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Neue Linkspartei in Brasilien

: Schattige Sonne

Wladek Flakin, Neue Internationale 95, November 2004

Im Juni 2004 wurde die "Partei für Sozialismus und Freiheit", kurz P-SOL, gegründet. Die "Partei der Sonne" (she. Logo) geht auf die Initiative linker ParlamentarierInnen zurück, die letztes Jahr aus der regierenden Arbeiterpartei (PT) ausgeschlossen wurden.

Die Entwicklung der P-SOL weist viele Ähnlichkeiten mit der Entstehung der Wahlalternative in Deutschland auf - eine reformistische Arbeiterpartei kommt an die Macht und führt ein neoliberales Programm durch. Dabei werden viele ihrer Mitglieder enttäuscht und es kommt zu einer Abspaltung der "Linken".

Ähnlich ist auch, dass diese neuen Linksparteien mit dem reformistischen Politikmodell ihrer Mutterparteien nicht grundsätzlich abrechnen. Stattdessen wird behauptet, der alte Reformismus sei eine Spitzensache und nur von einzelnen böswilligen ParteiführerInnen (sei es Lula oder Schröder) verraten worden.

Lula und die Linke

Die Regierung Lula wurde Ende 2002 mit massiver Unterstützung der brasilianischen Arbeiterklasse gewählt. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes saß ein ehemaliger Arbeiter auf dem Präsidentenstuhl. Eine Partei, die in den Kämpfen der MetallarbeiterInnen Sao Paolos am Anfang der 80er geboren wurde, stand jetzt an der Spitze des Staates.

Doch wer glaubte, dass diese Arbeiterpartei im Interesse der ArbeiterInnen handeln würde, sollte bald diese Illusion erkennen. Einmal im Amt, fing Lula an, die ArbeiterInnen anzugreifen. Für den öffentlichen Dienst wurde das Rentenalter erhöht und die Rentenhöhe reduziert. In Brasilia ließ Lula gegen Zehntausende protestierende LehrerInnen Tränengas einsetzen.

Die PT war seit ihrer Gründung Heimat für eine Vielzahl linker Strömungen: Trotzkisten, Maoisten, Gramscianer, linke Katholiken usw. Als die Partei landesweit aufgebaut wurde und unzählige Pöstchen in Parlamenten und Verwaltungen eroberte, wuchs auch ein massiver bürokratischer Apparat; die Linken hatten immer weniger Einfluss.

Schon 1994 kam es zum Ausschluss einer trotzkistischen Strömung, die daraufhin die Vereinigte Sozialistische Arbeiterpartei (PSTU) gründete. Andere Tendenzen blieben in der PT, um sich weiter im Parteiapparat hochzuarbeiten. Die größte von ihnen war die "Sozialistische Demokratie" (DS), die brasilianische Sektion des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale (deutsche Ableger: isl und RSB).

Obwohl klar war, dass Lula nur im Interesse der Herrschenden regieren könnte, trat die DS seiner Regierung bei. Ein führendes Mitglied, Miguel Rossetto, wurde Minister für Landreform. Sein Versprechen, die Regierung "nach links zu drängen" und die "Selbstorganisierung der Bauern zu fördern", entpuppte sich als leeres Gerede - sein Ministerium ließ wichtige Anführer der landlosen Bewegung MST verhaften. Insgesamt hat er noch weniger Land an arme Bauern verteilt als sein Vorgänger in der rechten Cardoso-Regierung!

Doch als Lula dabei war, die Errungenschaften der Arbeiterklasse durch die Rentenreform direkt anzugreifen, konnten das einige PT-Linken nicht mehr mittragen. Vier stimmten daher im Kongress gegen die Gesetzesvorlage der Regierung und wurden im Schnellverfahren aus der PT ausgeschlossen.

Die bekannteste unter ihnen ist die populäre Senatorin Heloísa Helena. Sie ist Mitglied der DS, unterstützte aber deren offen verräterischen Kurs nicht. Jetzt hat sie die Strömung "Liberdade Vermelha" (Rote Freiheit) als "öffentliche Fraktion" der DS gegründet, wird aber von dieser nicht anerkannt. (D.h. die "Vierte Internationale" hat momentan zwei brasilianische Sektionen.) Helena kritisiert die Regierungsbeteiligung ihrer GenossInnen, ist aber weder bereit, ihren sofortigen Austritt aus der Regierung, noch ihren sofortigen Ausschluss aus der "Vierten Internationale" zu fordern.

