Arbeitermacht
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Brief an die RSB-Ortsgruppen München und Paderborn

Liebe Genossinnen und Genossen,

im folgenden wollen wir einige Differenzen zwischen Euren und unseren Positionen, d.h. denen der Gruppe Arbeitermacht / Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale, behandeln. Unter Euch und Euren Positionen verstehen wir jene RSB-Genossen in München und Paderborn, mit denen wir in Diskussion standen. Neben Argumentationslinien, die Ihr in Gesprächen verwendet habt, stützen wir uns auch auf die von Andreas, Max und Nick gezeichneten Artikel in Avanti, die Ihr uns zugeschickt habt. Da diese Artikel für sich genommen keine systematische politische Konzeption beinhalten und eine solche in schriftlicher Form auch nicht vorliegt, so sind wir gezwungen, mitunter Argumente und Zusammenhänge zwischen Euren Positionen wie auch daraus folgende Konsequenzen zu konstruieren, da wir trotz des Nichtvorliegens eines solchen Dokuments meinen, daß es eine systematische methodische Querverbindung zwischen Euren Positionen, sagen wir zu Kuba, zur PKK, zu Jugoslawien und zur Einschätzung der restlichen Linken in Deutschland gibt.

Das Schreiben soll dazu dienen, die Diskussion zwischen uns inhaltlich zuzuspitzen und, da wir bisher nur wenig Gelegenheit zu direkten Treffen hatten, wenigstens schriftlich voranzutreiben. Wir werden uns daher in diesem Brief auf einige wesentliche inhaltliche Differenzen konzentrieren und nicht auf die ohne Zweifel auch vorhandenen Gemeinsamkeiten. Da wir für ein nächstes Treffen zumindest vorläufig die Themen "Rolle des deutschen Imperialismus", "Imperialismustheorie" und "Krieg im ehemaligen Jugoslawien" bestimmt haben, wollen wir auf diese Fragen näher eingehen, uns aber auch mit Eurer Position zu Kuba und zum kurdischen Befreiungskampf ausführlicher beschäftigen. Andere Differenzen, die durchaus mit oben genannten zusammenhängen (z.B. Reformismustheorie, kommunistische Wahltaktik und die Einschätzung der SPD), lassen wir hier weg, da der Brief ansonsten noch länger würde.

Imperialismustheorie und die Rolle des deutschen Imperialismus

In etlichen Telefonaten und Gesprächen mit Genossen habt Ihr die Wichtigkeit der Frage der Imperialismustheorie und der (angestrebten) Rolle des deutschen Imperialismus immer wieder betont. Insbesondere habt ihr Euch gegen alle Tendenzen zum Wiederaufleben der kautskyischen Theorie des Ultraimperialismus verwehrt. Soweit wir schriftliche Arbeiten von Euch kennen, setzen sich damit zwei Artikel von Max Brym auseinander - zum einen "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" aus Avanti Nr. 21 (September 1992) und "Krieg als Krisenlösungsstrategie" (Avanti Nr. 38, März 1994).

Was den ersten Artikel betrifft, so stimmen wir der Einschätzung zu, daß es der Friedensbewegung an einem Klassenstandpunkt, genauer: an einem proletarischen Klassenstandpunkt, mangelte. Der ganze pazifistische Standpunkt, der vorherrschte und sich z.B. in der anti-marxistischen Losung der beidseitigen, bedingungslosen Abrüstung in Ost und West niederschlug, ist in Wirklichkeit eine kleinbürgerliche Ideologie. Er war die Klammer, hinter der sich in den meisten Ländern eine volksfrontartige Allianz aus reformistischen Partei- und Gewerkschaftsführern, kleinbürgerlichen Grünen, "linken" Bürgerlichen bis hin zu Teilen des Klerus verbarg.

Trotzkisten mußten hier zwar in die Bewegung intervenieren, hätten jedoch gegen den Strom des Pazifismus schwimmen müssen. Sie hätten versuchen müssen, eine Scheidelinie zwischen die Arbeiter und Angestellten, bei denen der Pazifismus einen ideologischen und verwirrten Ausdruck der Sorge um ihr Leben, ihre Wohnungen, Arbeitsplätze usw. darstellt, und einem General Bastian, einer Antje Vollmer, diversen Pastoren und sozialdemokratischen und stalinistischen Lobrednern der Friedensbewegung zu ziehen, die hinter ihrem Pazifismus nur die Unterstützung des bürgerlichen Staats und "ihres" Imperialismus verbergen.

Die Friedensbewegung war nicht "objektiv antikapitalistisch", wie Ernest Mandel damals sagte. Zentrale Losungen wie die nach "(beidseitiger) Abrüstung" waren utopisch und reaktionär. Reaktionär, da sie der Verteidigung der degenerierten Arbeiterstaaten oder der Halbkolonien in einem Krieg gegen den Imperialismus widersprechen. Utopisch, da die Losung der Abrüstung und die ganze damit verbundene Appelliererei an die angebliche Friedfertigkeit und imaginierte klassenübergreifende Vernunft der herrschenden Klasse impliziert, daß sich das imperialistische Finanzkapital auf friedlichem, parlamentarischem Weg seine Nukleararsenale nehmen ließe.

Es ist kein Wunder, daß die Friedensbewegung ihre Ziele, wo sie unterstützenswert waren, nicht erreichte und mit ihren Methoden auch gar nicht erreichen konnte. Wir stimmen auch darin mit dem Artikel überein, daß die Friedensbewegung oder die Kräfte, die sich in ihr zusammenfanden, kein Garant gegen ein weiteres Aufblühen des deutschen Nationalismus und Chauvinismus sind.

Wichtiger ist freilich der Teil, der sich mit theoretischen Vorstellungen des gegenwärtigen Imperialismus beschäftigt. Wir stimmen mit Euch darin überein, daß der Imperialismus auf internationaler Ebene nach wie vor durch den Widerspruch zwischen zunehmender Internationalisierung der Produktion und nationalstaatlicher Verwurzelung der konkurrierenden Kapitale und Mächte gekennzeichnet ist.

In der gegenwärtigen Periode werden sich die Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten weiter verschärfen. Der entscheidende Grund dafür liegt darin, daß dem Kapitalismus die ökonomischen und politischen Voraussetzungen nicht nur für eine Periode ähnlich des Booms in den 50er und 60er Jahren, sondern selbst für eine Periode der Expansion wie von Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg fehlen. Schon letztere wäre nur durch massive Niederlagen der Arbeiterklassen in den imperialistischen Kernländern (unterstützt von einer erfolgreichen Rekapitalisierung Rußlands und Chinas) und eine damit einhergehende Umwälzung der technologischen Basis der Produktion zu haben. In letzter Instanz wäre auch eine solche Periode ein Vorspiel zu einer politischen und militärischen Konfrontation zwischen den imperialistischen Hauptmächten zur Neuaufteilung der Welt (in welcher genauen Kombination ist heute schwer abzusehen), da es ihr an einer unbestrittenen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Hegemonialmacht fehlen würde.

Selbst solch ein "optimistisches" Szenario für das imperialistische Weltsystem wäre jedenfalls nur auf der Basis historischer und strategischer Niederlagen der Weltarbeiterklasse und ihrer Verbündeten zu haben und würde keineswegs die grundlegenden Widersprüche lösen, sondern "bestenfalls" für eine bestimmte Periode nicht die Form militärischer Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Mächten annehmen lassen, um dann um so heftiger zur Austragung zu kommen.

