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Zentrismus und Stalinismus

Die Verfälschung der Analyse Trotzkis

Die Vierte Internationale nach dem Krieg

Zwischen der Europäischen Konferenz 1944 und dem Dritten Weltkongreß 1951 entwickelten weder eine Sektion der Vierten Internationale, noch irgendwelche Tendenzen innerhalb der Sektionen eine korrekte Einschätzung der Rolle des Weltstalinismus in Osteuropa. Bis zum Zweiten Weltkongreß 1948 schloß dies nicht aus, daß die Vierte Internationale eine Reihe bedeutender Einsichten in die Natur und Rolle des Stalinismus gewann. Noch führte es zur Aufgabe der trotzkistischen Analyse vom Stalinismus als konterrevolutionär. Unter dem Eindruck des Bruchs Stalin-Tito 1948 jedoch sollten die Irrtümer in eine qualitative Revision des trotzkistischen Verständnisses vom Stalinismus verstärkt und ausgedehnt werden.

Die Resolutionen der Versammlungen der Vierten Internationalen von 1944 und 1946 begingen zwei miteinander verbundene Irrtümer zu Stalinismus und Osteuropa: Einerseits unterschätzten sie die konterrevolutionäre Rolle des Kreml in Osteuropa; andererseits überschätzten sie die Instabilität des Stalinismus und das Potential für seine revolutionäre Niederlage, die ihm durch die Arbeiterklasse versetzt werden konnte. Die Perspektive der kommenden "Totenglocke" für den Stalinismus, mit der die Trotzkisten in den Krieg eintraten, blieb weiterhin nach dem Krieg unverändert in Kraft. In den vom Kongreß 1944 verabschiedeten Thesen erklärte die Vierte Internationale: "Der Krieg, der die Widersprüche der russischen Wirtschaft unerträglich verschärfte, hat die Totenglocke für die unausweichliche Auslöschung der bonapartistischen stalinistischen Bürokratie geläutet. Letztere ist unausweichlich dazu bestimmt, zu verschwinden, entweder unter den Schlägen des Weltimperialismus oder unter denen der proletarischen Weltrevolution."

Dieser Perspektive wurde von den Ereignissen in Rußland selbst, in der Pufferzone, Italien, Griechenland und Frankreich widersprochen. Die Vierte Internationale weigerte sich jedoch in ihren späteren Thesen, ihre ursprüngliche Perspektive aufzugeben oder partiell zu korrigieren. Obwohl die Vierte Internationale die konterrevolutionäre Rolle, welche die Rote Armee spielte, indem diese die unabhängigen Massenkämpfe demobilisierte, anerkannte, erweckte sie konsequent die Idee, diese Kämpfe würden den Stalinismus schnell aus dem Weg räumen. Trotzkis Behauptung, "die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte seien stärker als der bürokratische Apparat" (auf generellem Niveau wahr), wurde benutzt, um eine Prognose für die unmittelbare Zukunft zu rechtfertigen. Diese Prognose ließ sowohl die subjektiven Schwächen der Massen (Fehlen revolutionärer Parteien) wie die objektiven Schwierigkeiten (wie die Waffenstärke der sowjetischen Bürokratie und ihr erhöhtes Prestige nach der Niederlage des Nazismus) außer acht. Kurzum, es war eine falsche Prognose. Die Weigerung, dies anzuerkennen, verführte die Vierte Internationale dazu, die in der Pufferzone stattfindenden "revolutionären" Entwicklungen zu überschätzen. 1946 argumentierte die Vierte Internationale:

"Die sowjetische Besatzung und Kontrolle haben dem Bürgerkrieg und der Herausbildung eines Regimes der Doppelmacht Anschub verliehen, obwohl in unterschiedlichen Ausmaßen."

Das war unwahr. Die Besatzung verhinderte die Entwicklung des Bürgerkriegs und gebot ihm Einhalt. Darüber hinaus bestand das Regime der Doppelmacht aus den Stalinisten und der Bourgeoisie, nicht aus den Stalinisten und unabhängigen Arbeiterorganisationen.

Dieser Irrtum der Vorhersage hatte keine unmittelbare programmatische Konsequenz. Die programmatischen Doktrinen des Trotzkismus galten in der Vierten Internationalen immer noch als gültig. Die Thesen von 1944 und 1946 rufen klar und eindeutig zum revolutionären Umsturz der stalinistischen Herrschaft und kapitalistischen Wirtschaft Osteuropas auf, zum Aufbau unabhängiger Sektionen der Vierten Internationalen, um solche Umstürze anzuführen. In einer Resolution des Internationalen Exekutivkomitees, veröffentlicht in der Ausgabe der Fourth International vom Juni 1946, machte die Vierte Internationale ihre Weigerung deutlich, mit dem Stalinismus Kompromisse einzugehen:

"Die Vierte Internationale verlangt den Rückzug aller ausländischen Armeen, einschließlich der Roten Armee, aus allen besetzten Gebieten."

Weiter hielt die Vierte Internationale ein Programm aus Übergangsforderungen für Ost und West hoch, das für politische Revolution, Verteidigung der UdSSR und den Sturz des Kapitalismus in der Pufferzone und dem Westen durch unabhängige Organisationen der Arbeiterklasse unter trotzkistischer Führung eintrat.

Das Problem der strukturellen Assimilierung

Die Führung der Vierten Internationalen, besonders Germain, trieb eine Analyse der osteuropäischen Länder als kapitalistische Staaten voran; aber solcher, die möglicherweise in die Sowjetunion hinein "strukturell assimiliert" würden. Damit meinte Germain, daß die Staaten der Pufferzone unter bestimmten Bedingungen geographisch in die UdSSR integriert und gleichzeitig ökonomisch transformiert werden könnten - von kapitalistischen zu degenerierten Arbeiterstaaten wie die UdSSR. Aber Germain, dogmatisch an Trotzkis Analyse der bürokratischen gesellschaftlichen Umwälzung vor dem Krieg in Ostpolen klebend, bestand darauf und hielt aufrecht, daß die Vorbedingung für die "strukturelle Assimilierung" die unabhängige Intervention der Massen sei.

"Aber um ein bestehendes Gebiet vollständig anzugleichen, d.h. die Gutsbesitzer und Kapitalisten als Klasse zu enteignen und zu zerstören, ist die Bürokratie gezwungen, - wenn auch begrenzt und mit dem Ziel, sie immer zu kontrollieren und wenn nötig zu zerschmettern - zur autonomen Aktion der Massen aufzurufen. Exakt aus diesem Grund und genau weil die Bürokratie die autonome Aktion der Massen wie die Pest fürchtet, wird sie unter anderem unfähig sein, die Assimilierung zu vervollständigen außer auf relativ beschränkter Stufenleiter."

Während solche Massenintervention (frei von stalinistischer Kontrolle) eine Bedingung für die Schaffung eines gesunden Arbeiterstaats ist, ist das als allgemeine Regel für die Bildung degenerierter Arbeiterstaaten unnötig. Jedoch näherte sich Germain dem Problem nur auf einer generellen Ebene. Er ignorierte den spezifischen Charakter der Pufferzone - Störung des Zusammenhangs mit dem Weltmarkt, Dezimierung der einheimischen Kapitalisten, Kontrollmonopol der Stalinisten über den Unterdrückungsapparat, demobilisierte Arbeiterklasse -; alles war entscheidend, um eine Umwälzung des Kapitalismus ohne Intervention der Massen zu erleichtern.

Unter den Begleitumständen, wo, wie Germain zutreffend feststellt, die grundlegenden außenpolitischen Ziele des Kremls in der Schaffung einer militärischen Pufferzone bestanden, um den "Sozialismus in einem Land" wiederaufzubauen, erschienen seine Thesen plausibel. Als sich jedoch nach 1947 die Bedingungen dramatisch änderten und Moskau gezwungen war, Umwandlungen in der Pufferzone durchzuführen, um die Pläne der Imperialisten zu kontern, bewies Germains Festhalten an seinen Vorbedingungen für eine Ablösung des Kapitalismus, daß seine Theorie ein starres und nutzloses Dogma war. Um 1948 wurde es offensichtlich, entwaffnete Germain in der Jugoslawienfrage und trieb ihn zur Unterstützung von Pablos Revision der trotzkistischen Position 1951.

Germains Beharren auf der Notwendigkeit von Massenmobilisierungen parallel zur Umwälzung besaß einen definitiv opportunistischen Kern. Geknüpft an die Prognose des unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs des Stalinismus, war diese Analyse der Grund, warum die Vierte Internationale ständig die Entwicklung solcher Mobilisierungen erwartete und vorwegnahm. Außerdem wurde zugestanden, solche Mobilisierungen könnten zu einer Wende in der Politik der Kommunistischen Parteien selbst führen: "All diese Länder, einschließlich Jugoslawien, werden jedoch einem besonders großen Druck seitens des Imperialismus ausgesetzt sein. Es ist in diesem Fall nicht auszuschließen, daß die Kommunistischen Parteien sich fest auf die revolutionären Erwartungen der Massen stützen, sich vorwärtsbewegen und die Überbleibsel bürgerlichen Eigentums und bürgerlicher Macht abschaffen werden."

Solche Entwicklung, so glaubte man, könne nur die Krise des Stalinismus bezeugen. Als jedoch die Vierte Internationale diese Vorhersage in der Praxis auf den Bruch Stalin-Tito anwandte, bestand sie darauf, daß Tito sich vom Stalinismus abgespalten habe. Dadurch glaubten sie, ihre Voraussage zu revolutionären Erhebungen sei erfüllt worden. Dieser Glaube hatte ernste Folgewirkungen für die revolutionäre Integrität der Vierten Internationalen. Der Kongreß 1948 und dessen Resolution "Die UdSSR und der Stalinismus" tat wenig, die Vierte Internationale vor diesen Konsequenzen zu behüten. Tatsächlich kodifizierte er nur alle früheren perspektivischen Irrtümer. Die Thesen schilderten detailliert die konterrevolutionäre Rolle des Kreml in den verflossenen Jahren, beharrten aber immer noch auf den gleichen künstlichen Vorbedingungen für die Durchführung bürokratischer sozialer Revolutionen wie zuvor (Notwendigkeit von Massenmobilisierungen und geographische Assimilierung). Sie hielt ihre fundamental irrtümliche Perspektive in Bezug auf die Krise des Stalinismus aufrecht. Zu keinem Zeitpunkt zwischen 1944 und 1947 machte die Vierte Internationale bei der Analyse Osteuropas für Jugoslawien eine Ausnahme.

Tito-Stalin Bruch

Nach 1948 zog die Liquidierung der kapitalistischen Ökonomien in Osteuropa und der Tito-Stalin-Bruch die Vierte Internationale-Führung in Richtung weiterer Neuüberprüfung des Charakters des Stalinismus. Die Thesen von 1948 stellten fest, indem sie Stalinismus eng definierten als die Unterordnung jeder KP unter die Interessen des Kreml: "unter stalinistischer Führung haben sie sich in Organisationen verwandelt, deren einzige Funktion darin besteht, den diplomatischen Manövern der Sowjetbürokratie zu dienen." (Unsere Hervorhebung) Die Vierte Internationale schlußfolgerte, der Bruch Tito-Stalin bedeute, daß die KPJu aufgehört habe, stalinistisch zu sein. Unfähig oder unwillig, anzuerkennen, daß der Stalinismus sich selbst treu bleibt, selbst wenn er sich entlang nationalistischer, sozialpatriotischer Linien entzweit, benützte die Vierte Internationale den Bruch, um die Ereignisse in Jugoslawien von 1943 an neu zu deuten. Die Vierte Internationale sah den Bruch als Bestätigung ihrer Perspektive bezüglich der Krise des Stalinismus an. Sie betrachtete ihn als jüngsten Ausdruck eines Bruchs mit dem Stalinismus, der effektiv vollzogen wurde, als man von der KPJu 1945 berichtete, sie habe - unter Druck - die Massen in einer unverfälschten proletarischen Revolution angeführt, die den Kapitalismus erfolgreich stürzte und einen "deformierten" Arbeiterstaat schuf, in dem es keiner politischen Revolution bedurfte.

Michel Pablo war der hauptsächliche Anwalt dieser Position. Im August 1948 begann Pablo zögerlich die Grundlagen für seine Revisionen des Trotzkismus bezüglich der jugoslawischen Frage zu legen. Im Artikel "Die jugoslawische Affäre" behauptete er: "Im Gegensatz zu allen anderen Kommunistischen Parteien in der 'Pufferzone', die ihre Macht dank direkter Unterstützung durch den Kreml und die Rote Armee erhielten, führte die Jugoslawische Kommunistische Partei (KPJu) während des Kriegs eine wirkliche Massenbewegung mit spürbaren kommunistischen Tendenzen an, die sie an die Macht brachte." Die revolutionären Tendenzen der Massen hatten der KPJu einen speziellen Charakter verliehen. In diesem Stadium behauptete Pablo nicht, die KPJu sei bis jetzt noch zentristisch. Er unterstellte jedoch, daß ihre Unabhängigkeit von Moskau der KPJu als ganzer die Möglichkeit verleihe, mit dem Stalinismus zu brechen und damit die Notwendigkeit für eine neue trotzkistische Partei in Jugoslawien überflüssig zu machen. Seine programmatischen Schlußfolgerung in diesem Artikel war die, daß die Vierte Internationale auf die KPJu Druck zur Selbstreform auszuüben versuchen sollte.

Im September 1949 bezeichnete Pablo korrekt Jugoslawien als Arbeiterstaat, indem er an sein falsches Verständnis vom Potential für eine Selbstreform der KPJu anknüpfte. Seine Definition als deformierter Arbeiterstaat war grundlegend falsch. Indem er diesen Begriff benutzte, implizierte Pablo, daß die bürokratische Deformation des jugoslawischen Arbeiterstaats nur quantitativ sei. Das hieß, die politische Macht läge bis zu einem gewissen Ausmaß in den Händen der Arbeiterklasse: "Innerhalb dieses Rahmens eines Arbeiterstaats , der in diesem Sinn definiert ist, kann langfristig ein teilweiser bürgerlicher Inhalt sowohl in der Sphäre der Verteilungsnormen als auch in verschiedenen Aspekten der politischen Macht eingedämmt werden."

Solch eine Formulierung ist ebenso für einen gesunden Arbeiterstaat gültig. Er wird bürgerliche Merkmale in seiner Wirtschaft und seinem politischen Überbau einschließen. Was aber einen gesunden Arbeiterstaat oder selbst einen Arbeiterstaat mit bürokratischen Deformationen unterscheidet, ist, daß die politische Macht bei der Arbeiterklasse oder in den Händen einer revolutionären Partei liegt, nicht in den Händen einer konsolidierten, gegen die Arbeiterklasse gerichteten, bürokratischen Kaste mit ihren eigenen distinkten Interessen. Die Existenz einer solchen Kaste, und klarerweise existierte eine in Jugoslawien, signalisiert einen qualitativen Unterschied zwischen einem gesunden und einem degenerierten Arbeiterstaat und erfordert im letzten Fall eine politische Revolution, um die politische Macht in die Hände der Arbeiterklasse zurückzugeben. Das Versäumnis, diese Unterscheidung zu machen, führte Pablo zuerst dazu, die Frage der politischen Revolution in Jugoslawien zu verwischen und später den Aufruf dafür komplett aufzugeben. Statt dessen forderte Pablo nur die Weltrevolution als Mittel des allmählichen Abtragens der materiellen Grundlage (Rückständigkeit) für bürokratische Deformationen in Ländern wie Jugoslawien. Im Februar 1950 argumentierte er deshalb: "zwischen Kapitalismus und Sozialismus wird es eine ganze historische Periode und Skala von Übergangsregimen geben , die - während sie aufhören, kapitalistisch zu sein, verschiedene Entwicklungsgrade im Verhältnis zueinander wie zum Sozialismus aufweisen werden, in denen der Staat (Staatsapparat) mehr oder weniger von der Bürokratie deformiert sein wird; in welchen die (deformierten) Gesetze des Kapitalismus im einen oder anderen Ausmaß weiterhin wirken und in denen all diese Schwierigkeiten und Hindernisse nur durch die Ausdehnung der Revolution auf den Weltschauplatz überwunden werden."

