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Wirtschaftliche Entwicklung in Europa

Rezession, Krise, Arbeitslosigkeit

Tobi Hansen, Neue Internationale 172, September 2012

Die EU und der Euro-Raum sind im 2.Quartal 2012 in die Rezession gerutscht, im Vergleich zum 1.Quartal 2012 um 0,2%, im Vergleich zum Vorjahresquartal um 0,2% (EU) und 0,4% (Euro-Raum). Damit stehen EU und Euro-Zone weiter im Mittelpunkt der Krise.

Besonders stark schrumpft die Wirtschaft in den südeuropäischen Staaten, hier einige Zahlen von Eurostat aus ihrer Pressemitteilung vom 14. August. In Griechenland gibt es seit vier Quartalen einen massiven Einbruch: - 5%, - 7,5%, - 6,5% und - 6,2%. Hinter diesen Zahlen steht eine massive Senkung des Lebensstandards der Arbeiterklasse in Griechenland. Die Kaufkraft der Bevölkerung, manchmal auch als „Warenkorb“ bezeichnet, hat um bis zu 50% abgenommen. Die massiven Lohn- und Transferkürzungen, die gleichzeitige Erhöhung der Verbrauchssteuern und die Sparangriffe im öffentlichen Sektor sind die realen Auswirkungen auf die Bevölkerung in vielen Staaten der EU, zugleich verschärfen sie aber auch die Rezession.

Abwärtstrend

Auch die größte Volkswirtschaft der PIGGS-Staaten, Italien, ist bereits das dritte Quartal hintereinander in der Rezession (- 0,5%, - 1,4%, - 2,5%) und Spanien das zweite Quartal (- 0,4%, - 1,0%).

Während diese Staaten gezwungen werden, die öffentlichen Ausgaben zu kürzen, steigt gleichzeitig die Zinslast der „Krisenstaaten“, wie auch ihre „Ratings“ und Bewertungen durch die Glaskugelleser der Börsen und Rating-Agenturen schlechter werden, was dann wieder zu neuen Pleiten, neuen Schulden führt.

Profiteur dieser Entwicklung bleibt der BRD-Imperialismus. Auch wenn die Exporte nach Portugal ( -14,3%), Spanien (-9,4%), Griechenland (- 9,2%) und Italien (-8,2%) im letzten Quartal deutlich zurück gegangen sind, gelang es dem Exportkapital, diese Verluste an anderen Märkten (Japan, USA, Russland) wieder auszugleichen. Die aktuelle Vabanque-Situation des Euro-Raumes will das BRD-Kapital möglichst lange ausnutzen - für die eigene Vormachtstellung, für die Schwächung der Konkurrenz und zur Durchsetzung der politischen-administrativen Kontrolle des Euro-Raumes gemäß den eigenen Interessen. Die Instrumente des ESM stellen dabei kurzfristige Maßnahmen dar, sie dienen letztlich der Aufrechterhaltung des Status quo. Die Ausbreitung und Verschärfung der Rezession im Euro-Raum bedroht letztlich aber auch den Hegemon BRD selbst. Zum einen wird ein fortschreitender Abschwung auch die Exportprofite schmälern, zum anderen droht ein verschärfter politischer Machtkampf mit den konkurrierenden imperialistischen Staaten Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien.

Die Rezession hat auch die Krise auf dem EU-Arbeitsmarkt weiter zugespitzt. Aktuell sind 18 Millionen EU-BürgerInnen arbeitslos gemeldet, dies entspricht einer Quote von 11,3%. In Spanien ist die offizielle Arbeitslosigkeit auf 26,4% gestiegen, in Griechenland liegt sie bei 23,2%. Das offizielle Zahlen meist geschönt sind, kommt noch dazu. Die soziale Lage in diesen Staaten macht sogar hartgesottenen Kapitalpredigern wie Hans Werner Sinn Sorgen, der vor „politischen Katastrophen“ warnt. Bei einer „Spiegel-online“-Graphik zur Euro-Krise heißt ein Risiko „politische Verwerfungen“. In Griechenland konnte zwar die neue Neo Dimokratia-Regierung von Samaras durchgesetzt werden, aber die Angst vor einem Wahlsieg Syrizas beherrschte hier die Gazetten und Syriza-Chef Tsipras galt als Personifizierung von Revolution und Umsturz, obwohl er „nur“ ein linker Reformist ist.