Heute sind wir davon noch weit entfernt. Trotz der ideologischen und politischen Triumphe, die der Imperialismus in den frühen 1990er Jahren machen konnte (Südafrika, Palästina, Irak, Osteuropa, ehemalige Sowjetunion), hat er damit kein neues Lebenselexier wie Ende der 1940er Jahre finden können.

Damit hängt die Intensivierung der inner-imperialistischen Rivalitäten zusammen. Sie äußern sich gegenwärtig vor allem auf ökonomischer (GATT-Verhandlungen, wirtschaftliche Blockbildungen wie NAFTA, EU, Maastricht), aber auch politischer Ebene.

Diese "neue Weltunordung" bedeutet auch, daß sich die imperialistischen Bourgeoisien neu orientieren müssen. Die USA ist trotz ihrer militärischen und politischen Stärke nicht mehr die unumstrittene wirtschaftliche Führungsmacht, sondern eher der primus inter pares. Sie ist zwar (potentiell) in der Lage, den Formierungsprozeß ihrer Rivalen, d.h. vor allem Japans und Deutschlands, aber auch anderer europäischer imperialistischer Mächte, zu behindern, doch trifft das immer mehr auf, zuerst ökonomische Grenzen der US-Wirtschaft selbst. Es ist daher kein Wunder, daß die neue Weltordnung Bushs nicht die Lösung der Strategie der USA, sondern vielmehr der Deckmantel für einen Kampf innerhalb der herrschenden Klasse über die zukünftige, einzuschlagende Strategie des US-Imperialismus in der internationalen Arena ist.

Das imperialistische Europa ist in gewisser Weise der fragilste unter den sich abzeichnenden imperialistischen Blöcken. Obwohl er der wirtschaftlich Größte ist, ist er erstens durch starke Antagonismen zwischen imperialistischen Mächten gekennzeichnet. Zweitens ist die Arbeiterbewegung in diesen Ländern stärker, ihre ökonomischen und politischen Rechte sind größer als in den USA und Japan.

Für die deutsche Bourgeoisie und den BRD-Imperialismus bedeutet das mehrere, miteinander verbundene Aufgaben:

a) Erhöhung der Profitrate durch Drücken des Lohns, des Soziallohns usw. sowie durch Intensivierung der Arbeit, Reduktion der Abzüge vom Profit durch Abbau des Sozialstaats usw.

b) Einschränkung der demokratischen Rechte der Arbeiterklasse und Zerschlagung des bundesdeutschen Systems der Klassenkollaboration (nationale Tarifvereinbarungen, Mitbestimmung) inklusive der mehr oder weniger institutionalisierten Macht der Arbeiterbürokratie, die unter schärferen Konkurrenzbedingungen für das Kapital zu teuer wird.

c) Herstellen der vollen Bewegungsfreiheit der deutschen Bourgeoisie auf politischer und militärischer Ebene.

d) Schaffung eines vom deutschen Kapital dominierten ökonomischen (und auf dieser Basis politischen und militärischen) Blocks in Europa (Kerneuropa; die zerfallenden degenerierten Arbeiterstaaten Osteuropas zu Halbkolonien machen, die vom BRD-Imperialismus dominiert werden).

So wie die US-Bourgeoisie über ihre zukünftige Rolle gespalten ist, so muß auch das deutsche Finanzkapital eine Führung zur Lösung dieser Aufgaben erst herausbilden, eine klare Strategie nach innen wie nach außen finden, diese den anderen Teilen der Klasse aufzwingen und gegenüber dem Proletariat durchsetzen. Das zeigt unserer Einschätzung nach auch der Tarifkonflikt in der Metallbranche, in dem die Unternehmer ihre wesentlichen Ziele nicht durchsetzen konnten.

Wir haben die Skizzierung der internationalen Lage, die dem deutschen Kapitalismus seine Rahmenbedingungen auferlegt, an den Beginn gestellt, da wir meinen, daß diese den Ausgangspunkt für eine Beurteilung der strategischen Probleme und Zielvorstellungen des deutschen Imperialismus, der kommenden Angriffslinien auf politischer und ökonomischer Ebene bilden muß. Zweitens, um zu bestimmen, wie weit die deutsche Kapitalistenklasse auf diesem Weg ist. Wir wissen nicht, ob und in welchem Ausmaß ihr unsere obige Skizze bzw. Texte, die wir zu diesem Thema verfaßt haben, teilt.

Wir teilen jedoch bestimmte Einschätzungen Eurer Artikel nicht. Manche sind wohl bloß konjunktureller Art und sekundär. Zwei davon sind jedoch wesentlich. Wir halten es für falsch, zu behaupten, daß Deutschland bereits das Rennen um wichtige Länder Osteuropas gewonnen hätte. So schreibt Max Brym:

"Die nördlichste Baltenrepublik befindet sich bereits in der Hand des 'Ostausschusses der deutschen Treuhand'. Tschechien ist in Wirklichkeit heute eine Sonderwirtschaftszone Deutschlands." Erstens halten wir den Prozeß der kapitalistischen Restauration in diesen Länder noch nicht für abgeschlossen. Zweitens - damit zusammenhängend - bedeutet die Tatsache, daß in bestimmten Ländern ein Großteil des bisherigen Auslandskapitals aus Deutschland kommt nicht, daß sie schon "Sonderwirtschaftszonen" der BRD geworden wären. Freilich stimmt es gerade für Tschechien, daß es mit größter Wahrscheinlichkeit die Zukunft einer Halbkolonie, die vom deutschen Kapital dominiert wird, vor Augen hat. Bei anderen wie Ungarn, Rußland und mit Einschränkungen Polen ist weitaus weniger klar, welche imperialistische Macht einen dort restaurierten halbkolonialen Kapitalismus dominieren wird. Wir wollen uns an dieser Stelle nicht mit der polit-ökonomischen Seite des Restaurationsprozesses aufhalten. Was diese betrifft, verweisen wir Euch auf einen in Kürze im "Revolutionären Marxismus" Nr. 14 erscheinenden Artikel zu dieser Frage.

Krieg in Bosnien

Hier, denken wir, kommt der vorschnelle Charakter Eurer Analyse am deutlichsten zum Ausdruck:

"Meine These lautet also: Der Balkan zeigt die verschärften zwischenimperialistischen Gegensätze. Krieg wird bereits geführt, allerdings von Stellvertreterarmeen. Gäbe es einen kollektiv handelnden Imperialismus, wäre der Krieg schon zu Ende." (Krieg als Krisenlösungsstrategie, S. 20)

Nun ist es sicher richtig, daß der Krieg die verschärften zwischenimperialistischen Gegensätze zeigt. Wahrscheinlich wäre eine reaktionäre, pro-imperialistische Lösung bei einer einheitlich handelnden imperialistischen Front schon durchgesetzt.

Doch es ist falsch, daraus den Schluß zu ziehen, daß es sich heute um einen bloßen Stellvertreterkrieg in Bosnien handeln würde.

Der Krieg entsprang selbst dem Zusammenbruch des jugoslawischen degenerierten Arbeiterstaats und dem kapitalistischen Transformationsprozeß, den die zu Restaurationisten gewandelten Bürokraten in Belgrad, Zager, Laibach oder Sarajevo voranzutreiben versuchten. Schon nach Titos Tod war der Nationalismus in Serbien (und in dessen Gefolge in Kroatien und Slowenien) rasant angestiegen. Der Aufstieg Milosevics und seiner Clique, die de facto Okkupation des Kosovo und der Vojvodina zeigten den anderen Republiken, was sie unter einem von Belgrad geführten Gesamtjugoslawien zu erwarten hätten.

