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Michael-Moore-Film Bowling against Bush W. Peer Jott, Neue Internationale 79, April 2003 Dass ein Dokumentarfilm wochenlang für volle Kinosäle und standing ovations am Schluss sorgt, ist nicht alltäglich. Dass er aus Amerika kommt und Erfolg hat, obwohl er nicht dem Hollywood-Klischee entspricht, ist umso bemerkenswerter. Michael Moore, der Autor von "Bowling for columbine", ist inzwischen auch hierzulande ein Begriff. Als er einen Oscar erhielt, nutzte er den Anlass für ein lautstarkes Statement gegen Bush und seinen Krieg. Sein aktuelles Buch "Stupid white man" rangierte auf Rang 1 der Sachbuch-Bestsellerliste des Spiegel. Moores Popularität kommt auch daher, dass das Amerika unter George W. Bush ein anderes ist, als unter Clinton. Wirtschaftsboom und Börseneuphorie der 1990er haben längst Ernüchterung und Frustration Platz gemacht. Der mit allen Tricks an die Macht lancierte Bush praktiziert nun im Weißen Haus, was die aggressivsten Kreise des US-Kapitals an Strategien lange vorher ausgearbeitet hatten, um die Vormachtstellung der USA in der Welt zu sichern. Erscheint, was stupid Bush so treibt, auch wahnsinnig, so hat es doch Methode. Auch das Anwachsen der antikapitalistischen Bewegung sorgt für ein breiteres Interesse an "systemkritischen" Werken jenen von Moore. Film als Waffe Anlass des Films "Bowling for columbine" ist das Massaker an der Columbine Highschool, bei dem viele Schüler und Lehrer getötet worden sind. Davon ausgehend fragt Michael Moore, woher der Waffenfanatismus Amerikas eigentlich kommt. Moores Recherchen und Interviews erschaffen nicht nur ein plastisches und aufwühlendes Bild der Columbine-Tragödie und ähnlicher Vorfälle. Er dokumentiert nicht nur Angst und Gewalt als Alltagserscheinungen. Er stellt zugleich dar, welches Geflecht von Waffenherstellern, -händlern, Medien, Prominenten hinter der allgegenwärtigen Waffengeilheit steckt. Er zeigt, wie Perspektivlosigkeit und soziale Frustration in Gewalt umschlägt. Ein Sechsjähriger erschießt eine Mitschülerin. Er hat eine Mutter, die sich um ihn nicht kümmern kann, weil sie täglich gezwungen ist, für einen Hungerlohn stundenlang per Bus zu einem weit entfernten Arbeitsplatz zu fahren. Diese Superausbeutung ist groteskerweise noch Teil eines staatlich geförderten Beschäftigungsprogramms! Szenen wie solche führen uns vor, was in den nächsten Jahren auch in Deutschland Alltag sein kann. "Bowling for columbine" ist auch eine Anklage gegen den Rassismus in den USA, gegen die diversen Psychosen vom "Schwarzen Mann". Eine Stärke des Films ist, dass sich Moore nicht im Alltäglichen, im Einzelfall verliert. So stellt er einen Zusammenhang her zwischen den Waffen in der Columbine Highschool und der Firma im selben Ort, die Militärraketen baut, die nur nachts durch den Ort transportiert werden, "um die Kinder nicht zu beunruhigen". Außerdem finanziere man ja ein Anti-Gewalt-Projekt an der Schule! Per Montage wird auf Ereignisse verwiesen, bei denen die US-Regierung in aller Welt gelogen und Verbrechen begangen hat, deren Dimensionen Columbine zum Scherz degradieren. Moores Montagetechnik benutzt dabei auch Comic-Zitate, die das Thema in einen historischen Zusammenhang stellen. Trotz dieser Montagetechnik, trotz verschiedener Storys zerfällt der Film nicht. Moore schafft es, verschiedene Perspektiven und Techniken - Interviewszene, Dokumentation, Weltpolitik, Geschichte - zu einem Ganzen zu verbinden. Der Wechsel zwischen satirischem Spaß - an dem es nicht mangelt -, sachlichem Kommentar und sehr emotionalen, beinahe intimen Szenen gelingt in diesem Film nicht nur; mehr noch: dieses "Pendeln" zwingt den Zuschauer, seine Art der Wahrnehmung, sein Verhältnis zum Dargestellten beweglich zu halten, zu überprüfen. Diese "Dynamik des Sehens" überwindet nicht nur die ewige Hollywood-Einfühlsamkeit; sie greift auch produktiv Elemente von Brechts "Verfremdungseffekt" auf, ohne dabei dessen oft aufgesetzter Lehrmeisterei zu erliegen. Engagement Moore agiert im Film selbst als gewiefter Interviewer und Initiator von Aktionen gegen die Waffenlobby. So wird Moore selbst zur betroffenen und handelnden Person. Moore ist parteiisch: gegen Ausbeutung, Rassismus, Indoktrination, Geschichtsfälschung - gegen das, was "normal" ist im Imperialismus made in USA und anderswo. Allerdings ist Moores Alternative zum Columbine-Amerika lediglich die "funktionierende" bürgerliche Demokratie - die freilich auf denselben Gesellschaftsstrukturen beruht. Widerstand in diesem oder gegen dieses System begrenzt sich in Moores Darstellung auf Aktionen "aufgeklärter Bürger". Insofern bleibt Moore in diesem Film - und noch deutlicher in seinem Buch - im Rahmen bürgerlicher Gesellschaftlichkeit. Das Publikum in Deutschland wird durch Michael Moores Film an das Massaker von Erfurt erinnert. Gerade nach und wegen Erfurt sollte er an Deutschlands Schulen gesehen und diskutiert werden. Eines ist sicher: dieser Film thematisiert die Fragen Schule, Gewalt, Gesellschaft tausendmal intensiver und realistischer als jede verlogene Betroffenheitsduselei von PolitikerInnen und BildungsexpertInnen - lustiger ist er allemal! Und: "Bowling for columbine" schärft das Bewußtsein dafür, was Kapitalismus ist und warum wir ihn nicht brauchen. |
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