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1933-1940:

Trotzkis Verteidigung und Weiterentwicklung des Programms

Bei ihrer Gründung 1938 war die Vierte Internationale die einzige konsequente revolutionär kommunistische Strömung auf der Welt. Andere Tendenzen der degenerierenden Komintern stürzten entweder in den Reformismus ab, wie die rechte Opposition unter Bucharin, Brandler, Maurin und Lovestone, oder versteinerten zum Sektierertum, wie Urbahns und Bordiga. Viele Führungspersönlichkeiten der internationalen Linksopposition, hervorragende Gründer von Komintern-Sektionen, hielten dem Druck der bitteren Niederlagen für die Arbeiterklasse in den 30er Jahren nicht stand. Die Niederlagen in Deutschland, Spanien, Frankreich und v.a. der blutige Triumph von Stalins bonapartistischer Clique in der UdSSR trieben Linksoppositionelle wie Nin, Sneevliet und Rosmer auf zentristischen Schlingerkurs.

Es mangelte ihnen an Bereitschaft, Trotzki in seinem Vorhaben zur Gründung einer neuen Internationale zur Seite zu stehen. Trotzki hatte gehofft und erwartet, mehr Kräfte und ein breiteres Spektrum von historischen kommunistischen Führern aus der leninistischen Periode der Komintern in einer neuen Internationale vereinigen zu können. Es sollte nicht sein. Allein die Internationale Kommunistische Liga (IKL) und dann die Bewegung für eine IV. Internationale (BVI) bewahrten die grundlegenden Prinzipien und Taktiken der ersten vier Kongresse der Komintern. Und nur sie waren es, die diese Prinzipien und Taktiken weiterentwickelten, um den gewaltigen Herausforderungen der 30er Jahre begegnen zu können.

Die bürokratische Entartung der russischen Revolution wirkte sich sogleich auch jenseits der Grenzen der Sowjetunion aus. In der Komintern wurden ihre negativen Folgen in der Bewertung des Versagens der KPD bei der Führung des Aufstands von 1923 spürbar. Unter Sinowjews Leitung beging die Komintern noch eine Reihe von verheerenden ultralinken Fehlern (z.B. die Erhebung in Estland). Ihre Sektionen wurden unter der Losung der "Bolschewisierung" durchgreifend bürokratisiert. Nationale Führungen wurden auf Basis ihrer Ergebenheit vor der herrschenden Fraktion der KPdSU ausgewählt. Mit dem Aufstieg des Stalin/Bucharin-Blocks glitt die Komintern in ihren Beziehungen zur britischen Gewerkschaftsbürokratie rasch in Rechtsopportunismus ab. Der Block mit ihr, das anglo-russische Komitee, wurde trotz des Verrats der Gewerkschaften im britischen Generalstreik 1926 weitergeführt.

Nachdem 1927 eine Politik der Liquidation der chinesischen KP in die bürgerlich nationalistische Kuomintang betrieben worden war und in die Katastrophe von Shanghai geführt hatte, drehte sich die Komintern wieder nach links. Sie inszenierte die Kantoner Kommune. Dieser schlecht vorbereitete Aufstand wurde durch das ehemalige Ehrenmitglied der Komintern Chiang Kai Chek grausam unterdrückt. In Rußland selber zerstörte die entstehende bürokratische Kaste in Gefolgschaft Stalins die Parteidemokratie, wendete Polizeimethoden gegen jegliche Opposition an und steuerte eine wilde Zickzacklinie in der Wirtschaftspolitik.

In all diesen Fragen führte die linke Opposition unter Leitung von Leo Trotzki einen entschlossenen Kampf für die Rückkehr der Komintern zum revolutionären Kurs der ersten vier Kongresse. Die linke Opposition hatte ihren Ursprung in der russischen Partei, etablierte sich aber nach Trotzkis Verbannung aus der Sowjetunion als internationale, jedoch externe Fraktion der Komintern mit dem erklärten Ziel einer Reform der Internationale, ihrer Sektionen und des einzigen Staates, wo eine Sektion an die Macht angelangt war, der UdSSR.

Die Positionen der internationalen Linksopposition zur Sowjetunion, zu Deutschland 1923, Britannien 1926 und China 1927 gründeten sich auf den programmatischen Errungenschaften der bolschewistischen Partei sowie den auf den ersten vier Komintern-Kongressen angenommenen Thesen und Resolutionen.