Es war die serbische Bürokratie, die mit ihrem gescheiterten Versuch, die Lostrennung Sloweniens und Kroatiens gewaltsam zu verhindern, der Föderation vollends das Grab schaufelte. Natürlich waren auch damals schon imperialistische Interessen gegensätzlicher Art im Spiel. V.a. die BRD preschte mit der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens vor und konnte diesen Kurs den anderen imperialistischen Staaten aufzwingen, die noch immer auf den Erhalt der Föderation und eine Restauration des Kapitalismus unter Aufsicht der besonders IWF-freundlichen gesamtjugoslawischen Regierung von Ante Markovic setzten.

Um das Aufwallen der nationalistischen Stimmungen auf allen Seiten beim Zerfall Jugoslawiens zu verstehen, reicht die Einflußnahme des Imperialismus auf diesen Prozeß nicht aus. Der Nationalismus war schon lange davor die Antwort der jeweiligen Republiksbürokratien auf einen drohenden Machtverlust. Er diente dazu, "ihre" Arbeiter und Arbeiterinnen bei der Stange zu halten und vor den Karren ihrer reaktionären Ziele zu spannen. Er war vor allem ein ideologischer Kitt für das Ziel der jeweils herrschenden Nationalisten - egal ob als umbenannter Bund der Kommunisten wie in Serbien oder als offen bürgerliche Parteien wie in Kroatien und Slowenien -, einen möglichst starken bürgerlichen Nationalstaat aus den ihnen zufallenden ehemaligen Republiken und Teilen des "Restes" von Jugoslawien zu formen.

Bosnien mußte daher wohl oder übel in den Krieg hineingezogen werden. Die bosnische Regierung tat mit der vom Imperialismus ermutigten Unabhängigkeitserklärung ihr übriges, diesen Prozeß zu beschleunigen. In dieser ersten Phase hatte der Krieg auch den Charakter eines reaktionären Krieges auf beiden Seiten - Serben auf der einen, Kroaten und die mit ihnen verbündete Bosnische Regierung auf der anderen.

Dies änderte sich jedoch, als der Imperialismus im Sommer 1992 seine eigene Strategie änderte und von der Unterstützung der bosnischen Regierung zur de facto-Akzeptanz einer Teilung Bosniens zwischen Serbien und Kroatien (mit oder ohne einem verbleibenden Restbosnien) abrückte und die kroatisch-bosnische Allianz zerbrach. Natürlich waren nicht alle imperialistischen Mächte darüber glücklich, doch zeigten sich gerade hier die Grenzen des deutschen Imperialismus. Seither geht es im Grunde um die Aufteilung der Beute zwischen Belgrad/Pale und Zagreb und eine die imperialistischen Mächte und Rußland halbwegs zufriedenstellende Formel zur Befriedung des ehemaligen Jugoslawiens.

Die bosnischen Moslems (und die noch vorhandenen multi-ethnischen Städte des Landes) kamen in die Rolle ausgemachter Verlierer. Auch wenn Politik und Ziele von Izetbegovic und der Regierung in Sarajevo ihren utopischen und reaktionären Charakter nicht verloren, so wandelte sich der Kampf der bosnischen Moslems objektiv in einen gerechtfertigten Kampf gegen ethnische Unterdrückung, Vertreibung und drohende Auslöschung. Daran ändern die servile Anbiederung der Regierung an den Imperialismus und der Ruf nach Unterstützung durch reaktionäre islamische Regime nichts. Schließlich bestimmen für Marxisten und Marxistinnen nicht die Ziele und Phrasen dieser oder jener Führung den Charakter eines Krieges, sondern die Stellung der kämpfenden Parteien zueinander.

Gerade das Waffenembargo gegen Bosnien hat dazu beigetragen, diese Situation zu befestigen. Es ist ein Element der vorherrschenden imperialistischen Strategie, die eben nicht von Bonn, sondern von London, Paris und Clinton (gegen die Republikaner) bestimmt wird, den Konflikt einer "Lösung" auf Kosten der Moslems zuzuführen. Nebenbei bemerkt ist auch die deutsche Außenpolitik nicht pro-bosnisch, sondern pro-kroatisch.

Natürlich liegt die Lösung des Konflikts in Bosnien nur in der Schaffung eines multi-nationalen Arbeiterstaats als Teil einer sozialistischen Föderation des Balkans. Doch um die Arbeiter in Bosnien, die Bauern und Bäuerinnen, die heute Izetbegovic unterstützen zu gewinnen, ist es nicht nur notwendig, den Aufbau multi-nationaler, unabhängiger Verteidigungs- und Kampforgane (Milizen, Räte auf regionaler und lokaler Ebene,...) in Bosnien voranzutreiben. Revolutionäre müssen auch die moslemischen und multi-nationalen Gemeinden trotz ihrer Führung gegen ethnische Säuberungen der serbischen (und kroatischen) Seite verteidigen. Nur so wird es möglich sein, die Arbeiter und Bauern von den nationalistischen Führern in Sarajevo wegzubrechen, wenn wir den Kampf gegen die drohende Auslöschung ihres Volkes unterstützen.

Das heißt in keiner Weise, daß wir irgendwo oder irgendwann auf die Kritik an Izetbegovic verzichten würden. Revolutionäre in Bosnien müssen bei gleichzeitiger gemeinsamer militärischer Front mit der bosnischen Armee den Nationalismus der Regierung, ihre Packelei mit der UNO und dem Imperialismus kritisieren, aufzeigen, daß ihre Strategie letztlich nur in die Sackgasse führen kann und die notwendige Verbrüderung mit den serbischen und kroatischen Arbeitern und Arbeiterinnen be-, wenn nicht verhindert, indem sie beispielsweise nicht gegen das Embargo gegen Serbien und Montenegro auftritt usw.

Nur eine solche Konzeption wäre gleichzeitig in der Lage, den Kampf gegen nationale Unterdrückung zu führen und den revolutionären Sturz der Izetbegovic-Clique vorzubereiten. Doch um sich zu verteidigen braucht man Waffen. Die bosnischen Moslems (in Wahrheit eine Allianz von ethnischen Bosniern, d.h. der Nachkommen christlicher Sekten, die im 15. und 16. Jahrhundert zum Islam konvertierten, und gemischten Gemeinden) sind allen Unkenrufen zum Trotz nach wie vor militärisch am schwächsten. Das imperialistische Embargo hindert sie daran, sich selbst zu verteidigen. Diese Tatsache wird auch dann nicht falsch, wenn sie von Kinkel, Thatcher, Gingrich oder Dole ausgesprochen wird.

Natürlich kann sich das ändern. Es kann sein, daß eine imperialistische Allianz gegen die serbische Seite mit einem massiven Angriff vorgeht, es kann sein, daß imperialistische Mächte und Rußland auf verschiedenen Seiten in einen offenen Krieg um die Vorherrschaft am Balkan gezogen werden. Auch wenn diese Varianten sehr unwahrscheinlich sind, so bestehen diese Möglichkeiten natürlich. In diesem Fall müßten Revolutionäre ihre Kriegstaktik ändern. Sie müßten im Falle eines Krieges gegen Serbien unter US-Führung (denn nur so ist es überhaupt realistisch) auf Seiten Serbiens gegen den Imperialismus auftreten! Sie müßten im Falle des Kampfes zweier imperialistischer Allianzen gegeneinander, wo Serbien und Kroatien respektive Bosnien nur Handlanger und Aufmarschgebiete dieser sind, eine defätistische Position auf beiden Seiten einnehmen.