Zwei Vorschläge

Um weitere politische „Verwerfungen“ zu verhindern, stehen aktuell zwei Vorschläge im Raum:

EU-Parlamentspräsident Schulz (SPD), bekannt für klare deutsche Aussprache, empfahl Griechenland die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen an den Randgebieten der EU. Diese würden dann unter Kontrolle von EU-Beamten stehen, aber die Griechen sollten das nicht als „Besatzung“ auffassen - eher als Unterstützung beim Neuanfang. So „zivil“ ist der deutsche Imperialismus lange nicht mehr in Griechenland aufgetreten. In diesen Grenzgebieten der EU könnten Weiterverarbeitung, Handel, Logistik für den EU-Markt für den Aufschwung sorgen und die Beamten würden den reibungslosen Ablauf der Investition kontrollieren. Lohnen würde sich das durch einen „Bürokratieabbau“ für Investitionen und quasi Steuerfreiheit - wie EU-Beamte dafür sorgen sollen, bleibt jedoch schleierhaft. Zumindest meint Schulz, dass die Löhne nicht weiter gesenkt würden - das ist allerdings auch schwer möglich bei einem Mindestlohn von 520 Euro.

Solche u.a. Pläne wie der diskutierte Zahlungsaufschub/Streckung der griechischen Zinszahlungen führen nur zur weiteren Unterwerfung und Ausbeutung der griechischen Ökonomie und der Arbeiterklasse. Wenn EU-Beamte Sonderwirtschaftszonen verwalten und Berater der Allianz die Privatisierungen der Regierung Samaras organisieren sollen, dann wird deutlich, wie Besatzung heute aussehen kann - ohne Panzer, aber mit maximalem ökonomischen Erfolg für die Besatzungsmacht.

Der spanische Ministerpräsident Rajoy fordert  eine gemeinsame Fiskal- und Haushaltspolitik inklusiv der gemeinsamen Euro-Bonds bis 2018 innerhalb eines festen Zeitplans. Aus der Sicht der objektiven Bedingungen wäre dieser Schritt für die EU bereits überfällig, gerade gegenüber der imperialistischen Konkurrenz. Allerdings ist damit auch ein Haupthindernis für dieses Vorhaben schon benannt: in der EU gibt es keinen „vereinheitlichten“ Imperialismus, es gibt konkurrierende nationale Kapitale, welche an und für sich eine „Vereinheitlichung“ schon ausschließen, nicht umsonst will Kanzlerin Merkel „nur über ihre Leiche“ Euro-Bonds einführen.

Die Schuldenfalle der Staaten, die Pleite der Finanzmärkte und die massiven Angriffe auf Löhne und Sozialleistungen werden in der Rezession noch zunehmen, die Vorschläge für Griechenland zeigen, welche Vorstellungen das BRD-Kapital hat - nicht nur für Griechenland, sondern tendenziell auch für Deutschland selbst, wenn die Krise auch hier durchschlägt.

Hier dürfen wir uns nicht vom 1%-„Wachstum“ ins Boxhorn jagen lassen, dies zeigt nicht, dass wir keine Krise haben, dies zeigt nur die Stärke und Produktivität des BRD-Kapitals in der Krise. Mittelfristig werden auch hier weitere Privatisierungen anstehen, schon kurzfristig kann ein globaler Einbruch durch die Euro-Krise verursacht werden (she. NI 171, „Durchmerkeln in der Krise“), womit dann wiederum das Exportkapital starke Einbrüche wie schon 2009 erleben wird.

Dagegen ist EU-weiter Widerstand nötig! Wir müssen den Widerstand auch in das Herz der Bestie tragen! Solidarität mit den Kämpfen in Südeuropa heißt vor allem, den Kampf hier aufzunehmen und den dritten Anlauf des deutschen Imperialismus zur Unterwerfung Europas zu stoppen!

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Nr. 172, September 2012
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