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Griechenland

Die Revolution und ihre Perspektiven

Martin Suchanek, Neue Internationale 164, November 2011

Der 19. und 20. Oktober markieren einen neuen Höhepunkt der Massenmobilisierung in Griechenland, der politischen Zuspitzung einer vor-revolutionären Lage. Der 48stündige Generalstreik war der bislang größte von insgesamt13 (!), seit Griechenlands Wirtschaft unter  Aufsicht der Troika aus EU-Behörden, der EZB und des IWF gestellt wurde.

Regierung im Dienst von Imperialismus und Finanzkapital

Griechenland steht in mehrfacher Hinsicht im Zentrum der politischen Entwicklung Europas. Einerseits werden dort die „Rettungsaktionen“ der EU in Form eines historisch beispiellosen Spar- und Kürzungsprogramms quasi experimentell vorgeführt. De facto steht es unter politischer Aufsicht und Kontrolle der „Troika“. Die Regierung muss um jede einzelne Milliarden-Tranche betteln und sich hinterher noch sagen lassen, dass alle Anstrengungen zu gering wären, dass die Bevölkerung weiter bluten, dass ein neues Sparprogramm her müsse.

Das griechische Parlament, genauer: die regierende PASOK folgen wie der Hund dem Herren.. Am 20. Oktober hat es ein weiteres Austeritätsprogramm verabschiedet, das u.a. eine zusätzliche Kürzung der Gehälter im Öffentlichen Dienst bis zu 50% und die praktische Aufhebung der Tarifverträge im privaten Sektor vorsieht, was wahrscheinlich zu einer Lohnsenkung von 20% führen wird.

Die Ankündigung Papandreous, über dieses Kürzungspaket eine Volksabstimmung durchführen zu lassen, ändert zwar nichts am grundlegenden Abhängigkeitsverhältnis. Zum Zeitpunkt der Drucklegung unserer Zeitung - am 1. November - ist noch unabsehbar, welche genauen Konsequenzen dieser Schritt für EU, Euro, die griechische Regierung und das Finanzsystem haben wird. Er zeigt aber, dass die Handlanger von EU und IWF immer mehr an Legitimität und Durchsetzungsvermögen verlieren - und sich gezwungen sehen zur „Flucht nach vorn“, die die ganzen „Rettungspläne“ der EU zu Fall bringen könnte.

Die Diktate der „Troika“ verschärfen die Krise. Doch das nimmt sie in Kauf, weil es der EU - und  v.a. den führenden Mächten Deutschland und Frankreich - nicht um die „Rettung“ Griechenlands geht, sondern darum, die Ansprüche des europäischen und internationalen Finanzkapitals, der Banken und institutionellen Anleger zu sichern.

Ihr Problem ist allerdings, dass der griechische Staat unter der Schuldenlast zusammenzubrechen droht - einschließlich unvorhersehbarer Auswirkungen auf die gesamte Eurozone und Weltwirtschaft, sollten auch Spanien und Italien vor dem Staatsbankrott stehen. Daher war eine Streichung der Hälfte der Schulden des Landes unvermeidbar, da nur so seine weitere Zahlungsfähigkeit gesichert werden kann - und die weitere Bedienung der verblieben Schulden. Das steht natürlich jetzt zur Disposition - mit der möglichen Konsequenz eines unmittelbar bevor stehenden Staatsbankrotts.

Hinzu kommt, dass mit einem „harten Kurs“ gegen Griechenland auch anderen Regierungen die Rute ins Fenster gestellt wird. Portugal, Spanien, Italien müssen sich darauf einstellen, dass die gegenwärtige Euro-Krise und politische Krise der EU genutzt werden soll, die EU zu einem politisch einheitlicheren Block zu machen.

Auch deshalb gestaltet sich die „Rettung“ so schwierig, weil sie auch das Druckmittel ist, nicht nur Griechenland in eine verstärkte, fast schon koloniale Abhängigkeit zu zwingen, sondern  auch dazu dienen soll, eine stärkere Zentralisierung der Finanzpolitik der EU unter deutsch-französischer Kontrolle voran zu treiben, die EU von einem Staatenbund zu einem imperialistischen Bundesstaat unter deutscher Hegemonie mit einem französischen „Partner“ zu machen.