Die Prinzipien der revolutionären Komintern

Die Komintern war in der revolutionären Nachkriegsperiode 1919-1923 aufgebaut worden und hatte eine für die Kommunisten von heute vorbildhafte organisatorische und politische Methode herausgearbeitet. Ihre Kongresse waren demokratische Foren, auf denen die besten kommunistischen Führer ihrer Zeit ihre Taktiken debattieren konnten. Ihr Vollzugskomitee (EKKI) und ein Netzwerk von Aktivisten bildeten die zentralisierte Struktur, mit der die Entscheidungen der Kongresse international durchgeführt werden konnten. Die Komintern systematisierte die Methoden des demokratischen Zentralismus als Organisationsform revolutionärer Kampfparteien und Partei der kommunistischen Weltrevolution.

Aus der verallgemeinerten Erfahrung der russischen Revolution wurde ein klarer Trennungsstrich zwischen Kommunismus und Reformismus gezogen. Die revolutionäre Eroberung der Macht durch das Proletariat und die Internationalisierung der Revolution war das Ziel der Komintern. Mit bloßen Proklamationen gab sie sich nicht zufrieden, sondern war bestrebt, eine Reihe von starken aktiven Sektionen aufzubauen, die imstande waren, diese Ziele mit Hilfe revolutionärer Taktiken zu verwirklichen.

Zu diesem Zweck unterzog die Komintern 1919-1922 die sich rasch wandelnde politische und wirtschaftliche Weltlage und das daraus erwachsende Verhältnis der Klassenkräfte einer ständigen Untersuchung. Sie operierte mit einem Verständnis des Imperialismus als Epoche des kapitalistischen Niedergangs, der Kriege und Revolutionen. Aber sie verstand auch die Bedeutung von Perioden in dieser Epoche: revolutionären, vorrevolutionären, stabilen, defensiven, konterrevolutionären. Perspektiven dienten als Anleitung zum Handeln, die Schwerpunkte des Komintern-Programms und die taktische Linie wurden den verschiedenen Nachkriegsperioden angepaßt.

Die perspektivische Wende der Komintern

Auf den ersten beiden Kongressen wurden die Hauptlosungen korrekt zur Formierung von Sowjets und dem Kampf um die Macht ausgegeben. Der Sieg der russischen Revolution, die Unruhen in Deutschland und die ungarischen Ereignisse deuteten darauf hin, daß dieser Weg erfolgreich sein würde. Doch unmittelbar nach den Niederlagen 1919/1920 in Deutschland, Ungarn und Italien, die dem Verrat der Parteien der II. Internationale und der Inkonsequenz der zentristischen USPD und PSI geschuldet waren, überprüfte die Komintern ihre Perspektiven. Auf dem 3. Kongreß im Juni 1921 wurden diese Niederlagen, ihr Einfluß auf die Arbeiterklasse und die Atempause für die wichtigsten kapitalistischen Regierungen voll erfaßt.

Die Linie des Herangehens wurde von der unmittelbaren Machteroberung in die "Eroberung der Massen" abgeändert. Die Sektionen wendeten die Methode der Bolschewiki von Februar bis September 1917 an, die Methode der Einheitsfront mit den reformistischen Parteien und der Aufforderung an sie zum Bruch mit der Bourgeoisie und zum Handeln im Interesse der Massen. Diese Methode leitet über zur Losung der "Arbeiterregierung" und zu den Übergangsforderungen als Mittel, das Vertrauen der Massen in eine kommunistische Führerschaft zu gewinnen. Diese Positionen sind in den auf dem 3. Kongreß verabschiedeten Thesen zur Taktik enthalten. Sie wurden in den Thesen zur Taktik des 4. Kongresses im Dezember 1922, dem Aktionsprogramm in den Gewerkschaften auf dem 3. Kongreß und den Thesen zur Einheitsfront wiederum auf dem 4. Kongreß ausgebaut.

Neben den allgemeinen taktischen und programmatischen Leitlinien entwickelte die Komintern Positionen zu einer ganzen Reihe von speziellen Themen. Zur nationalen Frage und später zur anti-imperialistischen Einheitsfront wiesen die entsprechenden Thesen auf den fortschrittlichen Charakter der nationalen Befreiungskämpfe und die Pflicht für Kommunisten hin, sie gegen den Imperialismus zu unterstützen. Aber gleichzeitig betonten sie als Kernfrage die Wahrung der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse in den unterdrückten Ländern. Nationale Befreiung war kein Endziel für die Komintern, sie war Bestandteil des Kampfes für die proletarische Revolution.

