Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Rot-Grüner Generalangriff

Schröders Reformkeule

Martin Suchanek, Neue Internationale 79, April 2003

14. März: Schröder wendet sich an die "Nation". Eine "historische Ansprache", eine "Blut- und Tränen"-Rede hat der Gerd angekündigt. "Blut und Tränen" fordert er tatsächlich - von den Lohnabhängigen! Das ist seine Antwort auf die Wut vieler ArbeiterInnen auf "ihre" Partei!

Kündigungsschutz
Er soll dramatisch ausgehöhlt werden. Zwar soll er formell weiter ab fünf Beschäftigten gelten - nicht jedoch für neu eingestellte ArbeiterInnen und Angestellte.
Arbeitslosengeld
Die Bezugsdauer soll von 32 auf 18 bzw. 12 Monate reduziert werden
Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe
Die beiden sollen zusammengelegt und auf Sozialhilfeniveau oder darunter gesenkt werden. 12 Mrd. Euro sollen so gespart werden
Gewerkschaften
Sie sollen die weitere Aushöhlung der Tarifverträge "freiwillig" mitmachen - oder sie sollen dazu per Gesetz gezwungen werden.

Hinzu kommt die alte Leier von der "Reduktion der Lohnnebenkosten". Nach der Rentenreform und der Hartz-Kommission sollen jetzt im Gesundheitswesen (Stichwort: Rürup) neue Angriffe kommen. Immer mehr Leistungen sollen privatisiert und der "Eigenvorsorge" überantwortet werden. So soll eine extra-Abgabe für die Zahlung des Krankengeldes erhoben werden, die - natürlich - nur von den Beschäftigten erhoben wird. Ade paritätische Finanzierung!

Anders als bei früheren Reden blieben Versprechungen für die Zukunft aus. Ein Licht im Ende des Tunnels? Nicht in Sicht!

Die Unternehmerverbände, CDU/CSU und FDP reagieren auf Schröder wie zu erwarten -. mit verhaltenem Applaus. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre es schon, so die direkten Sprachrohre der Kapitalisten - aber eben nur ein Schritt. Besonders die "Flexibilisierung" des Arbeitsmarktes müsse weiter vorangetrieben werden. Schröders Programm sei da noch immer viel zu lahm.

Clement, der beste Mann des Kapitals in der Regierung, hat sich nicht überall durchsetzen können. Das bereitet Leuten, die auf "gerechte Lastenverteilung" Wert legen, Sorge. So mutet die Regierung den Kapitalisten doch auch die Streichung einiger Subventionen zu, die ihnen jahrelang in den Arsch geblasen wurden. Zum Glück gibt es im Bundesrat eine CDU-Mehrheit, die solche "Konjunkturdämpfer" noch verhindern kann.

Die "Gerechtigkeit" des Kapitals ist einfach erklärt.

Die Lohnabhängigen tragen die Kosten - die Unternehmer erweisen ihnen dafür (vielleicht) die Gnade, sich kapitalistisch ausbeuten zu lassen.

Hintergrund

Jede in den letzten Jahrzehnten, ja Jahrhunderten errungene Begrenzung des Diktats der Kapitalisten, jede kollektive Regelung soll in Frage gestellt und abgetragen werden. Wohin die Reise gehen soll, erklärte stellvertretend für die Unternehmer insgesamt, CDU-Scharfmacher Friedrich Merz: "Die Macht der Gewerkschaften muss gebrochen werden!" Es wäre gar nicht einzusehen, warum eine Organisation von "Betonköpfen", die nur ein Viertel der Beschäftigen organisiert, den Unternehmern "Tarife diktieren" könne - zumal doch genug Leute auch gern unterhalb des Tarifs arbeiten würden.

So macht sich der Prediger der freien Marktwirtschaft für den "kleinen Mann" stark, indem er ihm am Arbeitsmarkt und erst recht im Betrieb kräftig das Fell über die Ohren zieht. Denn allein, ohne Gewerkschaft, ohne eine gemeinsame Vertretung ist der einzelne Arbeiter als Besitzer seiner Arbeitskraft gegenüber dem Unternehmer in einer besonders schlechten Position. Kein Wunder also, dass sich die Kapitalisten für diese "Freiheit" stark machen.

Die Kapitalisten machen sich hier die Krise ihres eigenen Systems zunutze. Die Massenarbeitslosigkeit verschärft natürlich die Konkurrenz zwischen den Lohnabhängigen und drängt zur Vertiefung vorhandener Spaltungen innerhalb der Klasse - zwischen beschäftigten und unbeschäftigten ArbeiterInnen, zwischen ImmigrantInnen und Deutschen, zwischen Männern und Frauen, zwischen Jung und Alt.

Angriffe

So trommeln die Unternehmerverbände z.B. für die Aufhebung der ohnedies schon prekären "Sozialauswahl" bei Kündigungen, da diese immer die jüngeren Männer "benachteilige". So würden "die Alten", die "Behinderten", die "Frauen", den "Tüchtigen" den Job wegnehmen.

