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Pakistan

Krieg gegen die Meinungsfreiheit – Freiheit für alle AktivistInnen!

Hassan Raza, Infomail 926, 30. Januar 2017

Seit dem 4. Januar werden fünf bekannte Blogger und Aktivisten der sozialen Medien vermisst. Es sind der Dichter und Sozialaktivist Salman Haider, der an der Fatima Jinnah Universität in Rawalpindi lehrt, der Sozialaktivist Samar Abbas sowie die Blogger Asim Saeed, Waqas Ahmad Goraya und Ahmed Raza Naseer. Salman verschwand auf dem Nachhauseweg, er fuhr auf dem Islamabad-Schnellweg, die anderen wurden aus Lahore und Sheikupura entführt. Vier der fünf sind zwar am Wochenende vom 27. – 29. Januar wieder „aufgetaucht“, die Umstände ihrer Entführung sind aber weiter ungeklärt und Samar Abbas ist weiter verschwunden.

Während staatliche Stellen behaupten, sie wären von islamistischen Gruppen oder von Schlägern entführt worden, tragen die Entführungen jedoch die deutliche Handschrift des gefürchteten pakistanischen Geheimdiensts ISI. Die vermissten Aktivisten hatten sich in der Vergangenheit sehr eindeutig gegen Sektierertum und religiösen Fundamentalismus geäußert. Sie wurden durch ihre Schriften in Verteidigung der Rechte von Einzelpersonen und Minderheiten sehr schnell bekannt.

Sie sind sicher keine indischen Agenten, wie sie die Boulevardpresse in Pakistan hinstellt, und auch keine weltlichen Liberalen. Sie sind vielmehr pakistanische Linke, die häufig für die Rechte von Pakistans nationalen Minderheiten auftreten und die die zahllosen Militäraktionen des Staates verurteilen.

Diese Operationen werden offiziell zu einem Teil des „Kriegs gegen den Terror“ erklärt, doch eigentlich sind sie auf die Kontrolle der Bevölkerung und der nationalen Minderheiten in den Provinzen gerichtet, die der Staat und besonders die herrschende Klasse im Punjab wirtschaftlich ausbeutet. Verse über vermisste belutschische FreundInnen, wie in einem Gedicht von Salman Haider im vergangenen Jahr, werden als bedeutende Bedrohung für den staatlichen nationalistischen Chauvinismus betrachtet. Durch die Verbindung ihrer Kritik an den strategischen Projekten wie  dem China-Pakistan Wirtschaftskorridor (CPEC), der durch Belutschistan führt, und seinen Auswirkungen auf die Lebensumstände der arbeitenden Armen bauen sie auch Brücken zwischen den unterdrückten Klassen und den ArbeiterInnenmassen im Punjab.

Nichtsdestotrotz hat der Versuch, Angst und Schrecken zu erzeugen, diesmal im Punjab, Pakistans bevölkerungsreichster, wirtschaftlich und politisch besser gestellter Region, bei vielen Unruhe ausgelöst. Die Entführungsfälle sind Thema internationalen Interesses geworden. Der Innenminister der Pakistanischen Moslem Liga (PML) sah sich im Parlament genötigt zu sagen: „Die Regierung hat nichts mit dem Verschwinden von Leuten zu tun und wird solches Verschwinden nicht dulden, solange wir im Amt sind.“

Beide Parlamentskammern haben diese Entführungen verurteilt und Untersuchungen gefordert. Dies zeigt eine Spaltung in der herrschenden Klasse selbst, aber enthüllt auch die Scheinheiligkeit der herrschenden PML (N), die neue Tatbestände ins Strafgesetzbuch eingebracht hat, sowohl gegen „Vergehen im Netz“ wie auch andere Gesetze, die die Redefreiheit beschneiden und den Vollzugsorganen mehr Macht geben.

Gegenwärtig wird die Unruhe durch Furcht angetrieben. Es ist die Furcht, dass Zustände im Punjab entstehen könnten, die bereits in anderen Provinzen existieren. Die einzige Kraft in der Gesellschaft, die das Vermögen hat, den Unterdrückungsapparat und das Militär anzugreifen, ist die ArbeiterInnenklasse, unterstützt von der städtischen und ländlichen Armut. Der Liberalismus, den mehrere Leute in Diskussionen der letzten beiden Wochen beschworen haben, hat keine Antwort auf die gegenwärtigen Probleme. Obwohl  Zurückweisungen der Entführungen auf parlamentarischer Ebene und selbst von Regierungsseite den Linken etwas Manövrierspielraum eröffnen können, sind es doch die Staatskörperschaften, die als erste zurückrudern und sich wieder in die Arme des Militärs flüchten wollen, wenn ernsthafte Mobilisierungen und solidarische Maßnahmen mit den vermissten Aktivisten von den unterdrückten Klassen in Eigenregie ergriffen werden. Nichtsdestotrotz sind letztere der einzige Weg nach vorn und der Kurs, den die pakistanische Linke einschlagen sollte.

Die linken Parteien und Organisationen sollten eine Einheitsfront bilden und die Freilassung der vermissten Aktivisten fordern. Versammlungen und Kundgebungen sollten in den Gemeinden, Betrieben und Gewerkschaften, und wo immer die Linken Zugang haben, stattfinden, um zu erklären, wie das Verschwinden der Blogger mit der täglichen Unterdrückung des Staates in den Wohnbezirken der ArbeiterInnen zusammenhängt. Die gegenwärtige Lage birgt große Gefahren, aber sie schafft auch Gelegenheiten zur Verbrüderung mit den Unterdrückten der verschiedenen Provinzen und für SozialistInnen, radikale Intellektuelle zu gewinnen, die die staatliche Repression satt haben. Der Fall Wahid Baloch, der verschwunden war, doch Ende 2016 nach massiven Protesten freigelassen wurde, zeigt, dass Widerstand zum Sieg führen kann.

Der internationalen Linken kommt natürlich eine besondere Pflicht zu bei der Beschäftigung mit solchen Themen, um der pakistanischen Linken und ArbeiterInnenklasse eine Stimme zu verleihen, wo sie daran gehindert wird, sie in der Öffentlichkeit zu erheben. Der Liga für die Fünfte Internationale ist es eine Ehre, diese Aufgabe zu übernehmen. Sie ruft andere Organisationen auf, die Sache der pakistanischen Linken zu unterstützen.

Lasst Samar Abbas frei! Freilassung aller politischen Gefangenen und verschwundenen Menschen; Entschädigung der Familien, deren Verwandte nicht zurückgekehrt sind!

Rücknahme aller Gesetze gegen die Presse- und Meinungsfreiheit, nieder mit dem Gesetz gegen Verbrechen im Netz und den gegenwärtigen Gesetzen gegen Gotteslästerung!

Die Entführer müssen für die Entführung zur Rechenschaft gezogen werden. Für die Untersuchung und Veröffentlichung aller Fälle staatlicher Unterdrückung durch Ausschüsse aus Gewerkschaften, linken Partien und den betroffenen Gemeinschaften!

Aufhebung aller Antiterrorgesetze und Gesetze, die dem Staat gestatten, ungerechtfertigt und ohne Haftbefehl Menschen zu verfolgen und zu inhaftieren!

Für das Recht auf Bildung von Selbstverteidigungsorganisationen gegen Repression und Verfolgung!

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