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Stiftung Warentest

Vorsicht Falle!

Hannes Hohn, Neue Internationale 78, März 2003

Versicherungen, Lippenstifte, Fahrradschläuche, Klopapier - alles nimmt Stiftung Warentest (SW) unter die Lupe. Hunderttausende lesen die "test"-Hefte. Ein "Sehr gut" von SW in der Werbung gilt als gutes Kaufargument.

Die Stiftung wurde 1964 auf Beschluss des Bundestags gegründet, um VerbraucherInnen durch vergleichende Tests von Waren und Dienstleistungen ein "Kompass" in der schier unendlichen und unübersichtlichen Warenwelt zu sein. Gegen Käufereinfalt in der Warenvielfalt.

Dafür erhält SW Geld vom Staat: 2001 waren es 11 Mio. Mark; wohlgemerkt Geld, das zum erheblichen Teil von den KonsumentInnen durch Steuern aufgebracht wird. SW suggeriert, dass KonsumentInnen den Konzernen als gleichwertige Partner, als "Verbrauchermacht" gegenüber ständen. Doch der Schein trügt.

Die Testergebnisse sind - vorausgesetzt, sie werden nicht wie so viele "unabhängige" Gutachten von der Industrie "beeinflusst" - objektiv. SW beweist, dass es problemlos möglich ist, die Qualität von Gebrauchsgütern und Dienstleistungen genau festzustellen. Insofern könnte SW ein Instrument sein, um das Warenangebot im Interesse der KonsumentInnen zu verbessern, Qualität von Schund zu unterschieden und Negativwirkungen für Gesundheit oder Sicherheit festzustellen. Doch SW hält leider nicht, was sich manche davon versprechen.

Natürlich gibt SW den KonsumentInnen ein einigermaßen objektives Bild von Qualitätsunterschieden und Preisen. Doch was nützt ihnen das? Die Struktur des Handels in seiner abstrusen Vielfalt konkurrierender Handelskonzerne richtet sich nicht nach objektiven Testergebnissen. Was beim Lesen des "test" noch gelingen mag, ist in der kapitalistischen Einkaufsrealität unmöglich: sich einen Überblick über das gesamte Warensortiment und die Preise zu verschaffen.

Aufgrund der fast immer suggestiven, euphemistischen Präsentation von Produkten in Werbung und Handel ist es nur sehr eingeschränkt möglich, für sich das beste bzw. geeignete Erzeugnis auszuwählen. Die Mehrheit der KonsumentInnen - die Arbeiterklasse - hat ohnehin zu wenig Zeit, Marktforschung zu betreiben, und muss hauptsächlich auf den Preis schauen. Für die Masse gilt in der Krise mehr denn je: ALDI statt KaDeWe.

Testfehler

Ein entscheidender Mangel von SW ist, dass die Herstellung von Produkten, das Warenangebot selbst nicht verändert wird. So werden zwar etliche Dinge als überteuert, unpraktisch, fehlerhaft oder sogar schädlich entlarvt, doch folgt daraus etwa, dass dieser "Ausschuss" nicht mehr hergestellt wird, weil die Kunden ihn nicht mehr kaufen? Weit gefehlt! Das ist aber kein Zufall, sondern direkt den kapitalistischen Produktionsverhältnissen geschuldet.

Ein Kapitalist produziert nicht, um ein Bedürfnis nach einem bestimmten Produkt zu befriedigen, sondern um Profit aus dem Verkauf der Ware zu schlagen. Kann er seine Ware nicht verkaufen, geht er pleite. Allerdings ist es in der Regel so, dass er eine Ware nur verkaufen kann, insoweit sie auch einen gewissen Gebrauchswert, d.h. einen praktischen Nutzen für den Käufer hat.

Doch Privateigentum, Konkurrenz sowie die Produktion für einen schwankenden, unsicheren, sich verändernden Markt führen dazu, dass der Kapitalist am Bedarf vorbei produziert. Der Wahnsinnsaufwand für Werbung ist deshalb auch nötig, um erstens den Bedarf der Produktion anzupassen (und nicht umgekehrt) und zweitens um sicherzustellen, dass nicht irgendein Produkt, sondern das eines bestimmten Unternehmers gekauft wird. So ist z.B. DaimlerChrysler nicht einfach an Produktion und Verkauf irgendwelcher Autos, sondern vorrangig am Absatz der eigenen Marken interessiert.