Doch das ist heute nicht der Fall, Genossinnen und Genossen. Revolutionäre müssen vom aktuellen Charakter des Krieges ausgehen und eine Strategie vorlegen, wie dieser in einen Klassenkrieg umgewandelt werden kann. Im übrigen würde uns an dieser Stelle interessieren, wie Eure Position zum Krieg in eine Strategie der permanenten Revolution in Bosnien einfließt, welche Haltung bosnische Arbeiter vor Ort Eurer Meinung nach einnehmen müßten.

Euer zentraler Fehler besteht darin, daß Ihr aus dem Einfluß widerstreitender imperialistischer Interessen am Balkan den Schluß zieht, daß diese den Charakter des Krieges gegen die bosnischen Moslems dominieren würden. Doch es werden sich nur wenige Kriege in der nicht-imperialistischen Welt finden lassen, wo nicht an beiden Seiten imperialistische Mächte mitmischten. Das trifft vor allem auf jene Phasen zu, als das imperialistische Lager nicht von einer Macht dominiert wurde.

Wir möchten hier nur an den Befreiungskampf in China gegen den japanischen Imperialismus vor und während des Zweiten Weltkriegs erinnern. Zweifellos handelte es sich im Befreiungskampf Chinas um einen gerechtfertigten Krieg - obwohl er von Chiang Kai Chek geführt und China zu einem zentralen Konfliktpunkt im Zweiten Weltkrieg wurde. Anhand Eurer Position wäre eine defensistische Position auf Seiten Chinas jedoch spätestens mit dem Kriegseintritt der USA unmöglich gewesen. Es wäre dann allemal ein Stellvertreterkrieg zweier imperialistischer Mächte gewesen!

Castro, Kuba und eine Analyse, die weder Fisch noch Fleisch

Wir wollen vorausschicken, daß wir keine Differenz damit haben, daß die kubanische Revolution soziale und demokratische (Befreiung aus dem Status einer Halbkolonie der USA) Errungenschaften mit sich brachte, die von der Arbeiterbewegung verteidigt werden müssen (wie in allen wie auch immer charakterisierten Arbeiterstaaten). Eure Analyse in Avanti Nr. 36 ist zwar "parteiisch", wirft jedoch mehr theoretische und programmatische Fragen auf, als sie löst. Doch der Reihe nach.

1.) Ihr schreibt: "1960 ist der Kapitalismus auf Kuba abgeschafft worden und die nationale Bourgeoisie entmachtet worden."

Was daran stimmt ist, daß die castroistische Regierung Ende 1960 - entgegen ihren ursprünglichen Absichten - entschiedene Maßnahmen gegen das kapitalistische Privateigentum durchführten. Rund 80% der Industrie wurden verstaatlicht und die Landreform beschleunigt. Die US-Blockade zeigte Ende 1960 ihre vollen Auswirkungen, so daß nur die Unterordnung unter die USA oder die Anlehnung an die SU einen Ausweg bringen konnte. Castro ging den zweiten Weg. Guevara führte Ende 1960 eine Handelsdelegation in die SU an und der Aufkauf der gesamten Zuckerernte des Jahres 1961 wurde mit der SU vereinbart. Zugleich kamen die ersten Berater aus dem Ostblock (zuerst aus der CSSR) nach Kuba und die staatlichen Verwaltungsinstitutionen wurden in Planungsinstrumente transformiert, so daß für 1962 der erste Plan erstellt werden konnte. Für uns ist Kuba damit, nicht mit der Enteignung zum degenerierten Arbeiterstaat geworden, während die castroistische Regierung von Mitte 1960 bis Anfang 1962 eine bürokratische antikapitalistische Arbeiterregierung war.

Der Grund dafür ist, daß wir im Gegensatz zu Euch keinen qualitativen Unterschied zwischen der Regierung Castros und zahlreichen stalinistischen Regierungen in Osteuropa vor der Entstehung der degenerierten Arbeiterstaaten sehen und daher die Entstehung eines degenerierten Arbeiterstaats nicht mit der Machtübernahme der Stalinisten oder der Enteignung des Großkapitals und Großgrundbesitzes, sondern mit der Einführung ökonomischer Lenkungsmechanismen, die das Wertgesetz effektiv unterordnen - Planung, Außenhandelsmonopol zusätzlich zum Staatseigentum - ansetzen. Wie notwendig diese Unterscheidung ist, zeigt sich auch darin, daß in manchen Ländern (oder Teilen von Ländern) die Stalinisten nach dem Zweiten Weltkrieg den bewaffneten Apparat des Staats praktisch übernehmen konnten und gleichzeitig der Großteil der (industriellen) Produktionsmittel verstaatlicht war, ohne daß je degenerierte Arbeiterstaaten entstanden (z.B. Ostösterreich).

2.) wäre der 1960 entstandene Arbeiterstaat nicht mit der "klassischen" Begrifflichkeit "sozialistische Demokratie" oder "bürokratisch degenerierter Arbeiterstaat" zu fassen. Bevor wir uns mit den von Euch behaupteten Ausformungen dieses Unterschiedes befassen, wollen wir auf Eure Erklärung dafür eingehen.

Ihr schreibt richtig, daß die Bewegung des 26. Juli keine revolutionär-kommunistische, sondern eine Ideologie des bürgerlichen Nationalismus - allerdings keines reformerischen, legalistischen, sondern eines revolutionären - vertrat.

"Erst", so schreibt ihr, "'die Entschlossenheit, die radikal-demokratischen Veränderungen in dem revolutionären Prozeß ohne Konzessionen bis zum Ende durchzuführen', bewirkte die ideologische Metamorphose der 'Bewegung des 26. Juli' zum Marxismus. (...)

Durch diese selbständige Entwicklung ist es zu erklären, daß in der kubanischen Revolution mit einer Vielzahl stalinistischer Dogmen gebrochen wurde und sich der kubanische Arbeiterstaat in grundlegenden Elementen von den klassischen bürokratisch degenerierten Arbeiterstaaten des Ostblocks unterscheidet."

Diese Erklärung schlägt freilich Trotzkis Theorie der permanenten Revolution ins Gesicht. Bei der ganzen Betonung der "selbständigen Entwicklung" der Revolution als Beleg für den nicht in "klassische Kategorien" passenden Charakters des kubanischen Arbeiterstaats (wozu auch das Herabspielen des Einflusses des Stalinismus bei seiner wirklichen Entstehung gehört; dazu weiter unten) behauptet ihr nichts andere als daß eine Bewegung "in der Tradition des national-demokratischen Revolutionärs Josˇ Mart’", also eine (klein)bürgerlich nationalistische Kraft aufgrund des Drucks des objektiven Prozesses nicht nur einen proletarischen Staat, sondern sogar einen "nicht-degenerierten" schaffen könnte!

Trotzkis Theorie der permanenten Revolution ist damit jedenfalls nicht vereinbar: "Wie verschieden die ersten episodenhaften Etappen der Revolution in den einzelnen Ländern auch sein mögen, die Verwirklichung des revolutionären Bündnisses zwischen Proletariat und Bauernschaft ist nur denkbar unter der politischen Führung der proletarischen Avantgarde, die in der Kommunistischen Partei organisiert ist."

Zwar wurden die Trotzkisten nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Entstehung von Arbeiterstaaten unter Führung der Stalinisten konfrontiert. Diese waren jedoch von Beginn an bürokratisch degeneriert. Bei Euch - und ihr seid hier nicht die ersten, sondern steht in der schlechten Tradition von Pablo, Mandel, Hansen usw. - haben sich nicht-proletarische Kräfte als fähig erwiesen, einen im Kern gesunden Arbeiterstaat oder zumindest einen, in dem es keiner politischen Revolution gegen die Bürokratie bedarf, zu schaffen. Demzufolge kann eine erfolgreiche, genuine soziale Revolution auch durch eine Bewegung mit "jakobinischer Ideologie", die "eine Menge Erfahrung" sammelt, angeführt werden.

