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Socialist Alliance (Britannien) am Ende

Muezzin statt Marx

Bruno Tesch, Neue Internationale 83, September 2003

In Birmingham fand am 19.Juli eine nationale Leitungssitzung der Socialist Alliance statt. Diese Sitzung markiert das Ende der Socialist Alliance (SocAl), einem Bündnis der britischen Linken, das vor vier Jahren entstanden war.

Die SocAl sollte ein Anziehungspol für die sich von Blairs New Labour Party abwendenden Arbeitermassen und die neuen antikapitalistischen Kräften aus Jugend und ImmigrantInnen werden.

Dem Treffen in Birmingham war die Absetzung der dortigen Ortsleitung der Socialist Alliance, die mit von der Socialist Workers Party (SWP, in Deutschland Linksruck) unabhängigen Kräften besetzt war, vorausgegangen. Die Absetzung erfolgte auf Betreiben der SWP.

Das rief bei vielen Mitgliedern und AnhängerInnen des Bündnisses Protest hervor. Neben Workers Power, unserer britischen Schwesterorganisation, brachten auch zwei der weggeputschten Socialist Alliance-Leitungsmitglieder aus Birmingham sowie ein weiterer Ortsverband Entschließungen ein, die das Vorgehen der SWP und deren Kurs auf Klassenkollaboration mit dem bürgerlich-klerikalen Islamismus verurteilten und eine Orientierung auf Arbeiterklasse und Sozialismus forderten.

Mit Hilfe bürokratischer Tricks und der Unterstützung von Seiten der International Socialist Group (der britischen Sektion des Vereinigten Sekretariats der IV:Internationale, dem hierzulande der RSB und die Internationale Sozialistische Liga angeschlossen sind) gelang es der SWP, die kritischen Resolutionen niederzustimmen und ihren Kurs durchzusetzen.

Damit war der Weg für das 'Frieden und Gerechtigkeits'-Projekt der SWP frei. Es handelt sich dabei um eine Volksfront, einen Wahlblock zwischen der SocAl und den formalen Führern der Islamisten. Mit diesem Projekt wird zugleich auch jedes Manöver der SWP abgesegnet, das die Socialist Alliance von allen Kräften säubert, welche diesen klassenversöhnlerischen Pakt in Frage stellen.

Unsere Schwesterorganisation Workers Power hat daraufhin beschlossen, die Socialist Alliance unverzüglich zu verlassen.

Nachstehend fassen wir die Stellungnahme unserer britischen GenossInnen zur SocAl zusammen.

Für eine Arbeiterpartei - gegen Klassenkollaboration!

"Auf der letzten Konferenz der Socialist Alliance stellten alle Delegierten fest, dass das Bündnis sein Ziel, bedeutende Teile der Labour-Bewegung und der Jugend anzuziehen, verfehlt hat.

Wir schlugen vor, die tiefe Vertrauenskrise gegen Blair, die sich in der Antikriegsbewegung und dem gewerkschaftlichen Begehren, Labour die Beiträge zu verweigern, offenbarte, auszunutzen und eine Offensive für die Schaffung einer neuen Arbeiterpartei anzugehen, die für die Interessen der Arbeiterklasse kämpft.

Dieser Aufruf zum Bruch mit Blair sollte an die linken Führer wie auch an die Basis gerichtet sein, an alle Kriegs- und Blair-GegnerInnen unter den Labour-FunktionärInnen sowie an Führer und Mitglieder der Gewerkschaften.

Sie alle sollten aufgerufen werden, eine Konferenz abzuhalten, um ihre Kräfte für die Schaffung einer neuen Partei zu sammeln und eine demokratische Debatte über deren Programm und Praxis zu eröffnen.

Das wäre eine Alternative zur schwachen und anpaßlerischen Strategie der 'linken' Gewerkschaftsführer und ParlamentarierInnen, die den wachsenden Unmut gegen Blair in eine kontrollierbare Bahn lenken wollen.

Die größte Gruppe in der Socialist Alliance, die SWP, widersetzte sich unserem Vorschlag und verfolgt nicht die Bildung einer Arbeiterpartei, sondern eines neuen Wahlblocks mit Kräften, die der Arbeiterklasse ausgesprochen fern stehen: die islamischen Würdenträger.

Damit wendet sich die SWP nicht nur ab von jedem Versuch ab, die politische Entwicklung in der Arbeiterbewegung zu beeinflussen und dem Ablenkungskurs der linken ParlamentarierInnen und Gewerkschaftsführer entgegen zu steuern. Sie verläßt die Grundsätze der politischen Unabhängigkeit für die Arbeiterklasse und fördert tatkräftig eine Allianz mit den Vertretern der besitzenden Klassen.

