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NaO-Prozess

Neue Aufgaben, neue Chancen

Tobi Hansen, Neue Internationale 176, Februar 2013

In NI 174 berichteten wir vom letzten bundesweiten Treffen des Formierungsprozesses einer Neuen antikapitalistischen Organisation (NAO) und den Planungen für ein programmatisches Manifest und den politischen „Essentials“ der beteiligten Gruppen.

In den letzten beiden Monaten trafen sich die Arbeitsgruppen, diskutierten vorgelegte Papiere, kamen zu neuen Entwürfen und legten diese beim bundesweiten Treffen am 12. Januar in Berlin vor. In diesen Punkten hat sich der NAO-Prozess als durchaus arbeitsfähig erwiesen, die Diskussion ist weiter voran geschritten. Auch die weitere Planung bis zum nächsten bundesweitem Treffen in Berlin wurde beschlossen.

Bei den Essentials wurde von der Arbeitsgruppe eine „Konsenssammlung“ vorgelegt, welche eindeutig kürzer war als die „Dissensliste“ - aber derzeit zumindest die Gemeinsamkeiten der beteiligten Gruppen formuliert. Dieses Zwischenergebnis ist eine Weiterentwicklung zu den vorangegangenen „5 Essentials“ des NAO-Prozesses vom Frühsommer 2012, speziell bei den Punkten Einheitsfront/Bündnispolitik und - als neuer Punkt - Internationalismus.

Bei der Diskussion um das programmatische Manifest wurde vereinbart, die Entwürfe in den beteiligten Gruppen weiter zu diskutieren und anhand von Änderungen und Ergänzungen einen neuen Entwurf zu erarbeiten. Unserer Einschätzung nach stießen die Entwürfe nicht nur auf Freude, wie der Genosse Prütz auf dem NAO Blog schrieb (http://www.nao-prozess.de/blog/ein-gutes-wochenende-fuer-den-nao-prozess/) - aber das müssen sie auch gar nicht! Jedenfalls wurden folgende Punkte beschlossen:

1. Bis April 2013 werden die vorgelegten Papiere überarbeitet und in den beteiligten Gruppen diskutiert.

2. Nach dem nächsten bundesweiten Treffen im April werden die überarbeiteten Papiere dann einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.

3. Im Juni organisieren wir ein Treffen zur feministischen Positionierung, zu diesem Treffen laden wir öffentlich ein.

4. Ende August/September organisieren wir eine zweite Sommerdebatte (die erste fand 2012 statt), an einem Wochenende werden wir theoretische und strategische Fragen des NAO-Prozesses diskutieren.

5. Ende November laden wir zu einer bundesweiten Konferenz ein, dort sollen die Grundsatzdokumente diskutiert und verabschiedet werden. Diese Konferenz soll öffentlich sein und allen Interessierten offen stehen.

6. Die Webpräsenz wird überarbeitet und deutlicher das Profil der NAO spiegeln.

7. Wir beteiligen uns mit eigenem Profil an den Blockupy-Protesten und den Mobilisierungen rund um die Antikrisenproteste in Brüssel.

Stand der Diskussion

Schließlich würde es doch verwundern, wenn verschiedene Organisation und politische Strömungen nur Konsens, Einheit und Eierkuchen fabrizieren würden. Klar gibt es Dissens in entscheidenden Fragen. Klar ist auch, dass das nicht ausgeklammert werden kann. Dementsprechend kommen auf den NAO-Prozess durchaus entscheidende Monate zu. Gelingt es, wichtige Streitfragen zu lösen, programmatische Eckpfeiler zu entwickeln und eine politische Praxis zu gestalten, dann kann NAO eine Organisationsgründung anstreben.

Doch soweit sehen wir den Prozess derzeit noch nicht, dazu bedarf es durchaus auch zugespitzter Diskussion. Nach unserem Verständnis sollte auch für die Gründung eines „Blocks“ verschiedener Organisationen mehr vorhanden sein als nur der kleinste Konsens, und es dürfen auch keine wichtigen Fragen ausgeklammert werden. Eine gemeinsame Positionierung, die alle Gruppierungen teilen können, muss das Ziel eines Umgruppierungs-Prozesses sein.

Der Soko (Sozialistische Kooperation) ging der derzeitige Diskussionsstand wohl zu weit. Wir bedauern, dass die Soko sich auf eine Beobachterposition zurück gezogen hat. In einem Beitrag im Blog kritisieren Aktive der Soko den Zustand des Prozesses als „hinwarten in praktischer Sicht“ oder sektiererische Theoriediskussion, wobei besonders die Essential-Debatte als Beispiel dafür dargestellt wird. Begriffe wie „revolutionäre Kaderorganisation“, „klassenlose Gesellschaft“ und „Kommunismus“ werden kritisiert, wie auch die Position von Teilen von NAO, die sich für eine kritische Wahlunterstützung der LINKEN im September einsetzen.