Zunahme der Klassenkämpfe

Doch Griechenland steht auch aus einem anderen Grund im Fokus der politischen Entwicklung in Europa. Hier könnte das Programm der EU und der PASOK-Regierung nicht nur an inneren Widersprüchen der europäischen Staaten, sondern am Massenwiderstand scheitern; hier hat der Kampf zur Entwicklung einer schon länger andauernden vor-revolutionären Krise geführt.

Seit 2006/07 erlebt das Land eine in Europa beispiellose Welle von anschwellenden Klassenkämpfen: Studentenbewegung 2006/07 mit Besetzungen und Riots schon vor der Weltwirtschaftskrise; Massenaufstände der Jugend im Dezember 2008 nach der Ermordung des 15jährigen Schülers Alexandros Grigoropoulos durch die Polizei, massenhafte Solidarisierung und Eruption einer vor-revolutionären Situation, die durch den Rückzug der konservativen NEA-Regierung, Neuwahlen und einen Wahlsieg der nun regierenden nationalistisch-populistischen PASOK entschärft werden konnte.

Seit 2009 fanden 13 Generalstreiks und viele längere Streiks statt. Zu Beginn 2011 schien die Bewegung trotz immer wieder kehrender Massenmobilisierungen ihren Elan zu verlieren. Doch inspiriert von den Revolutionen in Ägypten und Tunesien und den Platzbesetzungen in Spanien entwickelte sich auch in Athen u.a. Städten Griechenlands eine „Bewegung der Empörten“. Zu Beginn war diese Bewegung auch durch eine Ablehnung aller politischen Parteien und durch eine libertäre, organisationsfeindliche Tendenz gekennzeichnet. Das änderte sich aber rascher als anderswo, weil die Angriffe der Polizei auf DemonstantInnen und BesetzerInnen vielen vor Augen führte, dass Organisiertheit notwendig ist, dass politische und gewerkschaftliche Organisationen unerlässliche Bündnispartner sind.

Schließlich kam es in den letzten Monaten - ohne Zweifel auch ein Resultat der Entstehung der „Aganaktismenoi“ (Die Empörten) - zu einer Ausweitung der Platzbesetzungen, aber auch zu längeren Streiks in wichtigen Branchen, besonders im Transportsektor und im Öffentlichen Dienst. Immer wieder wurden Ministerien und Ämter besetzt. Mancherorts haben auch Beschäftigte im Öffentlichen Dienst begonnen, bestimmte staatliche Funktionen, z.B. das Kassieren von Fahrkarten für den Öffentlichen Verkehr, aus Protest gegen die Regierung einzustellen.

Kurz gesagt, wir haben es nicht nur mit einer gestiegenen Mobilisierung der Arbeiterklasse, der Jugend wie auch großer Teile der Mittelschichten zu tun, sondern auch mit einer Vertiefung der Bewegung.

Polarisierung

Das hat neben den Platzbesetzungen auch die Entstehung neuer Mobilisierungsstrukturen begünstigt, von lokalen oder betrieblichen Basis- und Aktionskomitees, die mehr und neue AktivistInnen einbeziehen und auch die Mobilisierungskraft zu den Demonstrationen gesteigert haben.

Hinzu kommt, dass der Gegensatz zwischen der PASOK und den Gewerkschaften größer geworden ist. Die Regierungspartei leidet unter massiven Mitgliederverlusten und verheerenden Umfrageergebnissen (rund 15%). Auch wenn die beiden großen gewerkschaftlichen Dachverbände ADEDY (Allgemeiner Dachverband) und GSEE (Gewerkschaft im Öffentlichen Dienst) der PASOK weiter nahestehen, so haben ihre Teilgewerkschaften die formelle Unterstützung aufgekündigt.

Diese Mobilisierung und Polarisierung drückt sich auch im Aufwind der linken Parteien aus. Zusammen kommen die stalinistische KKE, SYRIZA und Antarsya in den Umfragen auf 25%. Bezeichnend für die Lage ist auch, dass sich ein großer Teil der Bevölkerung, 50%, unentschlossen zeigt. Wahlumfragen sind natürlich nur Indikatoren für eine Stimmung, für eine politische Entwicklungstendenz der Massen. Sie belegen jedoch einen wichtigen Aspekt der gesamten politischen Entwicklung: eine gesellschaftliche Polarisierung. Zur Zeit gewinnt die Linke, die Bevölkerung, insbesondere ihre aktiven Teile, setzt Hoffnung in sie.

