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Griechenland

Die Parlamentswahlen und die Revolution - für eine Regierung der Arbeiterparteien!

Martin Suchanek, Neue Internationale 169, Mai 2012

Die griechische Parlamentswahl findet am 6. Mai vor dem Hintergrund einer revolutionären Periode statt, die schon mehrere Jahre andauert. Mehrmals haben die Arbeiterklasse und die Unterdrückten versucht, die Regierungen von Papandreou und von Papademos zu stürzen. Sie sind zu Hunderttausenden, wenn nicht Millionen auf die Straße gegangen. Sie haben sich in Massen den 24- und 48-Stunden-Generalstreiks angeschlossen. Sie haben den Syntagma-Platz in Athen und zentrale Plätze anderer bedeutender Städte besetzt. Wichtige Sektoren der Arbeiterklasse haben für längere Zeit gestreikt und, besonders im letzten Jahr, etliche Betriebe - von wichtigen Industrien wie Stahl bis zu Krankenhäusern und Zeitungen - besetzt und unter Arbeiterkontrolle und Selbstverwaltung weitergeführt.

In einigen Stadtteilen wurden Nachbarschaftskomitees gebildet. In Betrieben wurden gemeinsame Basisausschüsse gegründet, um den Kampf in den Kommunen und in den Unternehmen zu organisieren. Jedoch sind diese Initiativen, so wichtig sie auch sind, kaum über die lokale Ebene hinaus koordiniert oder gar verallgemeinert worden.

Die Krise des griechischen Kapitalismus hat zu einer massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und der Armen, aber auch der Mittelschichten geführt - von kleinbürgerlichen Produzenten wie Landwirten und Fischern über die Fachleute bis zu Kleinunternehmern. Während der letzten 3 Jahre ist die griechische Wirtschaft in eine tiefen Rezession gesunken und befindet sich weiter im freien Fall. 2011 schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt noch einmal um ca. 7,5 Prozent. Und die Lage wird sich weiter verschlechtern; Zehntausende kleine und mittlere Unternehmen stehen vor dem Bankrott. Allein in der Bauindustrie brachen 2011 die Aufträge auf die Hälfte ein.

Aber es war die Arbeiterklasse, die von der Entwicklung der letzten Jahre am härtesten getroffen wurde. Sie zahlt einen schrecklichen Preis für die Krise des Systems der Bosse. Nach offiziellen Angaben hat die Arbeitslosigkeit seit Ende 2008 um 600.000 zugenommen. Es gibt jetzt mehr als eine Million Arbeitslose (21 Prozent). Jugendliche und Frauen sind besonders stark betroffen. Mehr als Hälfte, vor allem die unter 25 und 35 Prozent aller Frauen, haben keinen Job.

Im letzten Zeitraum führte die griechische Regierung zwei „Rentenreformen“ durch. Diese haben Hunderttausende in Armut gestürzt und bedrohen besonders die künftigen Renten jener, die zur Zeit ihre Jobs verlieren oder zu Armutslöhnen arbeiten müssen.

Gleichzeitig ist das nationale Tarifsystem effektiv abgeschafft worden. Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst trifft es besonders hart. Ihre Löhne sanken um ungefähr 30 Prozent. Der Mindestlohn ist um 20 Prozent - auf gerade 580 Euro - gesenkt worden. Ungefähr 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung haben überhaupt kein reguläres Einkommen. Im Großraum Athen, in dem ungefähr 40 Prozent der Gesamtbevölkerung leben, wird die Zahl der Obdachlosen mittlerweile auf 20.000 geschätzt. Rund 200.000 Menschen sind täglich auf Suppenküchen angewiesen.

Die Auswirkungen der Einkommensverluste für die große Mehrheit der Menschen, werden noch weiter verschärft durch die hohe Inflationsrate. Dieses trifft besonders die Bevölkerung in den Ballungszentren, wo es für viele es immer schwieriger wird, ihre Miete zu zahlen. Sogar Menschen, die noch einen Job haben, werden häufig zu spät oder überhaupt nicht bezahlt. Das ist auch ein Auslöser für viele Besetzungen und die Fortführung der Produktion unter Arbeiterkontrolle gewesen, da die Arbeitskräfte nur so zumindest einen Teil ihres Einkommen erhalten konnten, indem sie ihre Produkte selbst verkauften.

In den letzten Monaten hat es eine bedeutende Zunahme von Betriebsbesetzungen gegeben. Das Krankenhaus in Kilkis, einer Kleinstadt mit 25.000 EinwohnerInnen, ist eines der bekannteren Beispiele. Das Personal besetzte das Krankenhaus vom 2. Februar bis Mitte März und ließ es unter Arbeiterkontrolle und eigener Verwaltung laufen. Kilkis ist aber weit davon entfernt, das einzige Krankenhaus oder der einzige Betrieb im Land zu sein, dessen Beschäftigte gezwungen sind, solche Maßnahmen zu ergreifen; sogar liberale Zeitungen sind besetzt worden. Am eindrucksvollsten sind wohl die 4.500 griechischen Stahlarbeiter, die seit Monaten im Streik sind. Sie kämpfen gegen Lohnkürzungen und die Aufkündigung des nationalen Tarifvertrags. Die Aktion wurde entschlossener und die Unterstützung wuchs, als auch noch Massenentlassungen verkündet wurden.

In zahlreichen Fällen haben die ArbeiterInnen regelmäßige Versammlungen unter Einschluss aller, die in diesem Sektor arbeiten, organisiert - mit FacharbeiterInnen wie angelernten ArbeiterInnen, mit TechnikerInnen und Angestellten. Viele haben Kommissionen zur Erfüllung spezifischer Aufgaben und zur öffentlichen Vertretung gewählt. In einigen Fällen - darunter auch die  Stahlarbeiter - organisierten sie auch Unterstützungskomitees, die auch AnwohnerInnen oder PartnerInnen aktiv einbeziehen.

Auf der betrieblichen Ebene wurden Basisorgane der Arbeiterkontrolle und Selbstverwaltung gegründet. Obgleich diese normalerweise als pragmatische Antwort auf bloße Notwendigkeiten entstanden sind, haben sie offensichtlich das Niveau von Selbstorganisations-Strukturen und haben das Bewusstsein der Arbeiterklasse gehoben und verbreitert. Sie haben ein Gefühl der Solidarität gegen die gemeinsamen Feinde geschaffen; die Troika, die Regierung, die Chefs.