Doch wenn das in Kuba geht, warum nicht auch in Nikaragua, in Algerien oder sonstwo, wo tatkräftige Jakobiner am Werk waren oder sind, und noch eine "Menge Erfahrungen" machen können? Die kommunistische Avantgardepartei wird dann zum vielleicht wünschenswerten, keinesfalls aber notwendigen Instrument der erfolgreichen proletarischen Machtergreifung, zum Aufbau eines revolutionären Arbeiterstaats und zur Internationalisierung der Revolution. Wir lehnen diese grundlegende Revision des Trotzkismus - um genau die handelt es sich hier, Genossen! - ab - und zwar nicht, weil am Trotzkismus nicht gerüttelt werden darf, sondern weil er in Wirklichkeit durch die Geschichte der Bewegung des 26. Juli, die Entstehung des kubanischen Arbeiterstaates und seine Entwicklung bestätigt wird.

In seiner 1953 nach dem Angriff auf die Moncada-Kaserne gehaltenen Verteidigungsrede sprach sich Castro für die Wiedereinführung der Verfassung von 1940, die von Batista in einer kurzen Phase der Koalition mit der KP erlassen wurde, für eine auf große Ländereien begrenzte Landreform und für die Verstaatlichung der US-amerikanischen Elektrizitäts- und Telefongesellschaften aus.

Die Bewegung des 26. Juli selbst hatte nie ein klares Programm, nie eine Konferenz oder gewählte Führung. Sie war im wesentlichen ein militärischer Apparat zum Sturz Batistas. Und sie war eine Art Mini-Volksfront. Auf der Linken standen Raoul Castro und Guevara, die vom Stalinismus beeinflußt waren und insgeheim gegen den Sturz des Kapitalismus nichts einzuwenden hatten. Auf der Rechten standen Leute wie Hubert Matos und Faustino Perez, städtische Industrielle, die für finanziellen und Waffennachschub sorgten. Castro spielte schon damals den bonapartistischen Regenten über beide Flügel.

Alle Flügel der Bewegung des 26. Juli waren der stalinistischen PSP (Sozialistische Volkspartei) feindlich gesinnt, hatte diese doch wiederholt mit Batista paktiert und ihrerseits den Kurs Castros als "Abenteurertum" abgelehnt. Doch im Frühjahr 1958 kam es zu einer Richtungsänderung der PSP und im März 1958 zu einem Pakt zwischen Castro und der PSP. Die Bewegung des 26. Juli war eine Koalition zwischen bürgerlichen (Perez, Pais...) und proletarischen, wenn auch stalinistischen Kräften (PSP, Raoul Castro...).

Nachdem Batistas Offensive im Sommer 1958 fehlschlug, brach des Regime zusammen und ein Generalstreik führte zur kompletten Desintegration. Die Revolution brachte im Frühjahr 1959 eine Situation der Doppelmacht hervor.

Auf der Linken standen Raoul Castro, Guevara oder der PSP nahestehende Einheiten der Rebellenarmee, die, wo sie Kontrolle ausübten, daran gingen, unmittelbare Forderungen der Arbeiter (in erster Linie Landaufteilung) zu erfüllen. Wo die Bürgerlichen oder übergelaufene Offiziere (z.B. der Oberkommandierende der Luftwaffe Diaz Lanz in Camaguey) das Sagen hatten, wurde die Landreform gestoppt.

Diese Doppelmachtsituation war für die Bourgeoisie äußerst ungünstig, da sie militärisch schwächer war und ihre Hauptstütze eigentlich in der klassenkollaborationistischen Politik Castros lag. Castro schlug sich in diese Phase auf die Seite der Bourgeoisie. Die PSP wurde scharf attackiert. So demolierte die von Perez geführte "Bürgerwehr" Havannas die Büro der PSP-Zeitung "Hoy". Vor allem wurde der PSP vorgeworfen, Streiks für höhere Löhne zu ermutigen und in die Landbesetzung in San Louis involviert zu sein.

Die Jakobiner Castros hatten also zuerst gegen die, wenn auch reformistisch dominierte Arbeiterbewegung und für die Bürgerlichen zugeschlagen. Doch der Druck der Massen und die Feindschaft der Bourgeoisie und der USA erlaubten diesen Balanceakt nicht lange.

Zur Schlüsselfrage wird die Landreform respektive die Höhe der Entschädigung für Enteignungen. Eine Reihe von Ultimaten der USA zwingt Castro, schrittweise gegen offen bürgerliche Minister und Militärs vorzugehen, was zum Wirtschaftsembargo durch die USA im Oktober 1959 führt. Die Volksfront endet hier ebenso wie die Doppelmacht. Raoul Castro wird Verteidigungsminister, Guevara Chef der Bank von Kuba, was den Verbleib des Bürgerlichen Fresquet als Finanzminister mehr oder weniger bedeutungslos machte.

Das erforderte eine Wiederannäherung an die PSP. Die daraus entstehende Regierung war nach wie vor keine antikapitalistische, sondern vielmehr eine bürgerliche Arbeiter- und Bauernregierung. Aber sie war eine Arbeiter- und Bauernregierung unter recht außergewöhnlichen Umständen. Erstens hatte die Bourgeoisie die Macht über den bewaffneten Staatsapparat verloren und konnte sie somit nur über die bewaffnete Konterrevolution oder die offene Kapitulation wieder erringen. Zweitens bereitete die Bourgeoisie gemeinsam mit dem CIA den Bürgerkrieg vor. Drittens waren die Arbeiter und Bauern bewaffnet und damit ein Wall gegen jede offene Kapitulation und die Konterrevolution, auch wenn sie über keine alternative Führung zur PSP und zur Bewegung des 26. Juli verfügten.

Nun erst, im Sommer 1960, ging Castro gegen die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse vor. Die Regierung war aber auch nun keineswegs eine revolutionäre Arbeiterregierung, sondern eine bürokratische antikapitalistische Regierung, die jedoch stärker unter dem Druck der Massen als die osteuropäischen KPen nach 1945 (wenn auch mit der Ausnahme Jugoslawiens) standen.

Wir sehen also, daß die "Jakobiner" der Bewegung des 26. Juli nicht einfach durch den Druck der Geschichte einen "Arbeiterstaat mit bürokratischen Auswüchsen" schufen, sondern selbst zu einer stalinistische Kraft - über die Annäherung und schließliche Verschmelzung mit der PSP Š werden mußten, die erst fähig war, gegen die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, wenn auch auf bürokratische Art und Weise vorzugehen.

Die Fusion zwischen der Bewegung des 26. Juli und der kubanischen PSP zuerst zur "Integrierten Revolutionären Organisation" (Juli 61-Oktober 65) und dann zur KP Kubas hatte selbst einen ausgesprochen bürokratischen Charakter. Das ganze Gezeter Castros gegen das Sektierertum und den Bürokratismus der PSP-Leute hatte nur den Zweck, die Mehrheit der Bewegung des 26. Juli in der Führung der neuen KP zu sichern. Unter den ersten 100 Mitgliedern des Zentralkomitees hatten 72 militärische Titel, d.h. sie waren über die Führung von Castros Armee in ihre Funktion gekommen und treue Gefolgsleute des lider maximo. Diese "Dichte" von Offizieren in der politischen Führung der einzigen Partei des Landes zeigt, wie weit es mit der Arbeiterdemokratie in dieser Partei her war. Den ersten Parteitag hatte dieser Hort der Debatte, in der angeblich die "verschiedensten Positionen frei und heftig diskutiert" werden, in dem "das stalinistische Prinzip des Abtötens politischer Diskussion nicht existiert", überhaupt erst 1975!