So wettern die Unternehmer gegen die "unzumutbaren" Arbeitszeiten, gegen die 35-Stunden-Woche usw. Diese würde die "Freiheit" der ArbeiterInnen, länger zu arbeiten, einschränken.

In der Tat: unbeschränkte Freiheit heißt unter kapitalistischen Verhältnissen immer nur Freiheit des Kapitals!

Am 14. März hat Schröder ein politisches und wirtschaftliches Programm angekündigt, dessen Umsetzung grundlegende Errungenschaften der Arbeiterbewegung vernichten würde. Das kann aber nur umgesetzt werden, wenn das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen entscheidend zugunsten des Großkapitals verschoben wird.

Das ist auch der Grund, warum den Bürgerlichen die "freiwillige Selbstbeschränkung" der Gewerkschaftsbürokratie zu wenig ist. Die Kapitalisten wollen nicht mehr davon abhängig sein, dass die Sozialdemokraten in den Gewerkschaften das Kampfpotential der organisierten Arbeiterbewegung nicht nur brach liegen läßt und unterhöhlt - sie wollen das gesamte Potential weg haben. Unverhohlen wird daher auch das Thatcheristische Britannien als Vorbild genannt.

Dort wollen die Kapitalen hin, aber sie zweifeln daran, ob Schröder als Thatcher taugt. Das ist auch der Grund, warum die Unternehmer die rot/grüne Regierung nur als Übergangsphase tolerieren, warum sie sie als Vorbereitungsregime zu einer härteren Truppe um Leute wie Koch und Merz empfinden.

Vor einer solchen Konfrontation schrecken sicher noch viele Kapitalisten zurück - nicht zuletzt, weil sie in den letzten Jahren auch das Potential des Massenwiderstandes sehen konnten, das eine solche Offensive entfachen würde.

Die Perspektive der Kapitalisten und Imperialisten ist aber klar. Die Konfrontation muss kommen, um den deutschen Imperialismus wirklich auf gleiche Augenhöhe mit den USA zu bringen, um wirklich die Führungsmacht in Europa zu werden, um ein gigantisches Aufrüstungsprogramm durchzusetzen zu können. Es gibt für sie zu diesem Weg keine Alternative, da die Konkurrenz am Weltmarkt immer brutalere Formen annehmen muss, weil eine Kapitalgruppe ihre Profite nur auf Kosten einer anderen sichern oder erhöhen kann.

Während der Generalangriff auf die Arbeiterklasse vorbereitet wird, stellen sich die Gewerkschaftsspitzen taub. Ihre erste Stellungnahme zur Rede, die telefonisch zwischen den Chefs der Einzelgewerkschaften und des DGB abgesprochen wurde und an die Funktionäre ging, ist eine politische Bankrotterklärung:

"1. Schröder hat volle Unterstützung für Friedenskurs, 2. angekündigte Wachstumsimpulse sind gutes Zeichen, müssen aber anders ausgestaltet werden, der Staat und nicht eine Bank muss sich massiv engagieren, 3. insgesamt ist das Reformkonzept nicht ausgewogen: an die Wirtschaft gehen überwiegend Appelle, Arbeitnehmer und Erwerbslose dagegen müssen mit massiven finanziellen Nachteilen rechnen. 4. Tarifautonomie: wir machen seit Jahren, was der Kanzler fordert. Wir begrüßen sein klares Bekenntnis zu den Vorteilen der Tarifautonomie und der Mitbestimmung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 5. Ausbildungsplätze: begrüßen Forderung des Kanzlers an die Unternehmen für mehr Ausbildung. Wichtig halten wir die Möglichkeit einer Ausbildungsplatzabgabe."

Bankrott der Bürokratie

Widerstand, Vorbereitung und Durchführung des Abwehrkampfes zur Verteidigung der Beschäftigen und Arbeitslosen? Fehlanzeige! Statt dessen beteuern die Gewerkschaftsführer, dass sie ohnehin machen, was Gerd will.

Auf diese Leute ist kein Verlaß! Der Widerstand gegen die Angriffe von Kapital und Kabinett muss daher von den Lohnabhängigen, von den Beschäftigen und Arbeitslosen von unten in die Hand genommen und mit den Aktionen der Jugend, der Anti-Kriegsbewegung und der Anti-Globalisierungsbewegung verbunden werden.

Gegen den Angriff auf alle Ausgebeuteten und Unterdrückten brauchen wir den Widerstand der gesamten Arbeiterklasse. Wir brauchen politische Massenstreiks, um Schröders Reformpaket und die Angriffe der Bosse zu stoppen.

Wie kommen wir dahin, wenn die Führungen der Gewerkschaften, die einen solchen Kampf sehr wohl zum Sieg führen könnten, die notwendigen Schritte hintertreiben und statt dessen vor der SPD auf dem Bauch kriechen?

Abwehrkampf organisieren!

