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Hessen

Alle lieben Willi

Peter Lenz, Neue Internationale 124, Oktober 2007

Im Januar 2008 wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Zurzeit regiert Roland Koch auf der Grundlage einer absoluten Mehrheit der CDU. Für DIE LINKE hat die bevorstehende Wahl  in einem westdeutschen Flächenland große Bedeutung - hier kann sich zeigen, ob der Erfolg in Bremen nur eine Eintagsfliege war oder ein Trend. Immerhin erhofft sich die LINKE, nach der Fusion mit der WASG endlich die Westausdehnung zu schaffen.

 Kleiner Aufstand, großer Wirbel

Der Delegierten-Parteitag der hessischen LINKEN hatte entgegen den Wünschen der Parteiführung den Marburger Pit Metz als Spitzenkandidaten zur bevorstehenden Landtagswahl gewählt. Metz war Mitglied der Marburger DKP, aber schon vor Jahren ausgetreten. Ausgerechnet seine Kritik am Afghanistan-Krieg wurde ihm zum Verhängnis. Nicht nur die Koch-CDU fiel über ihn her, sondern auch rechtere Kreisverbände der hessischen LINKEN.

Darauf erfolgte eine Intervention der Parteirechten und des Parteivorstandes, die ihre Wahlchancen, v.a. aber ihr strategisches Ziel - als Juniorpartner der SPD im Bund mitzuregieren - in Gefahr sahen. Zu dieser Orientierung passt auch ein Ex-DKPler nicht so gut ins Bild.

So schreibt der Kreisverband DIE LINKE im Odenwaldkreis:

„Sehr geehrter Herr Metz, wir möchten vorausschicken, dass wir niemandem seine politische Vergangenheit vorwerfen und auch mit Ihrer langjährigen DKP-Zugehörigkeit keine Probleme gehabt hätten.

Doch nun gehören Sie unserer Partei DIE LINKE an und deshalb sind Ihre Äußerungen, die Sie im Zusammenhang mit Ihrer Wahl zum Spitzenkandidaten gegenüber den Medien gemacht haben, für uns nicht hinnehmbar, denn

- Sie betrachten sich immer noch als Kommunisten.

- Sie streben einen „Systemwechsel“ an.

- Sie stellen Bundeswehrsoldaten in Afghanistan auf die gleiche Ebene wie ehem. DDR-Grenzsoldaten, die auf wehrlose Menschen (auch Frauen und Kinder) befehlsgemäß schießen sollten und auch geschossen haben.

- Sie nehmen in bestem Parteichinesisch zur DDR eine ‚solidarisch-kritische Position' ein.

Warum tun Sie dies? Ist es fehlender politischer Instinkt, Dummheit oder sogar absichtliche politische Sabotage, um unserer Sache, für die wir seit Jahren engagiert arbeiten, zu schaden? (...)

Unser Kreisverband stellt hierzu klar und unmissverständlich fest:

- Wir sind keine Kommunisten und wollen mit denen nicht auf eine Stufe gestellt werden!

- Wir wollen keinen „Systemwechsel“, sondern soziale Veränderungen mit gerechteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen!

- Wir werden uns im Wahlkampf von Ihren Äußerungen ausdrücklich distanzieren!

Wir verlangen von Ihnen vor Beginn der Fortsetzung der VertreterInnenversammlung am 8. September 2007 in Marburg:

- Eine klare politische Aussage zu Ihrer Mitgliedschaft in der Partei DIE LINKE.

- Eine Änderung Ihrer Einstellung zum Kommunismus, „Systemwechsel“ und zur ehemaligen DDR.

- Eine Entschuldigung zu Ihrem Schießbefehl-Vergleich.

- Die Kenntnisnahme der Tatsache, dass Sie über evtl. Koalitionen nicht allein zu entscheiden haben, sondern gem. Parteitagsbeschluss alle Mitglieder dies entscheiden.

Sollten Sie sich dazu nicht in der Lage sehen, werden wir alle Delegierten dazu auffordern, die Listenwahl nicht weiterzuführen und damit auch nicht abzuschließen. Damit wären auch die bisherigen Wahlen zu den Plätzen 1-7 ungültig und es müsste nochmals völlig neu gewählt werden.

Wir hoffen nicht, dass Sie uns zu dieser unpopulären Maßnahme zwingen werden.“

So weit, so klar - auch hinsichtlich der auch von etlichen Linken geteilten Auffassung, nach der DIE LINKE noch erhebliche „linke und antikapitalistische“ Potentiale enthalte.

Die Aussage von Metz zum Einstieg in eine Koalition mit der SPD war der eigentliche Grund für das innerparteiliche Kesseltreiben der Führung gegen ihn - immerhin war Metz mit einer Mehrheit zum Kandidaten gewählt worden. Das ist aber noch lange kein Grund für den Vorstand, diese demokratische Entscheidung zu akzeptieren. Ein Verweis mehr dafür, wer in der LINKEN entscheidet.