Nicht nur wurde das Programm der politischen Revolution in dieser Formel irrelevant gemacht, sondern auch das marxistische Programm für den Kampf gegen die Bürokratie in der Übergangsperiode.

Pablo vertiefte diese Irrtümer durch die Behauptung, angesichts der vorliegenden Erfahrung in Jugoslawien und mit der KPJu (einer stalinistischen Partei, die unter dem Druck der Massen sich in eine zentristische Partei verwandelte) könne der Stalinismus generell durch solchen Druck transformiert werden. So argumentierte er in seinem Bericht an den Kongreß der Vierten Internationale 1951: "Wir haben klargestellt, daß die KPen nicht exakt reformistische Parteien sind und daß unter gewissen Ausnahmebedingungen sie die Möglichkeit besitzen, eine revolutionäre Orientierung einzuschlagen."

Pablos Positionen zu Jugoslawien wurden von der Vierten Internationalen 1951 auf ihrem Dritten Weltkongreß angenommen. Sie wurden von allen größeren Sektionen und führenden Figuren der Vierten Internationalen unterschrieben. Es gab keine revolutionäre Opposition gegen Pablos zentristische Position: "In Jugoslawien, dem ersten Land, wo das Proletariat seit der Degeneration der UdSSR die Macht ergriffen hat, existiert der Stalinismus heute nicht länger als effektiver Faktor in der Arbeiterbewegung, was jedoch sein Wiedererscheinen unter bestimmten Bedingungen nicht ausschließt."

Germains Einwände gegen diese Position waren angesichts der Realität des jugoslawischen Arbeiterstaats obsolet und wertlos an Begriffen geworden, die konterrevolutionäre Natur der Partei zu erklären, die den Staat ins Leben gerufen hatte. Auf derselben Konferenz erkannte die Vierte Internationale den Rest Osteuropas als deformierte Arbeiterstaaten an, die einer politischen Revolution bedürfen. Aber die Resolutionen zu Osteuropa und Jugoslawien wurden als komplementäres Ganzes betrachtet und dieses Ganze zog eine rechtszentristische Revision der trotzkistischen Position zum Stalinismus nach sich.

Der "Doppelcharakter" des Stalinismus

Diese Revision zog eine Neudefinition nach sich, so als habe der Stalinismus einen "Doppelcharakter". Die bürokratischen sozialen Revolutionen in der Pufferzone wurden als Beispiele für die konterrevolutionäre Rolle des Stalinismus betrachtet. Die fortschrittliche Seite des Stalinismus wird als Fähigkeit einiger KPen angesehen, unter dem Druck der Massen mit dem Kreml zu brechen und eine "revolutionäre Orientierung" zu entwerfen. Das sei in Jugoslawien und später in China passiert, behauptete die Vierte Internationale. Es fiel Germain zu, der jetzt gehorsam Pablos Linie verfolgte, dieser Revision einen theoretischen Ausdruck in seinen "Zehn Thesen" über den Stalinismus zu verleihen: "Die widersprüchliche Rolle der Sowjetbürokratie wird in den stalinistischen Parteien nur zum Teil widergespiegelt. Der Doppelcharakter dieser Parteien ist von unterschiedlichem sozialen Ursprung; er fließt nicht aus der besonderen Rolle einer parasitären Bürokratie in einem Arbeiterstaat, sondern aus der Doppelfunktion dieser Parteien, die sowohl zur Arbeiterklasse gehören wegen ihrer Massenbasis in ihrem eigenen Land wie auch internationale Instrumente der sowjetischen Bürokratie sind."

Nur das letztere Charakteristikum bestimmte sie als stalinistisch. Das erstere konnte unter bestimmten Bedingungen dazu dienen, diesen Stalinismus zu negieren. Also: "Die jugoslawischen und chinesischen Beispiele haben demonstriert, daß, in gewisse außergewöhnliche Umstände versetzt, ganze Kommunistische Parteien ihre politische Linie modifizieren und den Massenkampf bis zur Machteroberung anleiten können, wobei sie die Ziele des Kreml überschreiten. Unter solchen Bedingungen hören diese Parteien auf, stalinistische Parteien im klassischen Wortsinn zu bleiben."

Das bedeutet, sie wurden zentristische Parteien.

Wir weisen die Ansicht zurück, stalinistische Parteien als solche seien ausschließlich kraft ihrer Beziehung zum Kreml definiert. Dies bildet nur einen wichtigen Wesensteil des Programms und der umfassenden Natur einer stalinistischen Partei. Ferner lehnen wir die Behauptung ab, daß der Stalinismus einen Doppelcharakter habe und in eine revolutionäre Richtung geschoben werden könne, ohne zuerst zu zerbrechen und durch eine revolutionäre Partei ersetzt zu werden.

Gegen diese Auffassung von Stalinismus, als besitze er sowohl eine progressive als auch konterrevolutionäre Seite, die beide in gleichem Maß wiegen und nach Zeit und Raum getrennt sind, streichen wir die trotzkistische Konzeption vom Stalinismus als vorwiegend konterrevolutionär, aber mit widersprüchlichen Eigenschaften, hervor. Wir erkennen diesen Widerspruch als zutiefst dialektischen an, d.h. daß der Stalinismus fähig ist, (unter außergewöhnlichen Umständen) Resultate zu erzielen, die isoliert genommen fortschrittlich sind (die Abschaffung des Kapitalismus). Aber der Stalinismus erreicht diese Ergebnisse mit konterrevolutionären Mitteln. Indem wir dies anerkennen, setzen wir keineswegs die progressiven und die reaktionären Elemente gleich. Wir stellen fest, daß der progressive Teil vom konterrevolutionären Ganzen durchzogen und dominiert ist. Indem sie das dialektische Verständnis vom Stalinismus in ein paar formal entgegengesetzter und trennbarer Elemente auflöste, machte die Vierte Internationale nach 1951 den Weg frei für die Liquidierung des revolutionären Programms zugunsten einer Ausrichtung (tiefer Entrismus), die versuchte, die nationalen KPen zu drängen, diesen progressiven Pfad einzuschlagen.

Schließlich kann der Revisionismus der Vierten Internationalen in der Frage des Stalinismus nicht voll verstanden werden ohne Bezug auf die Positionen, die zur anderen größeren Angelegenheit der Vierten Internationalen während dieser Periode bezogen wurden - der anhaltenden Instabilität des Imperialismus. Bis 1948 wurde diese Instabilität in Begriffen für chronische wirtschaftliche Stagnation aufgefaßt. Nach 1948 sollte diese Instabilität gemäß der Vierten Internationalen mehr und mehr in Termini von Vorbereitungen für einen Dritten Weltkrieg gegen die UdSSR und Osteuropa zum Ausdruck kommen.

Die Irrtümer zu Stalinismus und Osteuropa und den Aussichten für den Imperialismus kamen in den Resolutionen des Kongresses von 1951 über "Orientierung und Perspektiven" zusammen. Diese argumentierten, ein neuer Weltkrieg sei unvermeidlich, daß das Kräfteverhältnis gegen den Imperialismus und zugunsten der Arbeiterstaaten ausschlage und daß der neu entdeckte potentiell progressive Zug des Stalinismus bedeuten würde, daß der neue Krieg die Form eines internationalen Bürgerkriegs annähme. Das Endergebnis all dessen seien Serien von Revolutionen, mindestens so fortschrittlich und gesund wie die jugoslawische.

Eine Opposition, die sich den Anschein verlieh, den Trotzkismus gegen Pablos Revisionismus in der Frage des Stalinismus zu verteidigen, war die Vern/Ryan-Tendenz innerhalb der SWP(US) 1950 - 53. Diese Tendenz argumentierte, die Vierte Internationale habe fälschlich die Charakterisierung Osteuropas einschließlich Jugoslawiens als Arbeiterstaaten so lange hinausgeschoben. Sie vertraten, daß das einzig entscheidende Kriterium für die Charakterisierung der Klassennatur eines Staates sei, welche Klassenrepräsentanten den Unterdrückungsapparat der Staatsmaschinerie kontrollierten. Somit markierte in Osteuropa der Einmarsch der Roten Armee (des Unterdrückungsapparats eines Arbeiterstaats) die Errichtung von Arbeiterstaaten - d.h. schon früh um 1944-45. Sie räsonierten: "Hier im Überbau der Gesellschaft ist es, wo die Revolution in unserer Zeit stattfindet." Der Stalinismus wurzelt in der Arbeiterklasse - deshalb gleichen die Stalinisten an der Macht immer einer verdrehten Form von Arbeitermacht. Der Stalinismus konnte unmöglich auf kapitalistischen Eigentumsverhältnissen ruhen oder einen kapitalistischen Staat stützen, selbst nicht für eine begrenzte Periode, weil er selbst auf den nachkapitalistischen Eigentumsverhältnissen beruht.

Diese undialektischen Positionen der Vern/Ryan-Tendenz, die versagte, die widersprüchliche Natur des Stalinismus anzuerkennen, warfen den Schatten voraus auf viele Irrtümer der International Spartacist Tendency (iST) zur russischen Frage. Ihre Position kann als stalinophil definiert werden.

Sie beruht an erster Stelle auf einer inkorrekten Analogie zur bolschewistischen Revolution von 1917. Weil die Bolschewiki an der Staatsmacht die Aufsicht über Privateigentum in ganzen Abschnitten der Wirtschaft ausübten, mißachtete die Vern/Ryan-Tendenz überhaupt ökonomische Kriterien. Sie setzten eine genuine Revolution, in welcher der kapitalistische Staat durch die direkte Aktion der Massen, geführt durch eine revolutionäre Partei, entscheidend zerschlagen und ein neuer Typ Staat errichtet wurde, mit den stalinistisch geführten Umstürzen des Kapitalismus und der Bildung degenerierter Arbeiterstaaten gleich. Das gleiche Kriterium wurde auf zwei verschiedene geschichtliche Erscheinungen angewandt. Dies wurde getan, weil die Vern/Ryan-Tendenz die konterrevolutionäre Bürokratie als nur quantitativ unterschieden von den frühen bolschewistischen Funktionären betrachtete. Sie bestimmen die Bürokratie einzig als Teil der Arbeiterklasse, ignorieren ihre Eigenschaft als Kaste innerhalb der sowjetischen Gesellschaft, die sich auf die Arbeiterklasse stützt, aber mit Interessen unterschieden von und entgegengesetzt der Arbeiterklasse. Sie leugnen die überwiegend konterrevolutionäre Natur der Bürokratie. Sie leugnen die Realität des Stalinismus in Osteuropa nach dem Krieg. Sie ignorieren die Tatsache, daß der Stalinismus kapitalistische Eigentumsverhältnisse eine Periode lang verteidigte und daß er Länder, die er kontrollierte, wie Finnland und Österreich, an die Imperialisten zurück aushändigte, statt dort den Kapitalismus abzuschaffen. Die einseitige Stalinismusanalyse dieser Tendenz gewährt der Sowjetbürokratie eine revolutionäre Dynamik, die sie nicht besitzt. Das Kriterium, um festzulegen, ob ein degenerierter Arbeiterstaat existiert oder nicht, hängt nicht in erster Instanz davon ab, ob die Stalinisten sich die politische Macht gesichert haben. Wie wir (in den vorherigen Kapiteln der Broschüre "The Degenerated Revolution", die wir hier nicht übersetzt haben; Anm. d. Ü.) gezeigt haben, ist dies eine Vorbedingung für die Schaffung eines degenerierten Arbeiterstaats. Aber daraus folgt nicht, daß die Erfüllung dieser Vorbedingung unweigerlich zur Einrichtung geplanter Eigentumsverhältnisse führen wird. Dieser Fakt wurde über jeden Zweifel hinweg durch Österreich, Finnland und Vietnam (1945) bewiesen.

In der Periode von 1948 bis 1953 (1953 spaltete sich die Vierte Internationale in das Internationale Komitee [IK] und das Internationale Sekretariat [IS]) gab es keine revolutionäre Opposition gegen Pablos revisionistische Positionen zum Stalinismus. Die amerikanische SWP, die britische Healy-Gruppe und die französische PCI (alle schlossen sich dem IK an) drückten wiederholt ihre Unterstützung für die Positionen der Vierten Internationalen aus bis zu und einschließlich der Dokumente des 3. Weltkongresses zu Jugoslawien. Vorgeblich beinhaltete der Bruch des IK mit Pablo eine Ablehnung seiner taktischen Orientierung gegenüber den stalinistischen Parteien und seiner organisatorischen Methoden, nicht seine Analyse und sein Verständnis des Stalinismus.

Die Opposition um Germain gegen Pablo in der Jugoslawienfrage war unfähig, eine alternative Position aufrechtzuerhalten. Ihr Dogmatismus erwies sich als zunehmend in Unvereinbarkeit mit der Realität in Osteuropa. Ihr Umschwenken zu Pablos Standpunkt wurde durch die Tatsache erleichtert, daß sie die ganze Debatte hindurch alle Voraussetzungen, von denen Pablo seine Schlüsse zog, akzeptierten - den außergewöhnlichen Charakter der jugoslawischen Revolution, die zentristische Natur der KPJu und die Konzeption vom Bruch Tito-Stalin als "proletarische Revolte gegen die antiproletarische, konterrevolutionäre Politik des Kreml" (Germain).

Auf dem Kongreß 1951 wurde Pablos zentristische Position zu Jugoslawien und zum Stalinismus verabschiedet, ohne von irgendeiner Sektion der Vierten Internationalen oder selbst einem Teil einer Sektion auf revolutionärer Grundlage herausgefordert zu werden. Das sollte schnell programmatische Auswirkungen in den Taktiken und Losungen mit sich führen, die von der Vierten Internationalen aufgestellt wurden (z.B. weigerte sich die Vierte Internationale [IS] 1953 während der ostdeutschen Aufstände, zur politischen Revolution aufzurufen). Darum erkennen wir den Kongreß von 1951 als den Punkt an, wo die Vierte Internationale ihre Irrtümer kodifizierte, statt sie zu berichtigen, und ihren Kollaps zum Zentrismus vervollständigte, indem sie die trotzkistische Position zum Stalinismus aufgab.

Mandels "orthodoxe" Revisionen

In der Dämonologie der "antipabloistischen" Tradition des Internationalen Komitees der Vierten Internationale (IK) war und bleibt der Hauptbösewicht Michel Pablo. Während es nun sicher stimmt, daß er die "theoretische Wiederaufrüstung" der Vierten Internationale einführte, die sie jeder Spur von authentischem Trotzkismus berauben sollte, verlor er nach der Spaltung 1953 geschwind die Rolle eines hauptsächlichen theoretischen Revisionisten der Vierten Internationalen. Das konstante Herumreiten des IK auf dem "pabloistischen Revisionismus" war eigentlich ein Zeugnis ihres eigenen theoretischen Bankrotts. Es ersetzte jeden Versuch, den Chefsprecher des Internationalen Sekretariats der Vierten Internationalen (IS), Ernest Germain, später besser bekannt unter Ernest Mandel, vorzunehmen und theoretisch zu bekämpfen.

Er war der Architekt der Analyse der Krise innerhalb des Stalinismus nach Stalins Tod 1953 und hauptverantwortlich für die Formulierung der programmatischen Antwort des IS auf die "Krise" des Stalinismus auf den Kongressen des IS 1954, 1957 und 1961 umgebenden Ereignisse. Er spielte eine führende Rolle in den Wiedervereinigungsdiskussionen mit der Hauptgruppierung im IK, der SWP(US), und erreichte mit deren Führer, Joseph Hansen, Übereinstimmung in der Analyse der kubanischen Revolution. Von der Wiedervereinigung 1963 - als das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale (VSVI) gegründet wurde - bis zum heutigen Tag hat Mandel seine Stellung als vorrangiger VSVI-Theoretiker zum Stalinismus, zur UdSSR und den degenerierten Arbeiterstaaten beibehalten.