Das politische Zentrum, die PASOK, befindet sich im freien Fall und ihr Niedergang wird sich angesichts der anstehenden Angriffe fortsetzen. Was sie hält, sind zwei Faktoren: einerseits die Unterstützung durch die „Troika“, die keine verlässliche Alternative zur PASOK-Regierung haben, um ihre Diktate in Griechenland durchzusetzen; andererseits, dass alle anderen bürgerlichen Parteien Angst davor haben, selbst die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Die Rechte hat noch kein unmittelbar durch- und umsetzbares Alternativprogramm. Im Grunde weiß auch NEA, dass die griechische Bourgeoisie einen Generalangriff auf die eigene Bevölkerung, v.a. auf die Arbeiterklasse führen muss.

Die angekündigte Volksabstimmung ist der verzweifelte Versuch der Regierung, ihren Angriffen einen demokratischen Anschein zu verschaffen und die Massen von der Straße zu bringen. Erhält die Regierung wider alle Erwartungen eine Mehrheit bei der Abstimmung, so muss deren Legitimität trotzdem angezweifelt werden. Schließlich legt sie fest, worüber abgestimmt wird, schließlich zeigen die Massenproteste und Streiks schon jetzt, dass die große Mehrheit die Angriffe ablehnt. Papandreou will v.a. Zeit gewinnen und die Massen von der Straße holen.

Wenn die Regierung keine Mehrheit erhält, bliebe Griechenland weiter im Würgegriff des imperialistischen Kapitals - mit allen verheerenden Konsequenzen. Aber es wäre womöglich der letzte Streich von Papandreou gewesen.

Für die Bewegung ist es aber unbedingt notwendig, sich nicht von den Streiks, Massendemos und deren Radikalisierung - der Ausweitung zu einem Generalstreik zum Sturz der Regierung - durch eine „Volksabstimmung“ demobilisieren zu lassen. Die Schwäche Papandreous muss jetzt genutzt werden.

Zeit drängt

Die politische Polarisierung wird aber nicht ewig währen und in erste Linie die Linke begünstigen, der Aufwind der Massenbewegung wird nur eine begrenzte Zeit andauern. Entweder gelingt es, die vor-revolutionäre Situation in eine revolutionäre zu verwandeln und die Krise revolutionär zu lösen,  oder aber die fortschreitende Verelendung der Massen, die weitere Umsetzung von Kürzungsprogrammen, die in ihrer Substanz trotz der enormen Mobilisierung bisher nicht gestoppt werden konnten, werden zur Demoralisierung der Bevölkerung, zur Verzweiflung unter den Massen einerseits und auf diesem Boden der zunehmenden Hoffnungslosigkeit zur Radikalisierung und zum Vormarsch der Konterrevolution andererseits führen. Diese kann dabei verschiedene, auch miteinander kombinierbare Formen annehmen: Formen einer autoritären Lösung, von Verboten von Streiks, des Ausnahmezustandes, einer „Regierung der nationalen Einheit“ oder einer „Expertenregierung“ wie auch des Anwachsens der Faschisten.

Kurz: Für Griechenland gibt es nur eine Alternative - Revolution oder Konterrevolution!

Zweifellos ist das Lager der Regierung, ist die herrschende Klasse in Griechenland heute in der politischen Defensive. Doch auch einer revolutionären Lösung stehen massive Hindernisse im Weg. Das größte ist die Krise der politischen Führung der Massenbewegung. Mehr Menschen als jetzt sind kaum mobilisierbar. Weitere befristete Generalstreiks werden letztlich nichts Grundlegendes ändern. Das wissen die Regierung, wie auch viele DemonstrantInnen. Daher spricht in Griechenland fast die gesamte Bewegung, sprechen fast alle Parteien und Strömungen der linken Opposition - von AnarchistInnen über ReformistInnen in KKE und der Mehrheit von SYRIZA bis zu den linkesten Kräften um die zentristischen Organisationen am Linken Flügel von SYRIZA und v.a. Antarsya -  offen von der Notwendigkeit des Sturzes der Regierung. Die radikaleren Kräfte sprechen davon, dass ein Aufstand herbeigeführt werden muss.

