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IG Metall Gewerkschaftstag

Wohin geht die IG Metall?

Interview mit Matthias Fritz (Delegierter zum Gewerkschaftstag der IG Metall, Betriebsrat und Vertrauensleutekörperleitung bei Mahle, Stuttgart, und aktiv im Koordinierungsausschuß der Gewerkschaftslinken), Neue Internationale 83, September 2003

Neue Internationale (NI): Was stand im Mittelpunkt des ersten Teils des Gewerkschaftstages?

Mathias Fritz (MF): Bekanntlich stand hier der Rechenschaftsbericht des Vorstandes zur Diskussion und die Neuwahl des Vorstandes der IG Metall erfolgte. An den beiden ersten Tagen, am Freitag und Samstag, meldeten sich rund 100 RednerInnen zu Wort. Die wichtigsten Themen waren die Aufarbeitung des Streiks um die 35 Stunden Woche und sein Abbruch; die Agenda 2010 und die abgebrochene Mobilisierung, die Bildungsarbeit der IGM und die Mitgliederentwicklung.

Überraschend war, dass der Kontrollausschuss der IGM zu keiner einheitlichen Meinung bezüglich der Beendigung des Tarifkampfes im Osten kam. Das betrifft die Tatsache, dass die Verhandlungskommission den Streik beendete, bevor Tarifkommission und Vorstand entschieden hatten; zweitens, dass keine Urabstimmung zur Beendigung des Streiks erfolgte. Diese Kritik trifft natürlich v.a. Klaus Zwickel. Viele linke und kritische MetallerInnen sehen sich darin bestätigt, dass der Streikabbruch nicht nur politisch falsch war, sondern auch über das IG Metall-Statut hinwegging.

Es wird jetzt einen Initiativantrag für den zweiten Teil des Gewerkschaftstages in Hannover geben, der klarstellt, dass künftig kein Streik ohne Urabstimmung beendet werden kann.

NI: Wie ist das Kräfteverhältnis zwischen den Strömungen in der IG Metall, zwischen "Traditionalisten" und "Modernisierern"?

MF: Die Stimmung insgesamt ist sicher vorherrschend "traditionalistisch". Das darf man aber auch nicht zu hoch bewerten. Erstens sind die politischen Differenzen in vielen Fragen nicht so deutlich, und ich vermute, dass sie in Zukunft durch das "Tandem" eher noch verwischt werden. Zweitens darf man sich auch nicht von der Rhetorik blenden lassen. So sind viele Delegierte z.B. aus Nordrheinwestfalen verbal relativ radikal, gleichzeitig auch überzeugte "Maurer" für die SPD. Delegierte aus Baden-Württemberg, die in der Regel nicht dem "Peters-Lager" zuzurechnen sind, klatschen umgekehrt auch öfter, wenn aus dieser Richtung kämpferische Worte kamen.

Hinzu kommt, dass nach den massiven Angriffen durch die bürgerlichen Medien ein sehr starkes Bedürfnis nach Einheit und vor allem danach, Differenzen nicht per Pressemitteilung auszutragen, besteht. Dafür und für ihr arrogantes Verhalten wurde der Vertreter des rechten Flügels, Klaus Franz von Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Opel, - er hatte öffentlich zum Streikabbruch aufgerufen - zurecht auch ausgepfiffen.

Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, dass Differenzen unter den Tisch gekehrt, in der Substanz die alte sozialpartnerschaftliche Politik fortgeführt wird, die den Anhängern des Dritten Wegs Schröders in die Hände spielt.

NI: Wie wurde die Linke sichtbar?

MF: Man darf sich nichts vormachen. Auf den Gewerkschaftstagen sind die Linken - ohnedies oft schwach - unterrepräsentiert. Zu wenige haben erkannt, dass sich die Gewerkschaftslinke selbst als eine dritte Kraft koordinieren und politisch interventionsfähig werden muss, ohne sich auf einen Flügel des Apparates zu verlassen. Daher war auch die Veranstaltung von linken Delegierten aus Berlin und Stuttgart - Wohin geht die IG Metall? - enttäuschend besucht. Sie hat jedoch auch einige Fortschritte gebracht.

NI: Welche sind das? Was plant die Linke in der IG Metall?

MF: Wir wollen in wichtigen Fragen intensiver zusammenarbeiten. Im Zentrum werden neben einer eigenständigen Aufarbeitung des Streiks vor allem die Mobilisierung gegen die Agenda in den Betrieben, in Aktionsbündnissen, auf Konferenzen, mit Sozialforen usw. sein.

An dieser Stelle muss ich auch sagen, dass ich optimistischer bin, dass die gegenwärtige Kräftekonstellation in der IG Metall dazu führt, dass der Apparat zu Aktionen und zur Unterstützung von Mobilisierungen gegen die Agenda gedrängt werden kann. Jedenfalls forderten das viele Delegierte ein. Auch Peters erklärte, dass niemand die Agenda verteidige, und dass das Konsequenzen haben müsse. Es wird an uns liegen, dass den Worten auch Taten folgen.

Schließlich möchte ich noch auf ein geplante Veranstaltung am Rande der zweiten Tagung des Gewerkschaftstages im Oktober hinweisen. In Hannover soll eine Abendveranstaltung zum Verhältnis von Parteien und Gewerkschaft stattfinden - erstens, um das "Monopol" der SPD zu kritisieren und in Frage zu stellen; zweitens aber auch, um auf die Krise des Reformismus eine politische, eine anti-kapitalistische Antwort zu geben.

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Nr. 83, September 2003

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