Zur Organisierung des Kampfes bedarf es des Aufbaus von Strukturen, die, wenn nötig, auch ohne oder gegen Gewerkschaftsspitzen, SPD und PDS mobilisieren und kämpfen können. Forderungen zur Organisierung von Streiks, Demonstrationen und anderen Aktionen müssen selbstverständlich auch weiterhin an die "offiziellen" Führungen der Arbeiterbewegung gestellt werden, inkl. der Forderung an SPD-Mitglieder und Parlamentarier, mit Schröder, Clement und Co. zu brechen.

Entscheidend ist, dass die Reformisten in der SPD-Linken, in den Gewerkschaftsbüros oder PDS-Verbänden nur dann und solange etwas tun, wenn sie unter Druck ihrer Basis stehen. Wir wissen, dass sie diese verraten werden. Daher müssen wir in jedem Fall eigene Strukturen und eine alternative Führung aufbauen!

In den Gewerkschaften geht es daher um die Schaffung einer betrieblich verankerten, klassenkämpferischen Basisbewegung, die alle Ansätze von Widerstand und alle Kämpfe zusammenfaßt. Dazu ist auch ein Aktionsprogramm notwendig, dass die wesentlichen Ziele und Methoden des Kampfes zusammenfaßt.

Eine solche Bewegung muss den Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokraten aufnehmen und für eine klassenkämpferische Führung eintreten. Der Gewerkschaftslinken kommt hier eine besondere Verantwortung zu - eine Aufgabe, an der sie in Zukunft gemessen werden muss.

Um eine Oppositionsbewegung, eine klassenkämpferische Alternative aufzubauen, müssen betriebliche Kampfstrukturen geschaffen und die Bewegung in den Betrieben politisch verankert sein. Nur so kann die Arbeiterbasis zur Stütze der Linken und AntikapitalistInnen werden, den Händen der Bürokratie entrissen oder ihr Abdriften in Resignation verhindert werden.

Die ArbeiterInnen müssen sich mit den Erwerbslosen, mit der riesigen Anti-Kriegsbewegung und den ImmigrantInnen verbinden. Der Bezug zur Anti-Kriegsbewegung wurde neuerdings auch von Schröder auf seine Art aufgezeigt - propagiert er doch eine Erhöhung des Wehretats zur Stärkung der europäischen und deutschen Durchschlagskraft in den Weltpolitik - und "natürlich" werden zur imperialistischen Aufrüstung die ArbeiterInnen zur Kasse gebeten.

Die antikapitalistische Bewegung hat mit den Sozialforen, wie sie z.B. in Italien massenhaft existieren, eine Form entwickelt, die geeignet ist, all diese Widerstandsformen gegen Kapital und Staat zusammenzuführen.

Sie sind keine Alternative zum betrieblichen und gewerkschaftlichen Kampf, aber eine wichtiges Mittel zu dessen Verbindung mit politischen Fragen und zur Unterstützung anderer kämpferischer Ansätze.

Die Sozialforen können und sollen zu Aktionsräten, zu Machtzentren gegen Staat und Unternehmer werden. Solche Foren werden jetzt auch in Deutschland geschaffen.

In Berlin fand die erste Versammlung am 14. März statt. Fast 100 AktivstInnen, die 50 Organisationen und Gruppen vertreten, nahmen daran teil. Ihr Ziel: eine erfolgreiche, kämpferische Opposition zum Berliner SPD/PDS-Senat zu schaffen.

Arbeiterpartei

Die Krise, die Angriffe der Kapitalisten, die Massenbewegung gegen den Krieg, die Ablösungstendenzen von mehr und mehr ArbeiterInnen von SPD und PDS machen auch eines deutlich: Wir brauchen nicht nur eine Basisbewegung in den Betrieben und Gewerkschaften, nicht nur Sozialforen - wir brauchen vor allem auch eine politische Alternative, eine neue Arbeiterpartei!

Nur eine solche Partei ist in der Lage, die Kämpfe zusammenzuführen. Sie braucht aber auch ein Programm, das eine Alternative zu den gescheiterten "Reformprogrammen" von SPD und PDS darstellt. Statt das "größere Übel" zu verhindern, setzen sie es jetzt selbst um - das unvermeidliche Schicksal jeder Politik, die im Rahmen des Kapitalismus verbleibt und sich nicht die revolutionäre und internationale Machteroberung der Arbeiterklasse zum Ziel setzt.

Daher treten wir für die Schaffung einer neuen revolutionären Arbeiterpartei ein - und wir fordern alle, die dieses Ziel teilen, auf: Packen wir es gemeinsam an!

Leserbrief schreiben   zur Startseite

neue internationale
Nr. 79, April 2003

*  Nieder mit dem Imperialismus! Sieg dem Irak!
*  Antikriegsbewegung: Den Krieg stoppen - aber wie?
*  Antikriegskomitee Neukölln
*  Heile Welt
*  Debatte: Generalstreik gegen Krieg
*  Türkei: Ankaras Ambitionen
*  Russland: Ölboom und Lohndumping
*  Argentinien: Keine Räumung von Zanon!
*  Nach dem Bahnstreik: Schwellenkampf
*  Wirtschaft: Woher kommt die Krise?
*  Michael-Moore-Film: Bowling against Bush
*  Rot-Grüner Generalangriff: Schröders Reformkeule