Lassen wir einmal beiseite, dass diese Positionen allesamt Vorschläge und noch kein Beschluss oder gar Konsens sind, würde die Kritik der SoKo nur dazu führen, den NAO-Prozess im Voraus politisch einzuengen.

Natürlich muss sich eine NAO zur Linkspartei wie auch zu Wahlen verhalten, v.a. wenn die NAO nicht selbst antritt, und auf jeden Fall mit den WählerInnen und Aktiven dieser Partei die Diskussion suchen. Es gibt aber derzeit aber keinen Konsens, die LINKE zu unterstützen, wie auch die Methode einer kritischen Wahlunterstützung und deren praktische Anwendung diskutiert werden muss - dies einfach abzulehnen, ist keine Weiterentwicklung.

Erst recht trifft das auf die von der SoKo monierten Fragen von „Kaderorganisation“, „klassenloser Gesellschaft“ zu. Ein Formierungsprozess einer neuen anti-kapitalistischen Organisation - will er sich selbst ernst nehmen - muss daran gehen, zu allen diesen Fragen Stellung zu nehmen und eine politische Position zu entwickeln.

Die GenossInnen der SoKo haben zwar recht, wenn sie kritisieren, dass NAO derzeit außerhalb Berlins wenig gemeinsame Praxis entwickelt. Warum, bleibt dann aber zu fragen, hat die SoKo diese Fragen nicht selbst stärker in NRW vorangetrieben? Genauso geht der Vorwurf der „trotzkistischen Orientierung“ ins Leere - schon deshalb, weil von einer konsistenten Programmatik derzeit noch keine Rede sein kann. Dabei können und sollten wir ganz praktisch diskutieren, ob z.B. die Volksfronten der Maoisten in Nepal ein geeignetes Mittel sind, um den Imperialismus zu schlagen? Ist eine Lösung der wichtigsten demokratischen Fragen in Ländern der „Dritten Welt“ im imperialistischen System wirklich möglich, ohne dass die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern und den verarmten Schichten in den Städten die Macht ergreift, ohne dass die Revolution zu einer sozialistischen wird? Bestätigen die Entwicklungen z.B. in Ägypten oder Tunesien nicht, dass es eine Utopie ist, dass die grundlegenden Probleme der Revolution im Rahmen einer „demokratischen Etappe“ gelöst werden können?

In den weiterführenden Diskussionen werden wir von der Gruppe Arbeitermacht noch einmal darstellen, warum RevolutionärInnen den Kampf unterdrückter Nationen und Nationalitäten und deren Selbstbestimmungsrecht verteidigten - gerade auch gegen Strömungen im Prozess, die das ablehnen. Genau darum gilt es in der Diskussion zu streiten und nicht diese zu verlassen, weil das gewünschte Ergebnis nicht schon vorher feststeht.

NAO-Prozess praktisch

In den NAO-Prozess haben sich drei neue Gruppierungen als Beobachter integriert: die Gruppe [paeris], die Internationale Bolschewistische Tendenz (IBT) und die Revolutionäre Initiative Duisburg. Wir begrüßen die Bereitschaft dieser Gruppen, am Prozess teilzunehmen und sowohl die theoretische Debatte wie auch die „organisatorische“ Praxis zu vertiefen.

In Berlin hat der NAO-Prozess eine öffentliche Veranstaltung zum LL-Wochenende organisiert, gemeinsam mit VertreterInnen des „Rosa & Karl“-Bündnisses gab es eine recht intensive, teils hitzige Kontroverse darüber, wie „emanzipatorisch“ nun bestimmte Teile der radikalen Linken in der BRD sind. Auch wenn wir die „emanzipatorischen“ Kräfte der Antideutschen / Antinationalen Strömungen eher gering einschätzen, hat die gut besuchte Veranstaltung gezeigt, dass der NAO-Prozess in der Lage ist, in die „radikale Linke“ zu intervenieren, Streitpunkte anzusprechen und Perspektiven zu diskutieren. Auch das ist für die radikale Linke hier schon ein Fortschritt.

Sehr wichtig wird es für NAO in der nächsten Zeit sein, in zweierlei Hinsicht eine gemeinsame Praxis zu entwickeln. Erstens sollten an allen Orten, wo NAO-Mitgliedsgruppen existieren, auch NAO-Veranstaltungen durchgeführt werden, um für aktuelle Kämpfe zu mobilisieren und NAO weiteren antikapitalistischen und kämpferischen Milieus vorzustellen. Zweitens sollte die in Berlin schon begonnene Solidaritätsarbeit mit dem Widerstand in Griechenland u.a. Ländern zu einer  bundesweiten NAO-Kampagne ausgeweitet werden.

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Nr. 176, Februar 2013
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