Nach 1950 war Germain (Mandel) gezwungen, seinen Irrtum zur jugoslawischen Revolution zuzugeben. Pablo hatte recht gehabt, Titos Jugoslawien als "deformierten Arbeiterstaat" einzustufen, er hatte falsch gelegen. Seine Niederlage - oder eher sein Kollaps - in dieser Frage forderte ihn, eine Aufgabe auszuführen, die seitdem ein Markenzeichen seiner Bücher, Pamphlete und Artikel geworden ist. Er machte sich an die Arbeit, die Revisionen des Trotzkismus seitens der Vierten Internationalen mit dem Schimmer marxistischer "Orthodoxie" zu verkleiden. 1951 bekräftigte er wieder die trotzkistische Position zum Stalinismus in der UdSSR, revidierte sie aber bezüglich anderer stalinistischer Parteien. In seinen "Zehn Thesen" argumentierte er:

"Die widersprüchliche Rolle der Sowjetbürokratie wird in den stalinistischen Parteien nur zum Teil widergespiegelt. Der Doppelcharakter dieser Parteien ist von unterschiedlichem sozialen Ursprung; er fließt nicht aus der besonderen Rolle einer parasitären Bürokratie in einem Arbeiterstaat, sondern aus der Doppelfunktion dieser Parteien, die sowohl zur Arbeiterklasse gehören wegen ihrer Massenbasis in ihrem eigenen Land wie sie auch internationale Instrumente der sowjetischen Bürokratie sind ... Für den Kreml besteht die Nützlichkeit dieser Massenbasis ausschließlich in ihrem Dienst für seine diplomatischen Absichten. Aber diese Absichten schließen periodisch eine politische Linie mit ein, die den elementarsten Sehnsüchten der Massen diametral entgegengesetzt ist. Daraus folgt die Möglichkeit, daß die Kommunistischen Parteien von ihrer eigenen Basis überholt werden, die in der Aktion über die vom Kreml gesetzten Ziele hinausgehen und seiner Kontrolle entfliehen kann. Diese Möglichkeit ist immer eine der grundlegenden Perspektiven der trotzkistischen Bewegung gewesen." Für den Fall dieses Ereignisses hätten solche Parteien aufgehört, stalinistisch zu bleiben, behauptet Mandel.

Diese Analyse führt praktisch zu einer Kapitulation vor dem, was im Grunde stalinistische Parteien bleiben. Mandel nutzt die scheinbar orthodoxe Analyse des Stalinismus als widersprüchlich, um die wirkliche Natur des Stalinismus hinter einem falschen "Doppelcharakter" zu verbergen, einer schlechten Seite unter den Anordnungen des Kreml, einer guten unter dem Druck der Massen. Wenn letztere vorherrschend wird, verwandelt sich der Stalinismus in "Zentrismus" oder eine "empirisch revolutionäre Tendenz". Dies verfehlt vollständig, zu begreifen, warum der Stalinismus konterrevolutionär ist.

Wo immer ein Bruch mit dem Kreml stattfindet und die einheimischen Stalinisten einen Sturz des Kapitalismus durchführen, wie in Jugoslawien und China, ist dies von der Notwendigkeit zur Selbsterhaltung auf Seiten der schon etablierten Bürokratien dieser Parteien erzwungen, nicht als Resultat des Drucks ihrer Massenbasis. Wo solcher Druck einbezogen ist, spielt er nur eine sekundäre, zufällige Rolle und wird gewöhnlich von verstärkter Repression gegen die Massen begleitet. Während die Möglichkeit solcher Brüche innerhalb des Weltstalinismus tatsächlich immer Bestandteil der Perspektiven des Trotzkismus gewesen ist, war es der Glaube, daß Parteien, die mit der Kontrolle des Kreml brechen, damit aufhören, stalinistisch zu sein, nie.

Germain wandte seine Position auf die chinesische Revolution an. Mao wurde ein zweiter Tito. Die Position der chinesischen Trotzkisten zur Revolution von 1949, die Maos stalinistisches Volksfrontprojekt attackierten, wurde durch Germains Analyse der chinesischen Koalitionsregierung als "Arbeiter- und Bauernregierung", die dem jugoslawischen Weg folge, ersetzt:

"Viele Gründe gestatten uns, auf eine solche Entwicklung zu hoffen (eine Linkswende - die Redaktion). Mehr als jede andere Kommunistische Partei ist die chinesische KP verpflichtet gewesen, eine weniger bürokratische und zentralisierte Struktur zu bewahren, einen konstanten Stoffwechsel zwischen ihren eigenen Wünschen und Vorlieben und denen der Massen aufrechtzuerhalten. Die objektive Situation schiebt sie entlang dieses Wegs."

1977 behauptete Mandel weiter, die chinesische KP habe aufgehört, stalinistisch zu sein und tatsächlich die gesuchte Linkswende vollzogen: "Der Sieg der Dritten Chinesischen Revolution 1949 war die wichtigste Errungenschaft der Weltrevolution seit dem Sieg der Sozialistischen Oktoberrevolution."

Diese Einschätzung, die aus seiner falschen Analyse vom Doppelcharakter des Stalinismus stammte, ignoriert den massiven konterrevolutionären Rückschlag für die chinesische Arbeiterklasse, den diese Revolution einschloß. Seit 1949 haben die chinesischen Stalinisten die Massen von jeder realen politischen Macht ausgeschlossen, aber sie vielmehr als Kanonenfutter für ihre innerbürokratischen Fraktionskämpfe mißbraucht.

Die programmatische Logik dieser Analyse des Stalinismus in China (und Jugoslawien) war, zu Trotzkis Position von vor 1934 zurückzukehren; nämlich eine Position, die zur politischen Reform dieser stalinistischen Regimes aufruft. Die Kongreßresolution von 1954, die von Germain unterzeichnet (wenn nicht tatsächlich verfaßt) wurde, verwirft ausdrücklich die politische Revolution für China und Jugoslawien zusammen mit der Perspektive einer neuen Partei. Sie argumentiert statt dessen für die Schaffung von Räten als Form proletarischer Demokratie und für Fraktionen innerhalb der chinesischen und jugoslawischen KPen, deren Ziel sein sollte, die "zentristischen" Führungen dieser Parteien in einem demokratischen Reformprozeß zu ersetzen:

"Da beide, die chinesische und bis zu einem gewissen Grad auch die jugoslawische KP, in Wirklichkeit bürokratisch-zentristische Parteien sind, die sich jedoch selbst unter dem Druck der Revolution in ihren Ländern befinden, fordern wir das Proletariat dieser Länder nicht auf, neue revolutionäre Parteien zu konstituieren oder eine politische Revolution in diesen Ländern vorzubereiten."

Diese Position hatte den Vorteil der trotzkistischen "Orthodoxie" von vor 1934. Aber während Germain den Begriff auslieh, war sein Zweck, die historischen Errungenschaften von Trotzkis Analyse des Stalinismus nach 1934 auszuradieren. Mehr noch, Germains Position ignorierte die Realität, daß die Arbeiterklasse durch eine bürokratische Kaste politisch enteignet worden war. Sie mißachtete das Faktum, daß die herrschenden Parteien in allen Grundzügen das stalinistische Programm vom "Sozialismus in einem Land" praktizierten, die Unterdrückung jeglichen unabhängigen politischen Lebens für die Massen, die bürokratische Wirkungsweise des Plans, die Unterordnung der internationalen Revolution unter den strategischen Kuhhandel der Bürokratie mit dem Imperialismus usw.

1953 und danach: Programmatische Revisionen

Seit den 50er Jahren ist die brutale Wirklichkeit des Stalinismus auf Mandels Bewußtsein geschlagen und hat ihn zur Änderung seines Standpunktes über diese Länder geführt. Seine Methode jedoch bleibt exakt die gleiche, und das VSVI hat bei verschiedenen Anlässen Ersatz für China und Jugoslawien als nichtstalinistische Arbeiterstaaten gefunden: in Vietnam und auf Kuba.

Mit Hinblick auf Osteuropa war das Jahr 1954 Zeuge des Beginns eines neuen Stadiums der Revision der Vierten Internationalen am Programm der politischen Revolution. Die Krise des Stalinismus nach Stalins Tod und der ostdeutsche Arbeiteraufstand schleuderten die bonapartistische Clique im Kreml ins Wirrwarr und führten zu einer relativen Lockerung des Würgegriffs der Bürokratie auf das politische Leben der Massen Osteuropas. Mandel erkannte, daß die von Stalins Nachfolgern in der UdSSR und Osteuropa verkündeten Maßnahmen tatsächlich Maßnahmen der Selbstbehauptung waren, Zugeständnisse, um Zeit zum geordneten Rückzug zu erkaufen.

Nichtsdestotrotz argumentierte er, daß das Rumoren in Osteuropa Aussichten auf Risse in den nationalen KPen eröffnete mit einem Sektor (definiert als "am dichtesten an den Massen befindlich"), der sich selbst an die Spitze des Kampfs für politische Revolution stelle. Während die Brüche aufgetaucht sind, ging Mandel weiter und argumentierte, das Programm des IS solle sich darauf konzentrieren, solch eine Spaltung weiterzutreiben als bestes Mittel zum Erreichen der politischen Revolution. Zu diesem Behuf wurde eine Entrismustaktik befürwortet, und das vordringlich behandelte Programm für die politische Revolution wurde auf den Ruf nach einer Reihe Reformen reduziert, die schmackhaft für eine potentiell revolutionäre Sektion der Bürokratie wäre:

"1. Freiheit für politische Gefangene der Arbeiterbewegung.

2. Abschaffung aller repressiven Arbeitsgesetze.

3. Demokratisierung der Arbeiterparteien und -organisationen.

4. Legalisierung aller Arbeiterparteien und -organisationen.

5. Wahl und demokratisches Fungieren von Massenkomitees.

6. Unabhängigkeit der Gewerkschaften in der Beziehung zur Regierung.

7. Demokratische Ausarbeitung des Wirtschaftsplans von den Massen für die Massen.

8. Effektives Recht auf Selbstbestimmung für die Völker."

Das Programm versagt darin, diese Forderungen mit dem Kampf für den Umsturz der Bürokratie und die Etablierung echter Arbeitermacht zu verbinden. In Wahrheit wurden Forderungen nach diesem Aktionskurs nicht erhoben genau wegen der neuen Sichtweise des IS von der Bürokratie, als beherberge sie potentiell zentristische Elemente.

Zwischen 1954 und dem Fünften Weltkongreß 1957 ereigneten sich weitere enorme Erhebungen in den degenerierten Arbeiterstaaten und der UdSSR. Die "Geheimrede" Chruschtschows auf dem 20. Parteitag der KPdSU und die darauf folgenden Zugeständnisse, der revolutionäre Aufstand gegen die Bürokratie in Ungarn und Polen - alles im Jahre 1956 - machten einen tiefen Eindruck auf die Perspektiven des IS. Mandel hielt auf dem Kongreß den Bericht über die Krise innerhalb des Stalinismus. Die Reaktionen der KPJu und der KPCh, obwohl ungleich, hielt man für fortschrittlich und bekräftigte die Reformperspektive.

Doch ein größerer Wandel in der Orientierung zur Pufferzone und der UdSSR wurde von Mandel hervorgehoben. Für ihn und die Führung des IS hatten die ungarischen und polnischen Ereignisse bewiesen, daß ein Flügel der Bürokratie dem Weg Titos und Maos folgen würde - in Ungarn Nagy, in Polen Gomulka. In der UdSSR wurde die "zentristische" Fraktion um Chruschtschow von Malenko und Mikojan auf der Linken bedrängt, die, wenngleich nicht von der Sorte Nagys oder Gomulkas waren, so doch die Erscheinung einer solchen Tendenz vorahnen ließen.

Im Streben, die Entwicklung solcher Tendenzen in der Bürokratie zu erleichtern, wurde das Programm der politischen Revolution für Osteuropa und die UdSSR vollständig revidiert. Da die Aussicht auf politische Revolution als von einem Sektor oder Flügel der Bürokratie abhängig betrachtet wurde, konnten Sowjets keine Kampforgane gegen die Bürokratie darstellen. Politische Revolution wurde eingeschätzt (d.h. wurde ersetzt) als Konkurrenzkampf zwischen einer "Fraktion der Vierten Internationale" und dem Rest der Bürokratie um die Führung der Arbeiterklasse.

Von diesem Punkt an geht die Vorstellung von Arbeiterräten oder Sowjets als Kampforgane verloren und wird ersetzt durch das Konzept von Sowjets als Organe der Administration, um die Massen ins demokratische Leben einzubringen, am Plan teilzunehmen. Die politische Revolution wird somit zurechtgestutzt auf das friedliche Verschwinden der bürokratischen Kaste.

Dieses Programm für politische "Revolution" taucht vom 5. Weltkongreß an als vereinheitlichte Strategie für alle Arbeiterstaaten auf. Es war nur eine Frage der Leichtigkeit und Geschwindigkeit, mit der die objektive Krise innerhalb des Stalinismus die notwendigen Tendenzen und Spaltungen in den Bürokratien erzeugen würde.

1961 wiederholten der 6. Kongreß und 1963 der Vereinigungskongreß nur diese gleichen Formeln und fügten dem programmatisch nichts Neues hinzu.

Während der letzten Dekade hat Mandel das Programm der politischen Revolution weiter revidiert. Wie wir gezeigt haben, verfälschte er es zuerst, indem er die Sowjets ihrer Funktion als Kampforgane gegen die Bürokratie entleerte. Zu dieser Zeit (1957) war er sich noch darüber im Klaren, daß Sowjets wenigstens die Diktatur der Arbeiterklasse gegen die Restaurationisten ausüben sollten. Aber in den 70er Jahren tauchte ein sozialdemokratischer Flügel in den stalinistischen Parteien auf - der "Eurokommunismus" -, der Bolschewismus mit Stalinismus identifizierte und größeren Gebrauch von bürgerlich parlamentarischen Institutionen als Garanten gegen die "natürliche Tendenz" zu diktatorisch/bürokratischem Mißbrauch befürwortete, die nach dieser Annahme die Herrschaft von Sowjets begleitet.

Während Mandel solche Konzeptionen angegriffen hat, hat er ungerechtfertigte Zugeständnisse an diesen Flügel des Stalinismus gemacht. Das tat er, indem er akzeptierte, die Sowjets müßten Vertreter der Bourgeoisie zumindestens in der Übergangsphase einschließen, wenn nicht schon während des Kampfes um die politische Macht. Mandel weist ausdrücklich Lenins und Trotzkis Rechtfertigungen für solchen Ausschluß zurück - eine Rechtfertigung, die er in früheren Jahren akzeptierte.

Kurz, Mandel löscht in seinen "Thesen über sozialistische Demokratie und die Diktatur des Proletariats", die 1979 auf dem Weltkongreß des VS verabschiedet wurden, den Unterdrückungscharakter der Arbeiterdiktatur aus, ähnlich wie Kautskys Leugnung des Unterdrückungscharakters aller politischer Formen der Diktatur der Bourgeoisie. Auf das Programm für politische Revolution angewandt, kann dies nur Unterstützung für offene Restaurateure oder konterrevolutionäre stalinistische Bürokraten - eingeschworenen Feinden des Proletariats - in den Arbeiterräten bedeuten.

Mandels ökonomische Revisionen

Mandels politische Perspektive ist mit seinem ökonomischen Verständnis der Sowjetunion und der von Anfang an degenerierten Arbeiterstaaten zuinnerst verbunden. Mandel legte seine Grundposition in "Marxistische Wirtschaftstheorie" dar. Obwohl nicht unkritisch, präsentiert er ein Bild der Sowjetwirtschaft als einer stets expandierenden:

"Dieser Fortschritt kann nicht durch die enorme Rückständigkeit erklärt werden, die sie im Vergleich zur Industrie der entwickeltsten kapitalistischen Länder zu überwinden hatte. Er hat angedauert, nachdem diese Rückständigkeit schon im großen und ganzen überwunden worden ist. Dieser Fortschritt schreitet geschwind voran, besonders in Richtung Vermehrung und Modernisierung des Bestands des Landes an Maschinen und des Strebens, die Produktion zu automatisieren."