Helena und drei weitere Kongreßabgeordente (zwei von trotzkistischen Strömungen, einer aus einer links-christlichen Gruppe) bilden den Führungskern der neuen Partei.

Genau wie die deutschen Gewerkschaftsbürokraten, welche die Wahlalternative ins Laufen gebracht haben, schlagen auch die brasilianischen ParlamentarierInnen der P-SOL nicht vor, eine breite Diskussion innerhalb der Gewerkschaften, der Betriebe, der Unis usw. zu organisieren, um zu bestimmen, was für eine Art Partei gegründet werden soll. Das hätte die kämpferischen Schichten der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt der Parteigründung und -debatte gestellt - und genau das wird vermieden. Stattdessen werden die Programme zwischen Prominenten ausgehandelt und sollen durch ein scheindemokratisches Plebiszit auf einem Kongress beschlossen werden.

Revolutionäres Programm oder neuer Reformismus?

Die Politik der P-SOL definiert sich mehr durch das, was sie nicht sagt, als durch das, was sie sagt.

Sie fordert eine "neue Verfassung", basierend auf "allgemeinem Stimmrecht" (das gibt es in Brasilien schon seit 15 Jahren!), ohne zu erwähnen, dass die kapitalistische "Demokratie" nur eine verdeckte Diktatur der Kapitalisten ist, und revolutionär von der Arbeiterklasse aufgehoben werden muss.

Sie fordern die "Demokratisierung der Polizeikräfte und vor allem der Armee", ohne zu erwähnen, dass der Repressionsapparat des bürgerlichen Staates nicht "weg zu reformieren" ist, sondern zerschlagen werden muss. Es gibt kein Wort über das Recht der Unterdrückten auf Selbstverteidigung (eine wichtige Forderung in einem Land, wo landlose Bauern von Großgrundbesitzern regelmäßig ermordet werden!), geschweige denn von der Notwendigkeit, dass die Arbeiterklasse zu ihrem Selbstschutz eigene Milizen aufstellen muss.

Beim Abschnitt über Frauenrechte gibt es keine Forderung nach dem uneingeschränkten Recht auf Abtreibung. Das fehlt nicht etwa aus Platzgründen. Der P-SOL gehören Teile der katholischen Kirche an, wie z.B. der Abgeordnete João Fontes, die gegen diese Forderung auftreten und nicht verprellt werden sollen. Die P-SOL hat außerdem bereits auf lokaler Ebene Wahlbündnisse mit der christlichen PTC geschlossen.

Im allgemeinen wird der Sozialismus als "Horizont" dargestellt (und es ist ja bekannt, dass man den Horizont nie erreichen kann!), während sich die tagtägliche Praxis der Partei auf die Erkämpfung "populärer Reformen" beschränkt. Das Programm zeigt keine organische Verbindung zwischen den Tageskämpfen der Massen und dem Kampf für den Sozialismus auf - was Marxisten "Übergangsmethode" nennen.

Die Losung der "sozialistischen Revolution" erscheint im Programm der P-SOL kein einziges Mal als strategisches Ziel. D.h. nirgendwo wird klar und deutlich erklärt, wie die Partei ihre Forderungen umsetzen möchte.

Aber die programmatische Verschwommenheit der P-SOL wird durch eine unverkennbar elektoralistische Praxis ergänzt.

Die P-SOL will "die politische Unabhängigkeit der ArbeiterInnen und Ausgeschlossenen". Doch die einzige Forderung in dieser Richtung ist die "Ablehnung von gemeinsamen Regierungen mit der herrschenden Klasse". Welche Regierung die P-SOL stattdessen anstrebt, wird offen gelassen; die Perspektive einer Arbeiterregierung, gestüzt auf die Kampforgane der Klasse (z.B. Arbeiterräte) und nicht auf das Parlament, wird auf jeden Fall nicht aufgeworfen.

Bevor die P-SOL ein klares Programm erarbeitet hat, jagen sie intensiv nach Stimmen für die nächsten Präsidentschaftswahlen.

Diese Orientierung zeigt sich darin, dass auf dem Gründungskongress der P-SOL Aufkleber zu haben waren mit der Losung "Wieder eine Hoffnung, Heloísa 2006" - das, bevor die Partei überhaupt existierte!!!

Im Vergleich dazu darf man nicht vergessen, dass die PT in ihren ersten Jahren betont hat, dass die "Teilnahme an Wahlen und parlamentarische Tätigkeit dem Ziel der Organisierung der Unterdrückten und ihrer Kämpfe untergeordnet wird" und die Präsidentschaftswahlen bis ins Jahr 1989 boykottiert hat.