Eine andere allgemeine Erscheinung ist, dass die örtlichen Gewerkschaftsmitglieder und RepräsentantInnen oft mit den Ausschüssen verbunden sind, diese teilweise sogar initiieren oder anführen. Die regionalen Führungen der Gewerkschaften schwanken. Auf der nationalen Ebene jedoch haben die Führungen der großen Gewerkschaften wie GSEE und ADEDY, die Unterstützung für diese Streiks und Besetzungen zurückgewiesen und wieder einmal die verräterische Rolle der Bürokratie demonstriert.

Es gibt auch deutliche Schwächen bei den Besetzungen selbst. Während sie mit Recht „das System“ für das Elend verantwortlich machen, werden sie dennoch häufig als rein ökonomische Kämpfe geführt. Es gibt wenig Versuche, wenn überhaupt, die regionalen und nationalen Verbindungen zwischen ihnen und mit den Massenbewegungen aufzubauen. Solche Schritte sind jedoch essentiell - nicht nur, um die ArbeiterInnen gegen einzelne „Arbeitgeber“ zu stärken, sondern vor allem, um „das System“ als Ganzes zu bekämpfen. Die neu entstandenen Organe des Kampfes und des Selbstorganisation müssen zu Organisationszentren der gesamten Arbeiterklasse werden. Sie müssen Arbeiterräte werden, die die vorhandene Macht der Kapitalistenklasse und ihres Staates herausfordern können.

Die Notwendigkeit, eine solche Richtung einzuschlagen, drängt sich durch die Wirklichkeit der Kämpfe und der Besetzungen von selbst auf. Ihre Ziele können letztlich nicht auf betrieblicher Ebene verwirklicht werden. Ein politischer Kampf ist notwendig, um die Eigentümer zu enteignen und die Arbeit auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gemäß einem Notplan unter Arbeiterkontrolle zu reorganisieren. Ein solcher Kampf verweist darauf, dass die Arbeiterklasse die Macht in der Gesellschaft durch ihre eigenen Organisationen selbst übernehmen muss.

Während die dringenden Bedürfnisse ihrer eigenen Kämpfe die ArbeiterInnen - insbesondere ihre aktivsten und politisch fortgeschrittensten Teile - in diese Richtung drängen, so ist das aber nicht genug, um sie „spontan“ für eine Strategie und Taktik, in einem Wort, für ein Programm zu gewinnen, das sie in die unvermeidlichen Kämpfen mit dem Staat und den internationalen imperialen Agenturen zum Sieg führen kann.

Trotz des Niedergangs der eingesetzten Regierungsparteien und ihrer offensichtlichen Unfähigkeit, die Krise des griechischen Kapitalismus zu lösen, ist das Haupthindernis, dem die griechischen Massen gegenüber stehen, das Fehlen einer politischen Führung, welche die unmittelbaren Kämpfe mit dem Kampf zum Umsturz des Kapitalismus  verbinden könnte. Diese Krise der Führung schwächt jeden Aspekt des spontanen Kampfes, um die Interessen der Arbeiterklasse zu verteidigen.

Die großen Gewerkschaftsföderationen ADEDY und GSEE stellen sich offensichtlich jeder möglicher Verallgemeinerung der Kämpfe entgegen. Sie haben wiederholt alle Aufrufe zu unbefristeten Generalstreiks abgelehnt und versucht, sie auf ein oder zwei Tage Protest zu begrenzen. Ebenso weisen DIMAR, SYRIZA und die KKE revolutionäre Methoden des Kampfes zurück, mit denen die Arbeiterklasse durch einen Generalstreik und die Schaffung von Arbeiterräten die Macht übernehmen und den bürgerlichen Staat zerbrechen könnte.

Auch die Anarchisten und Autonomen haben jede Notwendigkeit der Zentralisierung der Kämpfe durch demokratische, verantwortliche Organisationen zurückgewiesen. Obwohl die „extreme Linke“ - maoistische oder trotzkistische Gruppen - eine wichtige Rolle in den Mobilisierungen gespielt haben, haben auch sie nicht vermocht, eine konsistente Strategie und Taktiken zu entwickeln, die die ArbeiterInnen von ihren reformistischen Führern brechen und sie für den revolutionären Umsturz des Systems mobilisieren könnten.

Die Krise des Systems

Es ist klar, dass diese Situation der Massenmobilisierung, der spontanen Radikalisierung und des sozialen Niedergangs nicht ewig weiterbestehen kann. Während die Massen hinsichtlich der Ablehnung der Kürzungen und der Sparprogramme, die der griechischen Bevölkerung von der EU, vom IWF und der EZB aufgezwungen wurden, einig sind, mangelt es ihnen an einer klaren Perspektive, an einem positivem Programm, einem Aktionsplan - daran, wofür sie kämpfen sollen.

Aufgrund der Massenaktionen musste die Papandreou-Regierung schließlich gehen. Obgleich er mit der Idee eines Referendums über die von der EU erzwungenen Sparprogramme spielte, ließ er diesen Vorschlag fallen, als seine Meister in Berlin und in Paris drohten, Athen Bankrott machen zu lassen. In seine Stelle setzten sie eine Regierung „der Experten“ unter Papademos durch.

Dieses „Modell“, bald gefolgt von der Installation der Monti-Regierung in Italien, markiert eine wichtige Verschiebung zu einer Regierung, die durch die EU-Institutionen direkt an das europäische Finanzkapital gebunden ist. Selbstverständlich stand auch schon die Papandreou-Regierung unter strenger EU-Fuchtel, aber das Ausmaß des Volkszornes und der Opposition zu seiner Politik hatte zu einer Unterhöhlung seiner parlamentarischen Unterstützung geführt. Dieser Legitimitätsverlust machte die Regierung zu einem untauglichen Instrument. Sie musste gehen.

Papademos, wie Monti, war in der Lage, seine technokratische Regierung auf einer ausgedehnten parlamentarischen Majorität zu gründen und gab ihr so eine „demokratische“ Fassade. Während jedoch der Rücktritt Berlusconis auf Sympathie in der Arbeiterklasse stieß und diese der Volksfrontregierung Monti eine gewisse Glaubwürdigkeit gab, reflektiert die große parlamentarische Majorität von Papademos  auch nicht im geringsten den „Willen des Volkes“.

Im Gegenteil. Sie wurde mit Recht als Mittel betrachtet, sogar bürgerlich-demokratische Institutionen zu übergehen. Sie deckte die engen Beziehungen der bürgerlichen Hauptparteien, der panhellenistischen sozialistischen Bewegung, der PASOK, und der „Neuen Demokratie“ (Nea Dimokratia = ND) zur griechischen Kapitalistenklasse und zum Imperialismus auf. Sie offenbarte von Beginn an, dass sie nur eine schrumpfende Minderheit vertraten. Dies war auch der Grund, warum die rechtsextreme, halbfaschistische Partei LAOS (Laikós Orthódoxos Synagermós = Orthodoxer Volksalarm), schnell mit der Regierung brach und versuchte, sich als patriotische und nationalistische Bewegung für alle Griechen darzustellen.