Auch um die der Rede- und Organisationsfreiheit des Proletariats war es in Kuba nach der Revolution alles andere als rosig bestellt. Die Gewerkschaften wurden zu Organisationen zur Überwachung der Arbeitsnormen. Guevara selbst erklärte 1962, daß die Nachlässigkeit einiger Gewerkschaftsführer, neue Arbeitsnormen durchzusetzen, "nicht toleriert werden" würde. 1965 wurden dann auch Strafgesetze gegen den Bruch der Arbeitsdisziplin eingeführt.

Aber nicht nur gewerkschaftliches Aufbegehren und abweichende Stalinisten aus der PSP wurden in Kuba unterdrückt oder ins tschechische bzw. sowjetische Exil gezwungen. Selbst Eure eigene Sektion der Vierten Internationale, die "Vox Proletaria", und ihre Zeitung wurden 1961 verboten wie auch der Druck von Trotzkis "Permanenter Revolution", die die scheinbar zu Marxisten gewandelten Jakobiner unter dem Druck der Ereignisse angeblich gerade lernten. Die Anhänger Eurer Strömungen diskutieren ihre Meinung ab dann übrigens nicht "frei und heftig" in der Öffentlichkeit, sondern, wenn überhaupt, als "Konterrevolutionäre" gebrandmarkt im Gefängnis oder im Exil. Neben dem Verweis auf die Mandel-Guevara-Bettelheim-Diskussion vergeßt Ihr das ebenso wie die Tatsache, daß selbst Guevaras Bücher bis vor kurzem in Kuba nicht erhältlich waren.

Doch das tut dem nach Eurer Auffassung keinen Abbruch.

"Die Entwaffnung des Volkes und die Ersetzung der Arbeitermilizen durch bürokratisierte Militärapparate ist ein Grundelement der stalinistischen Bürokratie. Das gibt es nicht auf Kuba."

Dabei wird allerdings vergessen, daß die Miliz nach dem Invasionsversuch in der Schweinebucht bis 1964 abgebaut wurde. Die Kubanische Armee ist ebenso wie der Geheimdienst alles anders als nicht von der Bürokratie kontrolliert. Sie machen den Kern der bürokratischen Staatsmaschinerie auf Kuba aus - nicht imaginierte Arbeiter- und Bauernmilizen. Natürlich sind auch heute noch weite Teile der Bevölkerung Mitglieder der "Komitees zur Verteidigung der Revolution" (die ihre Waffen übrigens über und durch die Armee erhalten), doch die bloße Ausgabe von Waffen an relativ große Bevölkerungsteile sichert noch keineswegs eine Kontrolle durch die Werktätigen. Das zeigen selbst bürgerliche Staaten wie die Schweiz oder andere degenerierte Arbeiterstaaten wie Jugoslawien, wo ebenfalls ein Großteil der Bevölkerung bewaffnet war (und diese Waffen heute auch einsetzt).

Wenn der Waffenbesitz als solches die Bürokratie wirklich in Zaum halten würde - wie ist es dann zu erklären, daß die kubanischen Massen das Verbot gewerkschaftlicher Organisierung und jeder ökonomischen Forderung in joint ventures und in der Tourismusbranche hinnehmen oder jedenfalls hinzunehmen gezwungen sind, dort für Löhne unter dem Niveau Mexikos (!) arbeiten zu müssen? Wie kommt es, daß dieses Volk nicht gegen die zahlreichen reaktionären Gesetze in der Tourismusbranche, durch die die Kubaner und Kubanerinnen von den schönsten Plätzen und Stränden ihres Landes ausgesperrt werden, aufbegehrt? Der bloße Besitz von Waffen garantiert durch ein von jeder unabhängigen Organisierung ausgeschlossenes Volk eben keine Kontrolle über die Bürokratie.

Aber, so fragt ihr weiter, wie ist es zu erklären, daß "nie aufgehört worden ist, die Ausweitung der Revolution in einzelne Länder zu unterstützen"? Gegenfrage: Wo wurde sie verfolgt?

Das einzige Beispiel, das sich hier noch am ehesten anführen läßt, ist der Aufbau castroistischer bzw. guevaristischer Guerrillas Mitte bis Ende der 60er Jahre in Lateinamerika. Doch die Guerillastrategie selbst ist keine Strategie des revolutionären Proletariats, sondern des Kleinbürgertums.

Im übrigen war selbst das nur eine Episode der kubanischen Außenpolitik. Die angebliche internationalistische Pflicht, die Kuba in Angola, Äthiopien und sonstwo verfolgte, war im wesentlichen eine Politik im Interesse und Auftrag der sowjetischen Bürokratie. Nebenbei bemerkt, haben hier die DDR und andere "ganz degenerierte Arbeiterstaaten" nicht viel weniger geleistet. Die Unterstützung Nordkoreas oder Vietnams durch die SU unterschied sich in keiner Weise vom kubanischen Internationalismus. Die Unterstützung solcher Regime oder Befreiungsbewegungen im Kampf gegen den Imperialismus oder von ihm unterstützte reaktionäre Kräfte war immer den strategischen Bedürfnissen der sowjetischen Bürokratie untergeordnet, die dafür Sorge trug, daß sie nicht aus ihrer Kontrolle gerieten.

An dieser Stelle dürfen Trotzkisten nie vergessen, daß die kubanischen Armee-Einheiten in Angola auch gegen linke "Abweichler" der MPLA und in den von ihr kontrollierten Gewerkschaften vorgingen. Worin bestand der Internationalismus der kubanischen Truppen, als sie mit der äthiopischen Regierung gegen die sich ebenfalls marxistisch-leninistisch nennende Befreiungsbewegung in Eritrea vorgingen?

Worin bestand der Internationalismus Castros, als er den Einmarsch der sowjetischen Truppen in der CSSR 1968 unterstützte und das Massaker in Peking 1989? War die Unterstützung, nicht der permanenten Revolution und der Diktatur des Proletariats, sondern der Volksfront in Chile ein Zeichen dafür, daß "nie aufgehört worden ist, die Ausweitung der Revolution in einzelnen Ländern zu unterstützen"? Wo war seine Perspektive der proletarischen Revolution in Nikaragua?

Nein, Genossen und Genossinnen, Castro hat keinen Bruch mit der stalinistischen Konzeption des Aufbaus des Sozialismus in einem Land vollzogen, er hat keinen Bruch damit vollzogen, auf internationaler Ebene auf eine Politik der "friedlichen Koexistenz" zu setzen.

Die Bürokratie wurde nicht erst seit Mitte der 70er Jahre ein Problem, sondern war es von Beginn der kubanischen Revolution an. Daher mußten Trotzkisten von Beginn an ein Programm der politischen Revolution verfechten und den Aufbau einer eigenen revolutionären Partei vorantreiben. Für Euch und für das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale war das offenkundig nicht notwendig.

Eure aktuelle Position scheint uns freilich ganz unklar.

"Seitdem (Mitte der 70er Jahre) stellt die Bürokratie eine zusätzliche Gefahr für das Überleben der kubanischen Revolution dar.... Heute vertritt sie die Politik einer wirtschaftlichen und politischen Annäherung an den Kapitalismus."

