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Verdi-Aufruf

Welche Perspektive?

Helga Müller, Neue Internationale 172, September 2012

Ver.di-Chef Bsirske und der Bundesvorstand rufen ver.di zu betrieblichen und politischen Aktionen im Herbst gegen die Auswirkungen der Krise auf:

Im Rahmen der „Drei-Länder-Wochen“ haben sich ver.di, die österreichische Gewerkschaft GPA djp und die schweizerische Gewerkschaft Unia auf Aktionswochen im November und Dezember 2012 unter der Fragestellung „Woher kommen die Schulden - Umverteilung von oben nach unten als Lösung für die Finanzierung der erforderlichen öffentlichen Ausgaben und Investitionen“ und unter dem Motto „Geld ist genug da“ verständigt.

In Deutschland soll der Schwerpunkt vom 5.-9. November 2012 sein. Diese Woche soll genutzt werden, um zum einen öffentliche Veranstaltungen zu organisieren und zum anderen mit den KollegInnen im Betrieb ins Gespräch zu kommen - sei es in persönlichen Gesprächen oder auf Betriebsversammlungen.

Dafür sollen die Fachbereiche und die hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionäre die Personal- und Betriebsräte beraten, wie dieses Thema im Betrieb angesprochen werden kann. An den Aktivitäten sollen alle Mitglieder auf allen Ebenen mitwirken können. Sie sollen auch dazu genutzt werden, neue Mitglieder zu gewinnen.

Kampagne “UmFairteilen”

Weiterhin sollen die ver.di-Bezirke an den Bündnissen „Umfairteilen“, an denen Wohlfahrtsverbände bis hin zu diversen politischen Organisationen und MigrantInnen-Organisationen wie DIDF mitarbeiten, und sich am zentralen Aktionstag am 29. September 2012 aktiv beteiligen. Geplant sind Aktionen und Kundgebungen in Berlin, Bochum, Bremen, Frankfurt/M., Hamburg, Köln, München und Regensburg.

Die zentralen Forderungen dieses Bündnisses sind eine einmalige Vermögensabgabe und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. In der Diskussion ist ein Massen-Appell an die Landesparlamente und eine Bundesratsinitiativen zur Wiedereinführung einer Vermögenssteuer. Ziel dabei ist, die Forderungen nach Umverteilung, Besteuerung der Reichen in den Wahlprogrammen der Parteien zu verankern und Druck auf die Parteien zu machen, „damit eine neue Bundesregierung die Forderungen von uns aufgreift und umsetzt“.

Mit Blick auf die Bundestagswahl 2013 soll die Kampagne „Gerecht geht anders“ weitergeführt werden. Es sollen v.a. die Themen prekäre Beschäftigung, Altersarmut, Verteilungsgerechtigkeit und Eurokrise aufgegriffen werden. Dies soll  auch betrieblich bearbeitet werden, „um sie in betriebliche Aktivitäten und betriebliche Veränderungen in Form von (Betriebs- d. Verf.) Vereinbarungen umzusetzen.“ Dafür sollen in jedem Fachbereich 10-15 Betriebe ausgewählt werden, in denen solche Mustervereinbarungen umgesetzt werden sollen.

Auch wenn die von Bsirske und vom Bundesvorstand aufgestellten Forderungen und Aktivitäten noch so bescheiden sind und keine Lösung oder Antwort auf die Krise und ihre Ursache darstellen, so dürfen RevolutionärInnen oder gewerkschaftliche AktivistInnen die Möglichkeiten, die diese Kampagnen ermöglichen, nicht ignorieren, sondern diese nutzen, um ihre Forderungen zu propagieren und ver.di mit der Notwendigkeit von Mobilisierungen der Belegschaften bis hin zu politischen Massenstreiks zu konfrontieren.

Auch wenn es mehr als offensichtlich ist, dass ein Appell an die Unternehmer, die Beschäftigten wieder zu Tarifbedingungen einzustellen z.B. durch die Einführung eines sozialen Kodexes im besten Falle nichts nützt, im schlimmsten Falle sogar die Illusion vieler Beschäftigter schürt, dass letztendlich die Krise nur gemeinsam mit den Unternehmern überwunden werden kann, so müssen alle Gewerkschaftsaktivisten, die gegen den Anpassungskurs der Gewerkschaften kämpfen wollen, diese Möglichkeit nutzen, um in den gewerkschaftlichen Gremien und im Betrieb andere Positionen zu verankern.