Die Arbeit unter den unterdrückten Massen, den Frauen, der Jugend, den Schwarzen, den Arbeitslosen und den Bauern, wurde von der Komintern als Pflicht für Kommunisten hervorgehoben. Darin brach die Komintern entschieden mit der arbeiteraristokratischen Problemferne der 2. Internationale, die den kolonialen Massen und unterdrückten Nationalitäten kaum Beachtung geschenkt hatte.

Das Herzstück aller Komintern-Positionen waren zwei grundlegende Prinzipien: die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse, d.h. ihres Programms, und die Anwendung von Taktiken wie der Einheitsfront, um die Massen für das kommunistische Ziel der Diktatur des Proletariats zu gewinnen. Die erste Bedingung für einen taktischen Kompromiß war die Möglichkeit für Kommunisten, ihre strategischen Positionen in der Öffentlichkeit darzustellen und die jederzeitige Freiheit, Kritik an ihren zeitweiligen Bundesgenossen zu üben.

Die Komintern hat ihr Vorhaben zur Neuerarbeitung des marxistischen Programms nie vollendet. Der Block aus Restaurationisten und bürokratischen Zentristen unter Bucharin und Stalin hat seinen reaktionären Slogan vom "Sozialismus in einem Land" schließlich in dem degenerierten Komintern-Programm festgeschrieben. Das Scheitern der Komintern vor der Aufgabe der programmatischen Wiedererarbeitung und Neubestimmung sollte von großer Tragweite für die Kommunisten sein, die für den Wiederaufbau der kommunistischen Internationale nach dem Verfall der Komintern eintraten.

Stalin zerstört die revolutionäre Komintern

All diese Prinzipien wurden von der stalinisierten Komintern geopfert. In Britannien pries man 1926 die Gewerkschaftsführer, statt sie zu bekämpfen. In China holten die Kommunisten das Banner des Proletariats ein und hißten statt dessen die Fahne der bürgerlichen Nationalisten.

In der ultralinken "dritten Periode" beging die Komintern entgegengesetzte, aber nicht minder verhängnisvolle Fehler. Das Programm des 6. Kongresses war von Theorie und Praxis des "Sozialismus in einem Land" geprägt und legte den Internationalismus der frühen Komintern ab. Die Sektionen wurden zu Pfändern von Stalins Außenpolitik. Die Einheitsfront wurde zugunsten der Rotfront oder "Einheitsfront von unten" aufgegeben, einer Taktik, die auf der Idee beruhte, daß Sozialdemokratie und Faschismus Zwillinge seien. Das Programm selber beschränkte sich auf abstrakte Allgemeinplätze über den Kapitalismus. Es gründete, anders als bei der frühen Komintern, nicht auf jüngsten Lebenserfahrungen des internationalen Klassenkampfes.

Auf dem 6. Kongreß vollzog sich die durchgängige Stalinisierung der Komintern. Die faule Frucht dieses Prozesses zeigte sich schließlich 1933, als der Stolz der kommunistischen Internationale, die KPD, kampflos vom Faschismus zerstört wurde. Nicht die Waffen der Faschisten, sondern der Verrat der Sozialdemokratie und die ultralinke Politik der KPD stürzten die deutsche Arbeiterklasse in erster Linie ins Unglück. Die Zurückweisung der Einheitsfront durch die KPD ebnete den direkten Weg in die deutsche Niederlage. Dieses einschneidende Ereignis legte die kriminelle Politik des Stalinismus bloß. Doch keine einzige Komintern-Sektion wollte dies wahrhaben. Stalins Linie in Deutschland wurde von allen rückwirkend unterstützt. Die Komintern erwies sich also endgültig als lernunfähig angesichts ihrer Fehler. Sie war für die Revolution verloren.

Trotzki und die linke Opposition vertraten bis zur deutschen Niederlage und deren unmittelbaren Auswirkungen 1933 die Position, daß die Komintern reformierbar wäre. Die internationale Linksopposition (ILO) reichte wiederholt Wiederzulassungsgesuche als Fraktion der Komintern ein. Das hinderte sie aber keinesfalls daran, ihre Position zu Britannien, China und später zu Deutschland und dem Aufstieg des Faschismus darzulegen. Trotzki sagte unmißverständlich, daß die Komintern das revolutionäre Programm auf ihrem 6. Kongreß aufgegeben hatte, als sie Bucharins Programm annahm. Das Komintern-Programm war somit nicht entscheidend für Trotzkis Reformperspektive. Die endgültige klassenkollaboratorische Wende der Komintern (das Überschreiten der Klassenlinie) kam hingegen nicht vor 1935 mit dem Stalin-Laval-Pakt und der Wende zur Volksfrontpolitik in Frankreich und später international.