Dieser Prozeß ist für Mandel Beweis für die Überlegenheit der Planwirtschaft über die kapitalistische Anarchie. Er erkennt jedoch an, daß das unternehmerische Selbstinteresse und die bürokratische Rolle des Staats - es führt zum Hyperzentralismus - als Fessel der Planwirtschaft agieren, besonders in der Produktionssphäre der Konsumgüter. Aber während Mandel akzeptiert, daß die Bürokratie als Hemmschuh wirkt, glaubt er nicht, daß sie die Wirkungsweise des Plans untergräbt und droht, ihn zurückzuwerfen, dadurch den Weg für die kapitalistische Restauration zu eröffnen. Wie dies mit seiner Analyse Kampucheas (Kambodschas; Übers.) in Einklang steht, das eine auf den Weg zurückgeworfene Planwirtschaft war, hat er sich nie zu erläutern herabgelassen.

Die Planwirtschaft der UdSSR ist nicht widerspruchsfrei, und der Hauptwiderspruch für den "orthodoxen" Mandel ist der, auf den Marx verwies; er existiere unweigerlich in der Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Kommunismus:

"In der Tat ist die Sowjetökonomie gekennzeichnet durch die widersprüchliche Kombination einer nichtkapitalistischen Produktionsweise mit einer noch grundlegend bürgerlichen Verteilungsweise. Solch widerspruchsvolle Kombination zeigt auf ein Wirtschaftssystem, das schon über den Kapitalismus hinausgegangen ist, aber noch nicht den Sozialismus erreicht hat, ein System, das durch eine Übergangsperiode zwischen Kapitalismus und Sozialismus schreitet, während der, wie Lenin schon gezeigt hat, die Ökonomie unausbleiblich Merkmale der Vergangenheit mit Eigenschaften der Zukunft verbindet."

In einer Arbeit von 1979 arbeitete Mandel diesen Punkt weiter aus: "Nur weil ein Übergang komplexer und - paradox gesagt - weniger dynamisch ist, weil er weniger schnell voranschreitet denn erwartet, besteht kein Grund zu sagen, daß er kein Übergang sei." So wie Planung ist ein weiteres Merkmal in Mandels Analyse der UdSSR, daß sie eine Übergangsgesellschaft im klassisch marxistischen Sinne sei.

Ein weiteres Element seiner Analyse kann in seiner Position zur Sowjetbürokratie festgestellt werden. Er betrachtet sie als Ganze objektiv schwächer werdend, sogar überflüssig, wenn die Produktivkräfte wachsen, da ihre gesellschaftliche Rolle als Schiedsrichterin in der Verteilung knapper Güter nachläßt, wenn die Produktion zunimmt. Das im Einklang damit stehende Wachstum der Arbeiterklasse ist ein weiterer objektiver Faktor, der gegen die Bürokratie wirkt. Den Kern seiner Position entwickelte er 1952: "Das Entwicklungsniveau der Produktivkräfte ist mit bürokratischem Management unvereinbar geworden." Wieder einmal hat diese Position den Vorteil von Orthodoxie. Sie beginnt mit Trotzkis Prognose des Stalinismus als Regime der Krise und unausweichlich seine eigenen Totengräber schaffend. Die 50er und 60er Jahre hindurch fügte Mandel jedoch seine eigenen Prognosen dieser Orthodoxie hinzu und baute darauf ständige Voraussagen von sich entwickelnden zentristischen/reformerischen Flügeln der Bürokratie, die er im Gegenzug als Indiz für seine grundlegend "objektivistische" Sichtweise der Krise der Bürokratie zitierte.

Zusammengenommen begründen Mandels Positionen zur Planung, dem Übergang und der Bürokratie ein gründlich falsches, nicht revolutionär-marxistisches Verständnis der ökonomischen und politischen Natur der UdSSR und der von Anfang an degenerierten Arbeiterstaaten. Sie legten die Grundlage für seine Zurechtstutzung des Programms für politische Revolution auf eine Reihe struktureller Reformen, die möglicherweise im Bündnis mit einem Flügel der Bürokratie ausgeführt werden können.

Mandels Erklärung des Fortschritts der Sowjetökonomie basiert auf einem einseitigen Verständnis der Planwirtschaft, die den bürokratischen und blinden Charakter des Plans selbst ignoriert. Indem er diesem bürokratischen Planwerk die Fähigkeit schrankenlosen Wirtschaftswachstums zuschreibt (obwohl zu einer langsameren Rate, als mit einem demokratischen Plan möglich wäre), übersieht Mandel die Existenz einer Reihe inhärenter Widersprüche, unter der die Planwirtschaften der UdSSR und der von Anfang an degenerierten Arbeiterstaaten leiden.

Laut Mandel unterhöhlt die Bürokratie die Effektivität, aber nicht die Existenz des Plans. Nach seiner Ansicht sind die Hauptbedrohungen äußerlich: Imperialismus und Widerspruch Plan/Markt innerhalb der Arbeiterstaaten.

Aber diese Bedrohungen würden unvermeidlich auch gegenüber einem gesunden Arbeiterstaat existieren. Die Probleme, vor denen sich die Planökonomien der UdSSR und der von Anfang an degenerierten Arbeiterstaaten befinden, sind anderer Art. Polen, Jugoslawien, China, die UdSSR selbst und andere Arbeiterstaaten haben alle unter ernsten Wirtschaftskrisen gelitten, die Arbeitslosigkeit, Lohnkürzungen mit sich brachten; alles Eigenschaften, die, so unterstellt Mandel, in diesen Ländern verschwunden seien. Natürlich verschleiert die Bürokratie (wie Mandel) solche Krisen mittels Zahlen, die rundum Wirtschaftswachstum zeigen. Nichtsdestoweniger ist dieses Wachstum zunehmend künstlich, weil es unterhalb einer politischen Revolution kein qualitatives ökonomisches Wachstum ist und sein kann. Der bürokratische Plan hat sich als unfähig erwiesen, die besten wirtschaftlichen und technischen Errungenschaften des Kapitalismus zu übertreffen. Er hinkt hinter der weltgrößten imperialistischen Macht, den USA, zurück. Dies ist unvermeidbares Ergebnis der inneren Planwidersprüche - seiner Unfähigkeit, die Kreativität der Massen zu mobilisieren, seine Tendenz, die Kluft zwischen den Wirtschaftsbranchen und die Ungleichheit zu erhöhen usw.

Die Dynamik des Plans, die existiert (und in der Industrialisierung rückständiger Länder gezeigt wurde), ist streng auf die Aufgabe, zum Kapitalismus aufzuschließen, begrenzt. Perioden wirtschaftlichen Wachstums in den Planökonomien sind jene, in denen die Bürokratie die Industrie aufbaut, indem sie die industriellen Errungenschaften der kapitalistischen Länder kopiert, wie Trotzki in "Die verratene Revolution" aufzeigte. Während dies degenerierte Arbeiterstaaten vom Joch des Imperialismus befreit und Wachstumsraten erleichtert, die in imperialisierten Ländern undenkbar wären, befähigt er diese Wirtschaften nicht, die für den Sozialismus notwendige materielle Basis zu schaffen.

Dies deshalb, weil der Plan nicht lediglich durch externe Faktoren bedroht ist. Er ist bedroht durch die Kaste, die ihn politisch kontrolliert - die Bürokratie. Trotzki war sich darüber im Klaren in einer Periode, als das ökonomische Wachstum der UdSSR Mitläufer und Feinde gleichermaßen blendete: "Während das industrielle Wachstum und das Hineinbringen der Landwirtschaft in die Sphäre staatlicher Planung die Aufgabe der Führung stark verkompliziert, das Problem der Qualität in den Vordergrund schiebt, zerstört der Bürokratismus die schöpferische Initiative und das Verantwortungsgefühl, ohne die es keinen qualitativen Fortschritt gibt und geben kann."

Mit anderen Worten, Bürokratismus ist nicht einfach eine ineffiziente Fessel für das Funktionieren der Planwirtschaft. Er blockiert und bedroht in Wirklichkeit die Existenz der Planwirtschaft.

Mandels Unfähigkeit, dies zu sehen, sein ergebenes Weiterverbreiten amtlicher sowjetischer Zahlen, um seine Sache zu beweisen, all das hängt mit seiner Position zur "Übergangsfrage" zusammen. Zu akzeptieren, die Sowjetunion sei eine Übergangsgesellschaft, bedeutet notwendigerweise, zu akzeptieren, daß sie sich noch auf den Sozialismus zubewegt. Mandel argumentiert, daß dem so ist, aber mit geringerer Geschwindigkeit als von früheren Marxisten angenommen. Eingedenk der Orthodoxie in dieser Frage rechtfertigt Mandel seine Position, indem er argumentiert:

"Zuerst einmal gibt es keine 'marxistische Tradition' zu diesem Thema im wirklichen Sinn des Wortes." Im Gegenteil! Marx, Engels und die Bolschewiken waren sich über die entscheidenden Aspekte der Übergangsgesellschaft und des notwendigen Programms, um den Übergang zum Sozialismus hin zu lenken, im Klaren (siehe den Abschnitt zum Übergang; hier nicht übersetzt; d. Ü.). Abgesehen von der ökonomischen Enteignung der Bourgeoisie existieren diese Aspekte weder in der UdSSR noch in irgendeinem anderen degenerierten Arbeiterstaat. Alle politischen Charaktermerkmale einer Übergangsgesellschaft zum Sozialismus sind zerschmettert worden außer jenen, die Überbleibsel der alten, korrupten kapitalistischen Vergangenheit darstellen. Diese Eigenschaften hat die Bürokratie gierig entwickelt!

Mit anderen Worten, in diesen nachkapitalistischen Gesellschaften ist der Übergang (vom Kapitalismus zum Kommunismus) im marxistischen Sinn durch die Bürokratie blockiert und ins Gegenteil verkehrt worden. Diese Staaten degenerieren rückwärts, in Richtung Kapitalismus, ein Prozeß, der nur durch eine tatsächliche soziale Konterrevolution vervollständigt werden kann. Um die Transformation neu zu beginnen, ist eine politische Revolution erforderlich. Widersprüche werden nach dem Sieg der Revolution weiterexistieren, aber die politische Herrschaft der Bürokratie, die die Flammen dieser Widersprüche anfacht und deren Lösung durch die Arbeiter verhindert, wird es nicht.

Die ständige Aufwärtsentwicklung der Planwirtschaft, die Mandel in seinen Schriften als Beleg für den anhaltenden "Übergangscharakter" der UdSSR minutiös schildert, erleichtert seine Interpretation des nahe bevorstehenden Schicksals der Bürokratie. Um seine alte Position zu Jugoslawien zu rechtfertigen, war Pablo gezwungen, eine andere Erklärung der Macht der Bürokratie anzubieten als diejenige, die Trotzki vorbrachte.

Trotzki war sich darüber im Klaren, daß die funktionellen Wurzeln der Bürokratie in der Rückständigkeit Rußlands und der Güterknappheit lagen, die solche Rückständigkeit mit sich brachte. Die Bürokratie erhob sich als Gendarm über die Verteilung knapper Güter. Jedoch wurde die Natur der Bürokratie qualitativ umgewandelt von einem Agenten der Arbeiterräte, als sie die politische Macht usurpierte und in ihrem eigenen Interesse ausübte und dabei die Avantgarde der Arbeiterklasse in diesem Prozeß zerschlug, die Linke Opposition der Partei.

Pablo ignorierte die politische Natur der Bürokratie, in die dieser Prozeß mündete (d.h. ihre konterrevolutionäre Natur) und analysierte stalinistische Bürokratien rein vom Standpunkt ihrer funktionellen Wurzeln. Er war durch die Kolonialrevolutionen überzeugt worden, daß die Weltrevolution sich von der Peripherie (zurückgebliebene Länder) aus zum Zentrum (fortgeschrittene Länder) verbreiten würde. Deshalb, so folgerte er, wären bürokratische Deformationen noch für eine gewisse Zeit ein unvermeidliches, ja notwendiges Übel von Übergangsgesellschaften. So wie sich jedoch die Produktivkräfte entwickelten und die Weltrevolution ausbreitete, verschwände die materielle Basis dieser Bürokratien wie die Bürokratien selbst. Dies ließ geflissentlich die Notwendigkeit für politische Revolution gegen die konterrevolutionäre Bürokratie, die in jeder auf der Erde existierenden postkapitalistischen Gesellschaft regiert, außen vor. Pablo erklärte seine revisionistische Position in Polemiken mit keiner geringeren Person als Ernest Germain:

"Somit werden wir in der Geschichtsepoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus Zeuge des Aufstiegs nicht von normalen Arbeiterstaaten werden, sondern von mehr oder weniger degenerierten Arbeiterstaaten, d.h. Staaten mit starken bürokratischen Deformationen, die den Punkt kompletter politischer Enteignung des Proletariats erreichen können." Aber Pablo verzweifelte nicht ob dieser Aussichten, weil der Vorwärtsmarsch der deformierten Revolution durch die objektive Situation garantiert sei und mit ihm das Absterben der Entartungen.

Mandels Position zur Bürokratie ist geradewegs von seinem einstigen Widersacher und langjährigem Meister, Pablo, übernommen. Der Plan garantiert Wachstum. Das Wachstum garantiert, daß das Proletariat in Umfang und Kultur anwächst und daß die Bürokratie schwächer wird. Wenn in Krisenzeiten ein Sektor der Bürokratie mit diesem Widerspruch akut konfrontiert werden wird, wird sie sich näher an die Massen heran bewegen und eine führende Kraft in diesem Prozeß (Mandels Lieblingswort) der politischen Revolution werden. In der Tat impliziert Mandel manchmal, daß der Prozeß schon qualitative Sprünge nach vorn gemacht habe:

"Kann man sagen, daß die Sowjetunion, in der Oppositionelle nur in Gulag-Lagern gefunden werden konnten und die Sowjetunion heute, mit ihrem Gärungsstoff von politischen Strömungen, Samizdat und Diskussionen auf allen Arten von Ebenen (nicht nur unter Intellektuellen, sondern auch in den Gewerkschaften), ein und dasselbe sind?"

Trotzkisten erkennen, daß die Macht der Bürokratie durch die Arbeiterklasse entscheidend zerschlagen werden muß, damit ein wirklicher Wandel in der UdSSR und den anderen degenerierten Arbeiterstaaten stattfinden kann. Deshalb wäre die Antwort auf Mandels Frage - die aus seinem krassen Opportunismus fließt - JA, die Sowjetunion heute ist im Grunde die gleiche wie die Sowjetunion unter Stalin. Sie bleibt das Land der bürokratischen Tyrannei über die Arbeiter.

In seiner längst vergessenen Polemik gegen Pablo in den 40er Jahren argumentierte der junge und unbesonnene Germain vehement:

"Jede Revision, sowohl gegenwärtig wie retrospektiv, der Resultate dieser Analyse (der Pufferzone als kapitalistische Staaten - d. Red.), die eine Revision der benutzten Kriterien und eine Revision der marxistischen Staatstheorie impliziert, könnte nur verheerende Folgen für die Vierte Internationale haben."

Zu dieser Zeit hatte Mandel unrecht mit seiner Charakterisierung Osteuropas, aber recht in seiner Abschätzung der Gefahren von Pablos Position. Nachdem er jedoch 1951 geschlagen worden war, verbrachte Mandel über 30 Jahre damit, eine theoretische Rechtfertigung für diese "verheerenden Konsequenzen" mit einer Spitzfindigkeit und Lebendigkeit zu liefern, zu der Pablo nicht in der Lage war. Seine Verantwortung für die Zerstörung der internationalen trotzkistischen Bewegung als revolutionäre Kraft ist weit schwerwiegender als Pablos. Und sie dauert bis in die Gegenwart fort. Authentischer Trotzkismus hat keinen Raum für Mandels "orthodoxes" Gebräu - es ist eine Verhöhnung des Marxismus von Marx, Engels, Lenin und Trotzki.

Hansen und Kuba

In der Spaltung der Vierten Internationalen 1953 stand die Analyse des Stalinismus, von Pablo entwickelt und von Germain (Mandel) verfeinert und modifiziert, nicht wirklich zur Disposition. Nachdem deshalb das unmittelbar taktisch umstrittene Thema - Orientierung auf nationale stalinistische Parteien - irrelevant geworden war, wurde die Vereinigung des Internationalen Sekretariats mit dem Internationalen Komitee wieder möglich. Die kubanische Revolution zeigte, daß Mandels Theorien einen Anwalt innerhalb der Socialist Workers Party der USA besaßen. Sein Name war Joseph Hansen.