Auch das verdeutlicht, dass alles auf eine entschiedene Machtprobe hinausläuft, auf den Kampf um die Staatsmacht - oder die vorrevolutionäre Lage wird „überreif“ und beginnt zu verfaulen, wie eine Frucht, die nicht geerntet wird.

Verallgemeinerung und Zentralisierung von Rätestrukturen!

Die in den letzten Monaten entstandenen Stadtteilkomitees und Aktionskomitees in Betrieben müssen weiter verallgemeinert werden und zu Räte-ähnlichen Grundstrukturen einer alternativen Macht zum Staatsapparat ausgebaut werden. Dazu reicht es nicht, auf lokaler Ebene mehr und mehr solcher Strukturen zu schaffen - es ist unbedingt notwendig, dass dies auch auf landesweiter Ebene geschieht, auf direkt demokratische Weise, durch Wahl und jederzeitige Abwählbarkeit; es geht um die Formierung einer landesweiten Gegenmacht.

Dazu muss unbedingt die Losung eines landesweiten Delegiertenkongressen der Räte, Stadtteil- und Betriebskomitees, von Schulen und Unis propagiert werden! Ein solcher Kongress muss möglichst rasch einberufen werden!

Er muss ein Programm nicht nur zum Sturz der Regierung, diskutieren und beschließen, sondern auch, wodurch diese zu ersetzten ist. Gerade darin liegt eine der grundlegenden Schwächen der griechischen Revolution in ihrem gegenwärtigen Stadium. Der Sturz der Regierung, ja selbst ein (wenn auch nicht näher bestimmter) Aufstand sind in aller Munde. Aber es fehlt an einer klaren Perspektive, nicht nur, wie diese Regierung zu stürzen ist, sondern v.a. durch wen sie zu ersetzen wäre.

Unbefristeter Generalstreik!

Unserer Meinung muss die Organisierung eines unbefristeten Generalstreiks, der von den Aktions- und Streikkomitees und embryonalen Räten kontrolliert und geleitet wird, heute aktiv vorangetrieben werden. Diese Forderung muss nicht nur an die neu entstandenen Basiskomitees, sondern an alle Arbeiterorganisationen - die großen Gewerkschaften ADADY und GSEE, an die KKE-nahe PAME, an die verschiedenen, in der Arbeiterbewegung verwurzelten Parteien wie KKE, SYRIZA, Antarsya - gestellt werden.

Eine andere, unmittelbar wichtige Überlebensfrage wird es sein, Selbstverteidigungsorgane der Bewegung, von Streiks, Demonstrationen und Besetzungen zu schaffen, die unter deren demokratischer Kontrolle stehen und die schon jetzt vorhandenen Ordner der verschiedenen linken Gruppierungen koordinieren. Wie der 20. Oktober gezeigt hat, droht sonst immer wieder das Agieren von Provokateuren oder von Abenteurern (wie Teilen der Anarchisten) oder auch, dass verständliche, aber politisch kontraproduktive Einzelaktionen die Bewegung desorganisieren.

Ein unbefristeter Generalstreik würde ohne Zweifel die Machtfrage stellen. Er muss daher mit dem Aufbau von Verteidigungsorganen, Keimformen von Arbeitermilizen einhergehen und mit der Agitation in der Armee und gegenüber den Repressionskräften, sich nicht weiter gegen die Bevölkerung einsetzen zu lassen, Einsatzbefehle gegen Streikende und Demonstrierende zu verweigern und Soldatenräte zu bilden, die sich auf die Seite der Massen stellen.

Ein revolutionärer Aufstand, ein Kampf um die Macht, muss sich auf die Unterstützung und die politische Reife der proletarischen und halb-proletarischen Massen stützen, die die Notwendigkeit eines solchen Schrittes begreifen - und daher auch bereit sind, ihn zu verteidigen. Er muss sich auch auf die politische Agitation und klare politische Ziele stützen.

