist eine Vorherrschaft der großen imperialistische Mächte natürlich auch durch die unterschiedlichen Einlagen in der EZB und ihrer institutionelle Prägung gesichert.

So zeichnet die Deutsche Bundesbank 24,5% des Eigenkapitals der EZB, die französische Zentralbank 16,8, usw.

Außen- und Militärpolitik

Ähnliche Bestimmungen finden sich auch in anderen wichtigen Politikbereichen. So verpflichtet der EU-Verfassungsentwurf die Mitgliedsstaaten, die Außenpolitik der EU "aktiv und vorbehaltlos" zu unterstützen. Natürlich kann jedes Land weiter Verträge und Abkommen abschließen. Es soll sich aber lt. Verfassung jeder Handlung enthalten, "die den Interessen der Union zuwider laufen könnte."

Zur Verfolgung einer gemeinsamen Außenpolitik wird mit der Verfassung auch ein eigenes Ministerium geschaffen. Dieses soll sowohl Vorsitz im Ministerrat für Auswärtiges (also dem Treffen der EU-Außenminister) innehaben wie auch Mitglied der EU-Kommission sein.

Zweifellos sind hier noch immer große Einspruchsrechte der einzelnen Mitgliedsstaaten vorhanden und es ist zweifelhaft, ob sich ein imperialistisches Land wie Britannien im Falle eines Interessenskonflikts irgendeiner EU-Richtlinie in der Außenpolitik unterordnen wird. Hier zeigt sich auch, dass die EU noch lange kein wirklich einheitlicher Staat ist und auch jetzt noch zerbrechen kann.

Doch Britannien ist eine wichtige imperialistische Macht und der wichtigste Verbündete des US-Imperialismus auf der weltpolitischen Bühne.

Für die kleineren halbkolonialen osteuropäischen Länder stellt die EU-Verfassung zweifellos einen Schritt dar, sie stärker an die Außenpolitik Deutschlands und Frankreichs anzubinden und ein Ausscheren zu erschweren.

Wohin der Weg gehen soll, zeigte sich Ende 2004 im Fall der Ukraine, im Dreikampf um den bestimmenden Einfluss in diesem Land zwischen Russland, den USA und der EU. Als zuerst polnische Diplomatie im Schlepptau der USA eine führende Rolle einnehmen wollte, erklärte Fischer das Problem zur "Chefsache" der EU-Kommission und Deutschlands und pfiff die polnische Diplomatie zurück.

Zu jeder Weltmacht gehört freilich auch eine schlagkräftige Interventionstruppe, Aufrüstung und globale Repressionsfähigkeit.

In der EU-Verfassung sind daher auch ausführliche Bestimmungen über die Formierung einer EU-Militärmacht enthalten, die von der NATO unabhängig aktionsfähig sein soll. Die Beteiligung an der EU-Militärpolitik soll zur Pflicht der Mitgliedsstaaten werden (wobei es für einige eine Ausnahme von dieser Aufgabe gibt). Militärische Missionen außerhalb des EU-Gebietes sind selbstredend "zulässig".

Entscheiden darüber kann der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs - und zwar ohne Bindung an irgendein Parlament!

Transparenz und Demokratie?

Natürlich ist von einer "Transparenz" des Verfahrens oder einem Zuwachs an Demokratie beim ganzen Verfassungsprojekt nichts zu finden - es sie denn, man nimmt die "Chatrooms", Websites der Verfassungsautoren und staatliche "Aufklärungsoffensiven", die den BürgerInnen "ihr" Europa näher bringen wollen, für den Kern der Sache.

Auch die Volksabstimmungen in vielen EU-Ländern dürfen nicht einfach als Ausdruck demokratischer Mitbestimmung genommen werden, sondern stellen vor allem den Versuch dar, der zukünftigen Verfassung mehr Legitimität zu geben.

Klar, eine solches Unterfangen kann auch schief gehen und der Rückzieher der belgischen Regierung zeigt, dass die europäischen Kapitalistenklassen hier nichts anbrennen lassen wollen, egal ob die Nein-Stimmen aus berechtigter Ablehnung oder rassistischen Ressentiments kommen.

Hinzu kommt, dass die EU-Verfassung auch dann als ratifiziert gilt, wenn wenigstens 4/5 der Mitgliedsstaaten die Verfassung annehmen. Ein "Ausscheren" einzelner kleiner Staaten Ost-Europas oder selbst Österreichs hätte als keine grundsätzlichen Auswirkungen. Anders wäre es natürlich im Falle Frankreichs, einem der Kernländer und Architekten der Verfassung und des imperialistischen EU-Blocks.

Die eigentliche Frage ist jedoch: Warum führt die EU-Verfassung zur Bildung und staatlichen Organen und zur Übertragung staatlicher Funktionen an die EU in einer Form, die mit einer enormen Stärkung und Machtkonzentration bei der Exekutivgewalt einhergeht?

Entgegen allen "demokratischen" Beteuerungen sind die neuen Machtbefugnisse des Parlaments minimal. Neben oben genannten Punkten liegen entscheidende Änderungen in der Einführung gewichteter Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Exekutivorgane (Kommission, Präsidentschaft, Rat der Minister), d.h. in der weitgehenden Abschaffung des Veto-Rechts kleiner Staaten.

Mit der EU-Verfassung werden nicht nur Schritte zur Schaffung staatlicher Organe geschaffen. Sie werden gleichzeitig in einer Form geschaffen, welche die Dominanz durch die zentralen imperialistischen Mächte, allen voran Deutschland und Frankreich, sichern soll.

