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Wahl in Niedersachsen

Klatsche Nr. 4 für die LINKE

Bruno Tesch, Neue Internationale 176, Februar 2013

Die Wahlprognosen sollten diesmal wenigstens in einem Punkt nicht irren: es gab tatsächlich ein Kopf an Kopf-Rennen bei den Wahlen zum niedersächsischen Landtag, dem Auftakt zum „Superwahljahr“ 2013. Das bezog sich aber nicht auf die erreichten Prozente und die Abstände - die waren eindeutig. Es bezog sich auf die Frage, welche Koalition, auf die sich die Parteien schon vor der Wahl festgelegt hatten, die Regierung stellen würde.

Programmatisch unterschiedliche Aussagen der Bewerber spielten nicht die tragende Rolle, außer dass SPD und Grüne ein paar Tränchen über „mangelnde soziale Gerechtigkeit“ verdrückten. Im Mittelpunkt standen das Bestreben von CDU und FDP, durch eine Fortsetzung ihrer Koalition im Hinblick auf die anstehenden Bundestagswahlen die Bundesregierungskoalition zu stabilisieren, während SPD und Grüne durch einen gemeinsamen Wahlsieg den Regierungswechsel auf Bundesebene vorzubereiten hofften.

Mit ihrem Sieg in Niedersachsen verfügt Rot/Grün nun über eine absolute Mehrheit im Bundesrat. Der beinahe unentschiedene Wahlausgang spiegelt jedoch die Brüchigkeit der politischen Plattformen für die Herrschaft der deutschen Bourgeoisie wider. Stabilität sieht anders aus.

Der deutliche Zugewinn der Grünen (5,7%) erklärt sich einerseits daraus, dass sie noch nicht durch das Mitregieren „verschlissen“ sind und sowohl von der Schwäche der SPD, als auch von der Enttäuschung über die CDU profitieren können - umso mehr, als sie für eine Regierungsmehrheit numerisch unverzichtbar sind. Andererseits sorgen die noch relativ stabile Wirtschaftslage im Lande und die Klassenkampfruhe dafür, dass die Arbeiterklasse als aktiver Faktor fast keine Rolle spielt und die Grünen daher als Partei der Mittelschichten und des Kleinbürgertums eine „Mittlerrolle“ ausfüllen können.

Der Wahlsonntag hat die spannende Frage, ob die kriselnde FDP den Sprung ins Landesparlament schafft, mit einer Überraschung beantwortet: der „Shooting Star“-Erfolg der FDP mit fast 10% war in erster Linie dem „Großmut“ der CDU zu verdanken, die gar keine Leihstimmenkampagne brauchte, um klar zu machen, dass ihr Regierungskonzept nur mit der FDP funktionieren kann. Die FDP ist nach wie vor für das Kapital ein berechenbarer und gewünschter Faktor für die Ambitionen einer möglichst reibungslosen Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik.

Zu den Verlierern der Wahl in Niedersachsen zählten die Piraten (2,1%), deren raschem Aufstieg ein ebenso schneller Niedergang folgt, da auch eine „Protestpartei“ mehr Profil braucht als nur, die Datenfreiheit im Internet zu fordern.

Desaster

Die Linkspartei erhielt die vierte Klatsche bei Westwahlen hintereinander und flog erneut aus einem Landtag. Dabei stürzte sie von 7,1 auf 3,1% ab! Die größten Einbußen für die LINKE entstanden durch Nichtwählen und durch Wählerwanderung zur SPD.

Bei der Linkspartei ist aber mehr als nur der Lack bei Wahlen ab. Da half auch die Schützenhilfe von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine nicht, die im letzten Monat durch den Norden getourt sind und eine trügerische Zuversicht verbreiteten, weil sie für volle Säle sorgten. Der Wahlslogan „Statt Spekulanten Kinder beschenken“ zog am 20. Januar natürlich nicht mehr. Politisch vorwärtsweisende Aussagen suchten die WählerInnen sowieso vergeblich. Es hätte einer aktiven mobilisierenden Arbeit um soziale Brennpunkte bedurft, um die Partei wieder ins Wählerbewusstsein zu rücken. Das aber ist nicht geschehen.

Die Partei steckt schon lange in einer tiefen Krise, die auch mit der Aufstellung eines 8-köpfigen „Kollektivs“ für die Bundestagswahlen, drapiert um die Führungsfigur Gysi, natürlich nicht gelöst wird.

Das Kernproblem der LINKEN ist, dass sie politisch-programmatisch nur ein wenig linker ist als die SPD, aber deren grundsätzliches reformistisches Politikverständnis teilt. In ihrer (Mit)regierungspraxis unterschiedet sie sich fast überhaupt nicht von der SPD, was v.a. zwei Legislaturperioden lang in Berlin beobachtet werden konnte.

So wenden sich nicht nur die WählerInnen von ihr ab, auch die Mitgliedschaft verlässt scharenweise die Linkspartei, im Hamburger Landesverband z.B. über die Hälfte seit der Parteigründung. Müdigkeit und Enttäuschung haben gerade die aktiven StreiterInnen zermürbt und neue AktivistInnen meist abgehalten, Mitglied zu werden. Doch wer, wenn nicht sie sollen Mobilisierungen initiieren?! Eine solch blutleere Partei ist überflüssig!

Auch wenn Gysi immer wieder betont, dass das „politische Klima“ durch die LINKE verändert wurde, so ist der Klassenkampf durch sie kein anderer geworden: in den Bewegungen schwimmt sie allenfalls mit, ohne sich politisch von den Grünen, von occupy o.a. Kräften positiv abzuheben. In Betrieb und Gewerkschaft ist von einer systematischen Oppositionsarbeit gegen die Bürokratie nichts zu spüren. Auch eine spürbare bundesweite  Solidaritätskampagne mit dem griechischen Widerstand hat die Partei nicht initiiert.

Es ist an der Zeit, eine echte politische Alternative, eine revolutionäre Arbeiterpartei, in Niedersachsen und anderswo aufzubauen, die entschlossen gegen die Auswirkungen der Krise mobilisiert und dazu die reformistischen und offen bürgerlichen Parteien konsequent bekämpft.

Ja, wir brauchen einen politischen Klimawandel - aber keinen aufgewärmten Reformismus!

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Nr. 176, Februar 2013
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