In letzterem Punkt unterscheidet Ihr Euch von Hans Jürgen Schulz, der auch noch diesen Ausverkauf als "alternativlos" darstellt (auch wenn der Artikel von Schulz "Cuba - vor der Entscheidung" in Avanti 41, September 1994 die Realität der bürokratischen Unterdrückung weitaus ungeschminkter zum Ausdruck bringt, dafür aber im Grunde um so widersprüchlicher gerät).

Doch wenn die Bürokratie eine Gefahr für die Revolution geworden ist, was bedeutet das für Revolutionäre? Müßten sie auf eine revolutionäre Gesundung der KP hinarbeiten? Wenn ja, auf welchem Programm, einem guevaristischen oder einem trotzkistischen? Müßte dann nicht auf alle Fälle eine revolutionäre Fraktion in der KP aufgebaut werden? (Was ja, nehmt Ihr Eure eigene Auffassung über die Freiheit politischer Debatte in Kuba ernst, jedenfalls kein legales Problem sein dürfte.)

Der ganze Schleier, des qualitativen Unterschieds des kubanischen Arbeiterstaats würde sich bei jedem ernsthaften Versuch in diese Richtung lichten. Es bliebe nichts davon übrig.

Was ist die PKK?

Einen ähnlichen Fehler, den Ihr in der Einschätzung der kubanischen Revolution hinsichtlich des Castroismus begeht, macht Ihr auch bei der PKK.

Vorweg wieder: Die Frage der bedingungslosen Verteidigung der PKK gegen den bürgerlichen Staat - sei es in der BRD wie in der Türkei - steht außer Frage.

Die Frage ist vielmehr, was ist die PKK selbst?

In Euren Publikationen kommt unter dem Strich nur eine Sache raus: "eine revolutionäre Organisation".

Doch welche? Ist die PKK eine proletarisch-revolutionäre Partei? Wenn ja, dann müßte schleunigst Ihre Vereinigung mit der Vierten Internationale vorangetrieben werden. Die Veröffentlichungen in Avanti sagen dazu nichts, wie im übrigen auch gar nichts zur türkischen Sektion des VS und deren Haltung zur PKK usw. Warum wird die Arbeit dieser Sektion in den Seiten von Avanti verschwiegen?

Die Artikel in Avanti beschäftigen sich zudem nicht mit der Strategie der PKK, sondern im wesentlichen nur mit Einstellungen der deutschen Linken zum kurdischen Befreiungskampf.

Es gibt jedoch keine Kritik an der Etappentheorie, die die PKK im nationalen Befreiungskampf verficht, keine Kritik an ihrem stalinistischen Organisationsaufbau und ihrer stalinistischen Ideologie, die sich nicht zuletzt auch in einigen Mystifikationen niederschlägt.

In diesem Zusammenhang wollen wir Euch nur auf einige Elemente der PKK-Politik der letzten Jahre hinweisen. In einem Bericht über die internationale Kurdistankonferenz im Kurdistan Report vom März/April 1994 schreibt der Autor:

"Die Guerrillas der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) kontrollieren inzwischen mehr als 80% der kurdischen Gebiete in der Türkei-Kurdistan. In Syrien wird sie von 90% der Bevölkerung unterstützt. In Iran und Irak sympathisiert mehr als 50% der Bevölkerung mit der PKK."

Besonders interessant daran ist die Behauptung der großen Unterstützung von 90% der syrischen Kurden und Kurdinnen. Die PKK hat einige ihrer Ausbildungslager in diesem Land. Diese freilich nicht aufgrund eigener militärischer Stärke, sondern weil sie nie offen gegen die Unterdrückung der Kurden und Kurdinnen in Syrien aufgetreten ist - obwohl sie von sich behauptet, als einzige Partei die nationale Frage für ganz Kurdistan (also auch den syrischen Teil) zu verfechten. Die Unterstützung für die PKK im irakischen und im iranischen Teil Kurdistans dürfte ebenfalls einigermaßen übertrieben sein und ist nicht zufällig mit dem Terminus "Sympathie" umschrieben.

Aber auch die Sichtweise der kurdischen Nation durch die PKK kommt vielmehr einer Mystifizierung als einer marxistischen Analyse gleich. In dem Artikel "Die nationale Frage im Allgemeinen und die nationale Befreiungsbewegung Kurdistans" schlägt sich der Autor mit dem bekannten Problem herum, warum der kurdische Befreiungskampf in diesem Jahrhundert keinen einheitlichen, über die von den Kolonialmächten gezogenen Grenzen hinausgehenden Charakter annahm. Der Autor führt dies auf das Problem ihrer Führungen (Großgrundbesitzer, vorkapitalistische Klassen und die Integration der Handelsbourgeoisie in ihren jeweiligen Nationalstaaten) zurück.

Das stimmt natürlich. Doch was war und ist die materielle Basis dafür, daß in einem ganzen Jahrhundert praktisch keine all-kurdische Nationalbewegung zustande kam? Worin liegt die materielle Basis, daß die feudalen, bürgerlichen, kleinbürgerlichen und stalinistischen Führungen des kurdischen Befreiungskampfes, der oft erbittert geführt wurde, ihre Perspektive nicht (oder bestenfalls episodisch) in der Entstehung eines einheitlichen kurdischen Nationalstaats, sondern vielmehr in der Errichtung eigener Staaten oder der Erringung von mehr Autonomie innerhalb schon existierender Nationalstaaten sahen? Es liegt daran, daß es die ökonomische Basis dazu nicht gab, da die koloniale und halbkoloniale Teilung Kurdistans zur partiellen Integration in die Ökonomien anderer Staaten und Reiche führte, was sich nicht zuletzt auch in unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklung, Entwicklung des Klassenverhältnisses aber auch z.B. des Alphabets niederschlug.

Für die PKK ist es jedoch eine Geschichte der Verschwörungen anderer Parteien, nicht die Widerspiegelung eines behinderten, ja verhinderten Nationswerdungsprozesses einer gesamtkurdischen Nation in der Politik dieser reaktionären Führungen.

Die PKK präsentiert sich gern als Anwalt dieser verratenen gesamtkurdischen Nation, die sie in ihren Zeitschriften auf ganz und gar nicht marxistische Weise bis hin ins Mederreich zurückverfolgt.

Es ist auch falsch, wenn die PKK meint, daraus, daß die Kurden nie ein Unterdrückervolk waren, schließen zu können, daß es nie "zum Nationalismus neigen sollte". Schließlich hat das auch verschiedene kurdische Stammesfürsten nicht daran gehindert, 1915 im Auftrag Kemal Attatürks ein Pogrom an den Armeniern anzurichten.

Diese Betonung der hehren Geschichte der kurdischen Nation und des Versagens der feudalen und bürgerlichen Klassen, ihre Befreiung zu erringen, führt dazu, daß die PKK dem nationalen Befreiungskampf eine linke, scheinbar proletarisch-revolutionäre Strategie verpaßt.

Der nationale Befreiungskampf hat für sie auch eine "soziale und Klassenperspektive", einen "fortschrittlich-revolutionären Charakter" inklusive des "Ideals einer großen Föderation der Völker des Ostens". Die PKK vertritt jedoch nicht die Perspektive eines auf Rätemacht und Arbeitermilizen basierenden kurdischen Arbeiterstaats als Teil einer Föderation von Arbeiterstaaten des Nahen Ostens. Das kommt bei aller Betonung des Kampfes gegen den Imperialismus und des proletarischen Internationalismus nicht vor. Die Losung lautet nicht von ungefähr: "Alles für ein freies und unabhängiges Kurdistan!"