Der unvermeidliche Niedergang und die Abspaltungen von PASOK und ND in den letzten Monaten sind nicht nur auf die Feigheit der ParlamentarierInnen zurückzuführen, die das sinkende Schiffe verlassen. Sie reflektieren auch eine innere Krise der herrschenden Klasse. Es wird immer mehr schwieriger, „demokratische“ Vollmachten für brutale Einschnitte und Angriffe zu sichern. Der Mainstream, die Parteien in der „Mitte“ verlieren in solchen Situationen, weil nicht nur die Millionen Opfer ihrer Maßnahmen sind und mehr und mehr Vertrauen verlieren, sondern auch die herrschende Klasse und des internationale Finanzkapital mehr und mehr an ihrer Durchsetzungsfähigkeit zweifeln.

Die griechischen Kapitalisten, die Banken und die verbliebenen größeren Monopole wie die Reedereien sind nicht nur eng mit dem globalen Finanzkapital und den Märkten verbunden. Sie sehen die Auferlegung der Sparprogramme durch EU und IWF als Mittel, die Schuld für das Leiden der Menschen auf diese Institionen zu verschieben. Die „patriotischen“ griechischen Banken z.B. versuchen die Tatsache zu verschleiern, dass sie selbst gegen griechische Schuldentitel spekuliert haben. Die großen griechischen Schiffseigner drohen, ihre Flotten unter fremder Flagge laufen zu lassen, wenn ihre Profite durch Steuererhöhungen bedroht werden, während sie gleichzeitig die Lohnkürzungen der Arbeiterklasse gutheißen. Alle Kapitalisten sind sich einig, wenn es um die Ablehnung aller Maßnahmen geht, die ihre Profite oder ihren Reichtum beschneiden würden.

Griechenland ist nicht nur eine Gelegenheit für Spekulanten, Finanzhäuser und Banken, die in der globalen Krise durch Milliardenpakete gerettet wurden und die jetzt auf Schulden und Währungen spekulieren. Noch wichtiger ist es als ein Probelauf zur Neuordnung der EU und der Eurozone unter Hegemonie des deutschen Imperialismus. Das ist auch der Grund, warum die europäischen Institutionen dem Land brutale Kürzungsprogramme auferlegt haben, die die ökonomische und soziale Krise in Griechenland weiter vertieften. Die Absicht ist nicht nur, den Status Griechenlands und des griechischen Kapitalismus als unterwürfiger Halbkolonie zu verstärken, sondern auch eine Politik zu testen, die dann ganz Südeuropa  verordnet werden könnte.

Deshalb bieten die EU, die EZB und der IWF der griechischen Bevölkerung keine Zugeständnisse. Eine „Überprüfung“ der Schulden oder ein Moratorium der Zahlungen, von dem einige Reformer träumen, steht einfach nicht auf der Tagesordnung. Im Gegenteil! Die EU besteht auf ihren Bedingungen, um der Arbeiterklasse und den unteren Schichten der gesamten Region zu zeigen, dass sie ähnlichen Angriffen gegenüberstehen. Ebenso würde eine Rückkehr zur Drachme - sollte irgendeine griechische Regierung einen solchen Schritt unternehmen - durch einen massiven und konzertierten internationalen Angriff auf die griechische Wirtschaft beantwortet werden. Die EU und das EZB würden alles in ihrer Macht stehende tun, um zu garantieren, dass dieses illusorische, nationalistische Projekt in einem Fiasko endet, um zu demonstrieren, dass das Leben unter ihren Bedingungen außerhalb von EU und Eurozone noch schrecklicher wäre.

Schließlich ist es auch klar, dass die EU und die griechische herrschende Klasse bereit sind, auf eine autoritäre Lösung zu setzen, sollte eine „demokratische“ Regierung scheitern. Zweifellos würden sie dabei auf eine massive demagogische, populistische und rassistische Kampagne gegen MigrantInnen zurückgreifen.

Die Zukunft des griechischen Klassenkampfes und der Revolution ist folglich eng mit der Zukunft des europäischen Projektes und des Klassenkampfes der ArbeiterInnen in ganz Europa verbunden - den Kämpfen gegen die Kürzungen und für eine sozialistische Alternative zu einer europäischen kapitalistischen Vereinheitlichung unter französisch-deutscher imperialistischer Vorherrschaft.

Die bevorstehenden Wahlen sollen ein „demokratisches“ Mandat für die Fortsetzung von Papademos' Politik sichern. Doch das ist alles andere als sicher. Die PASOK, die bei den letzten Wahlen noch eine Mehrheit der Abgeordneten und mehr als 40% der Stimmen erhielt, wird wahrscheinlich zerlegt werden. Umfragen zeigen, dass sie nur 8-15 Prozent erhalten soll.

ND wird wahrscheinlich die größte Partei im Parlament mit gerade etwas mehr als 20 Prozent stellen. Trotzdem das griechische Wahlsystem eine 3-Prozent-Hürde vorsieht und stark die größere Parteien im 2. oder 3. Wahlgang bevorzugt, könnte es für eine Wiederholung der Koalition zwischen ND und PASOK nicht reichen. Dieses wird sogar schwierig für den Fall, dass sie die Unterstützung  kleinerer, von ihnen abgespaltener Parteien oder der Grünen erhalten.

Beide Parteien haben verloren und werden massiv nach rechts und links und verlieren. In der letzten Periode ist die extreme Rechte definitiv gewachsen. Als LAOS die Regierung verließ, tat sie das, um sich als „volksnahe“, extrem-rechte Alternative zur EU, zur „Plutokratie“, zu „Chaos“ und „Gewalttätigkeit“ von links darzustellen. Aber dieser Schachzug hat LAOS nicht in dem Maße gestärkt, wie sie hofften. Rechte Abspaltungen von der ND und „populäre Führer“ der Rechten drohen ihr den Rang abzulaufen. So kommt die ND-Abspaltung „Unabhängiges Griechenland“ auf 8,5 und 11 Prozent in den Umfragen, während LAOS und das faschistische „Chrysi Avgi“ auf je rund 4 Prozent prognostiziert werden.