Ende 1949 tauchte Hansen als Hauptprotagonist in der Debatte über Osteuropa auf, der eine Linie vertrat, die sehr nahe an der von Pablo verteidigten lag. Gegen jene, die fortfuhren, Jugoslawien und Osteuropa als "kapitalistische Staaten auf dem Weg zu struktureller Assimilierung" zu betrachten, hauptsächlich Germain (Mandel) und der SWP(US)-Theoretiker John G. Wright argumentierte Hansen:

"Dieser degenerierte Arbeiterstaat (die UdSSR - d. Red.), der über die am Schluß des 1. Weltkriegs festgelegten Grenzen schwappt, hat die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse in Osteuropa umgestoßen und Formationen emporkommen lassen, die ziemlich häufig Duplikate der UdSSR sind."

Hansen beobachtete, daß die europäischen und amerikanischen Opponenten von Pablos grobem Impressionismus mit den "Normen" von Trotzkis Programm rangen - Bürgerkrieg, direkte Massenaktionen, Räte, wirkliche Planung. Sie versuchten, dieses Programm gegen die Revisionen, die eingeführt würden, wenn man diese erbärmlichen stalinistischen Monster als Arbeiterstaaten akzeptieren würde, zu verteidigen. Hansen jedoch hegte keine solchen Befürchtungen und verspottete gnadenlos ihre "normative" Methode mit Zitaten von Trotzki. Er konnte sie leicht in Widersprüchen ihrer eigenen verwirrten Dialektik ertappen. Schließlich existierten 1949 der Kapitalismus und die Kapitalisten in Osteuropa spürbar nicht mehr. Hier konnte ein guter amerikanischer Pragmatiker, ungehindert durch "dialektisches" Gepäck, durchblicken und sagen, daß "der Kaiser keine Kleider anhatte".

In seiner Einschätzung lag Hansen nicht falsch. Er nutzte die empirische Gewitztheit, die er später auf Kuba anwandte. Gegen die, welche alle Arten von neuen Kriterien für die Existenz von Arbeiterstaaten erfanden, bestand Hansen darauf:

"Meiner Meinung nach müssen wir in einem Land, wo die Herrschaft der Bourgeoisie zerbrochen ist und die Hauptsektoren der Wirtschaft verstaatlicht worden sind, den Staat unter die allgemeine Kategorie 'Arbeiterstaat' einordnen, egal, wie weit oder monströs er von unseren Normen abweicht. Dieser Wandel kann nicht ohne Bürgerkrieg stattfinden, obwohl dieser Bürgerkrieg eine Verstümmelung des Typischen sein kann, die in wichtiger Hinsicht von unseren Normen abweicht."

Diese Position enthielt zwei grundlegende Irrtümer, die die Basis für Hansens Annahme von Pablos Revisionismus zu Jugoslawien und seine eigene Anwendung dieses Revisionismus (auf die kubanischen Ereignisse) legten. Hansen liegt falsch, die politische Enteignung der Bourgeoisie und ausgedehnte Nationalisierung mit der Einrichtung nachkapitalistischer Eigentumsverhältnisse in eins zu setzen. Osteuropa zwischen 1944 und 1948 zeigte Fälle, wo die politische Macht der Bourgeoisie gebrochen wurde (im wesentlichen war ihre Kontrolle über die bewaffneten Körperschaften, die ihr Eigentum verteidigten, verlorengegangen), die Wirtschaft verstaatlicht war, die Stalinisten sich an der Macht befanden und doch diese Länder (z.B. Polen und Ostdeutschland) kapitalistisch blieben. Damit Hansen schlüssig blieb, hätte er die Schaffung von Arbeiterstaaten in diesen Ländern zwischen 1944 und 1946 datieren müssen - eine Position, die er nicht einnahm. Somit ermöglichte sein Empirismus 1949 weder, herauszuschälen, was der bestimmende Aspekt der Arbeiterstaaten war, noch mit welchen Mitteln sie geschaffen wurden. Wie wir gezeigt haben, waren die politische Enteignung der Bourgeoisie und Nationalisierung Vorbedingungen für die Bildung eines degenerierten Arbeiterstaats. Aber erst wenn die Ökonomien auf der Grundlage der Unterdrückung des Wertgesetzes dem Plan unterworfen wurden, können wir davon reden, daß degenerierte Arbeiterstaaten errichtet worden sind.

Hansens zweiter Irrtum, einer, den er mit seinen Opponenten 1949 teilte, war sein Insistieren auf der Notwendigkeit von "Bürgerkrieg" für die Etablierung degenerierter Arbeiterstaaten. Obwohl er akzeptiert, daß solche Bürgerkriege von "verstümmeltem" Charakter sein können, argumentiert er doch: "Umwandlung in den Eigentumsverhältnissen kann ohne revolutionäre Massenmobilisierung nicht vorkommen."

Aber Hansens Datierung solcher Mobilisierungen führt ihn zu der Zeit des Einmarsches der Roten Armee zurück, nicht zu den tatsächlichen Zeiten dieser Umwandlungen. Genau weil die Arbeiterstaaten von Geburt an degeneriert sind, kann ihre Gründung unter speziellen Umständen vollendet werden, ohne die revolutionäre Massenmobilisierung durch eine stalinistische Bürokratie. Selbst wo Mobilisierungen stattfinden, bleiben sie, wie die Tschechoslowakei gezeigt hat, vollständig von den Stalinisten bürokratisch kontrolliert. Keine Organe der demokratischen Arbeitermacht - Sowjets - werden gebildet. Während Hansen in seinem Dokument von 1949 "Das Problem Osteuropas" jene attackiert, die einen "normativen" Begriff des Bürgerkriegs hegen, muß gesagt werden, daß seine Alternative wirklich darin besteht, mit einem idealistischen Begriff von Bürgerkrieg zu operieren. Das heißt, er ist gezwungen, Bürgerkriege zu erfinden, wo keine stattfanden.

Die wirkliche Schwäche dieser Methode wurde enthüllt, als sie auf Jugoslawien angewandt wurde. Hier gab es einen ziemlich "normalen" Bürgerkrieg trotz einer Führung "mit stalinistischem Ursprung", wie es Pablo später formulierte. Solch ein Krieg ist essentiell für die Umwandlung der Eigentumsverhältnisse. Somit führte der jugoslawische Bürgerkrieg zu einem Arbeiterstaat, bevor es im restlichen Osteuropa eintrat. Weil weiters der Bürgerkrieg nur leicht von der Norm abwich, mußte somit der jugoslawische Arbeiterstaat nur leicht von der Norm abgewichen sein. Das heißt, Hansens Methode brachte ihn um 1951 dazu, zuzugestehen, daß die jugoslawische Revolution und der Arbeiterstaat, den sie schuf, nur quantitativ von der Norm abwichen, nicht qualitativ.

Hansen lehnte die normative Methode ab, aber nicht vom Standpunkt der echt materialistischen Methode aus, die gewichten kann, was die Abweichungen von der Norm bedeuten. Hansen lehnte die "Normen" - Räte, Arbeiterdemokratie, direkte Beteiligung der Massen an ihrer eigenen Emanzipation - effektiv als "zweitrangige", "nicht grundlegende" oder lediglich "formale" Fragen ab. Das volle Erblühen von Hansens Pragmatismus fand zu Kuba statt.

1960 ging Hansen einen Schritt darin weiter, die Methode wieder anzuwenden, die diese liquidatorischen Schlußfolgerungen bezüglich Tito hervorgebracht hatte. Die Anpassung an den Castroismus kopierte die Kapitulation vorm Titoismus. Diese Methode war nicht in der Lage, den kleinbürgerlichen "Antiimperialismus" und Stalinismus zu bekämpfen und machte 22 Jahre später ihre Gefolgsleute blind für die Notwendigkeit einer politischen Revolution.

Nichtsdestotrotz registrierte Hansen empirisch die entscheidenden politischen und "ökonomischen" Ereignisse und selbst Stadien der kubanischen Revolution.

Darin behielt er den Vorsprung vor seinen "antipabloistischen" Kritikern. So konstruierten Mage, Wohlforth, Healy alle leblose, abstrakte und idealistische Schemata, - klassenloser "Übergangsstaat", "strukturelle Assimilierung", "kapitalistischer Staat" - die nicht nur ernsthafte Revisionen der marxistischen Staatstheorie mit sich brachten, sondern ihre Autoren gegenüber den Hauptereignissen und -wendepunkten der kubanischen Revolution blendeten. Hansens Bewertung der Bedeutung der kubanischen Revolution jedoch war nichtsdestoweniger hoffungslos schiffbrüchig, wenn es um die Einschätzung politischer Tendenzen, Regierungen und daraus folgender Strategien und Taktiken für die proletarische Avantgarde ging, während sie in der Lage war, die Brüche mit dem Imperialismus und der kubanischen Bourgeoisie, die Wichtigkeit der materiellen Bindeglieder zur UdSSR und die Enteignung des kapitalistischen Besitzes zu begreifen.

Während Hansen sein Herangehen auf der Analyse des Titoismus der Vierten Internationale 1948-1950 aufbaute, tauchte als "neues" Problem die nichtstalinistischen Ursprünge der Bewegung des 26. Juli (B26J), in der Tat ihre nichtproletarischen Wurzeln sowohl in politischen wie sozialen Begriffen auf.

Hansen argumentierte, die Bewegung Castros sei eine radikal kleinbürgerliche Bewegung mit einem bürgerlich-demokratischen Programm. Ihr Programm versprach tiefgreifende Landreform und Industrialisierung, um Kubas abhängigen Status gegenüber den USA aufzubrechen. Die Castroisten standen jedoch ernsthaft zu ihrem Programm und bestanden prinzipiell auf "revolutionären Methoden", um Batista hinauszuschmeißen.

Während der Phase des Bürgerkriegs in der Sierra Maestra mobilisierte Castro die armen Bauern und das Landproletariat, "den entscheidenden Sektor der kubanischen Arbeiterklasse", und durch Umkehrwirkung dieses Handelns wurden die Führer der B26J in ihrer "Zielvorstellung verändert". Die städtischen Arbeiter auf der anderen Seite erwiesen sich als unfähig, ihre Macht in diesem Stadium zum Tragen zu bringen, und schlossen sich später Castro an.

Castro zerstörte Batistas Streitkräfte und ergriff im Januar 1959 die Macht; damit leitete er einen Prozeß der Zerschlagung der bürgerlichen Staatsmaschinerie ein. Es war eine "politische Volksrevolution", aber "schien auf demokratische Ziele beschränkt zu sein." Die Regierung war eine Koalition mit bedeutenden bürgerlich demokratischen Elementen. Der Versuch, die Agrarreform und andere Maßnahmen durchzuführen, führte zu einem Zusammenstoß mit dem US-Imperialismus und seinen kubanischen Werkzeugen. Castro brach mit der Bourgeoisie, schloß ihre Repräsentanten aus der Regierung aus und bildete "eine Arbeiter- und Bauernregierung" (Herbst 1959).

Kubas Arbeiter- und Bauernregierung konnte als solche bezeichnet werden wegen ihres festen Widerstands gegen den Imperialismus und seine kubanischen Agenten, ihrer resoluten Verfolgung der Agrarreform, ihrer Entwaffnung der Reaktion und Bewaffnung des Volkes, ihrer Durchführung von Maßnahmen für die Arbeiterklasse auf Kosten der Bourgeoisie; ihr Konflikt mit dem Imperialismus zwang sie, zunehmend radikale Maßnahmen zu ergreifen.

Die Periode der Arbeiter- und Bauernregierung wurde Ende 1960 mit der Errichtung eines Arbeiterstaats abgeschlossen. Die entscheidenden Maßnahmen waren: Einrichtung eines Außenhandelsmonopols, Verstaatlichung des Großgrundbesitzes, Enteignung aller Holdings im Besitz des US- und kubanischen Kapitals in allen Schlüsselsektoren der Wirtschaft. Dieser Prozeß wurde in der Periode um August 1960 herum vollendet und Hansen konnte darum verkünden, daß "die Planung nun (Dezember 1960) fest etabliert ist." Nach seiner Ansicht entwickelte sich die Planung "verbunden mit der Nationalisierung der Industrie." Die Vorgangsweise für die Planung der Wirtschaft beruhte auf einer Studie der UdSSR und Osteuropas, und "damit ist die Umwälzung der Eigentumsverhältnisse in letzter Analyse ein Echo der Oktoberrevolution in Rußland."

Die Castro-Bewegung und der Staat, den sie geschaffen hatte, wiesen jedoch "einzigartige" Züge auf. Der kubanische Arbeiterstaat war weder degeneriert noch deformiert, tatsächlich "sah er ziemlich gut aus". Jedoch "mangelte es ihnen bis jetzt an Formen demokratischer proletarischer Herrschaft." Obwohl, wenn sie sich frei entwickeln sollten, "ihre demokratische Tendenz zweifellos zur frühzeitigen Bildung proletarischer demokratischer Formen führen würde." Es gab deshalb keine bürokratischen Hindernisse für den Vormarsch zum Sozialismus auf Kuba oder die internationale Ausbreitung der Revolution. Die Castro-Führung demonstrierte im Verlauf der Revolution durch ihr Versagen, "sozialistische Ziele zu proklamieren", daß "der subjektive Faktor in der Revolution unklar blieb".

Nichtsdestotrotz war die Strömung um Castro empirisch revolutionär und vor allem nicht stalinistisch Ð "ein Fakt von weltweiter Bedeutung". Der nichtstalinistische und in der Tat tiefgehend demokratische Grundgehalt des Castroismus bedeutete, daß die kubanische KP selbst von ihrem Erbe des Stalinismus gesäubert werden konnte. Es war deshalb nicht notwendig, programmatisch den Trotzkismus dem Castroismus gegenüberzustellen, weil nicht die Notwendigkeit existierte, eine separate trotzkistische Partei aufzubauen. Hansen lehnte deshalb die politische Revolution und eine trotzkistische Partei für Kuba ab. Er führt außergewöhnliche Gründe an, um zu erklären, warum eine trotzkistische Führung nicht notwendig ist; der Kapitalismus sei schwächer in den imperialisierten Ländern und dort würde eine "sozialistisch gesinnte" Führung genügen wegen der Stärke des objektiv revolutionären Prozesses.

Hansen macht das trotzkistische Programm überflüssig

Hansens Analyse ist in ihren programmatischen Schlüssen gründlich liquidatorisch. In erster Linie dadurch, daß er die Aufgaben einer revolutionären kommunistischen Partei, die eine in bewaffneten, demokratischen Organen direkter Machtausübung organisierte Arbeiterklasse führt, den Castroisten anvertraut, stellt seine Position eine Kapitulation vor einem Agenten des Kleinbürgertums dar. Castros Programm von 1959 war völlig klar. Er hielt sich entwickelnde Institutionen der Demokratie - bürgerliche oder proletarische - auf, weil seine Rolle die eines Bonaparte war, der demagogisch die Massen besänftigt, aber in Verteidigung des Kapitalismus handelt. Die Tatsache, daß Castro revolutionäre Methoden - d.h. den bewaffneten Kampf - anwandte, macht ihn nicht zum Kommunisten, weder bewußt noch unbewußt. Zahllose Nationalisten in der imperialisierten Welt - z. B. Chiang Kai Chek - haben nichtverfassungskonforme Methoden benutzt, um die Macht zu ergreifen. Hansens Versuch, Castro von anderen nationalistischen Führern abzusetzen, indem er auf seine Basis unter dem Landproletariat anspielt, ist gleichfalls falsch. Das Landproletariat war nie so gut organisiert wie die Arbeiter in der Stadt und so klassenbewußt wie diese.

Aus diesem wirklichen Grund war Castro in der Lage, es in diesem Guerillakrieg auf exakt die gleiche Art zu benutzen wie die armen Bauern. Das heißt, ihre Kampfform unter Castros Führung war keine spezifisch proletarische. Wir würden tatsächlich gegen Hansen argumentieren, daß eigentlich die Abwesenheit der wohlorganisierten städtischen Arbeiterklasse unter Führung einer revolutionären Partei vom kubanischen revolutionären Kampf es war, welche die Bürokratisierung der Bewegung und die Bildung eines degenerierten Arbeiterstaats ermöglichte.