Für eine Arbeiterregierung, die sich auf Räte stützt!

Der Generalstreik braucht klare politische Ziele, ein Programm, das dafür sorgt, dass die Krisenkosten nicht weiter auf die ArbeiterInnen, die Bauern, auf Alte und Junge abgewälzt werden. Er braucht ein Programm, das sich auf folgende Punkte konzentriert:

Streichung der Schulden, Stopp des IWF/EU-Diktats! Entschuldung der Kommunen!

Öffnung der Geschäftsbücher, Verträge und Transaktionen der Banken und des Staates, progressive Besteuerung der Reichen und Vermögensbesitzer, Abschaffung der Massensteuern!

Preiskontrollkomitees für Nahrungsmittel, Wohnungen usw., um der Preissteigerung zu begegnen sowie eine gleitende Skala der Löhne und Sozialeinkommen (Arbeitslosengeld, Renten ...)!

Mindestlohn, Mindestrenten, freier Zugang zu Bildung, Schulen, Unis, Gesundheitswesen!

Maßnahmen, um Kleinbürgertum, Bauern und Fischer vor dem Ruin zu bewahren - einschließlich günstiger Kredite bei gleichzeitiger Sicherung der Arbeiterrechte in allen privaten und öffentlichen Unternehmen!

Entschädigungslose Enteignung der Banken, imperialistischen Investoren, der Großindustrie und Großgrundbesitzer!

Zentralbank unter Arbeiterkontrolle! Demokratische Planung der Großindustrie und ein öffentliches Beschäftigungsprogramm unter Arbeiterkontrolle, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen sowie Aufteilung der Arbeit auf alle Hände, um die Geisel der Arbeitslosigkeit aus der Welt zu schaffen!

Diese Maßnahmen, die alle auf einen Übergang zu einer demokratischen Planwirtschaft zielen, können nur von einer Arbeiterregierung umgesetzt werden, die sich auf Organe der Doppelmacht stützt und den bürgerlichen Staatsapparat, diesen bürokratischen, polizeilichen und militärischen Unterdrückungsapparat zerbricht und durch die Rätedemokratie und Arbeitermilizen ersetzt.

Die Forderung, Kurs auf eine solche Arbeiterregierung zu nehmen, muss heute an sämtliche linke Parteien - KKE, SYRIZA, Antarsya - und die Gewerkschaften gestellt werden.

Ziel der Revolution ist es, die Macht der Kapitalistenklasse zu entreißen und eine neue Ordnung zu schaffen, die im Interesse der großen Mehrheit, der Lohnabhängigen liegt. Dabei ist es auch wichtig, das von Deklassierung bedrohte Kleinbürgertum politisch zu gewinnen, ihm klar zu machen, dass nur die Arbeiterklasse eine Ordnung durchsetzen kann, die es vor dem Ruin bewahrt.

Vor allem aber geht es darum, die Arbeiterklasse insgesamt hinter einem solchen Programm zu versammeln. Heute üben in der griechischen Arbeiterbewegung v.a. reformistische und bürokratische Kräfte Einfluss aus. Neben der Gewerkschaftsbürokratie, deren Spitze noch immer an der Regierungspartei PASOK hängt, sind das vor allem KKE und SYRIZA.

Die KKE ist eine stalinistische reformistische Partei, die einerseits einen opportunistischen, nationalistischen Kurs fährt und von der Aktualität der sozialistischen Revolution, der Zerschlagung des bürgerlichen Staates und der Errichtung der Räteherrschaft nichts wissen will. Sie verhält sich gegenüber anderen Kräften der Bewegung äußerst sektiererisch und lehnt eine Zusammenarbeit mit diesen oft ab - auch wenn in den letzten Wochen der Druck ihrer Basis auf gemeinsame Aktionen größer geworden ist.

SYRIZA - genauer der größte Flügel um Synaspismos (eine sozialdemokratische Partei, die in der Europäischen Linkspartei vertreten ist und der LINKEN hierzulande entspricht) - verhält sich zwar gegenüber den Kräften der Massenbewegung weniger sektiererisch, ist aber auch reformistisch. Wie die KKE will sie letztlich eine Veränderung mit parlamentarischen Mitteln herbeiführen.