Der Rechtsextremismus wird nicht nur von einer „antieuropäischen“ Position bestimmt, sondern auch durch aggressiven Rassismus. Seit Jahren sind MigrantInnen Ziel regelmäßiger gewalttätiger rassistischer Angriffe. Die rechts-extremen Parteien stempeln sie zum Sündenbock und fordern noch stärkere rassistische Einwanderungskontrollen. Während die eine oder andere dieser Parteien (oder deren Abgeordnete) von einer neuen, bürgerlichen Regierung durchaus als Unterstützer gekauft werden könnten, um die arbeiterfeindliche Politik und die Bedingungen der Troika durchzusetzen, werden jene dafür die Umsetzung ihrer rassistischen Forderungen verlangen.

Die Machtfrage

Bis jetzt jedoch haben die Arbeiterklasse, die Jugend, die Armen nach einer Lösung auf der Linken des politischen Spektrums gesucht. In der Tat bilden die wachsende Zahl der Besetzungen und Streiks, die Schaffung von Basisstrukturen der Arbeiterkontrolle und Selbstorganisation einen Ausgangspunkt zur Schaffung der organisatorischen Formen, die, wenn sie generalisiert werden, zu Arbeiterräten werden könnten. Diese Stimmung und Entwicklung drückt sich auch im Wachstum der Unterstützung für die linken Parteien aus.

Zusammengenommen erhalten KKE, SYRIZA und DIMAR (Demokratische Linke) 30- 40 Prozent der Stimmen in den Umfragen. Antarsya liegt bei ungefähr einem Prozent. Die herrschende Klasse, die EU, die Imperialisten und die bürgerliche Presse malen die Gefahr einer „linken Regierung“ in grellen Farben die Wand. Diese würde die „Vereinbarungen“ mit der EU in ihrer Gesamtheit aufkündigen oder darauf drängen, diese „neu zu verhandeln“. Sogar letzteres gilt den Merkels und Sarkozys als „untragbar“.

Was sie jedoch fürchten, ist nicht in erster Linie die Politik der linken Parteien, die sich außer Stande gezeigt haben, eine klare Führung oder eine zusammenhängende Strategie gegen die Regierung und die EU-Pläne entwickeln, geschweige denn eine Antwort auf die Machtfrage zu geben. Ihre eigentliche Furcht gilt den enormen Erwartungen und dem gesellschaftlichen Druck, denen die linken Parteien und ihre Abgeordneten ausgesetzt wären, wenn sie eine Majorität gewinnen oder auch nur die größte Gruppierung im Parlament bilden würden, die in der Lage wäre, eine Regierung zu bilden.

Während die griechischen und europäischen herrschende Klassen die große und weiter wachsende Unterstützung für die Linke mit großer Sorge betrachten, erscheinen die linken Parteien selbst durch die Aussicht eines Wahlsieges eher geschockt und verwirrt zu sein.

SYRIZA

SYRIZA hat die anderen linken Parteien - insbesondere KKE und DIMAR - aufgefordert, eine linke Regierung im Falle eines Wahlsieges zu bilden. Obgleich dieses eine reale Möglichkeit ist, hatte der Anruf in den Reihen von DIMAR nur Schweigen und Zögern zufolge. Bei der KKE und Antarsya stieß er auf völlige Ablehnung. Der Vorschlag von SYRIZA verdeutlicht ebenso wie die Reaktionen darauf, die Tiefe der politischen Fehler der griechischen Linken und die Tiefe der Krise der Führung, der die Arbeiterklasse gegenübersteht.

Entsprechend den Meinungsumfragen hat SYRIZA vor kurzem einen Anstieg seiner Unterstützung erlebt - trotz der internen Spannungen, die bereits zum Austritt einzelner Gruppierungen wie der CWI-Sektion Kokkino (in Deutschland SAV) geführt haben. Auch die Maoisten der KOE (Kommunistische Organisation Griechenlands) dürften ihren Bruch vorbereiten. Ein Resultat davon ist, dass SYRIZA offenbar mehr und mehr zu einem „Synaspismos plus“ wird und noch deutlicher als in den letzten Jahren von den ehemaligen Euro-Kommunisten beherrscht wird, die jetzt Mitglieder der Europäischen Linkspartei sind.

Abgeordnete SYRIZAS haben zu Recht gegen die Kürzungsprogramme der Regierung  und das Programm der Troika gestimmt. Die Partei schlägt vor, diese Maßnahmen insgesamt zu widerrufen. Sie fordert eine Aussetzung der Schuldenzahlungen, bis die Wirtschaft wieder wächst. Genau genommen möchte SYRIZA die Synaspismos-Führung, die Schulden und das vollständige Moratorium neu aushandeln. Andererseits möchte sie eine Rückkehr zur Drachme vermeiden, wünscht dafür aber auch einige Zugeständnisse von den Euro-Mächten. Es ist klar, dass solch eine Strategie nicht funktionieren kann. Es würde eine Regierungspolitik ergeben, die zwischen den Forderungen der Arbeiterklasse und der Armen einerseits und denen von Kapitalisten und Imperialismus schwanken würde.

Vor allem würde die „Anti-Austeritäts-“ und „Anti-Neoliberale-Regierung“, die von SYRIZA entwickelt und vorgeschlagen wurde, nicht die Grundlagen des griechischen Kapitalismus berühren. SYRIZA fordert nicht einmal die Enteignung und die Verstaatlichung des Monopolkapitals. Für eine reformistische Partei wenig überraschend, hat sie eine rein parlamentarische Konzeption einer solchen „Anti-Austeritäts-Regierung“. SYRIZA stellt den bürgerlichen Staatsapparat, der zahlreichen griechischen kapitalistischen Regierungen so gut gedient hat und der durch tausend Fäden mit der herrschende Klasse und dem Imperialismus verbunden ist, als Instrument dar, das von einer „linken Regierung“ für ihre eigenen Zwecke benutzt werden könnte. Es hat keine Strategie, keinen Plan, wie auf die unvermeidliche Sabotage und Angriffe durch die herrschende Klasse und EU/ECB/IWF zu reagieren ist, die auch auf den geringfügigsten Versuch folgen können, der den Forderungen der Troika zuwider läuft.

Die Antwort von DIMAR (Demokratische Linke)

DIMAR hat sich gesträubt, auf den Vorschlag von SYRIZA überhaupt zu reagieren. Dieses ist nicht völlig überraschend, obgleich sich der Vorschlag selbst nicht so sehr von ihrer eigenen Politik unterscheidet. DIMAR entstand aus einer rechten Abspaltung von SYRIZA im Juni 2010, als 550 Mitglieder von Synaspismos und 4 Abgeordnete aus der Partei austraten - wegen ihres angeblichen „Sektierertums“ gegenüber der PASOK-Regierung. Was sie wirklich wollten, war, sich mit Papandreou zu verbünden, um seine Regierung in den Verhandlungen mit der EU und dem EZB nach links zu drücken!