Sein Versuch, den Castroisten revolutionär-proletarische Glaubwürdigkeit zu verleihen, führt Hansen dazu, den Volksfrontcharakter der B26J zu ignorieren. In seinem "Thesenentwurf zur kubanischen Revolution" (1960) gesteht Hansen zu, daß die ursprüngliche Regierung eine "Koalition" war, die in sich "bürgerlich demokratische Elemente" aufnahm. Dieser Charakterzug der B26J, ihre Beschränkung auf ein bürgerliches Programm und die Klassenpolarisierung, die resultierte, als diese Koalition in die kombinierten und in Konflikt stehenden Spannungen zwischen den kubanischen Massen und dem US - Imperialismus geriet, werden komplett ignoriert.

Castro kann als Revolutionär porträtiert werden, der einfach vom amerikanischen Imperialismus nach links getrieben wurde: "Der Konflikt zwischen dem amerikanischen Imperialismus und den Castro-Kräften löste eine politische Krise in Havanna aus. Dies wurde durch eine entschiedene Wende nach links gelöst."

Die B26J wird einfach zu den "Castro-Kräften", ein undifferenzierter Block. Das ist der springende Punkt für Hansens Analyse. Auf diese Weise kann er Castro als beständigen Revolutionär zeichnen, der sich dauernd nach links bewegt, obwohl unbewußt. Das verschleiert Castros wirkliche Rolle in den ersten 9 Monaten von 1959 als Bonaparte für den Kapitalismus. Es versorgt Hansen auch mit einer Erklärung, warum Castro tatsächlich einen degenerierten Arbeiterstaat kreieren konnte. Castros Auflösung der B26J in den kubanischen Stalinismus, die möglich war, weil ein prostalinistischer Flügel in der Bewegung existierte, und die Bildung eines degenerierten Arbeiterstaats durch diese Kraft, werden im Interesse von Hansens kapitulatorischem Schema ignoriert, Kuba sei ein gesunder Arbeiterstaat, der keine politische Revolution nötig habe.

Hansen beobachtet die antikapitalistischen Aspekte von Castros "Arbeiterregierung", paßt sie aber an die Norm der revolutionären Arbeiterregierung der Komintern an. Er vernebelt das Faktum, daß die kubanische Arbeiter- und Bauernregierung nicht unter der Kontrolle des Proletariats und der armen Bauernschaft stand oder ihnen rechenschaftspflichtig war. Damit es so gewesen wäre, hätten eine demokratische Arbeitermiliz und Arbeiter- und Bauernräte entstehen müssen. Solche Körperschaften wurden nicht ins Leben gerufen; zusätzlich wurden die existierenden Arbeiterorganisationen, die Gewerkschaften, von ihrer prokapitalistischen Bürokratie gesäubert. Diese wurde umgehend durch eine stalinistische ersetzt. Während die antikapitalistischen Maßnahmen, die zur Gründung eines Arbeiterstaats führten, von Hansen, wenn auch in verkürzter Form, registriert wurden, wird der bürokratische Ausschluß der Arbeiterklasse von der Macht vollständig ignoriert. Wenn man letzteren Prozeß tatsächlich in Betracht zieht, ist man zu der Schlußfolgerung gezwungen, daß Castros Regierung keine revolutionäre, sondern eine bürokratische Arbeiter- und Bauernregierung war.

Der Grund, warum Hansen sich fähig fühlt, die Tatsache beiseite zu lassen, daß das kubanische Proletariat über keine realen selbstorganisierten, bewaffneten, demokratischen Gremien verfügte, liegt darin, daß er solche Gremien auf bloße "Formen von Arbeiterdemokratie" reduziert: "Wenn der kubanischen Revolution erlaubt würde, sich frei zu entwickeln, würde ihre demokratische Tendenz zweifellos zur frühen Schaffung proletarisch demokratischer Formen führen, die an Kubas eigene Bedürfnisse angepaßt sind."

Nicht nur kann ein gesunder Arbeiterstaat ohne revolutionäre Partei gebildet werden, er kann auch im Namen der Massen entstehen statt durch sie selbst, ohne Sowjets oder eine Arbeitermiliz. Wenn das der Fall ist, sollte die Aufgabe für Trotzkisten einfach darin bestehen, die Linksentwicklung kleinbürgerlicher Nationalisten zu ermutigen, sie zu überreden, im Namen der Massen zu handeln. Eine Partei oder ein Programm, das auf dem Kampf um die Erringung der Macht seitens der in Sowjets organisierten Arbeiterklasse fußt, ist nicht notwendig. Diese Dinge, so versichert uns Hansen, werden sich eines Tages auf natürlichem Wege herausbilden!

Gegen diese Verdrehung des Marxismus muß wieder bekräftigt werden, daß Sowjets und eine Arbeitermiliz nicht bloße "Formen proletarischer Demokratie" darstellen. Sie sind die unverzichtbaren Waffen, die die Arbeiterklasse beim revolutionären Sturz des Kapitalismus besitzt, und die Mittel, wodurch sie ihre direkte politische Herrschaft in einem gesunden Arbeiterstaat ausübt. Ihr zeitweiliges Schrumpfen kann durch die Existenz einer bewußt revolutionären Partei wettgemacht werden (z. B. Rußland 1920), aber nicht durch eine kleinbürgerlich-nationalistische Bewegung, die sich selbst an den Stalinismus anpaßt. Übrigens, wenn die Herausbildung dieser demokratischen Formen auf Kuba wirklich möglich war, dann müßten die Gefolgsleute Hansens erklären, warum 22 Jahre später solche Organe der Macht auf Kuba immer noch nicht bestehen.

Hansen war unfähig, ein unabhängiges revolutionäres Programm für Kuba hochzuhalten. Wie es mit Jugoslawien geschah, reduzierte die SWP(US), durch eine der Verkleidungen des Stalinismus genarrt, ihre eigene Rolle darauf, eine freundliche Ratgeberin für Castro zu sein. Wenn dies auf Kuba anwendbar war, dann träfe es gleichfalls für eine Reihe anderer imperialisierter Länder zu. Hansens Theorie, die auf den früheren Irrtümern der Vierten Internationale aufbaute und diese weiterentwickelte, machte den Weg für die Wiedervereinigung mit Pablos und Germains Internationalem Sekretariat frei. Das Vereinigte Sekretariat der Vierten Internationale wurde so auf einem Programm gegründet, das mit der Charakterisierung des Stalinismus seitens des authentischen Trotzkismus keine Ähnlichkeit trug.

Die Theorie der strukturellen Assimilierung

Die Theorie der strukturellen Assimilierung steht dafür, daß die Bildung von Arbeiterstaaten in Osteuropa, Indochina und auf Kuba im Kern das Ergebnis der Assimilierung dieser Gesellschaften in die UdSSR hinein war. Für die Theoretiker der strukturellen Assimilation - am auffälligsten in der jüngst abgelaufenen Periode T. Wohlforth - ist der Prozeß der Schaffung neuer Arbeiterstaaten letztlich der Prozeß der Ausdehnung der Eigentumsverhältnisse, die durch die Arbeiterrevolution in Rußland etabliert wurden: "Somit waren alle Nachkriegsumwälzungen essentiell Ausdehnungen der neuen Eigentumsverhältnisse, die von der Oktoberrevolution aufgeworfen wurden, und der bürokratischen Kaste, die diese Eigentumsformen usurpierte."

Die oberflächliche Anziehungskraft dieser Theorie liegt darin, daß nach ihren Begriffen weder stalinistische Parteien noch kleinbürgerlich-nationalistische Kräfte für fähig gehalten werden, Arbeiterstaaten zu gründen, nicht einmal in einer von Beginn an degenerierten Form. Sie können das nur als Ausdehnung der degenerierten Oktoberrevolution:

"Die Theorie der strukturellen Assimilation erklärte einen Prozeß der Schaffung deformierter Arbeiterstaaten durch die Expansion des degenerierten Arbeiterstaats. Das heißt, sie beantwortete die Frage der Herkunft, ohne in irgendeinem Sinn die revolutionäre Rolle des Proletariats zu untergraben."

Durch den "Beweis", daß die Agentur der sozialen Revolution die Oktoberrevolution bleibt, obwohl in hochgradig gebrochener und degenerierter Form, dachte Wohlforth, er habe eine "Theorie" entdeckt, welche die opportunistischen Abweichungen Pablos fernhalten würde. Wohlforths Position hat sich über die Jahre deutlich verändert, besonders zur Frage Chinas und Kubas. Aber ein gemeinsamer Faden einer irrtümlichen und nichtmarxistischen Position zum Staat verknüpft seine Positionen von 1961 mit dem heutigen Tag.

Wohlforth ist sich niemals absolut im Klaren darüber, was genau mit dem kapitalistischen Staat in den Ländern Osteuropas im Gefolge der Siege der Roten Armee oder in China 1949 oder auf Kuba 1959 passiert ist. Man kann seine Position zweideutig interpretieren. Entweder wurde der kapitalistische Staatsapparat niemals zerschlagen oder doch, aber er wurde dann sofort von den Stalinisten oder kleinbürgerlichen Nationalisten neu begründet. Somit argumentiert er zu Osteuropa:

"(Strukturelle Assimilierung) wurde nicht durch die Zerstörung des alten bürgerlichen Staates insgesamt und die Errichtung eines neuen Staatsapparats der Arbeiterklasse durchgeführt. Nicht nur ist vieles an der Verwaltungsstruktur bis heute intakt gehalten worden, sondern auch ein beträchtlicher Teil des Personals der alten Staatsadministration ist beibehalten worden." Zu China behauptet er Folgendes: "Vielmehr widmete sie (die KPCh) ihre Anstrengungen der Schaffung einer Koalitionsregierung mit den Überresten der nationalen Bourgeoisie und kleinbürgerlichen Kräften, garantierte die Unantastbarkeit des Privateigentums in der unmittelbaren Periode und machte sich ans Werk, den bürgerlichen Staatsapparat wiederherzustellen."

Die Verwirrung entsteht, weil Wohlforth den Klassencharakter des Staats nicht auf der Grundlage definiert, welche Produktionsweise er verteidigt (sein Klasseninhalt), sondern auf der Grundlage seiner Form. Was für Wohlforth wichtig wird, um den Klassencharakter dieser Staaten zu definieren, ist die Tatsache, das eine stehende Armee wieder gebildet und das alte Personal und die Administration beibehalten wurden. Dies erklärt auch, warum er kein Konzept zur in dieser Periode der Umwälzung existierenden Doppelmacht hat (außer als "territoriale" Doppelherrschaft in China).

Der Klassencharakter des Staates wird seiner Form untergeordnet. Indem er die Frage, über welchen Eigentumsverhältnissen der Staat thront, auf das Niveau einer zweitrangigen Frage zurückstuft, finden die entscheidenden Ereignisse, die zur Charakterisierung dieser Staaten als deformierte Arbeiterstaaten führen, deshalb auf der Ebene der Superstruktur statt, innerhalb des Staatsapparats: "Die gegenwärtige soziale Transformation wurde im Staatssektor durchgeführt in einem Prozeß der Säuberung der Staatsbürokratie, des Überschwemmens des Staatsapparats mit Unterstützern der Stalinisten und der Verschmelzung der Bürokratien von Staat und Kommunistischer Partei." Diese eigentliche Trennung von Basis und Überbau führt Wohlforth zu einem ernsten Irrtum über die Natur der Verstaatlichungen während dieses Zeitabschnitts. So kann Wohlforth argumentieren: "Die direkte ökonomische Macht der bürgerlichen Klasse in Osteuropa war mit den Nationalisierungen, die auf den Krieg folgten, gründlich abgetragen worden." Und: "Wenn es darum zum gesellschaftlichen Eigentum kommt, komplettierte der strukturelle Transformationsprozeß einfach einen Ablauf, der grundlegend schon beendet war."

Aber diese Verstaatlichungen - durch kapitalistische Staaten in Osteuropa in der Periode 1944/45 Ð "trugen" nicht entscheidend die wirtschaftliche Macht des Bürgertums mehr "ab", als sie es für die ägyptische Bourgeoisie unter Nasser taten. Was wirklich die Macht der Bourgeoisie in dieser Periode "erodierte", war die Zerschlagung ihres Zwangsapparates.

Zur zentralen Frage bei der Herausbildung von Arbeiterstaaten wird deshalb für Wohlforth: "In wessen Händen liegt die Staatsgewalt?"

"Die Vollendung der Zerstörung der wirtschaftlichen Stütze der bürgerlichen Kräfte in diesen Ländern stellte nicht solch einen drastischen Wandel dar wie die Zerstörung ihrer politischen Macht. In den meisten dieser Länder befanden sich 1947 die Kommandohöhen der Industrie in den Händen des Staats, somit wurde zur kritischen Frage, in wessen Händen der Staat lag, statt der Aufräumoperation bei den Überbleibseln der kapitalistischen Holdings." (Die Einführung der staatlichen Planung, sollten wir im Vorbeigehen festhalten, muß Teil dieser "Aufräumoperation" gewesen sein!)

Dies gebiert Wohlforths Konzentration auf die Fusion von KPen und Sozialdemokraten und die "Durchdringung der monolithischen Partei mit dem Staatsapparat" (der feste stalinistische Zugriff auf den Staat und der feste Zugriff des Staates auf die Gesellschaft) als die entscheidenden Punkte, die die Entstehung der Arbeiterstaaten trotz ihrer degenerierten Form kennzeichnen. Wie Wohlforth diesen Prozeß selber beschreibt:

"Das Wesentliche bei der strukturellen Assimilation ist ein kombinierter Prozeß zwischen der Zerstörung der politischen und sozialen Macht der Bourgeoisie durch administrative Mittel, der Festigung einer monolithischen Partei, was wesentlich für eine Erweiterung der Sowjetbürokratie ist, der Säuberung von bürgerlichen Elementen aus dem Staatsapparat und der Fusion der Partei und der Staatsbürokratie in eine einzelne, herrschende bürokratische Kaste."

Zugrunde liegt Wohlforths Theorie von der strukturellem Assimilation eine Konzeption vom Staat, und deshalb des Überganges von einer Staatsform zur anderen, welche sich mehr an Kautsky als an Marx anlehnt. Für Wohlforth ist es dem Proletariat oder einer Kaste in ihm möglich, die bestehende Staatsmaschinerie zu ergreifen und sie als Instrument zur Schaffung eines Arbeiterstaates zu benutzen, als Mittel zur Durchführung der sozialen Revolution. An keinem Punkt in diesem Vorgang ist der bürgerliche Staat "zerschlagen", lediglich "gesäubert". Es gibt keinen qualitativen Bruch, eher wächst der bürgerliche Staat vermittels eines evolutionären Prozesses in einen degenerierten Arbeiterstaat hinüber:

"Das Problem des Zeitpunktes ebenso wie das Problem der Zerstörung des bürgerlichen Staates durch 'Verschmelzung und Säuberung' ist ein Spiegelbild des eigentlichen Prozesses der strukturellen Assimilation. Wo immer dieses Problem auftaucht, - solange kristallklar ist, daß ein sozialer Umsturz stattgefunden hat - weiß man, daß man sich mit diesem Vorgang befaßt."

Diese Methode steht im scharfen Gegensatz zu unserer Analyse von der Formierung degenerierter Arbeiterstaaten, die an jedem Punkt die Klassennatur des Staates und die sich daraus ergebenden programmatischen und taktischen Implikationen analysiert. Für Wohlforth und vermutlich für jede Partei, die diese Theorie vertritt, kann man nur nach dem Ereignis wissen, daß ein Arbeiterstaat ins Leben gerufen worden ist oder selbst dieser Prozeß begonnen hat.

Wohlforths Erklärung zur Entstehung neuer Arbeiterstaaten basiert auch auf einer irrtümlichen Analyse der Natur des Stalinismus und der stalinistischen Parteien. In seinem Originalessay von 1963 werden die Kommunistischen Parteien in allem Wesentlichen als Verbreiterung der Kremlbürokratie beschrieben. Folglich ist es die Kremlbürokratie, die auf durch Arbeiterrevolution etablierten Eigentumsverhältnissen basiert, die den Zugriff auf die Staatsmaschinerie hält und diese mittels "Säuberung" als Mittel zur Umwandlung bürgerlicher Staaten in Arbeiterstaaten benutzt.

