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Kriegsdrohungen

Hände weg vom Iran!

Martin Suchanek, Neue Internationale 165, Dezember 2011/Januar 2012

Britannien und die USA haben ihre Drohungen gegen das iranische Regime verstärkt und fordern noch mehr Sanktionen. Gemeinsam mit Israel, dem imperialistischen Kettenhund im Nahen Osten, haben sie dem Iran mehrfach angedroht, seine Atom-Anlagen zu bombardieren, um die Herstellung einer Atombombe zu verhindern.

Die Atommächte haben dazu wiederholt die internationale Atomenergiebehörde (IAEA) instrumentalisiert, indem sie behaupteten, der Iran würde nicht kooperieren und die ‚internationale Gemeinschaft' hintergehen.

Die westlichen imperialistischen Regierungen und die Medien stellen die Angelegenheit so dar, als wäre der Iran eine ständige Kriegsgefahr für alle Menschen in Nahost. Das stellt die Dinge jedoch auf den Kopf.

Die Besetzung der britischen Botschaft durch einige hundert Iraner war ein Protest gegen imperialistische Einschüchterungsversuche und die Untätigkeit der eigenen Regierung dagegen. Sie wird nun als weiterer Beweis für die Richtigkeit der imperialistischen Politik benutzt, soll als Rechtfertigung für eine Verschärfung von Sanktionen dienen und das Teheraner Regime schwächen. Als Antwort auf die Besetzung hat Britannien nicht nur seinen Botschafter aus Teheran abberufen, sondern auch alle iranischen Diplomaten von der Insel verwiesen. Andere westliche Regierungen haben ihre Botschafter zu ‚Konsultationen' zurück beordert.

Auch der kommende EU-Gipfel hat den Iran als weiteres Topthema auf der Tagesordnung - trotz der Riesenkrise der Eurozone. In dieser Situation hat die IAEA behauptet, der Iran hätte einen Test zur ‚Entwicklung einer Nukleareinrichtung' durchgeführt.

Niemand sollte sich davon täuschen lassen. Der von dieser imperialistischen Marionetteninstitution vorgelegte ‚Beweis' ist genau so stichhaltig wie der einst von George W. Bush und Tony Blair seinerzeit über die angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak. Hier soll lediglich ein politisches Ziel verschleiert werden.

Selbst Irans wichtigste Verbündete Russland und China verurteilen das iranische Regime. Das erhöht auch den Druck auf die EU, strengere Sanktionen zu ergreifen.

Warum Sanktionsverschärfung und Kriegsdrohung jetzt?

Ob imperialistischen Sanktionen Luftangriffe nachfolgen, ist noch offen, aber ein Flügel des US-Imperialismus bereitet in Kooperation mit der britischen und israelischen Regierung einen möglichen Militärschlag vor.

Das geschieht natürlich hinter einem Vorhang von ‚demokratischen' Argumenten und der Gefahr, die vom Iran angeblich für die ganze Welt ausgeht. Der Grund für die wachsende Aggressivität der USA ist jedoch ein anderer. In erster Linie ist sie Teil des US-Kurses zur strategischen Neuordnung des nahöstlichen und zentralasiatischen Raumes. Durch verstärkten Sanktionsdruck und mögliche Militäroptionen soll der steigende Einfluss Irans als Regionalmacht eingedämmt werden. Ihre Kriege gegen Irak und Afghanistan haben allerdings selbst dazu beigetragen, dem Iran nicht wohlgesonnene Regierungen zu beseitigen und Nachbarstaaten zu schwächen. Von daher her wollen die USA auch ein regionales Gegengewicht zum Iran schaffen, z.B. durch Unterstützung der arabischen Golfstaaten und der Türkei. Aus dem gleichen Grund soll das Assad-Regime, einer der wenigen Verbündeten des Iran im arabischen Lager, verschwinden oder destabilisiert werden. Sanktionen gegen die bereits unter starkem Druck stehende iranische Wirtschaft sind demnach ein wesentlicher Teil dieser Strategie.