Zusätzlich macht es DIMAR zu einem springenden Punkt ihres Programms und ihrer Perspektive, dass Griechenland in der EU und in der Eurozone bleibt. Folglich ist sie mit „der Neuaushandlung“ der Forderungen der Troika einverstanden, will aber keineswegs einen Bruch herbeiführe.

DIMAR ist vor kurzem gewachsen. In Umfragen liegt sie oft deutlich über 10 Prozent. Der Grund dafür ist, dass sie in der Lage waren, größere Teile von PASOK, insbesondere ehemalige FührerInnen, ParlamentarierInnen und GewerkschaftbürokratInnen zu gewinnen, als jede andere linke Partei (obwohl Synaspismos auch einige gewann). DIMAR hofft offenbar, dass sie ihren Einfluss unter diesen Schichten erhöhen kann, die vorher durch PASOK, insbesondere in den Gewerkschaften kontrolliert wurden. Zugleich möchte sie aber es nicht alle Türen zur PASOK und insbesondere nicht zu jenen  Gewerkschaftbürokraten zuschlagen, die ihr noch immer treu sind. Deshalb möchte DIMAR auch kein Bündnis mit SYRIZA oder gar mit dem KKE bilden. Am Ende würde sie eine Allianz mit einem „sozialeren“ PASOK u.a. Zentrum-Links-Parteien (vielleicht einschließlich SYRIZA) einer „linke Regierung“ vorziehen. Das kann sie aber nicht so offen sagen, da auch viele AnhängerInnen von DIMAR eine „linke Regierung“ jeder anderen vorziehen würden.

Das KKE

Das KKE hat jeden möglichen Aufruf für eine „linke“ oder „Anti-Austeritäts-Regierung“ oder eine zukünftige Teilnahme völlig zurückgewiesen. Sie begründet das damit, dass eine solche Regierung in Wirklichkeit „von den Opportunisten“ geführt werden würde, dass sie nur scheinbar links, in Wirklichkeit pro-kapitalistisch und pro-imperialistisch wäre. Zur Rechtfertigung dieser Position erhebt die KKE auch korrekte Kritiken, besonders die Ablehnung der Forderung nach die Annullierung der Schulden und des Versprechens, sofort die Zahlungen einzustellen, durch DIMAR und SYRIZA.

Doch was ist die Alternative der KKE? Wie vereinbart sich die kategorische Ablehnung einer Regierungsbildung mit „Opportunisten“ damit, dass sie selbst Anfang der 1990er Jahre in eine „Anti-Korruptions-Regierung“ eintrat, die von der konservativen ND geführt wurde? Es ist korrekt, wenn die KKE unterstreicht, dass SYRIZAs „Anti-Austeritäts-Regierung“ eine bürgerliche Regierung sein würde, die auf kapitalistischen Eigentumsverhältnissen basiert. Aber was ist mit der Losung der KKE nach einer „patriotischer Regierung“, die sie jahrelang erhoben hatte? Solch eine Regierung würde ja auch auf dem bürgerlichen Staatsapparat- und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln basieren. Nur die monopolistischen Teile des Kapitals sollten beseitigt werden. Die Regierungslosung der KKE war jene nach einer „patriotischen“ aus einem triftigen Grund: sie sollte nicht nur die „revolutionären“ ArbeiterInnen von KKE/PAME, sondern auch die „ehrlichen“, patriotischen Kleinbürger und den Bürger umfassen. Es sollte eine Regierung sein, die Parteien umfasst, die sich auf gegensätzliche Klassen - von den ArbeiterInnen bis zu den „anti-monopolistischen Kapitalisten - stützt, eine Volksfront also.

Das KKE vertritt eine Strategie, die auf den traditionellen sozialdemokratischen Reformismus zurückgeht und von den Stalinisten in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts übernommen und kodifiziert wurde, und die Bildung einer Volksfrontregierung als notwendiges Stadium darstellt, um zum Sozialismus voranzuschreiten. In Wirklichkeit führt sie in die entgegengesetzte Richtung. Sie ist ein Hindernis auf dem Weg zum Sozialismus, da sie nur durchgeführt werden kann, wenn das „patriotische“ Bürgertum weiter den Staatsapparat und die Gesellschaft beherrscht, wenn eine solche Regierung den Kapitalismus verteidigt.

Diese grundlegend opportunistische und konterrevolutionäre Strategie, die die KKE befürwortet, ist von der Politik von SYRIZA nicht qualitativ verschieden, selbst wenn sie mit roten Fahnen und täglichem Lobgesängen auf den Sozialismus aufgeputzt wird.

Die KKE hat immer für das Verlassen der Euro-Zone und der EU geworben. Vor kurzem hat die Spitze der Partie jedoch einen Schwenkt nach links vollzogen. „Plötzlich“ hat auch sie bemerkt, dass die Wiedereinführung der Drachme unter kapitalistischen Verhältnissen sogar zu einer noch schnelleren Verarmung führen würde, dass der Lebensstandard aufgrund der Auswirkung der massiven Inflation drastisch sinken würde.

In der ähnlicher Manier hat das KKE ihren Anruf für eine „patriotische“ Regierung durch den Anruf für eine „Volksregierung“, als linkere Spielart der Volksfront ersetzt, eine Regierung also, die irgendwo zwischen Kapitalismus und Sozialismus in einem „Anti-monopolistischen Stadium“ stecken würde. Außerdem weiß die KKE recht gut, dass es keine möglichen Verbündeten gibt, mit denen sie in absehbarer Zukunft diese „Volksregierung“ bilden könnte. In Wirklichkeit bedeutet die Ablehnung, eine „Anti-Austeritäts-Regierung“ zu bilden, einfach, dass sich die KKE damit abfindet, weiter bloß Oppositionspartei zu sein.

Die „prinzipienfesten“ Einwände der KKE sind in Wirklichkeit überhaupt nicht prinzipienfest und dienen nur dazu, ihren eigenen Nachfolgern zu beweisen, dass sie die einzige „saubere“ populäre Alternative darstellt. Da sie eine „Volksregierung“ nicht bilden kann, dienen ihre scheinbar linken Einwände nur als Rechtfertigung dafür, die AnhängerInnen auf eine zukünftige, immaginierte Volksfront als Alternative zu einem Regierungsbündnis mit anderen reformistischen Parteien, die sich auf die Arbeiterklasse stützen, zu vertrösten. Hier wandelt sich der Opportunismus der Volksfront zum Sektierertum, das die KKE über Jahre gegenüber der gesamten griechischen Linken zeigte, indem sie es immer wieder vorzog, ihre eigenen Aktionen und Demos zu organisieren, statt ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Das gleiche Sektierertum zeigt die KKE' auch gegenüber der Notwendigkeit der Koordinierung des Kampfes, der auf RepräsentantInnen aus den Betrieben und Stadtteilen basiert, denn diese würden unvermeidlich eine Einheitsfrontpolitik in Richtung der „Opportunisten“ erfordern.