"Der degenerierte Arbeiterstaat, welcher von der Oktoberrevolution herkommt, hat sich durch seine Agenten in große an die UdSSR angrenzende Gebiete hinein ausgebreitet - ein Vorgang, den wir defensiven Expansionismus nennen." Und weiter, in der Argumentation gegen die bürokratischen Kollektivisten: "Aber der Stalinismus expandierte in der Nachkriegswelt nicht auf dieser Grundlage. Er wuchs überhaupt nicht aus einer Managerschicht der kapitalistischen Gesellschaft heraus. Eher vergrößerte er sich von der UdSSR aus. Daher kann die Identität des Stalinismus mit der UdSSR - seine Ausdehnung durch seine eigenen Agenten und in Opposition zu allen Schichten der Länder, in denen die Transformation stattfand - nicht mit der Theorie des bürokratischen Kollektivismus erklärt werden."

Diese Analyse wird erweitert, aber nur mit Schwierigkeiten, auf Jugoslawien und China. Zur Jugoslawischen Kommunistischen Partei argumentiert er: "Wenn der Puffer im Allgemeinen wirklich verstanden wurde, bestehen keine theoretischen Probleme mit der jugoslawischen Entwicklung im Besonderen. Der Hauptpunkt ist, festzustellen, daß die Natur der einheimischen KPen besteht im wesentlichen in der Ausbreitung der Sowjetbürokratie selber besteht. Wenn dies festgehalten wird, dann kann die soziale Umwandlung von mehr 'einheimischem' Charakter wie in Jugoslawien verstanden werden. Jugoslawien unterschied sich diesbezüglich nur graduell - dies war aber kein qualitativer Unterschied."

Während zur Frage der Chinesischen Kommunistischen Partei die folgende Analyse vorgetragen wird: "Im Ausmaß, wie die KPCh von den einheimischen sozialen Klassen unabhängig war und ist, ist sie abhängig von - ist wesentlich eine Erweiterung - der bürokratischen Kaste der UdSSR, die das pervertierte Produkt einer Arbeiterrevolution verkörpert."

Dies ist eine fundamental undialektische und deshalb auch falsche Charakterisierung der nationalen Kommunistischen Parteien. Seit dem Beginn des bürokratischen Thermidors in der UdSSR, welcher sich unter dem Slogan "Sozialismus in einem Lande" vollzog, durchlief die Komintern einen Desintegrationsprozeß entlang der Linien des Nationalchauvinismus. Die nationalen KPen paßten sich den spezifischen Schichten des Kleinbürgertums in den imperialisierten Ländern und der Arbeiterbürokratie in den imperialistischen Ländern an. Dieser Vorgang der Anpassung nahm in den Bürgerkriegen in Jugoslawien und China zugespitzte Formen an. Wie Wohlforth in seinem zweiten Dokument aufzeigt, führte dies zu einem Prozeß der Herauskristallisation bürokratischer Kasten in diesen Gesellschaften, die ihre eigenen deutlichen Interessen hatten, separat von und entgegengesetzt zu nicht nur den Massen der einzelnen Gesellschaften, sondern auch den nationalen Interessen der Sowjetbürokratie.

Der Zeitpunkt und die Geschwindigkeit des sozialen Umsturzes in Jugoslawien, die Eroberung der Macht in China selbst, fanden im Kontrast zu den unmittelbaren Interessen und Wünschen der Kremlbürokratie statt. Diese stalinistischen Bürokratien sind fähig gewesen, mit dem Imperialismus ihre eigenen Bündnisse gegen die Sowjetbürokratie zu schließen, bis zum und einschließlich des Herausbrechens aus dem Sowjetblock und dem Eintritt in militärische Allianzen und Zusammenarbeit mit dem Imperialismus (z.B. Jugoslawien der Koreakrieg, Chinas Verhältnis zu den USA in den späten 7Oer Jahren).

In einem neueren Dokument scheint Wohlforth die Unhaltbarkeit seiner vorhergehenden Stalinismusanalyse deutlich zu werden, als er mit dem Problem der chinesischen und kubanischen Revolution umzugehen versucht. So stellt er fest:

"Ich habe bewiesen, daß all die sozialen Nachkriegsumstürze von oben mit militärisch-bürokratischen Mitteln initiiert wurden und zur Bildung deformierter Arbeiterstaaten führten, die im wesentlichen mit der UdSSR identisch sind. Wie auch immer wich der Pfad, der zu diesen sozialen Umwandlungen führte, in erheblicher Weise in den Fällen der chinesischen und kubanischen Variante davon ab. Trotzdem war keiner dieser Vorgänge von der Sowjetbürokratie total unabhängig."

Historische Realität hat Wohlforth von einer Position, in der die stalinistischen Parteien als wenig mehr denn eine "Ausbreitung der Kremlbürokratie" gesehen wurden, zu einer, in der diese nicht als "ganz unabhängig vom Kreml" angesehen werden, gestoßen. Die Theorie der strukturellen Assimilation, die argumentierte, daß stalinistische und kleinbürgerlich-nationalistische Bewegungen außer als Ausdehnung der Kremlbürokratie keine deformierten Arbeiterstaaten errichten könnten, ist hier bis zum Bruchpunkt gedehnt worden!

Es ist falsch, die stalinistischen Parteien einfach als Auswuchs der Sowjetbürokratie zu sehen. Die Logik genau dieses Argumentes führte Pablo zu dem Schluß, daß die Jugoslawische Kommunistische Partei aufhörte, stalinistisch zu sein, nachdem sie einmal mit dem Kreml gebrochen hatte. Jedoch kann die Fähigkeit der Kräfte des Stalinismus, bürokratische soziale Revolutionen durchzuführen, nicht geschichtlich von der Existenz der UdSSR und ihrer Stärke gegenüber dem Imperialismus abstrahieren. Im Falle von Jugoslawien, China und Kuba wurden die bürokratischen sozialen Revolutionen durchgeführt in einer Situation, in der die Weltbourgeoisie im Verhältnis zur UdSSR unzureichend stark war, direkt und erfolgreich zu intervenieren, um die einheimische Bourgeoisie und die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zu beschützen.

Die Existenz der UdSSR allein kann natürlich zur direkten materiellen Hilfe der einheimischen stalinistischen Kräfte dienen. Daß dies jedoch nicht immer der Fall sein wird, sollten solche Kräfte nicht die Interessen der Kremlbürokratie begünstigen, wird von den griechischen Ereignissen von 1944/45 demonstriert.

Die UdSSR kann schon durch ihre Existenz und bewaffnete Macht die Möglichkeit international unterstützter kapitalistischer Vergeltungen und Konterrevolutionen untergraben. Sie kann als eine alternative Quelle der wirtschaftlichen Hilfe und der Zusammenarbeit an Kräfte dienen, die darum kämpfen, den Würgegriff des Imperialismus über ihrer nationalen Wirtschaften zu brechen, wie im Falle von Kuba. Doch solch Beistand wird nur dann von der UdSSR gewährt werden, wenn die sozialen Umstürze die Verhandlungsposition der Kremlbürokratie potentiell stärken, ohne dabei die Kremlstrategie der friedlichen Koexistenz mit dem Imperialismus umzukippen.

In Wohlforths Staatstheorie ist eine reformistische politische Logik enthalten, die außerhalb der Tradition der Dritten und Vierten Internationale steht. Dies ist am deutlichsten in Wohlforths jüngstem Artikel "Übergang zum Übergang" in der New Left Review. Die Klassennatur des Staates, gemessen an seiner Überbauform zu definieren, anstatt auf der Grundlage, welche Eigentumsverhältnisse er verteidigt, brachte ihn wie Kautsky zuvor dahin, das Sowjetsystem selber zu hinterfragen.

Den "Sowjettyp der frühen UdSSR-Periode" näher betrachtet, ist Wohlforth sich offensichtlich nicht mehr länger sicher, ob er sich von den bürokratischen osteuropäischen oder Mussolini-Staatstypen, die beide für ihn der Form nach kapitalistisch waren, "fundamental unterschied" und ihnen überlegen war.

In diesem Artikel gibt sich Wohlforth damit zufrieden, die Sowjetdemokratie als "undemokratisch" anzugreifen und schlägt statt dessen eine gute Dosis bürgerlicher Demokratie für den frühen Sowjetstaat vor. Wenn die frühe Sowjetunion auch eine "kapitalistische Staatsform" besitzt, dann ist nur logisch, für kapitalistische Demokratieformen zu argumentieren. Das "Versagen" der frühen bolschewistischen Regierung, die Räte in eine "praktikable Regierungsstruktur" zu transformieren, "stellte (somit) die Unmöglichkeit zur Schau, das dezentrale Sowjetsystem mit den Erfordernissen eines modernen Zentralstaats zu kombinieren, wie es auch die Zweideutigkeiten (sic) in der leninistischen Gegenüberstellung von 'proletarischer' und 'bürgerlicher' Demokratie enthüllte."

Wohlforth glaubt, es sei "utopisch", sich die Etablierung direkter demokratischer Herrschaft vorzustellen und ist nur willens, "die Vision und Möglichkeit" eines solchen Systems zu verteidigen. Die Bolschewiki waren gezwungen, "viele vom alten Verwaltungspersonal" zu benutzen und dem zuzuschauen, "was in vielerlei Hinsicht der Wiederaufbau des alten Staatsapparats war." Anstelle der "Ausdehnung der Demokratie" (Klassencharakter nicht vorgegeben!) wurde sie eher "eingeschränkt".

Wieder einmal erlaubt Wohlforths vorrangige Beschäftigung mit der "Form" des Staats ihm, total blind gegenüber dem Inhalt von Rätedemokratie zu bleiben. Der junge Sowjetstaat repräsentierte die Diktatur des Proletariats: darum wurde die Bourgeoisie vom Wahlrecht ausgeschlossen, darum wurde der Arbeiterklasse in den Sowjets größeres Gewicht als den Bauern verliehen. Wohlforth entleert wie Kautsky vor ihm die Demokratie ihres Klasseninhalts, protestiert gegen die "Verletzung" der Demokratie im Allgemeinen. Lenin hatte dies zu sagen, als Kautsky sich über die Einschränkungen der Demokratie in der frühen Sowjetrepublik beschwerte: "Es ist natürlich für einen Liberalen, von 'Demokratie' allgemein zu reden; aber ein Marxist wird niemals vergessen zu fragen: 'Für welche Klasse?'".

Unerschrocken fährt der liberale Wohlforth fort: "Es ist schwer, den jungen Sowjetstaat als den Systemen der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie, die die leninistische Doktrin scharf kritisierte, strukturell überlegen zu betrachten." Er schreitet dann weiter, eine verfassunggebende Versammlung als Zwischenstufe auf dem Weg zu Räten nach der Machtergreifung durchs Proletariat zu empfehlen.

"Die spezifische Funktion repräsentativer Demokratie besteht deshalb darin, sicherzustellen, daß die Macht, die noch bei der zentralen Staatsspitze verbleibt, direkt durch pluralistische Konkurrenz, allgemeines und geheimes Wahlrecht gewählt wird. Repräsentative Demokratie ist nötig, um den Widerspruch zwischen Rätetum und Zentralismus zu vermitteln und Raum für den allmählichen Übergang der Macht von zentralisierten, repräsentativen Institutionen auf dezentralisierte, Teilnehmerkörperschaften vom Räte- oder kommunalem Typ zu garantieren." All dies ist natürlich nichts Neues; dies waren exakt die Punkte, an denen Kautsky die Diktatur des Proletariats in der jungen Sowjetrepublik attackierte.

So hat Wohlforth nun Übereinstimmung mit Kautsky erzielt, nicht nur in der Staatsfrage, sondern auch in der Ablehnung der Diktatur des Proletariats. 1919 in "Terrorismus und Kommunismus" bestimmte Kautsky die UdSSR als "bürokratische Diktatur", wo die Bürokratie eine "neue, herrschende Klasse" darstelle, die über eine "staatskapitalistische Ökonomie" präsidiere. Da er schon seit langem theoretisches Einverständnis über den Staat hat, wird es zweifelsohne nicht lange dauern, bis Wohlforth mit Kautsky Übereinkunft über den Klassencharakter der Sowjetunion erzielt!

Die spartacistische Schule der Stalinophilie

Die kubanische Revolution schuf eine neue Basis für eine Übereinstimmung zwischen den zwei Hauptlagern des "Welttrotzkismus". Sie ermöglichte es Joseph Hansen und der SWP(US) und Ernest Mandel und dem Internationalen Sekretariat, sich um ähnliche Positionen zu Kuba wiederzuvereinigen, die aus ihrer beidseitig geteilten irrtümlichen Einschätzung der jugoslawischen Revolution in den späten 40er und frühen 50er Jahren stammten. Die Positionen der SWP zu Kuba gingen jedoch nicht ohne Herausforderung in dieser Organisation durch.

Während der zweiten Jahreshälfte 1960 entwickelte eine Minderheitstendenz in der SWP(US) unter Führung von Mage, Wohlforth und Robertson eine alternative Position zur SWP-Mehrheit über die kubanische Revolution. Dies führte 1961 zur Bildung der Revolutionären Tendenz (RT), die später zur internationalen Spartacist Tendenz (iST - sic; heute umbenannt in Internationale Kommunistische Liga/International Communist League [IKL/ICL], d. Red.) werden sollte. Wohlforth sollte schnell die Positionen, die er in der Opposition zu entwickeln half, aufgeben und im Bündnis mit Healy die Seite der SWP-Mehrheit beim bürokratischen Ausschluß der RT beziehen. Die ursprünglichen Positionen wurden in der iST weiter entwickelt und sind eher durch Implikation denn durch theoretische Ausarbeitung weit genug ausgedehnt worden, um Osteuropa, Jugoslawien, China etc. abzudecken. (Es ist tatsächlich erstaunlich, daß mehr als 20 Jahre später kaum ein paar Zeilen von der iST über die Umstürze in Osteuropa verfaßt worden sind.) Anfänglich vom Wunsch motiviert, den chronischen Opportunismus und das Liquidatorentum der Hansen-Mehrheit zu vermeiden, ging die RT/iST weiter und beging eine Reihe größerer Revisionen an der marxistischen Staatstheorie, die in ihren Folgewirkungen fürs marxistische Programm nicht weniger fehlerhaft und gefährlich sind als die sowohl von Hansen wie auch Wohlforth begangenen.

Der Kern des Irrtums der iST liegt in der Charakterisierung der Natur des Staates, der auf Kuba zwischen Januar 1959 und Ende 1960 existierte. Denn da war die Regierung, die Kuba kontrollierte, "ein inhärent transitorisches und fundamental instabiles Phänomen - eine kleinbürgerliche Regierung , das sich weder der Verteidigung bürgerlichen Privateigentums noch kollektivistischer Eigentumsformen proletarischer Klassenherrschaft widmete." Die Regierung kam an die Macht in einer Situation, wo "ein kapitalistischer Staat, nämlich Körperschaften bewaffneter Menschen, die sich der Verteidigung bestimmter Eigentumsformen opferten, im marxistischen Sinne nicht existierte." Die bewaffnete Kraft, auf der dieser Staat ruhte, wurde von Kommandeuren angeführt, die ihre "früheren direkten Beziehungen mit oppositionellen liberalen Elementen aufgekündigt hatten und durch diese Episode autonom von ihrer Klasse...der kubanischen Bourgeoisie...geworden waren."

Trotz des Versuchs, sich selbst von der Originalposition Mage/Wohlforth eines "Übergangsstaats" ohne definitiven Klassencharakter zu distanzieren - eine Position, die in "Cuba and Marxist Theory" als nicht zu verteidigen definiert wird -, ist dies genau die Charakterisierung, die die iST selbst benutzt. "Cuba and Marxist Theory" erklärt: "...an keinem Punkt gab es einen klassenlosen 'Übergangsstaat' auf Kuba", es gab "eine kleinbürgerliche Regierung, keine klassenneutrale". Die Benutzung des Begriffs "kleinbürgerliche Regierung" umschifft das Problem nicht. Heißt das, daß wir einen kleinbürgerlichen, auf kleiner Warenproduktion beruhenden Staat vor uns haben? Die iST schreckt vor dieser weiteren Revision des Marxismus zurück, indem sie sich über die interessante neue Staatsform ausschweigt. Statt dessen zieht sie es vor, diesen Staat negativ zu definieren als einen, der weder bürgerliches Privateigentum noch proletarische Eigentumsformen verteidigt.