Womit wir es hier zu tun haben, ist ein rechteres Programm als die ursprüngliche PT hatte! Aber genau so, wie sich die PT den Herrschenden immer mehr politisch unterordnen musste (um schließlich für sie zu regieren), weil sie keine klare Perspektive für eine sozialistische Revolution in Brasilien hatte, so wird die P-SOL ebenfalls zur Zusammenarbeit mit den Herrschenden gezwungen sein, wenn sie nicht versucht, sie zu stürzen.

Arbeiterklasse der Zivilgesellschaft?

Ähnlich wie die Wahlalternative ist die P-SOL fast unbegrenzt offen nach rechts. Sie wollen keine Partei sein, welche die bewußtesten und kämpferischsten ArbeiterInnen organisiert, um ihre historischen Interessen durchzusetzen. Stattdessen suchen sie "Allianzen für ein alternatives Projekt", mit dem Ziel der "Einheit zwischen allen Schichten der arbeitenden Bevölkerung mit den sozialen Bewegungen, den LandarbeiterInnen, den Landlosen, Kleinbauern, mit den städtischen Mittelschichten, den liberalen Berufen, den Akademikern, den Sektoren der Meinungsbildung (?), die immer mehr auseinander getrieben werden vom Finanzkapital."

Dass eine solche Allianz aber von der Arbeiterklasse politisch geführt werden und als Ziel nur den Sturz der Bourgeoisie haben müsste, wird verschwiegen. Nimmt man diese Erklärung wörtlich, heißt es, die P-SOL sucht als Verbündete Kleinunternehmer und Medienbesitzer, mit denen man gegen den gemeinsamen Feind "Finanzkapital" vorgehen könnte. Diese Perspektive wird jetzt schon umgesetzt - die P-SOL bildet in vielen Städten Wahlbündnisse mit offen bürgerlichen Parteien, die in der Lula-Regierung sitzen, wie der PPS, den Grünen und der PTC. Von der oben erwähnten "politischen Unabhängigkeit der ArbeiterInnen" bleibt damit wenig übrig!

Diese Offenheit gegenüber Kirchen, Akademikern und "Vertreter der Zivilgesellschaft" geht einher mit einer Abgrenzung nach links: z.B. gegenüber der PSTU gibt es keine Wahlunterstützung, keine Vorschläge für eine gemeinsame Partei links von der PT. Genau wie bei der Wahlalternative wird jeder Bezug auf eine revolutionäre Position einfach als "sektiererisch" abgeschrieben.

Chancen für RevolutionärInnen

Die P-SOL ist genau wie die Wahlalternative ein reformistisches Projekt. Tausende ArbeiterInnen, die vom rechten Reformismus eines Lula oder Schröder brechen, werden von diesen Parteien angezogen. Marxisten müssen ihnen geduldig erklären, dass der Verrat der PT- oder der SPD-Regierung in der Logik des Reformismus selbst liegt. Die "goldenen Zeiten" des Reformismus (PT der 80er oder SPD der 60er) waren gar nicht so golden - und werden aufgrund der tiefen, weltweiten Krise des Kapitalismus auch nicht wieder kommen.

Die Alternative zum rechten Reformismus ist nicht ein etwas kämpferischerer, linkerer Reformismus, sondern besteht für die brasilianische sowie für die deutschen Arbeiterklasse darin, eine revolutionäre Partei zu schaffen - als Teil einer neuen Weltpartei der sozialistischen Revolution, der Fünften Internationale!

 

die folgende Ergänzung zum Artikel wurde nur im Internet veröffentlicht:

Die deutsche Linke und die P-SOL

Der RSB: Der Revolutionär-Sozialistische Bund (RSB) gibt sich gern als linker Flügel der Vierten Internationale aus. Als bekannt wurde, dass ihre brasilianische Schwesterorganisation der Regierung Lulas beigetreten ist - dass ihre Internationale also in einer bürgerlichen Regierung sitzt - hatten sie zuerst wenig zu sagen. Ihr erster Kommentar in ihrer Zeitung Avanti beschränkte sich auf einen Satz: Der Regierungsbeitritt sei wahrscheinlich ein "Fehler".

Als der französische "Sozialist" Millerand zum ersten Mal in der Geschichte in eine bürgerliche Regierung eingetreten ist, oder als sich die spanische POUM während der Revolution sich der Volksfront (einer Koalition aus bürgerlichen und Arbeiterparteien) angeschlossen hatte, bezeichneten Lenin und Trotzki das damals als "historischen Verrat an der Arbeiterklasse".