Wie auf den Anruf von SYRIZA reagieren?

Für alle, die Zweifel an der KKE-Strategie haben, die die Einheit der Arbeiterorganisationen im Kampf fordern und auch eine Regierung aus bürgerlichen, reformistischen Arbeiterparteien einer Regierung aus offen bürgerliche Parteien zurecht vorziehen, hat die KKE hat eine optimistische Massage: „Eine schwache Regierung bedeutet ein starkes Volk“.

Hier verwandelt sich die Politik der KKE in eine fast schon kriminelle, selbstzufriedene Passivität. Wer auch immer die Regierung bildet - sie ist schwach, versichert uns die KKE. Hauptsache, die Leute marschieren weiter und stärken die stalinistische Partei.

Aber war die Papandreou-Regierung nicht auch schwach? Und Papademos? Wurden sie nicht durch Massenmobilisierungen getroffen? Hat das verhindert, dass die Massen trotzdem verarmten? Denkt das KKE wirklich, dass solch eine Situation dauerhaft weiter bestehen kann? Oder gibt es nicht vielmehr die akute Gefahr, die sich die revolutionären Bedingungen erschöpfen, wenn sie nicht bald genutzt werden, und in ihr Gegenteil verkehren - in eine konterrevolutionäre Restabilisierung und historische Niederlage der Klasse?

In der aktuellen Lage wird die Regierungsfrage, ja die Machtfrage aufgeworfen. Die Antwort der KKE ist eine der verbal-radikalen Passivität. Nicht nur hat das KKE keine revolutionäre oder „kommunistische“ Alternative zu den anderen reformistischen Parteien. Sie spielt den Führungen von SYRIZA und DIMAR sowie den GewerkschaftsführerInnen in die Hände - ob sie noch an der PASOK festhalten, „neutral“ wurden oder DIMAR und SYRIZA verbunden sind.  DIMAR und ihre Führung sind mehr als glücklich, wenn sie die Ablehnung einer „linken Regierung“, einer Koalition vom reformistischen, bürgerlichen Arbeiterparteien der KKE überlassen können. Dann brauchen sie nicht ihre eigenen, rechten Einwände zu erklären. In ähnlicher Manier kann SYRIZA und seine Führung die KKE tadeln, wenn keine „Anti-Austeritäts-Regierung“ zustande kommen kann. Sie können fortfahren, ihre reformistische Lösung der Krise der griechischen Gesellschaft, ihre Auffassung einer „Anti-Neoliberalen-Regierung“ darzustellen, ohne dass ihre Versprechen in der Praxis getestet werden können, geschweige denn, dass sie durch die Massenbewegung gezwungen werden, radikalere Forderungen einzuführen als sie vorhaben.

Die radikale Linke?

Die Wahrheit ist, dass der Vorschlag der Führung von SYRIZA ein reales Problem aufgreift, das durch die Wahl und die politische Lage aufgeworfen wird: die Frage der Regierung. Nicht nur die KKE versäumt es, sich diesem Problem zu stellen, sondern auch die „radikale Linke“.

Die Autonomen und Libertären zeigen ihren kompletten Mangel an Verständnis für die aktuellen politischen Aufgaben, ihre komplette politische Nutzlosigkeit, indem sie einfach erklären, dass die Wahlen ohnedies „nichts ändern“ - selbst wenn nicht wenige von ihnen bei den Wahlen für SYRIZA stimmen mögen.

Unter der zentristischen Linken ist Kikkino (die CWI-Gruppe) die einzige Organisation in Griechenland, die - abgesehen von SYRIZA - die Formierung einer gemeinsamen  Regierung der linken Parteien fordert, einer „Arbeiterregierung“, „gegründet auf einem sozialistischen Programm“. Kikkino behauptet, dieses könnte sogar eine parlamentarische Majorität haben, wenn die Parteien als eine Liste zusammen stehen sollten, da die stärkste Partei im Parlament 40 Extrasitze erhält. Kikkino wirft einige korrekte Forderungen wie die nach Verstaatlichung der Banken und der großen Industrien unter demokratische Kontrolle der Arbeitsklasse und die Annullierung der Schuldenzahlungen auf.

Kikkino und das CWI haben darin Recht, die reformistischen, bürgerlichen Arbeiterparteien zur Regierungsbildung aufzufordern. Falsch ist es jedoch, wenn sie fordern und suggerieren, dass die reformistischen Parteien ein „sozialistisches Programm“ durchführen könnten. Außerdem ermangelt ihr Anruf einer Antwort auf die entscheidende Frage, auf welche Organisationsformen sich eine solche stützen müsste, um den unvermeidlichen Angriffen des Kapitals zu widerstehen.

Das CWI stellt seine Arbeiterregierung so dar, als könnte sie eine sozialistische Umwandlung der Gesellschaft durchführen, ohne den bürgerlichen Staatsapparat zu zerbrechen, ohne die Konterrevolution zu entwaffnen und die Arbeiterklasse und Armen zu bewaffnen, ohne die Versammlungen und Komitees in den Betrieben und Stadtteilen zu Räten auszubauen und zu zentralisieren, ohne den bürgerlichen Staatsapparat durch die Räteherrschaft zu ersetzen.

Antarsya

Wie der CWI wirft auch Antarsya einige Forderungen auf, die für die gegenwärtige Lage zentral sind und einen großen Unterschied von den reformistischen Parteien markieren:

“-Die sofortige Kündigung des Darlehensvertrages, aller Memoranden und der damit verbundenen Maßnahmen.

- Die Nicht-Anerkennung der Schulden, Einstellung der Zahlungen und Schuldenstreichung.

- Den Bruch mit dem System und die Abkoppelung von Euro und EU.

- Die Nationalisierung der Banken und Großunternehmen ohne Entschädigung unter  Arbeiter/innen-Kontrolle. Die sofortige Erhöhung der Löhne und Renten! Die Annullierung der Kopfsteuern sowie die erhöhte Besteuerung des Kapitals. Das Verbot der Kündigungen und die volle Absicherung der Erwerbslosen. Die Verkürzung der Arbeitszeit und Senkung des Rentenalters.

- Die Enteignung der hunderten geschlossenen Fabriken und ihre Wiederinbetriebnahme durch die Beschäftigten selbst.

- Preiswerte und hochwertige Lebensmittel durch die Beschäftigten der  landwirtschaftlichen Kooperativen, die armen und mittleren Bauern ohne  Zwischenhändler und Großproduzenten.“

Aber sie hat keine Antwort auf die Regierungsfrage.