Entweder ist das ein "klassenneutraler Staat" oder die iST versucht, ein Einhorn auszubrüten. Eine solche Position verwirft direkt die marxistische Analyse des Staats, die vom Kommunistischen Manifest an ausgearbeitet wurde, daß der Staat eine Maschine zur Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Klasse über die anderen ist. Er ist ein Organ der Klassenherrschaft, das selbst in bonapartistischer Form eine Kategorie von Eigentumsverhältnissen verteidigt. Ein Staat, der weder kapitalistische noch proletarische Eigentumsformen verteidigt, ist deshalb ein klassenloser Staat, ein Staat, der nicht länger ein Organ von Klassenherrschaft darstellt, aber einen Widerspruch zur marxistischen Staatstheorie!

Die iST argumentiert weiter, daß der Staat definiert ist "als Körperschaften bewaffneter Menschen, die sich der Verteidigung einer besonderen Eigentumsform widmen". Dies ist eine idealistische Auffassung von der Beziehung zwischen Eigentumsverhältnissen und der Staatsmaschinerie. Wir beurteilen den Klassencharakter eines Arbeiterstaats anhand seiner Aktionen, nicht anhand der "Widmung" von Individuen, die seinen Apparat ausmachen. Diese Revision ist grundlegend für die iST, indem sie ihrer Auffassung von einer "kleinbürgerlichen Regierung" einen theoretischen Anstrich verleiht, demgemäß die durch den Staat zu jeder beliebigen Zeit zu verteidigen ausgesuchten Eigentumsverhältnisse von der Unentschiedenheit in den Meinungen derjenigen an der politischen Macht abhängen.

Diese fundamental falsche Analyse ist auf Nikaragua ausgedehnt worden, wo von uns zu glauben erwartet wird (zur Zeit der Abfassung des Artikels), daß eine Regierung, die seit Sommer 1979 existiert und einer überwiegend in der Hand privaten Kapitals befindlichen Wirtschaft vorsteht, nicht den Kapitalismus verteidigt. Sie ist vielmehr noch nicht entschieden genug gegenüber dem Kapitalismus oder proletarischen Eigentumsformen "festgelegt"!

Solch eine Analyse der kubanischen Vorfälle ist nicht in der Lage, den Klassencharakter der Volksfront, die im Januar 1959 an die Macht kam, von der die iST versichert, sie sei nicht kapitalistisch, zu erklären. Sie ignoriert den prokapitalistischen, bürgerlichen Aspekt der B26J. Als dieser Aspekt vorherrschte (d.h. während der Volksfront), unterdrückte die B26J alle Versuche der Arbeiter und Bauern, über die von der Führung unter Castro festgesetzten bürgerlichen Grenzen hinauszugehen. Ferner sät diese Analyse Illusionen in die kleinbürgerliche Führung der Rebellenarmee, indem sie sie als irgendwie gegenüber keinen Klasseninteressen festgelegt deklariert und damit verbindet, daß die Armee einerseits zwischen Arbeitern und Bauern auf der einen und den Kapitalisten und Grundeigentümern auf der anderen Seite irgendwie "neutral" auftreten kann. Sie kann deshalb nicht den Kampf - in der Form der Doppelherrschaft - zwischen der Bourgeoisie und ihren Unterstützern in der Armee auf der einen und der kleinbürgerlichen Führung um Castro auf der anderen Seite erklären, wo letztere in wie auch immer verdrehter Form die Forderungen und den Druck der aufgebrachten Arbeiter- und Bauernmassen repräsentiert. Die programmatischen Schlußfolgerungen aus einer solchen Analyse sind notwendig vage - weil die Spartacists die Doppelmachtsituation nicht erfassen konnten, hatten sie kein Programm, sie zu lösen .

Die Basis, auf der Kuba als "deformierter Arbeiterstaat" von der iST charakterisiert wird, ist auch falsch: "Kuba wurde zum deformierten Arbeiterstaat mit den durchdringenden Nationalisierungen im Sommer und Herbst 1960." Die hier vorgestellte Gleichung "Verstaatlichungen = deformierter Arbeiterstaat" ist völlig falsch. Das Außenhandelsmonopol und als am bedeutendsten die Einführung der Planung auf der Grundlage der Unterdrückung des Wertgesetzes wie auch Nationalisierungen sind die Merkmale, die zusammengenommen eine Wirtschaft als postkapitalistisch bestimmen. Ferner impliziert diese Position, daß eine "kleinbürgerliche Regierung" den Kapitalismus stürzen und einen "deformierten" Arbeiterstaat nur durch massive Verstaatlichungen konstruieren kann. Auf dieser Basis kann keine wirkliche Unterscheidung zwischen Kuba und anderen "kleinbürgerlichen Regierungen", die einen ähnlichen Kurs verfolgt haben wie Algerien, Burma, Ägypten usw., getroffen werden außer auf Grundlage des prozentualen Anteils der nationalisierten Ökonomie. Waren alle diese kapitalistischen Staaten "deformierte Arbeiterstaaten im Prozeß ihrer Entstehung"? Indem sie mit "Nein" antworten, sind die Spartacists gezwungen, ihrer eigenen Methodologie zu widersprechen.

Die Spartacists erkennen auch in keiner Form die essentielle Rolle an, die der Stalinismus in der kubanischen Revolution spielte. Sie erkennen nicht den protostalinistischen Flügel der B26J vor 1959. Sie erkennen nicht die Allianz Castros mit den kubanischen Stalinisten von November 1959 an. Sie erkennen nicht die elementar wichtige Anpassung des Castroismus an den Stalinismus und sein Vertrauen auf den bürokratischen PSP-Apparat während der Periode der bürokratischen Arbeiterregierung, die mit dem Einsetzen der Planung 1962 vollendet war. Noch erkennen sie an, daß ein solcher Prozeß ohne die wirtschaftliche und militärische Unterstützung durch den Kreml unmöglich gewesen wäre. Konsequent schreiben sie der Kleinbourgeoisie die Fähigkeit zu, einen "deformierten" Arbeiterstaat zu formen - eine Revision des Marxismus in Bezug auf die fundamentalen Charaktermerkmale dieser Klasse.

Spartacisten kapitulieren vor dem Stalinismus

Die bruchstückhaften Verweise der iST auf die Bildung "deformierter" Arbeiterstaaten in Osteuropa implizieren das Vorkommen ähnlicher Perioden "klassenloser Staaten" oder "Arbeiterstaaten im Prozeß ihrer Herausbildung". Beginnend mit dem Einmarsch der Roten Armee wird die Klassennatur des Staats unbestimmt. Den einzigen Defekt, den die iST in der Gleichsetzung des Einmarschs der Roten Armee mit der Formierung von "deformierten Arbeiterstaaten" durch die Vern-Ryan-Tendenz sieht, ist der, daß sich in einigen Fällen die Sowjetkräfte zurückzogen - z. B. aus Österreich - und einen kapitalistischen Staat zurückließen. Aber der bevorzugte Begriff "Arbeiterstaat im Prozeß der Entstehung" ist eine nutzlose Bezeichnung. Er kann nur nach dem Ereignis verwandt werden, als Beschreibung. Dies ist eine Position, die wie auf Kuba den Klassencharakter des Staats, seiner Regierung, oder welche Eigentumsverhältnisse seine Armee in jedem gegebenen Stadium verteidigt, nicht festlegt und somit scheitert, irgendein kohärentes revolutionäres Programm während der Periode der Doppelmacht oder der Periode einer antikapitalistischen, bürokratischen Arbeiterregierung zu liefern.

Nicht nur eine revisionistische Position zum Staat entfaltet sich aus dieser Analyse. Indem sie die Positionen der Vern-Ryan-Tendenz nachbetet, hat die iST eine grundlegende Revision am trotzkistischen Verständnis von Stalinismus vorgenommen. Für die iST hat der Stalinismus einen "dualen Charakter" - er hat eine "schlechte", konterrevolutionäre Seite und eine "gute", fortschrittliche. Seine schlechte Seite verwickelt ihn ins Erdrücken von Arbeiterdemokratie, der Enteignung des Proletariats von der politischen Macht; seine gute Seite besteht darin, daß er den Kapitalismus stürzen kann, und beides wiegt in der Bilanz gleich.

Diese Position wird augenscheinlich im zunehmend stalinophilen Programm der iST, besonders bezüglich Afghanistan und Polen. In diesen Ländern wird der "Doppelcharakter" des Stalinismus in der vermeintlichen Fähigkeit der Stalinisten widergespiegelt, zu agieren "als Befreier im sozialen wie nationalen Sinn" in bestimmten Ländern und in ihrer Unfähigkeit, die proletarische Revolution in weltweitem Maßstab durchzuführen. Sowohl Mandel (in seinen "Zehn Thesen" 1951) wie auch die Vern-Ryan-Tendenz (in ihrer Beschreibung des Stalinismus als zentristisch) artikulierten eine ähnliche Position. Diese Position ist absolut falsch. Sie hat mit genuinem Trotzkismus nichts gemeinsam.

Der Stalinismus trägt nicht zwei konkurrierende Aspekte mit sich, von denen einer zu beliebiger Zeit den anderen dominieren kann. Er trägt vielmehr einen widersprüchlichen Charakter, weil seine privilegierte Kastenexistenz in der UdSSR auf nachkapitalistischen Eigentumsformen basiert, die von der Oktoberrevolution eingerichtet wurden. Um diese Eigentumsformen zu verteidigen, die eigentliche Grundlage der Existenz dieser Kaste, ist die stalinistische Bürokratie manchmal gezwungen, Maßnahmen durchzuführen, welche als progressiv angesehen werden könnten, wenn man sie isoliert von der Art nimmt, in der sie durchgeführt werden, und den Auswirkungen, die sie auf den internationalen Klassenkampf haben. Aber diese Maßnahmen werden niemals isoliert durchgeführt, sie werden immer auf konterrevolutionäre Weise durchgezogen und beinhalten immer die politische Entmündigung der Arbeiterklasse in den betroffenen Ländern. Somit haben für uns die stalinistischen Bürokratien einen widersprüchlichen Charakter, bilden aber ein vorwiegend konterrevolutionäres Ganzes. Wir sprechen dieser Kaste nicht das Potential zu, die Mission des Proletariats zu erfüllen - genuin proletarische Revolutionen sind die Vorbedingung für den Aufbau des Weltsozialismus.

Der Rückzug vom revolutionären Programm, den die spartacistischen Positionen mit sich bringen, kann akkurat aus den Antworten ermessen werden, die sie den afghanischen und polnischen Massen angeboten haben.

In Afghanistan weist die iST die Perspektive der permanenten Revolution für dieses Land zurück, wegen dessen Rückständigkeit. Sie zieht eine falsche Analogie zwischen dem gesunden sowjetischen Arbeiterstaat der frühen 20er Jahre, der bestimmte rückständige asiatische Länder assimilierte, zu den konterrevolutionären internationalen Plänen der bonapartistischen Clique im Kreml. Die Ereignisse in Afghanistan werden nicht vom Standpunkt des internationalen Klassenkampfs betrachtet (was den Kampf fortschrittlicher Afghanen mit dem ihrer afghanischen Arbeiterkameraden, die im Iran, in Pakistan etc. wohnen als Bestandteil eines Kampfs für eine Sozialistische Föderation Südwestasiens verbände), sondern vom abstrakten Standpunkt eines "Fortschritts" aus, "der jetzt von russischen Panzern geführt wird", gegen "Rückständigkeit". Die Spartacists fordern die Bürokratie auf, die sozialen Errungenschaften der Oktoberrevolution auszudehnen. Sie jubeln "Hoch die Rote (sic) Armee!" dem Agenten dieses Prozesses zu. Hinter dem Verbalradikalismus heißt das, daß sie als Teil ihres eigenen Programms für Afghanistan die Etablierung eines degenerierten Arbeiterstaats fordern. Dies ist keine taktische Einheitsfront, es ist eine Aufgabe eines unabhängigen Programms. Dies Vertrauen in die Sowjetbürokraten als zweitbeste Wahl angesichts der Schwäche der afghanischen Arbeiterklasse führt unvermeidlich zu einem strategischen Block mit dem Stalinismus.

Anläßlich der Geschehnisse in Polen 1980-1981 ist die iST von einfacher Feindseligkeit gegenüber der polnischen Arbeiterbewegung geradewegs zu einem Block mit den Stalinisten übergegangen, um die Bewegung zermalmen zu helfen. Sie ging in ihrer Analyse nicht von den revolutionären Möglichkeiten, die bestanden, aus, sondern von einer unterstellten Bedrohung für die Eigentumsverhältnisse in Polen und der UdSSR, die von der Aktion der polnischen Arbeiter auf die Tagesordnung gesetzt wäre. Ihre Entschuldigung für diesen Standpunkt war ihre überzogene Sicht von der Unmittelbarkeit der restaurationistischen Absichten der katholischen Kirche.

Nach dem Versuch der Quadratur des Kreises - den verführten polnischen Arbeitern begrenzte Unterstützung zukommen zu lassen und gegen eine russische Invasion zu stehen (indem man "die Panzer auspfeift", wie "Workers Vanguard" riet), gab die iST Ende 1981 auf und entschied, Solidarnosc sei bis ins Mark konterrevolutionär und sollte zerdrückt werden, wenn notwendig, von Panzern des Kreml: "Solidarnoscs konterrevolutionärer Kurs muß gestoppt werden! Wenn die Kremlstalinisten auf ihre notwendig stumpfsinnige und brutale Weise militärisch intervenieren, um sie zu stoppen, werden wir das unterstützen. Und wir laden im Voraus die Verantwortung dafür auf uns; was immer für Idiotien und Grausamkeiten sie begehen werden, so fliehen wir doch nicht vor der Verteidigung des Zerschlagens von Solidarnoscs Konterrevolution."

Als die Jaruzelski-Variante gemäß ihrem Rat am 13. Dezember 1981 lanciert wurde, als russische Tanks rollten, um die 10 Millionen starke Bewegung der polnischen Arbeiter unterzupflügen, waren die Spartacists schnell zur Stelle und boten ihre Unterstützung an. Sie warnten die polnischen Arbeiter vor jeglichem Widerstand und bezeichneten das schnelle Eingreifen als "kalte Dusche" fürs polnische Proletariat. Von mehr als einem Jahr Klassenkampf aus der Fassung gebracht, riefen diese miserablen Pedanten, die sich nur vorstellen können, die Arbeiterklasse für ihre grauenhafte Karikatur auf den Trotzkismus in der sterilen Atmosphäre des Klassenzimmers von Propagandisten gewinnen zu können (abgetrennt von den aktuellen Arbeiterkämpfen), nach einer Rückkehr von Giereks Regierungsstil der 70er Jahre:

"Wenn das gegenwärtige schnelle Eingreifen so etwas wie das dünne gesellschaftliche Gleichgewicht wiederherstellt, das in Polen vor den Danziger Streiks vom letzten August existierte, ein zaghaftes Verständnis, daß die Regierung die Leute in Ruhe läßt, wenn die Leute die Regierung in Ruhe lassen - werden sich wieder Bedingungen für die Herauskristallisation einer leninistisch - trotzkistischen Partei auftun."

Die iST hat Blut an ihren Händen kleben. Die "gute" Seite vom "Doppelcharakter" des Stalinismus, die Seite, zu deren Unterstützung die iST Revolutionäre auffordert, ist dessen Wille und Fähigkeit geworden, die unabhängige Aktivität der Arbeiterklasse zu zerschmettern. Programmatische Verwirrung über Kuba 1960 hat sich 1982 in stalinophile Klarheit verwandelt. In keinem Stadium dieser Entwicklung repräsentierten die Spartacists eine revolutionäre Herausforderung für den bankrotten Zentrismus des VSVI.

 

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