Es war korrekt, dass die 'Stop the War Coalition' gemeinsame Aktionen mit islamischen Organisationen auf der einfachen Grundlage der Gegnerschaft gegen den imperialistischen Irak-Krieg durchgeführt hat. Dadurch wurden 100.000e aus Asien eingewanderte ArbeiterInnen und Jugendlichen mobilisiert. Aber eine politische Vereinbarung mit dem islamischen Klerus zur gemeinsamen Kandidatur bei Parlamentswahlen auf einem gemeinsamen Programm ist Verrat an den Interessen der Arbeiterklasse, insbesondere an den vielen NiedriglohnarbeiterInnen, den Frauen und der Jugend, die von den kleinbürgerlichen islamischen Führern unterdrückt und verführt werden.

Die SWP war auch gegen unseren Vorschlag, durch Bildung örtlicher Peoples Assemblies (Volksversammlungen) oder Sozialforen die Bewegung zu einer dauerhaften kämpferischen Einheit auszubauen, die gegen Rassismus und Faschismus, gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Globalisierung, gegen Krieg kämpft.

SWP-Opportunismus

Stattdessen will die SWP ein neues Wahlbündnis um die 'Kernwerte' von 'Frieden und Gerechtigkeit' bilden. Von daher muß die Socialist Alliance entweder mehrheitlich mit SWP-Mitgliedern ausstaffiert und für das neue Klassenversöhnungsprojekt umgemodelt oder eben zerstört werden.

Die Taktik der SWP während der vergangenen Monate hat nahezu alle übrigen Kräfte in der Socialist Alliance verärgert bzw. befremdet. Doch diese Taktik zeigt keinen grundsätzlichen Richtungswechsel an, sondern nur eine Beschleunigung bei der Umsetzung ihrer auf Wachstum um jeden (politischen) Preis gerichteten Ideologie.

Welches 'Programm' diese Kandidaten auch vertreten, es wird nicht die Rechte von Homosexuellen, Frauen, weltliches Erziehungswesen, Selbstverteidigung gegen rassistische Attacken oder die Verstaatlichung von Intensivstausbeutung ('Sweatshops') fordern.

Es wird kein Werkzeug sein, die moslemischen Frauen und Jugendlichen vom Joch der reaktionären Ideologie der 'hochachtbaren' Kirchenkaste zu befreien. Das Programm wird deren Würgegriff noch verstärken und ihnen ein linke Flankendeckung geben.

Das ist Opportunismus im strengen Sinn. Die grundlegenden Interessen der Arbeiterklasse werden auf dem Altar kurzfristiger Wahlerfolge geopfert.

Wir fordern alle Organisationen der Arbeiterbewegung auf, diese opportunistische Allianz zurückweisen und an ihrer Stelle für eine neue Arbeiterpartei aufzurufen.

Wir müssen den ArbeiterInnen sagen, dass sie das Profitsystem stürzen müssen. Das aber geht nicht über das Parlament, sondern notwendigerweise nur mit Gewalt.

Diese Anschauung wird von der großen Mehrheit der Organisationen und Einzelmitglieder geteilt, die an SocAl beteiligt sind. Trotzdem verweigert sich die SWP, dies auch im Programm der SocAl auszudrücken.

Die SWP behauptet, wir könnten keine Massenkräfte von der reformistischen Labourbewegung anziehen, wenn wir eine revolutionäre politische Haltung einnehmen würden.

Dieser Einwand klingt beim ersten Hören 'realistisch', ist aber letztlich ein Ausdruck von Verzweiflung. Er unterstellt, dass die Massen nicht vom Reformismus weg für die Revolution gewonnen werden können.

Es ist aber kein Zufall, dass in der Geschichte revolutionäre Massenparteien nur dann aufgebaut werden konnten, wenn sie diesen Teufelskreis durchbrochen haben. Jeder Versuch, der Arbeiterklasse ein kompromißlerisches Programm zu präsentieren, mündete nur in einer Stärkung des Reformismus.

Mit reformistischen Massenorganisationen müssen auf Aktionen begrenzte Abmachungen getroffen werden wie z.B. im Kampf gegen den Irak-Krieg.

Aber bei Wahlen verkörpern Kandidaten und Parteien Politik und Programme zur Regelung der gesamten Gesellschaft. Jeder Kompromiß mit dem Reformismus an dieser Stelle bedeutet eine Irreführung der Arbeiterklasse.

Wahlblock

Die Konzeption der SWP für die Socialist Alliance war immer von Opportunismus geprägt. Ihre Führung glaubt, dass revolutionäre Politik ausschließlich eine Angelegenheit von Diskussionen der Linken sei. Sie eignet sich für formale Schulungen auf marxistischen Seminaren einmal im Jahr, ist aber zu 'abgehoben', um sie den Millionen vorzustellen, die nach einer Alternative zu Blair suchen.