Einmischen!

Gerade weil Bsirske die Forderungen und Aktivitäten zum einen auf einen Appell an die Unternehmer, doch wieder bestimmte Standards einzuhalten und zum anderen auf einen politischen Kurswechsel im Sinne einer anderen Verteilung des Reichtums beschränken, müssen die Kräfte, die eine kämpferische Politik in den Gewerkschaften durchsetzen wollen, diese Kampagnen nutzen. Alles andere würde dazu führen, die KollegInnen den politischen unzulänglichen Antworten der reformistischen Kräfte in den Gewerkschaften auszusetzen.

Stattdessen müssen die Kräfte, die eine andere Orientierung in den Gewerkschaften durchsetzen wollen, aufzeigen, dass die Lösung der Krise durch einen politischen Kurswechsel im Sinne einer anderen Verteilung des Reichtums eine Illusion ist, da dies nicht an den Ursachen der Krise ansetzt, die im Kapitalismus - in der Kapitalverwertung - selbst liegt und so tut, als ob die Politik neutral sei und über den Interessen der gesellschaftlichen Kräfte stünde. Hier nützen Appelle an die Unternehmer, Appelle an die Politik, doch endlich auf die politischen Maßnahmen von ver.di zu hören oder Betriebsvereinbarungen in den Betrieben umzusetzen, gar nichts.

Stattdessen müssen alle AktivistInnen, die sich für eine kämpferische Politik in den Gewerkschaften einsetzen, die Kampagne aufnehmen, weil sie die Möglichkeit eröffnet, ihre Forderungen gegen die Krise in die Gremien einzubringen und diese mit den KollegInnen zu diskutieren. Gleichzeitig müssen sie in den Gremien diskutieren, dass, um die Forderungen gegen den Willen der Unternehmer, ihre Krise auf die Beschäftigten abzuwälzen, durchzusetzen, mehr als nur Gespräche mit den KollegInnen, Betriebsversammlungen und Betriebsvereinbarungen oder Unterschriftensammlungen nötig sind, nämlich die Mobilisierung der KollegInnen bis hin zu politischen Massenstreiks   um folgende Forderungen:

entschädigungslose Enteignung und Verstaatlichung der Banken und Unternehmen, die mit Schließungen oder Massenentlassungen drohen und Fortführung unter Arbeiterkontrolle;

progressive Besteuerung der Unternehmen und Reichen;

öffentliches Beschäftigungsprogramm unter Kontrolle der Beschäftigten, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen;

30-Stundenwoche bei vollem Lohn- und Personalausgleich;

Mindestlohn von 11 Euro netto.

Dies darf nicht auf Deutschland beschränkt bleiben. Bsirske selbst benennt in seinem Brief, dass sich Deutschland auf Kosten der wirtschaftlich nicht so starken Länder saniert und versucht, seine Sparpolitik auf europäischer Ebene durchzusetzen und so zum Abbau sozialer und gewerkschaftlichen Standards beiträgt. Solidaritätsaktionen mit den KollegInnen aus Griechenland, Spanien u.a. sind unumgänglich - auch dies ist eine Perspektive, die in gewerkschaftliche Gremien eingebracht werden muss.

Der gewerkschaftliche Ratschlag, zu dem verschiedenen Kräfte aus dem linken Spektrum für den 22./23. September in Frankfurt/M. Aufrufen, muss sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, wenn die Bewegung wirklich zu einem Attraktionspol werden wollen, um eine klassenkämpferische Politik in den Gewerkschaft durchzusetzen.

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Nr. 172, September 2012
*  Ratschlag der Gewerkschaftslinken: Kampflos weiter zahlen für die Krise?
*  Heile Welt
*  Verdi-Aufruf: Welche Perspektive?
*  Sozialer Protest: Aktionstag UmFAIRteilen
*  Öffentlicher Dienst in Berlin: Stopp den Stellenstreichungen
*  Linkspartei: Neuer Vorstand - alte Politik
*  Bundeswehreinsatz im Inneren: Für den Ernstfall
*  Wirtschaftliche Entwicklung in Europa: Rezession, Krise, Arbeitslosigkeit
*  Klassenkampf: Wie europaweiten Widerstand organisieren?
*  Perspektive: Wer kann Europa vereinen?
*  Syrien: Revolution in einem entscheidenden Stadium
*  Südafrika: Massaker an Streikenden
*  Russland: Pussy Riot fucks Putin