Aber das Bild und das Verständnis der Triebkräfte und Ziele wäre unvollständig, wenn die Drohungen gegen den Iran nicht auch als Teil einer sich zuspitzenden Rivalität zwischen dem amerikanischen und dem aufkommenden chinesischen Imperialismus begriffen werden. Da China sich anschickt, seinen Einfluss auszudehnen, starten die USA eine geballte diplomatische Offensive in Fernost, dessen erste Station der Besuch von Außenministerin Clinton in Myanmar war, um Beziehungen zu Staaten in der chinesischen Einflussphäre anzubahnen oder aufzufrischen.

Hinter der Drohung an die Adresse des Iran steckt also eine gleichzeitige Warnung gegen Rivalen der USA. Auch ihre Wirkung auf Teile der europäischen Kapitalistenklassen ist im Licht eines geopolitischen Kalküls zu sehen. Während die imperialistischen Apparate Britanniens und der USA auf eine harte Linie gegen das iranische Regime eingeschworen sind, sind die deutschen Imperialstrategen in dieser Frage gespalten. Die ‚transatlantische' Fraktion ist willens, die USA, Britannien und Israel zu unterstützen. Das ‚gemäßigte' andere Lager stimmt zwar offiziell ‚maßvollen' Sanktionen zu, ist aber gegen militärische Drohungen und eine Politik der ‚Isolierung' des Regimes in Teheran. Sie verfolgen eine Strategie des Wandels durch Handel und fürchten, ökonomische Nachteile wie im Fall des Iraks zu erleiden. Diese Kapitalisten setzen sich kurzfristige Wirtschaftsziele und möchten ihren Handelsumsatz von 4 Milliarden Euro im Jahr nicht einbüßen. Doch wichtiger noch ist ihr Glaube, dass eine Strategie zur Festigung von wirtschaftlichen Bindungen und des Ausbaus von Handelsnetzen ihre Plänen von einem von Deutschland geführten Europa nutzt und ihren Einfluss gegenüber den USA stärkt.

Es spielt auch eine Rolle, dass den USA ein Präsidentschaftswahljahr bevorsteht. Mit den Problemen im eigenen Land belastet, ist Präsident Obama bemüht, davon abzulenken und Erfolge vorzuweisen. Da kommt der Iran als Thema sehr gelegen und könnte ihm rechte Wählerschichten zuführen.

Wie den Krieg gegen den Iran verhindern?

Die Arbeiterklasse und die Jugend müssen erkennen, dass gegenwärtig die wachsenden innerimperialistischen Spannungen und das Ringen um die Neuaufteilung der Welt auf dem Rücken von Ländern wie dem Iran ausgetragen werden sollen. Keine diplomatischen Manöver, keine ‚Friedensmissionen' der imperialistischen Staaten - auch nicht mit dem Segen der UNO - können diese imperialistischen Agressionen eindämmen. Das können nur Aktionen von Millionen, von ArbeiterInnen, Jugendlichen, von Massen, die mobilisiert werden in Revolutionen wie im arabischen Raum oder bei der Besetzungsbewegung.

Wir brauchen eine internationale Bewegung, die besonders in den imperialistischen Staaten des Westens genug Druck ausübt, um ihre Regierungen zu zwingen, die Drohungen gegen den Iran nicht umzusetzen. Wir müssen den demokratischen und Arbeiterbewegungen in ihrem Kampf gegen das Regime im Iran aktiv solidarisch zur Seite stehen und dürfen die Führung von dortigen demokratischen Organisationen nicht imperialistischen ‚Demokraten' überlassen.

Wir treten für die sofortige Aufhebung aller Sanktionen gegen den Iran ein. Wir sprechen der internationalen Atomenergiebehörde u.a., vom Imperialismus gesteuerter Institutionen, jedes Recht zur ‚Überprüfung' und Beurteilung der iranischen Politik ab.

Solange die USA und Israel bis an die Zähne mit Massenvernichtungswaffen einschließlich Atomraketen gerüstet sind, ist es nur proimperialistische und prozionistische Heuchelei, dem Iran das Recht zur Selbstbewaffnung zu bestreiten.

