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IG Metall-Tarifrunde

Kämpfen oder Kungeln?

Frederik Haber, Neue Internationale 169, Mai 2012

Nach langatmigen Verhandlungen scheint ein Streik nun doch nicht mehr so unwahrscheinlich - nicht, weil die Unternehmer so hart sind, sondern weil er sie jetzt nicht so schmerzen würde.

Die IG Metall-Forderung von 6,5% ist „moderat“ und wir haben sie entsprechend kritisiert: Wer einen wirklichen Sieg gegen das Kapital will, braucht eine Kampfansage. Das sind die 6,5% nicht. Auch die Forderungen nach Übernahme der Azubis und für mehr Geld für LeiharbeiterInnen bzw. mehr Mitbestimmung beim Einsatz derselben sind es nicht wirklich.

Die Mehrzahl der Azubis in den Großbetrieben wird tatsächlich übernommen, doch es gibt v.a. im Osten viele Azubis, die über die Arbeitsagentur in der Metallindustrie ausgebildet werden und von keiner Tarifregelung erfasst würden. Die heutige Übernahme-Regelung auf ein Jahr ist schon dadurch eingeschränkt, dass „personenbedingte Gründe“ diese aufheben können. Ebenso - allerdings mit Zustimmung des Betriebsrates - stellen „akute Beschäftigungsprobleme“ oder „Ausbildung über den Bedarf hinaus“ Gründe für eine Nichtübernahme dar. Diese Einschränkungen dürften auch bei jeder zukünftigen Regelung gelten, sofern die „Tarifprofis“ des IG-Metall-Vorstands das Sagen haben.

Für die LeiharbeiterInnen hat Südwest-Metall am 19. April einen „Branchenzuschlag“ angeboten. Damit würde die Schere innerhalb der Metallbetriebe zwischen Stammbelegschaft und Prekären kleiner, zugleich würden die LeiharbeiterInnen in sich differenziert. Der Druck auf die Stammbelegschaften würde also geringer, die Metall-LeiharbeiterInnen besänftigt und dazu angehalten, ihren Job im Metallbetrieb nicht zu verlieren. An sich eine Lösung, die den Betriebsratsfürsten vor allem der Auto-Industrie, wo bis zu 40% der Belegschaft geliehen sind (Audi, BMW), entgegen kommt.

Angebot der „Arbeitgeber“

Das erste Angebot seitens der „Arbeitgeber“ sollte mit 3% ein geschickter Schachzug sein: Nachdem während der Forderungsdiskussion etliche Betriebsräte nur 4% gefordert hatten, dürften diese mit einer 3 vor dem Komma zufrieden sein. Zugleich wurden die Belegschaften der großen Auto-Konzerne mit Prämien von 4-8.000 Euro befriedigt.

Trotzdem gärt es. Die Beteiligung an den Kundgebungen noch während der Friedenspflicht war hoch: 5.000 in Ludwigsburg, Tausende zugleich vor Daimler und Porsche, Tausende aber auch in anderen Bezirken. Die Warnstreiks werden nicht schlechter sein. Für diese Schichten ist das erste Angebot eine Provokation, denn 3% auf 14 Monate entsprechen nur 2,57% im Jahr.

Ob diese Kräfte - die Belegschaften der großen Produktionsbereiche, Mitglieder, die die IG Metall noch als Kampforganisation kennen, Vertrauensleute, die was bewegen wollen - sich in der IG Metall durchsetzen, ist die Frage. Sie können andere mitziehen und setzen den Apparat schon heute unter Druck: jeder Abschluss am grünen Tisch wird diese Schichten weiter entfremden, also in Resignation oder Opposition treiben. Denn ein reines Verhandlungsergebnis wird immer schlechter sein als eines aus dem Kampf. Zugleich muss der Apparat diese Schichten bei der Stange halten und auch mal wieder zeigen, dass Kampf für die IG Metall nicht nur eine leere Drohung ist. Auch der Apparat selbst muss streiken ab und zu üben. Der letzte liegt 10 Jahre zurück, ein Drittel der heutigen Hauptamtlichen war da noch nicht dabei. Streiken aus „organisationshygienischen“ Gründen nennen das apparatintern die VerfechterInnen eines kontrollierten Kampfes.

Es gibt also zwei Tendenzen, auch wenn keine von beiden einen wirklichen Sieg will. Aber gerade die ausnehmend guten Profite der Metall-Kapitalisten machen auch ein im Streik erzieltes Ergebnis im Rahmen der 6,5% für sie verkraftbar. Entsprechend werden Vorbereitungen für einen Streik getroffen, die Funktionäre geschult und Streikbetriebe ausgewählt. Die Urabstimmung könnte um Pfingsten sein. Keinesfalls darf dieser Streik - da sind sich alle im Apparat einig - zu unkontrollierten Bewegungen führen. Streikbetriebe und -dauer werden also genau festgelegt, Streikleitungen von oben ernannt.

Hier haben kämpferische und oppositionelle Kräfte in der IG Metall ihre Aufgabe: Die Aktionen - nicht erst im Streik, aber da besonders - müssen unter Kontrolle der Mitglieder ablaufen. Aktions- und Streikkomitees müssen auf Vollversammlungen der Vertrauensleute oder der Streikenden gewählt werden.

Wichtig ist die Einbeziehung der LeiharbeiterInnen, nicht nur der direkt beim Unternehmen beschäftigten, sondern auch jener bei Subunternehmen. Wichtig ist auch die Einbeziehung der über Werkverträge Beschäftigten sowie der Azubis aus Ausbildungsverbünden und der Arbeitsagentur in alle Aktionen und Entscheidungen.

Kontrolle durch die Basis!

Vor allem dürfen keine Verhandlungen zwischen Urabstimmung und Streikbeginn geführt werden! Es müssen Solidaritätskomitees in der Region gebildet werden, denn auch wenn die IG Metall-Bürokratie keinen Sieg über ihre „Sozialpartner“ will, wäre ein guter Abschluss nach einem erfolgreichen Streik der MetallerInnen ein wichtiger Schritt, den Niedergang der Gewerkschaftsbewegung zu stoppen und die Arbeiterklasse zu reorganisieren.

Um die Gewerkschaft aus dem Griff der sozialpartnerschaftlichen Bürokratie zu befreien, ist eine klassenkämpferische Basisbewegung nötig. Selbst eine Bewegung, die ein heftiger Arbeitskampf erzeugt, wird die Bürokratie nicht von ihrem Kurs abbringen oder davon abhalten, bei nächster Gelegenheit Arbeitsplätze, Löhne und soziale Errungenschaften zu opfern. Aber die Entwicklung kann und muss genutzt werden, um in der Praxis zu zeigen, was nötig wäre - und um Kräfte für eine solche Basisbewegung zu sammeln.

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Nr. 169, Mai 2012
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