Es war schon immer ein Prinzip des Marxismus, niemals mit der herrschenden Klasse gemeinsam zu regieren. Doch eine solche klare Charakterisierung hielt der RSB anscheinend für unangebracht.

Im Gegenteil: Auf einen Leserbrief eines Mitglieds der Sozialistischen Alternative Voran (SAV), der eine tiefer gehende Analyse forderte, antwortete der RSB einfach mit der Beschimpfung seiner Organisation (und jeder Organisation, die die Vierte zu kritisieren wagt) als "Sekte".

Die Führung der Vierten Internationale entschuldigt ihren Verrat am Marxismus - zuletzt auf dem Europäischen Sozialforum - dadurch, dass sie alle dagegen seien, sich jedoch nicht in die Angelegenheiten einer nationalen Sektion einmischen wollen. Man fragt sich, wozu diese föderalistische "Internationale" überhaupt da ist, wenn jede Sektion machen kann, was sie will und zudem die anderen Sektionen, die damit vielleicht sogar nicht einverstanden sind, es noch nicht einmal für notwendig ansehen, das genau zu diskutieren und zu kritisieren?!

Nach etwa neun Monaten Zögern hat der "linke Flügel" RSB in einer besonderen Resolution festgestellt, dass die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen prinzipiell unzulässig ist (dauert es neun Monate, um sich die "Leitsätze der Kommunistische Internationale" zu besorgen?!?) und forderte ihre brasilianische Sektion "Democracia Socialista" auf, die Regierung Lulas zu verlassen. Diese "Trotzkisten" haben es aber bis heute nicht gewagt, deshalb den Ausschluss der Klassenverräter aus ihrer Internationale zu fordern.

So was wäre nicht ganz neu: als die LSSP (die Sektion der Vierten Internationale in Sri Lanka) 1964 eine Koalitionsregierung mit bürgerlichen Parteien gebildet hatte, wurde die Partei innerhalb von 24 Stunden aus der Internationale ausgeschlossen.

Es ist ein Zeichen der damaligen zentristischen Degeneration dieser Internationale, dass kein energischer Kampf gegen die reformistischen Tendenzen der LSSP - damals die einzige Massenpartei der Internationale - aufgenommen wurde. Doch in den letzten vierzig Jahren hat die Führung der Vierten selbst die wenigen Prinzipien, die sie noch hatten, aufgegeben und duldet jetzt offene ReformistInnen in den eigenen Reihen.

Der RSB hat sich nun komplett auf die Seite Heloísa Helenas und der von ihr in initiierten Tendenz geschlagen. Die P-SOL wird sogar als "die neue Hoffnung für Brasilien" gelobt.

Interessant ist dabei, dass - während in derselben Ausgabe der Avanti die Wahlalternative (WASG) wegen ihrer reformistischen Politik kritisiert wird - kein Wort über die sehr ähnliche reformistische Programmatik der P-SOL fällt! Brasilien ist ja so weit weg, vielleicht funktioniert der Marxismus dort anders ...

 

Die SAV: Für die SAV und ihre internationale Tendenz CWI stellt die Schaffung neuer Massenparteien der Arbeiterklasse ein strategisches Ziel dar. Das ist richtig. Doch meint die SAV, dass man deshalb generell darauf verzichten müsse, selbst ein revolutionäres Programm für diese entstehenden Parteien vorzuschlagen. Man könne höchstens fordern, dass eine neue Partei "kämpferisch", "links", oder "demokratisch" sein soll - was immer das konkret heißen mag - aber niemals revolutionär-kommunistisch!

Logisch, dass führende Mitglieder des CWI nach Brasilien geschickt wurden, um den Gründungskongress der P-SOL zu begrüßen. Der "linkeste" der vier P-SOL-Parliamentarier, Babá, wurde zur "Socialism"-Tagung des CWI in London eingeladen.

Der bisher längste Artikel der SAV zum Thema ist wenig mehr als eine Reihe von Zitaten Babás, neben jubelnden Kommentaren darüber, welch "wichtiger Fortschritt" die P-SOL für Brasiliens ArbeiterInnen sei. Am Ende des Artikels muss die SAV jedoch eingestehen, dass die P-SOL "keine vollständige revolutionäre trotzkistische Partei [sei|], da zu ihr eben auch Leute mit einem zentristischen und sogar linksreformistischen Hintergrund gehören". Diese Kritik wird allerdings nicht ausgeführt. Der Leser könnte sich fragen:

Wer sind die Zentristen? Etwa die gesamte Führung der Partei? Auch Babá? Worin besteht ihr Zentrismus?