So führt SW eben nicht dazu, das eigentliche Problem - die Herstellung mangelhafter und schlechter Produkte - zu lösen. Ganz davon zu schweigen, dass der Mangel an notwendigen Produkten mangels kaufkräftiger Nachfrage völlig unbeachtet bleibt. SW ist auf besondere Art durchaus ein Werbemittel für Unternehmen, besonders für jene, die in der Lage sind, besonders innovativ und rationell zu produzieren: die großen Konzerne. Stiftung Warentest ist also in gewissem Sinn kein Helfer der Kunden, sondern eine Absatzhilfe für die Konzerne.

Sozialistische Produkte?

Erst in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft ist es aufgrund des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln möglich, nur noch die besten und praktischsten Produkte auf effektivste Weise herzustellen und zu verteilen. Im Unterschied zur armseligen Wirkung von SW können dann Ausschüsse von KonsumentInnen und ProduzentInnen gemeinsam festlegen, was wie und in welcher Stückzahl und in welchen Varianten produziert wird.

Dann ist es auch möglich, entsprechend den Bedürfnissen und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen optimierte Produkte zu entwickeln. Anhand von Mustern und Nullserien kann dann bereits vor der Massenherstellung entschieden werden, was produziert wird. Die VerbraucherInnen selbst wissen oft besser als alle "Testspezialisten", wie ein Produkt beschaffen sein oder verändert werden muss.

Eine demokratisch geplante Massenproduktion würde etwas ermöglichen, was im Kapitalismus unmöglich ist: nur beste Qualität zu produzieren und trotzdem die Produktionsaufwendungen so niedrig wie für ein "Billigprodukt" heute zu halten. Dazu käme noch, dass die im Kapitalismus unverzichtbaren riesigen unproduktiven Aufwendungen (Werbung, Doppelentwicklungen usw.) wegfallen oder massiv reduziert würden (Verpackung, Transport).

Auch die Kriterien für Produkte werden sich ändern. Standardisierung, Kompatibilität, Haltbarkeit, Recyclingfähigkeit, Umweltverträglichkeit, Reparierbarkeit usw. werden zentrale Ziele von Produktion und Produktentwicklung sein und zugleich eine größere Variantenvielfalt ermöglichen. Über Müllberge, "Wegwerfmentalität" oder den "Grünen Punkt" wird man dann - verständnislos lächelnd - nur noch den Kopf schütteln.

Eine derartiges Wirtschaftsystem wäre weder in qualitativer noch in quantitativer Hinsicht eine Mangelwirtschaft, wie sie für den Stalinismus typisch war und im Übrigen auch heute in der Mehrzahl der kapitalistischen Länder (z.B. der "3. Welt", wo grundlegende Bedürfnisse unbefriedigt bleiben) anzutreffen ist.

Wenn dir demnächst einmal die Glaskanne der Kaffeemaschine zerbricht und du kannst keine Ersatzkanne dafür kriegen oder nur eine kaufen, die mehr kostet als die gesamte Maschine; wenn du dann notgedrungen die alte wegwirfst und eine neue kaufen musst - spätestens dann solltest du dein "test"-Abo kündigen und die Neue Internationale abonnieren, spätestens dann solltest du den Schritt vom "mündigen" Konsumenten zum bewussten Revolutionär vollziehen. Diese Wandlung würde auch einem historischen Test standhalten!

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Nr. 78, März 2003

*  Irak-Krieg: Krieg dem Imperialismus!
*  Offener Brief: Für eine bundesweite Aktionskonferenz
*  Antikriegsaktivität: Was tun wir?
*  Antikriegsbewegung: Der nächste Schritt
*  Deutsche Linke und der Krieg: Nur Frieden?
*  Arbeiterbewegung in den USA: Doppelter Krieg
*  Krise und Krieg: Welt am Wendepunkt
*  Massenproteste in Bolivien: Krieg den Palästen
*  Stiftung Warentest: Vorsicht Falle!
*  Heile Welt
*  Internationaler Frauentag am 8. März: No Sweatshops!
*  Arbeiterklasse in Deutschland: Vertreibung aus dem Paradies?