Das spiegelt sich auch in dem Artikel "Die nationale Frage im Allgemeinen ..." wider:

"Das nationale Potential, auf das sich die PKK stützt, ist die Arbeiter- und Bauernschaft, sind die armen Schichten. Die Macht der Zukunft stützt sich auf die Basis dieser Schichten bzw. ihrer Ideologie. Wir sehen, daß in den letzten Jahren zunehmend Geschäftsleute und andere kleinbürgerliche Schichten und sogar die Mittelschichten von unserem Kampf beeinflußt werden oder sich ihm anschließen. (...)

Vielleicht beteiligen sich einige von ihnen nur aus nationalen Interessen am Kampf, durch die Haltung der PKK zur sozialen und zur Klassenfrage erfahren sie eine Veränderung ihrer Einstellung."

Hier zeigt sich der ganze Idealismus dieser Vorkämpfer der "sozialen Frage". Die Einstellung ganzer Klassen wird nicht mehr durch ihrer ökonomischen Interessen, sondern durch die Haltung der PKK zur sozialen und Klassenfrage bestimmt. Da wundert es auch nicht weiter, daß die sozialen Interessen von Proletariat und Bauernschaft ohnehin nur noch als ewig deckungsgleich dahermarschieren können.

Dahinter verbirgt sich, daß sich die PKK in Wirklichkeit in ihrem Kampf vielmehr auf die Bauernschaft und die ländliche Armut stützt, als auf das Proletariat. Es ist auch keine Zufall, daß der ländliche Guerillakampf das Schwergewicht ihrer Kampf- und Organisationsbemühungen ausmacht und nicht die Organisierung des kurdischen Proletariats in den türkischen Industriestädten wie Izmir, Ankara usw. Diese eigentliche Avantgarde des demokratischen und nationalen Kampfes ist für die PKK in Wirklichkeit ein Hilfstrupp für ihrer Guerillaarmee, die stellvertretend für die Arbeiterklasse die Befreiung bringen soll.

Diese ist in keiner Weise von den Massen kontrolliert, muß in keinem arbeiterdemokratischen Forum Rede und Antwort stehen. Es ist eine bürokratische, abgehobene und elitäre stalinistische Clique vergleichbar der chinesischen oder vietnamesischen KP vor der Machtergreifung oder dem Sendero Luminoso in Peru, auch wenn sie um einiges rationaler und weniger sektenhaft wirkt als letztere Gruppierung.

Das heißt natürlich auch, daß ein Verrat der PKK und ein Arrangement mit der türkischen Regierung keineswegs aufgrund des politischen Charakters der PKK auszuschließen ist. Schon im Krieg gegen den Irak hatte die PKK keine anti-imperialistische Position, sondern eine defätistische auf beiden Seiten eingenommen. Auf oben genannter Kurdistankonferenz wurde auch ein "überraschendes Lösungspaket des PKK-Generalsekretärs Abdullah Öcalan" präsentiert, in dem er "die Bereitschaft zum Dialog mit dem türkischen Staat bekundet":

"1. Wir sind offen für alle Lösungsvorschläge und mögliche Schritte, die von Regierungen und internationalen Organisation unternommen werden.

2. Wir erklären erneut unmißverständlich, daß wir nicht unbedingt für die Teilung der Türkei sind. Ich betone, daß die Propaganda, die in diese Richtung gemacht wird, nicht die Realität wiedergibt.

3. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß wir für einen Dialog bereitstehen, wenn in einem demokratischen Rahmen und auf Basis des Selbstbestimmungsrechtes unseres Volkes Beschlüsse gefaßt werden. Für konkrete Lösungsvorschläge sind wir immer offen gewesen und haben uns nie davor gesperrt. Deshalb sind wir bereit für die Diskussion aller Alternativen, auch der Föderation.

4. Wir werden uns nicht davor scheuen, auf einen beiderseitigen Waffenstillstand und Gespräche über Lösungsalternativen einzugehen, wenn diese unter internationaler Beobachtung stattfinden. Wir werden kein Hindernis darstellen.

5. Das wichtigste ist jedoch, daß ich jetzt schon zusichern will, daß wir alle Beschlüsse der Konferenz über Lösungsmöglichkeiten akzeptieren werden. Wenn die Grundlage für eine politische Lösung und freie politische Aktivitäten gegeben ist, werden wir ebenso Schritte zu einer Beendigung des bewaffneten Kampfes unternehmen."

Ein bemerkenswertes Angebot für den mit allen Weihen des Personenkults inthronisierte Führer einer "revolutionären Partei". Es ist natürlich möglich, das ganze wie der bayerische Verfassungsschutz als Trick eines "Terroristen" abzutun. Doch das ist Unfug. Es spiegelt vielmehr den politischen Charakter der PKK wider. Es zeigt, daß die PKK kein Garant der permanenten Revolution in Kurdistan, sondern ihr Totengräber ist.

Natürlich, sie kämpft, sie wird verfolgt. Doch der Heroismus der Kämpfer, so bewundernswert er für sich ist, bestimmt nicht den politischen Charakter einer Partei. Wenn wir dieses Kriterium anwenden würden, so wären auch die KP im spanischen Bürgerkrieg und die internationalen Brigaden usw. "revolutionäre Kräfte" gewesen. Es gibt keine "unbewußten" Revolutionäre, keine proletarisch-revolutionären Führungen wider Willen und ohne Bewußtsein davon.

Selbst die zentristische POUM, die, wir denken darauf können wir uns einigen, Trotzki und der ILO tausendmal näher stand als die PKK, wurde von Trotzki nicht als "revolutionäre Kraft", sondern als zentristisches Hindernis, ja in einer bestimmten Phase als "Haupthindernis" für die spanische Revolution bezeichnet. Natürlich hat das nichts an der Solidarität mit der POUM gegen die Faschisten wie auch gegen die Verfolgung durch die Republik, die Sozialdemokraten und Stalinisten geändert. Aber diese Solidarität darf in keinem Moment die Tatsache vergessen machen, daß eine reformistische oder zentristische politische Partei, wie bedrängt sie vom Staat auch immer sein mag, niemals ein Ersatz für die proletarische Avantgardepartei sein kann, daß Revolutionäre niemals auf die Kritik an der Halbherzigkeit, an den Schwankungen und am (drohenden) Verrat durch diese Kräfte verzichten dürfen. Alles andere heißt, diesen Kräften selbst ein revolutionäres Deckmäntelchen umzuhängen, das der Realität nicht entspricht und die Avantgarde (oder Elemente davon) nur verwirren kann.

Wir wollen es hierbei belassen.

Wir denken jedoch, daß die bisherigen Differenzen eine wichtige Gemeinsamkeit haben, nämlich die des Verhältnisses zwischen der revolutionären Partei und anderen Strömungen innerhalb der Arbeiterklasse. Das spiegelt sich unserer Meinung nach in zwei Punkten wider. Erstens darin, daß Ihr oft nicht-proletarischen Organisationen des Etikett "revolutionär" umhängt. Zweitens in einer Unterbewertung des Programms und seiner Rolle für den Aufbau einer Partei zugunsten relativ allgemeiner und abstrakter Gegenüberstellungen.

Diese beiden Themen wollen wir in einem weiteren Brief detaillierter behandeln. Wir freuen uns jedenfalls schon auf eine Antwort auf unserer Schreiben. Auch wenn der Ton mitunter recht scharf gehalten ist, so denken wir, daß es besser ist, inhaltliche Differenzen zuzuspitzen, statt sie mit allgemeinen Erwägungen über Prinzipien, unter denen sich jeder vorstellen kann, was er will, zuzudecken.

Mit kommunistischen Grüßen
Gruppe Arbeitermacht
März 1995

 

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