Aus Angst vor der Gefahr des Opportunismus hat nicht nur die KKE, sondern auch Antarsya (Antikapitalistische Linke, Allianz für den Umsturz, einschließlich Marx21-Schwester Organisation SEK und OKDE-Spartacos, der Sektion des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale) nicht nur jede mögliche Teilnahme an einer Regierung ausgeschlossen, sondern auch keine Taktiken gegenüber den linken Parteien entwickelt - selbst wenn diese eine Majorität im Parlament haben sollten. Sie warnt nur vor Illusionen in eine „linke Regierung“.

Gleichzeitig argumentiert Antarsya für die Notwendigkeit, den Kampf in Richtung Umsturz der Regierung und des Aufstands zu entwickeln, zu „einer Kampffront des Bruchs mit dem System und des Umsturzes und einer starken, kämpferischen antikapitalistischen Linken”. Sie fordert wiederholt eine „breite“ Einheitsfront gegen die Regierung und die Angriffe durch die Arbeiterbewegung - einschließlich SYRIZA und KKE.

Trotz vieler anderer Schwächen und Fehler ist es absolut korrekt von Antarsya, die anderen Arbeiterorganisationen aufzufordern, sich zum Kampf zu vereinen, für eine vereinigte Front gegen die laufenden und kommenden Angriffe einzutreten. Jedoch ist es falsch, die sehr reale Möglichkeit nicht aufzugreifen, dass die linken Parteien eine Majorität im Parlament bilden oder in der Lage sind, eine Minderheitsregierung zu stellen. Wie wir sehen werden, schwächt ein solcher Fehler nur die Position von RevolutionärInnen, statt sie zu stärken.

Wenn die Einheitsfronttaktik mit ReformistInnen, mit OpportunistInnen, im Kampf gegen Kürzungen und gegen die Regierung zulässig ist - warum sollte ihre Anwendung hinsichtlich der Regierungsfrage unzulässig sein? Antarsya und die anderen Organisationen der griechischen Linken, die eine revolutionäre Alternative zu den Reformisten aufbauen möchten, benötigen eine mutige und klare Politik, diesen Punkt anzusprechen - ohne in opportunistische Fehler zu verfallen. Wenn die Reformisten in der Lage sind zu regieren, müssen Revolutionäre von ihnen verlangen, dass sie ohne die Parteien des Bürgertums regieren. Sie müssen verlangen, dass sie die Schlüsselforderungen der Arbeiterbewegung und aller, die unter dem Angriff durch die jetzige Regierung leiden, erfüllen.

Das darf nicht mit irgendeiner politischen Unterstützung der reformistischen Strategie von SYRIZA, KKE oder DIMAR verwechselt werden. Revolutionäre müssen zweifellos vor den Zugeständnissen warnen, welche die Reformisten machen wollen. Sie dürfen keine Illusionen in die linken Regierungen säen oder suggerieren, dass diese Parteien eine konsequent revolutionäre Politik durchführen könnten.

Es ist jedoch eine Tatsache, dass diese Parteien einen großen Teil der griechischen Arbeiterklasse und Unterdrückten repräsentieren. In der Tat stellen sie die überwiegende Mehrheit von ihnen, insbesondere der aktivsten und kämpferischsten Schichten. Andernfalls wäre ihr Zuwachs bei den Umfragen unerklärlich. Sie sind die Führung der Arbeiterklasse. Um die ArbeiterInnen für ihr eigenes Programm, z.B. zum Kampf für Verstaatlichung unter Arbeiterkontrolle zu gewinnen, müssen Antarsya und die anderen Kräfte der „radikalen Linken“ Taktiken entwickeln, die dieser Tatsache Rechnung tragen, um die Arbeitsklasse von ihren gegenwärtigen Führungen zu brechen.

Wie wir oben dargestellt haben, sind die Programme dieser Parteien vollkommen ungeeignet zur Lösung der drängenden Probleme und Aufgaben der Arbeiterklasse. DIMAR bevorzugt eine Zusammenarbeit mit PASOK, solange der politische Preis stimmt. SYRIZA/Synaspismos wünscht eine reformistische Regierung, basierend auf den Institutionen des verrotteten griechischen Staates und in Übereinstimmung mit EU und  Troika. Das KKE präsentiert sich als „die Alternative“, die „nur“ zu einer parlamentarischen Kraft anwachsen müsste, die fähig wäre, die „Volksmacht“ mit verfassungskonformen Mitteln einzuführen. Bis dahin blockiert es jeden gemeinsamen Kampf in der Gesamtbewegung.

Trotz der opportunistischen und verhängnisvollen Strategien dieser Parteien bewegen sich die ArbeiterInnen und die Massen in ihre Richtung. Warum? Sie sind in den Mobilisierungen der letzten Jahre aktiv gewesen und haben wichtige Teile von ihnen geführt. Anders als alle anderen parlamentarischen Parteien haben sie gegen die Kürzungen und gegen die Diktate der Troika gestimmt. Während die radikale Linke die Schwächen der reformistischen Programme und Strategien mehr oder weniger klar versteht und durchschaut, hat die Masse der ArbeiterInnen, ja selbst große Teile ihrer Avantgarde das noch nicht getan. Und schließlich sind die Wahlen für die Masse der Arbeitskräfte ein Mittel, die gegenwärtige Regierung abzulösen, die Rückkehr der Koalition oder gar eine Regierung, die den Rechtsextremismus einschließt, zu verhindern.

So erwarten die griechischen ArbeiterInnen und die Armen von den linken Parteien, dass sie kämpfen, um dieses zu verhindern und, wenn sie gewählt werden, nicht einfach die Regierungsmacht ND, PASOK und anderen überlassen. Selbstverständlich hat Antarsya recht, vor den Illusionen in die linken Parteien zu warnen, aber die Arbeiterklasse hat diese Hoffnungen und sie verlangt mit Recht von „ihren“ Parteien, dass sie die Regierung übernehmen, wenn sie können. RevolutionärInnen sollten das begrüßen und einfordern, denn es wird die Reformisten in den Augen der Massen einem Test unterziehen - einem Test, den die Reformisten selbst fürchten, wie wir im Falle DIMAR und KKE sehen können, die es vorziehen, nicht in solch eine Regierung gedrückt zu werden.