KKE und SYRIZA sind jedoch Massenparteien, die zentrale Teile der Arbeiterklasse organisieren und politisch führen und deren Einfluss im Moment wächst. Die der KKE nahe stehende Gewerkschaft PAME z.B. ist sehr stark unter den ArbeiterInnen im Transportsektor, insbesondere in den Häfen verankert.

Es ist daher unbedingt notwendig, gegenüber diesen Massenparteien wie auch den Gewerkschaften nicht nur Kritik zu üben und ihre reformistischen Fehler zu entlarven, sondern auch ihre Massenbasis in den gemeinsamen Kampf zu ziehen und so von der Notwendigkeit einer revolutionären Führung zu überzeugen. Das bedeutet, dass gegenüber diesen Organisationen systematisch die Politik der Arbeitereinheitsfront angewandt werden muss.

Das ist aber ein Grund, warum die „Taktiken“ eines Teils der griechischen Anarchisten, die bis hin zum gewaltsamen Angriff auf Blöcke der PAME/KKE gingen, kontraproduktiv sind und objektiv der Konterrevolution und dem Staat in die Hände spielen.

In der Tat sind die Anarchisten, wie immer in revolutionären Krisen, eine Kraft, die keine wirkliche Alternative bildet, die politisch über kein Programm zur Machtergreifung, kein Programm einer alternativen Ordnung verfügt, die „bestenfalls“ die Verzweiflung und Empörung von Teilen der Unterdrückten zum Ausdruck bringen, diese letztlich aber in eine Sackgasse führen.

Revolutionäre Partei

Die Schaffung einer bewussten revolutionären Führung, einer neuen revolutionären Partei ist daher die Schlüsselfrage der griechischen Revolution. Neben den reformistischen Parteien und den Anarchisten gibt es in der griechischen Bewegung viele zentristische Gruppierungen, Parteien und Allianzen, die zwischen Reformismus und revolutionärem Marxismus schwanken. Anders als die Reformisten stellen sich diese Gruppierungen mehr oder weniger offen das Ziel, eine revolutionäre Veränderung herbeizuführen. Die meisten von ihnen erkennen - jedenfalls in Worten - auch anders als Reformisten und Anarchisten an, dass eine Einheitsfrontpolitik notwendig ist und dass die Machtfrage gelöst werden muss.

Allein, sie bleiben auf halbem Wege stecken. Es fehlt ein klarer Kurs auf den unbefristeten Generalstreik und die Schaffung von Räten, es fehlt ein klarer Kurs auf eine Arbeiterregierung und eine Programm für eine solche.

Dabei lastet auf diesen Kräften - auf Antarsya und den linken Kräften in SYRIZA, auf Organisationen, die trotzkistischen oder maoistischen Ursprungs sind oder aus der KKE stammen - eine enorme Verantwortung. Sie organisieren tausende und haben wahrscheinlich zehntausende AnhängerInnen. Auch wenn Antarsya einen Zusammenschluss von 10 Organisationen der „radikalen“ Linken darstellt, so ist es eher ein Netzwerk als eine Partei.

Das mag zwar dabei helfen, innere Widersprüche leichter „auszuhalten“, ist aber ein enormer Nachteil angesichts der aktuellen Aufgaben dieser Gruppierungen. Es geht um nicht mehr oder weniger, als eine revolutionäre Kampfpartei zu schaffen, die die griechische Arbeiterklasse, die griechische Revolution zum Sieg führen kann.

Dieses Ziel müssen sich Antarsya und die Linke in SYRIZA setzen, dafür können  sie tausende revolutionäre ArbeiterInnen und Jugendliche gewinnen - durch die Schaffung einer neuen Partei auf Basis eines revolutionären Aktionsprogramms.

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Nr. 164, November 2011
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*  Interview: Leiharbeit verbieten!
*  Solidarität: Rücknahme der Kündigung von Mehmet Sahin!
*  Stuttgart 21: Kämpfen statt (aus)verkaufen
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*  Berlin: Arm, aber "sicher"
*  Griechenland: Die Revolution und ihre Perspektiven
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*  Konflikt bei SMA: Kein New Deal für ZeitarbeiterInnen
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