„So hatte sich der Übergangsvorstand den als historisch beschworenen Gründungsparteitag der hessischen Linken nicht vorgestellt. (...) Metz versprach den Delegierten denn auch kämpferisch, nach einem möglichen Erfolg bei der Landtagswahl am 27. Januar nächsten Jahres keine Kompromisse zu machen, sondern in die Opposition zu gehen.“ (Tagesspiegel, ”Ein Kommunist für Hessen“).

Kompromisskandidat

Gysi hat direkt in den Prozess eingegriffen, die Wahl von Metz galt im Parteivorstand der LINKEN als Fehlgriff, der ein Überspringen  der 5-Prozent-Hürde verhindern könne. Metz war dem Druck nicht gewachsen und verzichtete.

Nun bot sich Willi van Ooyen angesichts des drohenden Crashs als Notkandidat an.

Willi gibt selten politische Statements, aber Willi ist omnipräsent: im Sozialforum, beim Ostermarsch, in der Anti-G8-Bewegung. So weit, so gut. Doch van Ooyen erweist sich überall als Meister des informellen Strippenziehens und bietet sich als „Brückenbauer“ zwischen sozialer Bewegung und der LINKEN an. Offiziell parteilos, ist er nun Wunschkandidat der LINKEN. Er gewann klar gegen einen jungen Gegenkandidaten, der sich selbst als „antikapitalistisch“ bezeichnete - bezeichnend!

Der Wahlkampf in Hessen

Ministerpräsident Koch und seine Landesregierung müssen aus dem Amt gejagt werden! Koch steht für Privatisierung, korrupte Politik und Sozialabbau. Aus seinem direkten politischen Umfeld kommt der Schießbefehl-Kriegsminister Jung. Vor einigen Jahren musste Jung als Bauernopfer herhalten, um Koch vor den Konsequenzen der CDU-Schwarzkassen-Affäre zu retten - um dann als Phönix aus der Asche als Minister wieder aufzutauchen.

Koch steht für die rassistische Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft im Jahre 1999, womit Koch besonders den rechten Rand für seine erste Wahl zum Ministerpräsidenten mobilisierte. Die „Operation Sichere Zukunft“ mit dem Austritt aus der Tarifgemeinschaft der Länder steht für den konsequentesten Angriff auf die öffentlichen Beschäftigten. Im gesamten Sozialbereich, von Frauenhäusern, Verbraucherschutzeinrichtungen bis zur Drogenhilfe betrieb die Koch Regierung einen beispiellosen Kahlschlag gegen die Bevölkerung. Die Koch Regierung war es auch die als erste „Langzeitstudiengebühren“ einführte und heute auch die Schulen durch Einsparung öffentlicher Mittel in den privaten Wettbewerb jagt - dies nennt sich „Unterrichtsgarantie 40+“.

Welche Antworten hat darauf DIE LINKE? Ihr Programmentwurf für die Landtagswahl 2008 ist eine Auflistung von Forderungen, mit dem Schwerpunkt Gewerkschaft. Interessant ist, was nicht drinsteht. Natürlich ist dieses Programm nicht antikapitalistisch oder tritt für eine sozialistische Umgestaltung ein.

Aber es fehlen auch klare Antworten auf zentrale Fragen: Kommt eine Koalition mit der SPD in Frage, die Duldung einer Minderheitsregierung? Was wären die Bedingungen dafür? Welche Kompromisse hält die Linke für vertretbar? Was würde die Linke in Hessen anders machen als in Berlin?

Kernfrage Regierungsbeteiligung

Zurzeit sehen Umfragen die LINKE in Hessen bei 4-6 Prozent. Die Fusion hat wenig neue Dynamik gebracht, viele Mitglieder der Ex-WASG, aber auch der PDS sind im letzten Jahr ausgetreten. Die Querelen im hessischen Landesverband deuten auf schwerwiegende Differenzen um den weiteren Kurs hin.

Willi van Ooyens Wahl zum Kandidaten vertagt die Antworten auf diese Fragen. Willi soll den Laden bis Januar zusammenhalten. In jedem Fall steht er aber nicht für eine klassenkämpferische, antikapitalistische Orientierung.

Es gibt wenig Hoffung auf „die Linken in der Linken“, obwohl die Unruhe in vielen Orts-, Kreis- und auch Landesverbänden erheblich zu sein scheint. Willi van Ooyens Wahl steht für das Kuschen der Linken in der Partei.

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Nr. 124, Oktober 2007
*  Soziale Lage: Die Massen zahlen drauf
*  Afghanistan-Einsatz: Deutschen Imperialismus stoppen!
*  Entgeltrahmenabkommen: ERA, Preis, Profit
*  Anti-kapitalistische Linke: Schönredner der Linkspartei
*  Hessen: Alle lieben Willi
*  Heile Welt
*  90 Jahre Oktoberrevolution: Lehren eines Sieges
*  Pakistan: Regime in Krise
*  Venezuela: Eine sozialistische Partei?
*  BKA-Gesetz: Schäubles FBI verhindern!