Die Verteidigung des Iran gegen die imperialistischen Bedrohungen aus dem Westen darf aber keinesfalls bedeuten, dass nun etwa die anderen konkurrierenden Mächte wie China und Russland unterstützenswert wären. Sie sind ebensowenig ‚Freunde des iranischen Volkes', sondern wollen das Land nur  für ihre eigenen Weltmachtpläne benutzen, und - dominiert von ihrem Finanzkapital - den Iran nur als untergeordneten Ordnungsfaktor für ihre Zwecke in der Region zulassen.

Die Verteidigung des Iran gegen den Imperialismus bedeutet ebenso wenig, dass der diktatorischen, reaktionären islamistischen Regierung von Teheran irgendein politisches Vertrauen entgegen gebracht werden darf. Das klerikale Regime beruht auf einer üblen Ausbeutung der Arbeiterklasse, v. a. auf den Ölfeldern und der Industrie. Für die zunehmende Wirtschaftskrise mit hoher Inflationsrate von ungefähr 20% sollen die ArbeiterInnen, die Armen, die Frauen, die Jugendlichen und Bauern genau wie in allen anderen Teilen der Welt bezahlen.

Ist der Iran antiimperialistisch?

Wie in den vergangenen Jahren festzustellen war, verteidigen die iranischen Herrscher mit ihrer Geheimpolizei sowie mit ihren reaktionären halbfaschistischen Schlägertrupps den klerikalen Despotismus der Reichen, die Kapitalisten und die korrupte Staatsbürokratie - genauso wie in den Despotien in Saudi-Arabien, Ägypten oder Syrien.

Teile des Regimes spielen nun die ‚antiimperialistische' Karte, weil sie damit die verlorengegangene Unterstützung der Bevölkerung zumindest teilweise wieder zu gewinnen hoffen. Das ist natürlich Schaumschlägerei, dieser bürgerlich-klerikale ‚Antiimperialismus', der eine antiwestliche Haltung vorgaukelt, aber ansonsten weiter kapitalistische Produktionsweise und Geschäftbeziehungen betreibt, muss in aller Schärfe bloß gestellt werden!

Die Hintergründe für die Botschaftserstürmung sind noch unklar, aber sie geschah anscheinend mit stiller Duldung von Teilen des Regimes.

Das hat jedoch nichts zu tun mit einer ernsthaften antiimperialistischen Politik, die die Arbeiter- und Armenmassen organisiert und auf die Straße bringt sowie den Erhebungen in den arabischen Ländern Unterstützung angedeihen lässt. Es war vielmehr ein Schachzug einer Regimefraktion, um die eigene Position zu stärken.

Nieder mit dem Regime!

All dies führt zu einer Schlussfolgerung: die Verteidigung des Iran gegen imperialistische Kriegsdrohungen und die Ablehnung von Sanktionen gegen das Land muss Teil einer breiteren Strategie sein, die auf den revolutionären Sturz der iranischen Regierungssystems und auf die Errichtung einer revolutionären Arbeiter- und Bauernregierung abzielt, die an die Stelle der Mullah-Herrschaft tritt und die demokratischen und gesellschaftlichen Bedürfnisse der iranischen Massen erfüllt.

Nur ein solches Regime wäre auch ein verlässliches Bollwerk gegen Imperialismus und Zionismus. Es wäre ein Regime, das den revolutionären Sturz reaktionärer Regierungen auch in anderen Ländern vorbereiten hilft, alle Imperialisten und ihre Handlanger verjagt und eine Föderation von Arbeiter- und Bauernstaaten, die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Nah- und Mittelost aufbaut.

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Nr. 165, Dez. 2011/Jan. 2012
*  Italien und die Eurozone am Abgrund
*  Widerstand: Wohin geht Occupy?
*  CDU-Mindestlohndebatte: Mogelpackung
*  Bildungsstreikbewegung: Bildung in der Krise
*  DIE LINKE: Frauenbefreiung light
*  S21 nach der Volksabstimmung: Die Bewegung braucht eine neu Strategie
*  Berlin S-Bahn-Krise: Das nächste Desaster
*  Öl-Unfall in Brasilien: Tiefes Leck, hohe Profite
*  Syrien: Imperialistische Konkurrenz und revolutionäre Perspektive
*  Pakistan: Repression gegen ArbeiterInnen
*  Kriegsdrohungen: Hände weg vom Iran!
*  Rechter Terror, Staat und Gegenwehr