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Berliner Mietenpolitik

Kleine Brötchen gebacken

Jürgen Roth, Neue Internationale 215, Dez. 15/Jan 16

Jetzt ist es amtlich: Der Bildung des neuen Berliner Senats aus SPD, Grünen und Die Linke hat auch die Mehrheit der Mitglieder der Linkspartei zugestimmt.

Die Pläne des zukünftigen Bauressorts

Die designierte Bauministerin Katrin Lomper (DIE LINKE) spricht vom „Bohren dicker Bretter“ im Mietwohnungsbereich. Künftig sollen bei Neubauten von PrivatinvestorInnen mindestens 30 % der Wohnfläche mietpreisgebunden sein, bisher waren es 25 %. Sie erhofft sich eine „Verdopplung bis Verdreifachung der Fläche“, denn bisher erfüllten InvestorInnen die mietpreisbindende Pflicht mit kleinen Wohnungen. Das Bestreben, den rapiden Verlust von Sozialwohnungen zu stoppen, soll durch Kappung der Überleitmiete auf 5,75 Euro/qm Erfolge erzielen. Bisher konnten VermieterInnen nach vorzeitiger Darlehensablösung eine meist zweistellige Kostenmiete verlangen. Durch die geplante Neuregelung soll eine vorzeitige Darlehensrückzahlung unattraktiver und damit die Mietpreisbindung verlängert werden.

Pro Jahr sollen 5000 Sozialwohnungen neu gebaut werden. Jährlich entfallen aber 8000 aus der Sozialbindung! Zudem ist unklar, ob die Zahl von 2000 davon bei PrivatinvestorInnen durchsetzbar ist.

Ab 2018 soll eine nach Einkommen gestaffelte soziale Richtsatzmiete für geförderte Wohnungen in Kraft treten. Deren konkrete Ausgestaltung ist noch völlig offen. Die SPD will eine Anbindung an den Mietspiegel des privaten Wohnungsmarktes, LINKE und Grüne wollen politisch festgesetzte Mietobergrenzen.

Die (noch) 6 landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen künftig „sozialer agieren“: Von 6000 jährlich geplanten Neubauwohnungen soll die Hälfte im Sozialbereich gebaut werden. Pro Jahr soll ihr Eigenkapital zu diesem Zweck um  insgesamt 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Künftig dürfen kommunale Unternehmen zudem maximal 6 % der Kosten für energetische Sanierungen auf die Jahresmiete umlegen.

Eine wichtige Rolle bei der „sozialen Ausrichtung“ der Geschäftspolitik der Landeswohnungsunternehmen soll die Anfang 2016 gegründete Wohnraumversorgung Berlins als übergeordnetes Kontroll- und Steuerungsinstrument spielen. (NEUES DEUTSCHLAND, 19./20. November 2016)

Politikwechsel oder ein Tropfen auf den heißen Stein?

„Mit dem Gesamtpaket ist der Politikwechsel in der Berliner Wohnungspolitik zwar noch nicht geschafft, aber eingeleitet“, schreibt die Initiative Mietenvolksentscheid - so ihr Sprecher Rouzbeh Taheri laut ND. Wie überaus bescheiden! Daran stimmt nur, dass DIE LINKE auf dem Feld, für das ihre Bausenatorin zuständig sein wird, verhältnismäßig viel aus ihrem Ladtagswahlprogramm „Unser Plan für ein ökologisches und nachhaltiges Berlin“ in den Koalitionsvertragsentwurf hineinschreiben konnte.

Die Abstriche fallen trotzdem ins Gewicht. Während das Wahlprogramm den Bestand an kommunalen Wohnungen binnen 5 Jahren auf 400.000 erhöhen wollte, sieht der Koalitionsentwurf diese Zahl bis 2025 vor. Während die Linkspartei als „langfristiges Ziel (...) 500000 dauerhaft mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen“ anstrebte, was gegenüber „dem derzeitigen Stand fast eine Verdopplung, bei mietpreisgebundenen Wohnungen sogar eine Verdreifachung“ wäre, enthält die Koalitionsgrundlage dazu keine konkreten Zahlen. Die Schuldenbremse lässt grüßen!

Vergessen wir nicht: es war der Senat aus SPD und Linkspartei, der innerhalb zweier Legislaturperioden von 2001-2011 zahlreiche Wohnungen privatisierte, darunter die landeseigene GSW. Von 400.000 landeseigenen Wohnungen blieben noch 250.000 übrig. Erst 2025 soll dieser Stand laut Koalitionsvertrag wieder erreicht werden. Zudem toleriert die Senatspolitik eine jährliche Unterdeckung von 3.000 benötigten Sozialwohnungen. Dies ist kein „Einstieg in einen Politikwechsel“, wie es das wohnungspolitische Sprachrohr der „bewegten urbanen Zivilgesellschaft“, die Initiative Mietenvolksentscheid ausdrückte, sondern Augenwischerei!

Der kapitalistische Markt -  Backstube für große Brötchen

Schon das Wahlprogramm der LINKEN traut sich gar nicht erst an die wirklichen Akteure - Bauwirtschaft und Grundbesitz - heran, sondern beschränkt sich auf staatliche Reformpolitik, die bestenfalls Flickschusterei abzuliefern fähig ist. In Zeiten der Krise, wo Investitionstätigkeiten und Profitaussichten fürs Kapital lahmen und verdüstern, tritt der parasitäre Charakter dieser Produktionsweise besonders deutlich hervor: Spekulation in Geld- und Sachvermögen, die Ökonomie der Renten, um brachliegendes Kapital wenigstens minimal zu verzinsen.

So steigen die Immobilienwerte in großstädtischen Ballungsgebieten deutlich, insbesondere in der an Bevölkerung wachsenden deutschen Hauptstadt. Gleichzeitig bleiben Löhne, Sozialeinkommen und Renten der Lohnabhängigen zurück, steigt aber auch die Staatsschuld. Auf dem Wohnungsmarkt heißt das im Klartext: die Mieten müssen steigen und das Füllhorn des Staatssäckels, um diesem entgegenzuwirken, wird immer leerer. Damit sinkt aber auch die Möglichkeit des „sozialen Ausgleichs“ zwischen den berechtigten Ansprüchen der MieterInnen einerseits sowie BodenspekulantInnen, Banken und Bauindustrie andererseits.

Eine Politik, die den grundlegendsten Bedürfnissen beider Klassen nachkommen kann, wird immer unwahrscheinlicher. Mittels Landessubventionen die Renditen zu garantieren, den Reichen nur ja nichts zu nehmen, wird den Armen nicht nur wenig geben, sondern sie verzweifeln lassen, in die Arme rechter RattenfängerInnen treiben, sie vor der nächsten großen Angriffswelle des Kapitals wehr- und mutlos machen.

Für die Wiederherstellung der Wohnungsverhältnisse vor 2001 als Mindestziel!

Für die Kommunalisierung des städtischen Grund und Bodens!

Für ein massives Wohnungsbauprogramm unter Kontrolle der MieterInnenvereinigungen und Gewerkschaften, bezahlt aus Unternehmerprofiten und der dem Staat zufließenden Grundrente!

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Nr. 215, Dez. 16/Jan. 17

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*  Berliner Mietenpolitik: Kleine Brötchen gebacken
*  Wohnungselend der Geflüchteten und Wohnungslosen
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*  Zur "revolutionären Realpolitik" der Linkspartei: Revolution oder Transformation
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