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Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt

Trauer mit den Opfern, nein zur rassistischen Instrumentalisierung

Martin Suchanek, Infomail 920, 20. Dezember 2016

Der Abend des 19. Dezember erschütterte die Berliner Bevölkerung. Ein LKW überfuhr BesucherInnen des Weihnachtsmarkts am Berliner Breitscheidplatz. 12 Menschen starben bisher, 48 wurden zum Teil schwer verletzt.

Noch ist der genaue Hergang ungeklärt, die Motive, die hinter der Tat stecken, sind noch ungewiss. Auch ob der festgenommene Verdächtige dafür verantwortlich oder unschuldig ist, steht zur Zeit des Verfassens dieses Textes nicht fest. Er bestreitet nach Informationen der Medien die Tat und auch die Ermittlungsbehörden werden in ihren Erklärungen vorsichtiger, scheinen seine Täterschaft zu bezweifeln.

Als gesichert kann jedoch gelten, dass es sich um keinen Unfall handelte, sondern um einen Anschlag, bei dem Beschäftigte oder BesucherInnen willkürlich und wohl auch in möglichst großer Zahl getötet werden sollten. Ob und welche politischen Motive der erz-reaktionären Tat zugrunde liegen mögen, sie trägt zweifellos auch Züge einer Verzweiflungsaktion, eines Amoklaufes.

Unser Mitgefühl, unsere Trauer gilt den Opfern. Es handelt sich um Menschen, Beschäftigte wie BesucherInnen, die entweder ihrer Arbeit nachgingen oder einfach nur feiern wollten. Deren Ermordung ist durch nichts zu rechtfertigen, die Empörung, Trauer und Wut ihrer Angehörigen sind nur zu verständlich.

Reaktionen

Die Reaktionen des Berliner Senats fielen in den ersten Stunden einigermaßen besonnen aus. Zugleich wird aber auch sichtbar, dass der Tod von 12 Menschen für Rassismus, Hass und den Ruf nach mehr Überwachung und Abschiebungen missbraucht wird. Diese MutmaßerInnen wussten offenkundig sofort, dass es sich um einen „islamistischen Anschlag“ handeln müsse, auch wenn bislang kein Bekenntnis einer terroristischen Organisation oder einer Einzelperson vorliegt.

Die Boulevardpresse, z. B. BILD, macht bereits mit Hetze auf und „analysiert“ die „Mathematik des Terrors“. Der saarländische CDU-Innenminister und Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Klaus Bouillon, erklärt im Saarländischen Rundfunk:„Wir müssen konstatieren, wir sind in einem Kriegszustand, obwohl das einige Leute, die immer nur das Gute sehen, nicht sehen möchten.“

Hinter solchen Aussagen, die Flüchtlinge und MigrantInnen als potentielle TerroristInnen, als „KriegsgegnerInnen“ darstellen und „Gutmenschen“ als unbewusste „TäterschützerInnen“ angreifen, will der AfD-Sprecher und Europaabgeordnete Marcus Pretzell nicht zurückstehen: die Opfer seien „Merkels Tote“.

Doch auch jene bürgerlichen PolitikerInnen, die darauf pochen, dass es keine „Pauschalverurteilungen“ von MigrantInnen geben dürfte, tun dies nicht, um einer drohenden rassistischen Hetze vorzubeugen. Vielmehr nutzen sie das, um die Forderung nach „pauschaler“, also flächendeckender, Totalüberwachung und „Durchleuchtung“ von Geflüchteten zu rechtfertigen und auf die Beschleunigung der Abschiebungen afghanischer, pakistanischer und anderer Geflüchteter zu drängen. Solcherart werden auch die Abschottung der EU-Außengrenzen und die „Sicherheitsoperationen“, also militärischen und polizeilichen Interventionen in anderen Ländern, legitimiert.

Verzweifelung

Bürgerliche Politik und die meisten Medien wollen die eigentlichen Ursachen einer reaktionären Mordtat nicht verstehen. Sie instrumentalisieren sie vielmehr für rassistische Hetze und zur Rechtfertigung weiterer Entrechtung und Abschiebung von Geflüchteten.

In Wirklichkeit treiben die Verwüstung der Herkunftsländer durch imperialistische Staaten wie Deutschland und die Fortsetzung der Unterdrückung, Erniedrigung, Perspektivlosigkeit hierzulande die Menschen zur Verzweiflung.

Diese bildet den Nährboden für reaktionäre Anschläge – sei es aus „individueller“ Reaktion, sei es in Form reaktionärer terroristischer Organisationen.

Die staatliche Politik und der Rassismus der Rechten werden diese Tendenz weiter verschärfen, ja nehmen sie letztlich billigend in Kauf, um die „eigene“ Bevölkerung in permanente Alarmbereitschaft, in den „Kriegszustand“ zu versetzen. Das zeigt sich nicht zuletzt immer dann, wenn Anschläge auf Unschuldige sofort Geflüchteten oder MigrantInnen in die Schuhe geschoben werden. Sollte sich später herausstellen, dass andere TäterInnen verantwortlich waren, so bleibt die Vorverurteilung „hängen“ und vertieft so die Stigmatisierung von MigrantInnen und besonders von MuslimInnen.

Diese reaktionäre Entwicklung kann nur aufgebrochen, aufgehalten werden durch eine breite, anti-rassistische Bewegung der ArbeiterInnenklasse, aus GewerkschafterInnen, linken Parteien und Organisationen, von MigrantInnenorganisationen und Geflüchteten, die sich gegen die eigentlichen Ursachen des Mordanschlags richtet – gegen Imperialismus und Rassismus.

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