Zentrismus ist eine historische Strömung in der Arbeiterbewegung - etwa von Karl Kautsky -, die zwischen revolutionären und reformistischen Positionen schwankt. Ist die P-SOL etwa deshalb zentristisch, weil sie schön über den Sozialismus reden, aber nicht erwähnen, dass es unausweichlich ist, den kapitalistischen Staat durch einen bewaffneten Aufstand der ArbeiterInnen zu zerschlagen, um zum Sozialismus kommen zu können. Gerade diese zentrale Erkenntnis des Marxismus wird von den Zentristen vor der Arbeiterklasse verheimlicht.

In diesem Punkt schweigt auch die SAV. Das ist allerdings nicht verwunderlich, da die SAV in ihrer eigenen Programmatik über die Notwendigkeit und Unvermeidbarkeit einer gewaltsamen Revolution systematisch nichts sagt. Der Zentrismus der SAV passt perfekt zum Zentrismus der P-SOL.

 

Linksruck: Die UnterstützerInnen der International Socialist Tendency (IST) in Brasilien (der internationalen Tendenz, der Linksruck angehört) werden an dieser Stelle wohl den Preis für Prinzipienlosigkeit gewinnen.

Diese "Trotzkisten" jubeln über die Gründung der P-SOL wie kaum ein anderer. Sollte man diese Partei in irgendeiner Weise kritisieren, bekommt man ihren Zorn zu spüren.

Die PSTU wirft der P-SOL vor, ein reformistisches Programm zu haben - was sie tatsächlich auch hat. Im letzten "International Discussion Bulletin" der IST erklären die brasilianischen Linksruckler in einem langen Artikel, warum die P-SOL, die kein Wort über die Revolution sagt und nichts als reformistische Forderungen aufstellt, trotzdem revolutionär ist. Deswegen, weil viele ihrer Führer sich als RevolutionärInnen verstehen! Die Begründung? RevolutionärInnen würden nicht immer nur revolutionäre Forderungen aufstellen.

Es ist richtig, dass RevoltuionärInnen auch Reformforderungen aufstellen oder unterstützen können. Allerdings beschränken sie sich nicht darauf, sondern verbinden diese mit Forderungen, welche die Machtfrage aufwerfen (Räte, Arbeitermilizen, Arbeiterkontrolle über Produktion und Verteilung …). Zwischen dem (refromistischen) "Alltagsbewußtsein" und dem Ziel des Sturzes des revolutionären Sturzes des Kapitalismus muss eine Brücke gebaut werden - die Übergangsforderungen, die Trotzki 1938 im "Übergangsprogramm der IV. Internationale" aufstellte. Das ist aber schon so lange her, dass die heutigen "TrotzkistInnen" dieses Kernelement revolutionärer Politik offenbar vergessen haben …

Die IST behauptet weiter, dass reformistische Forderungen, die in Zeiten der Krise des Kapitalismus nicht erfüllt werden können, plötzlich eine "antikapitalistische Dynamik" erhalten würden. Dieses falsche Verständnis der Übergangsmethode teilt die IST mit dem CWI und vielen anderen zentristischen Strömungen.

Eine antikapitalistische Dynamik kann in Klassenkämpfen tatsächlich entstehen; aber eben nicht von selbst, sondern dadurch, dass eine revolutionäre Partei ein revolutionäres Programm in den Kämpfen vertritt und damit Organisation und Bewusstsein der Klasse (v.a. und zunächst der Vorhut der Klasse) verändert.

Revolutionäres Bewusstsein muss in die Klasse hineingetragen werden, weil es leider nicht von selbst - als Bewusstsein der gesamten Klasse - entsteht. Das war die Position von Lenin (siehe sein Buch "Was tun"), das ist der grund dafür, warum man überhaupt eine Partei und ein Programm braucht. Das erklärt, warum alle großen MarxistInnen für ein wirklich revolutionäres Programm und den Aufbau einer revolutionären Partei gekämpft haben.

Die IST in Brasilien hat es sich zur Aufgabe gemacht, die ReformistInnen von jeglicher Kritik zu schützen, anstatt ihre politischen Fehler zu kritisieren und eine marxistische Alternative aufzuzeigen. Damit spielt die IST in Brasilien eine ebenso erbärmliche Rolle wie Linksruck in der Wahlalternative in Deutschland: sie ist das linke Feigeblatt einer reformistischen Führung.

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Nr. 95, November 2004

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*  Programmentwurf der Wahlalternative: Das Wunder der Binnennachfrage
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