Daraus erklärt sich auch, dass die reale Verfassung der EU hinter die Normen vieler etablierter bürgerlicher Demokratien zurückfallen muss, dass die Verfassung "von oben" zustande kommen muss, dass das Parlament Machtbefugnisse hat, die eher dem Reichstag im Kaiserreich als dem heutigen Bundestag entsprechen.

Kompletter Unfug wäre es jedoch, daraus auf eine Machtreduzierung des deutschen Staates zu schließen. Die Redensart, dass "Deutschland" jetzt nichts mehr zu sagen hätte, dass jetzt "alles" von außen käme, geht nicht nur stillschweigend von einem gemeinschaftlichen Interesse aller in Deutschland Lebenden, unabhängig von ihrer Klassenzugehörigkeit aus, es verkennt auch komplett den Charakter der EU.

Deutschlands Stärkung

Der deutsche Imperialismus geht gerade durch die Verfassung gestärkt hervor. Er gibt Macht an das EU-Projekt "ab", um es durch die Schaffung einer europäischen Interventionsmacht, die Stärkung der Zentralbank, durch die gemeinsame Außenpolitik, kurz: durch einen substantiellen Schritt zur Schaffung eines imperialistischen Blocks Europa unter Führung des deutschen und französischen Imperialismus vielfach zurück zu erhalten.

Die EU-Verfassung muss abgelehnt und bekämpft werden, nicht, weil die deutsche Staatsmacht dadurch schwächer, sondern weil sie und das deutsche Kapital dadurch stärker werden! Weil dadurch die Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen zuungunsten der Arbeiterklasse und aller Unterdrückten gefestigt werden soll; weil dadurch eine imperialistische Großmacht weiter geformt und gestärkt wird, welche die Völker der Welt ebenso bedroht wie der US-Imperialismus.

Daran würde auch das Streichen aller "neoliberalen Passagen", aller "unsozialen" Ergüsse usw. nichts ändern. Auch eine EU-Verfassung, die nur so vor sozialstaatlichen Versprechungen, "Arbeiterrechten" usw. strotzen würde, wäre eine bürgerliche Verfassung, die Verfassung eines kapitalistischen Europa, eines imperialistischen Europa mit mehr sozialer Tünche.

Welche Alternative?

Eine revolutionäre Antwort auf die gegenwärtige Entwicklung, auf die Formierung der imperialistischen EU kann natürlich nicht die Verteidigung der "deutschen Unabhängigkeit" oder überhaupt der nationalen Abschottung in Europa sein.

Das Einreißen z.B. der Zollschranken und die weitgehende Abschaffung der Grenzkontrollen im täglichen Verkehr ist natürlich zu begrüßen. Allein im Rahmen der EU geht sie einher mit der Errichtung umso heftiger Abschottung an den Außengrenzen.

Die europäischen Kapitalisten - allen voran die der ökonomisch und politisch führenden Staaten - können, wenn überhaupt, Europa nur als imperialistischen Moloch einen.

Eine fortschrittliche, historisch progressive Vereinigung Europas auf kapitalistischer Grundlage ist unmöglich. Daher ist auch das ganze Gerede von einem "sozialen, demokratischen, ökologischen usw. Europa" in dem die Frage ausgeklammert wird, welche Klasse eigentlich in diesem "anderen" Europa herrscht, gefährlich und falsch.

Es wäre unter kapitalistischen Verhältnissen entweder eine leere Phrase oder ein beschönigender Ausdruck für ein sozial-imperialistisches Europa, ein Europa, wo ein Teil der Arbeiterklasse und der Mittelschichten in Form eines "partnerschaftlichen" Kompromisses auf Kosten der großen Mehrheit der Klasse und v.a. der ArbeiterInnen in den halbkolonialen Ländern in ein imperialistisches Projekt eingebunden würde.

Dem imperialistischen Europa stellen wir ein sozialistisches Europa, den Kampf für die Vereinigten Sozialistischen Staaten Europas entgegen!

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Nr. 97, Februar 2005

*  Irak: Imperialistische Wahlfarce
*  Münchner "Sicherheitskonferenz": Intervention fürs Kapital
*  Heile Welt
*  ver.di-Tarifverhandlungen: Nichts fordern, nichts tun
*  Gewerkschaftslinke: Der schwere Weg zum Klassenkampf
*  EU-Verfassung: Nein zum Staatenbund der Imperialisten!
*  Trotzkis Faschismustheorie: Arbeitereinheit gegen Braun
*  NPD-Provokation: Verbot statt Kampf?
*  Caritas und Hartz IV: Ein Euro Gotteslohn
*  Rot-Grünes Verarmungsprogramm: Für'n Appel und 'n Euro?

 

Auf nach Brüssel!

Nein zu Sozialkahlschlag, Krieg und EU-Verfassung!

Im 18. und 19. März findet in Brüssel eine europaweite Demonstration gegen Sozialkahlschlag in Europa, gegen den neoliberalen Verfassungsentwurf und gegen Krieg statt.

Diese Demonstration geht vom Europäischen Sozialforum und den sozialen Bewegungen aus und wird von Gewerkschaften, linken Parteien, Jugend-, Frauen- und ImmigrantInnenorganisationen aus ganz Europa unterstützt. Wir wollen dort gemeinsam gegen den EU-Gipfel demonstrieren, der neue Sparprogramme, neue Kürzungen, neue Privatisierungen diskutiert und beschließen soll.

Gemeinsam wollen wir den Regierungsvertretern und der EU-Bürokratie die Suppe zu versalzen und den Gipfel blockieren!

Schließt Euch lokalen Mobilisierungsbündnissen an!

Fordert Eure Gewerkschaft, Euren ASTA, Eure Schülervertretung auf, die Demonstration zu unterstützen und die Fahrt, vor allem für Jugendliche und Erwerbslose, zu finanzieren!