Die SWP zerrte das Programm der Socialist Alliance auf die Ebene des linken Reformismus herab. Sie trat sogar gegen unseren Vorschlag auf, die rassistische Polizei zu entwaffnen, bis diese Forderung von den asiatischen Jugendlichen bei den Unruhen in Nordengland selbst auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Die Socialist Alliance war für sie ein nützliches Aushängeschild, um als verkappte Reformisten an Wähler heranzukommen. In dieses Schema paßte auch die Ausschaltung von lokalen SocAl-Gruppen zwischen den Wahlen, so dass andere SWP-Frontorganisationen säuberlich getrennt von Socialist Alliance freies Betätigungsfeld erhielten (Global Resistance für die antikapitalistische Bewegung, ANL für den Antifakampf, Stop the War für die anti-imperialistischen Kampagnen).

Das beraubte die Socialist Alliance der Chance, sich zwischen den Wahlen auch in den Kampf von ArbeiterInnen einschalten zu können und damit nachzuweisen, dass SozialistInnen nicht bloß in Wahljahren auftauchen, um ihre Stimmen abzustauben.

Die schottische Socialist Party wird von einigen in der Socialist Alliance als gutes Modell angesehen. Aber sie ist von Grund auf mit dem selben opportunistischen Makel behaftet. Sie vertritt ein reformistisches Programm und nährt die Illusion, der Sozialismus könne über die Änderung der Mehrheitsverhältnisse im schottischen Parlament erlangt werden.

Nachdem die SWP die Brücken zu einer prinzipienfesten Zusammenarbeit abgebrochen hat, wäre es bei den verbliebenen schwachen Kräften der Socialist Alliance kontraproduktiv, in einem Block zu verharren, der weder die Massen zum Aufbau einer neuen Partei mobilisieren noch zu konsequent revolutionärer Politik voranschreiten will.

Für eine revolutionäre Arbeiterpartei!

Workers Power ruft alle Mitglieder und Sympathisanten der Socialist Alliance auf, keine Sekunde auf fadenscheinige Manöver und opportunistische Blöcke zu verschwenden.

Wir müssen bei den Massenorganisationen der Arbeiterbewegung und den antikapitalistischen Initiativen mit Macht dafür eintreten, sich gegen Blair in einer Arbeiterpartei und demokratischen Sozialforen zu vereinen.

Dort müssen wir revolutionäre Politik hineintragen, nicht ultimativ oder als Vorbedingung für die Teilnahme an neuen Massenformationen, sondern als Ausdruck der Interessen unserer Klasse. Denn eines ist klar: wenn wir MarxistInnen nicht für ein revolutionäres Programm einstehen, wer soll es sonst tun?

Diese Kampagne findet im Rahmen des Aufrufs an die europäische Linke für das Zusammentreffen des Europäischen Sozialforums in Paris im November 2003 statt, wo die entschlossensten Elemente der Arbeiterklasse und der antikapitalistischen Bewegung den weiteren Weg zur Bewegung erörtern werden.

Das Ringen um die Unabhängigkeit der Klasse ist kein alleiniges britisches Problem, sondern Teil des politischen Kampfes als weltumspannende Antwort auf die Globalisierungsbestrebungen des Klassenfeindes.

Wir haben die Wahl: entweder Errichtung einer neuen globalen reformistischen Allianz, ein Kompromiß, der die Schwächen der Socialist Alliance auf kontinentaler Ebene aufweist oder eine neue Internationale, eine 5.Weltpartei der sozialen Revolution.

Wir nehmen den Kampf für den letztgenannten Weg zu den Massen der Bewegung in Britannien und dem Festland auf und rufen allen, die ehrlich überzeugt sind, zu, dass nur die Revolution das Mittel und der Sozialismus das Ziel sein kann."

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Nr. 83, September 2003

*  Agenda 2010: Stoppt die Sozialräuber!
*  IG Metall Gewerkschaftstag: Wohin geht die IG Metall?
*  Gewerkschaften: Für eine revolutionäre Fraktion!
*  Heile Welt
*  Agenda 2010 und die Linke: Magerer Inhalt, fette Form
*  65 Jahre Vierte Internationale: Aufstieg und Fall
*  Ausstellung "Kunst in der DDR": 40 Jahre kein Sex
*  Socialist Alliance (Britannien) am Ende: Muezzin statt Marx
*  Internationales Jugendcamp in Prag: Ein Sommer für die Revolution
*  Afghanistan, Irak, Palästina: Imperialistische Besatzer raus!