Folglich muss der Aufruf, eine solche Regierung zu bilden, damit verbunden werden, Forderungen an jene Parteien zu richten. Sie müssen dazu aufgefordert werden, sich auf die Kampforganisationen der Arbeiterklasse und der Massen, wie Aktionskomitees in den Betrieben und in den Stadtteilen zu stützen, und sie auf lokaler, regionaler und nationaler Ebenen zu koordinieren und zu zentralisieren. Die Organisationen, die durch die Stahlarbeiter u.a. Besetzungen geschaffen wurden, die Nachbarschaftskomitees u.a.  Kampfformen, die von der Bewegung geschaffen wurden, bieten eine Basis für die Schaffung und Zentralisierung von Arbeiterräten.

Dieses würde sogar dann noch wichtig sein, wenn die „linken“ Parteien nur eine relative Majorität im Parlament hätten. In dieser Situation sollten wir verlangen, dass sie eine Minderheitsregierung bilden, die, wenn sie ihre Versprechungen erfüllen und ihr eigenes Programm durchführen wollten, auf die Unterstützung jener Massenorganisationen der Klasse angewiesen wäre. Das würde ihren UnterstützerInnen in der Arbeiterklasse nicht nur erlauben, Erfahrungen mit „ihren“ Parteien an der Regierung zu sammeln, sondern auch ermöglichen, ihre eigenen Organisationen so zu entwickeln, dass sie den bürgerlichen Staatsapparat schließlich zertrümmern und ersetzen können.

Andere Resultate

Ob solch eine Regierung je zustande kommt, hängt vom Resultat der Wahlen und vom Druck der Massen auf die reformistischen Parteien ab. Angesichts der Politik von KKE, von SYRIZA und DIMAR ist es unwahrscheinlich, selbst wenn sie eine Mehrheit im Parlament erreichen würden. Das wahrscheinlichere Resultat ist, dass die griechische Arbeitsklasse einer Regierung gegenübersteht wird, welche die Offensive im Namen der Troika und der griechischen Kapitalisten fortsetzt - und folglich mit einer neuen Welle von Angriffen konfrontiert sein und vor der Notwendigkeit stehen wird, wirksam Widerstand zu leisten.

Sie müssen darauf reagieren, indem sie den Widerstand um ein Aktionsprogramm organisieren und verallgemeinern:

Streichung der Schulden, Stopp des IWF/EU-Diktats! Entschuldung der Kommunen!

Aufhebung aller arbeiterfeindlichen Gesetze wie der Abschaffung des Tarifrechts, der Absenkung des Mindestlohns, der Erhöhung von Massensteuern und von Entlassungen!

Öffnung der Geschäftsbücher, Verträge und Transaktionen der Banken und des Staates, progressive Besteuerung der Reichen und Vermögensbesitzer, Abschaffung der Massensteuern!

Preiskontrollkomitees für Nahrungsmittel, Wohnungen usw., um der Preissteigerung zu begegnen sowie eine gleitende Skala der Löhne und Sozialeinkommen (Arbeitslosengeld, Renten ...)!

Mindestlohn, Mindestrenten, freier Zugang zu Bildung, Schulen, Unis, Gesundheitswesen!

Maßnahmen, um Kleinbürgertum, Bauern und Fischer vor dem Ruin zu bewahren - einschließlich günstiger Kredite bei gleichzeitiger Sicherung der Arbeiterrechte in allen privaten und öffentlichen Unternehmen!

Entschädigungslose Enteignung der Banken, imperialistischen Investoren, der Großindustrie und Großgrundbesitzer! Verstaatlichung aller geschlossenen Betriebe und Wiedereinstellung der Entlassenen unter Arbeiterkontrolle!

Zentralbank unter Arbeiterkontrolle! Demokratische Planung der Großindustrie und ein öffentliches Beschäftigungsprogramm unter Arbeiterkontrolle, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen sowie Aufteilung der Arbeit auf alle Hände, um die Geisel der Arbeitslosigkeit aus der Welt zu schaffen!

Um solche Maßnahmen durchzuführen, ist jedoch eine Arbeiterregierung nötig. Diese könnte aus einem Generalstreik zum Sturz der Regierung hervorgehen und müsste sich auf Räte und Selbstverteidigungsorgane stützen.

Sie müsste die Konterrevolution, die Polizei und Geheimdienste entwaffnen. Sie müsste die Kontrolle des Oberkommandos über die Armee durch Soldatenräte brechen und die Arbeiterklasse und die Massen durch Bildung einer Arbeiter- und Volksmiliz bewaffnen, um sich gegen die unvermeidlichen konterrevolutionären Angriffe innerhalb Griechenland und von der EU zu verteidigen.

Während solch eine Regierung eine sozialistische Umwandlung der griechischen Wirtschaft und der Gesellschaft beginnen würde, müsste sie den Kampf vom ersten Tag an internationalisieren. Der Aufbau des Sozialismus in einem Land ist unmöglich, wie die Geschichte und der Zusammenbruch des Stalinismus bewiesen haben. In Griechenland würde das in einem reaktionären Alptraum enden.

Aber eine griechische Revolution würde einen massiven Effekt auf Europa haben. Sie würde die imperialistische und kapitalistische Union mehr als jede Wirtschaftskrise erschüttern, da sie die europäische sozialistische Revolution auf die Tagesordnung setzen würde. Sie würde den ArbeiterInnen in Italien, in Spanien und in Portugal, aber auch in den stärkeren imperialistischen Staaten zeigen, dass die Arbeiterklasse gewinnen kann, dass sie die Wirtschaft und die Gesellschaft vernünftig reorganisieren kann.

Solch ein Kampf muss heute vorbereitet werden. Nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa - durch Solidaritätsaktionen mit den griechischen Arbeiterklasse, durch das Organisieren und Koordinieren europaweiten Widerstands gegen Kürzungen und Diktate der EU - und durch das Aufwerfen des Kampfes für Vereinigte Sozialistische Staaten von Europa als die einzige entwicklungsfähige und dauerhafte Alternative zur Krise des europäischen Kapitalismus.

Um jedoch für solch ein Programm zu kämpfen, ist eine revolutionäre Organisation, eine Partei der Avantgarde der Arbeiterklasse in Griechenland und international erforderlich. Der griechische Linke in Antarsya, auf dem linken Flügel von SYRIZA oder außerhalb dieser Organisationen hat in dieser Situation eine enorme Verantwortung. Sie muss ihre politischen Schwächen und Zersplitterung überwinden, indem sie die Initiative ergreift, um eine revolutionäre Partei zu schaffen, die auf einem klaren Programm für Arbeitermacht basiert, die auf die taktischen Notwendigkeiten reagieren kann, die Führung der Gewerkschaftsbürokraten und Reformisten zu brechen. Wir - die „Liga für die Fünfte Internationale“ - möchten zu dieser Aufgabe beitragen.

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Nr. 169, Mai 2012
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