Die ILO stellt der Komintern den Totenschein für die Revolution aus

Für Trotzkis Reformperspektive gab den Ausschlag, daß die Komintern während ihrer revolutionären Periode in einigen Schlüsselländern eine revolutionäre Massenvorhut organisiert hatte. In der Existenz dieser Vorhut, besonders in Deutschland, wo sich das Schicksal Europas entscheiden sollte, sah die ILO den möglichen Hebel zur Reform der Komintern, hinter dem eine mächtige Kraft steckte, die sich gegen die Stalin-Clique wenden könnte. Bedingung dafür war aber, daß sie ihre Führer los werden konnte, ehe deren Politik den eigenen Untergang durch den Faschismus besiegelte. Diese Überlegung bestimmte die Orientierung der ILO bis 1933. Die Zerstörung der Massenorganisation KPD und das Versagen aller Sektionen, darauf eine korrekte Antwort zu geben, untergruben die Grundlage für die Reformperspektive.

Die anderen KPen waren selber unter dem Einfluß der Politik der "dritten Periode" geschrumpft. Der Mitgliederschwund fiel so drastisch aus, daß er viele Parteien zu kleinen Sekten degradierte. In Frankreich fiel die KPF, die 1924 noch 110.000 Mitglieder gegenüber 35.000 der SFIO aufwies, 1932 auf 30.000 zurück, von denen kaum mehr als die Hälfte zur aktiven Mitgliedschaft gezählt werden konnten. In Britannien lief ein ähnlicher Prozeß ab, allerdings in verkleinertem Maßstab. 1930 war die Mitgliederzahl auf 2.500 gesunken, weniger als die Hälfte im Vergleich zu 1922. Rechnet man den Höchststand von 1926 (10.000) ein, so bedeutete das einen enormen Verlust.

Die Reformperspektive mußte geändert werden. M. Shachtman, 1933 ein führender Kopf der ILO, sprach dies im Vorwort zu "Geschichte und Prinzipien der linken Opposition" aus:

"Der Zusammenbruch der deutschen Kommunistischen Partei tilgt die letzte Sektion mit Massenanhang oder -einfluß aus den gelichteten Reihen der Kommunistischen Internationale. ...Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, daß die deutschen Ereignisse sowie die bürokratische Selbstzufriedenheit und Gleichgültigkeit, die die Fehler und den Zerfall des Stalinismus und seiner Parteien, die ihnen gefolgt sind, vertiefen werden, uns zu der unausweichlichen Schlußfolgerung bringen, daß die Kommunistische Internationale vom Stalinismus erdrosselt worden ist, bankrott ist und sich nicht mehr erholen kann oder auf marxistischem Fundament restauriert werden kann."

Mit der Tatsache, daß es zugelassen wurde, daß die stalinistische Bürokratie die Komintern und die in ihr organisierten Massen erdrücken konnte, war bewiesen, daß jene Massen kein Hebel zur Reform sein und werden konnten. Seitdem schickten sich die Trotzkisten an, neue Parteien und eine neue Internationale aufzubauen. Die Aufgabe bestand nun darin, die Massen von der Komintern, der Sozialdemokratie und allen Formen des Zentrismus loszubrechen und sie für eine neue Internationale zu gewinnen. In einer Periode von Niederlagen, den 30er Jahren, erwies sich dies als äußerst schwierig. Die Kräfte der ILO/IKL/BVI hielten indes die Traditionen, Methoden und die theoretischen Errungenschaften der kommunistischen Bewegung am Leben. Damit war ihr Kampf auch ein Wechsel auf die Zukunft. Trotzki erkannte selber die Bedeutung dieser Leistung, so gering sie auch jenen schien, die voller Ungeduld, die Massen zu führen, zu dem Schluß kommen, daß der Kommunismus ein Hindernis auf dem Weg zu den Massen sei:

"Wie die neue Internationale geformt wird, welche Stadien sie durchlaufen wird und welche Gestalt sie schließlich annehmen wird, das kann heute niemand vorhersagen. Und es gibt auch gar keinen Grund dafür, denn die geschichtlichen Ereignisse werden es zeigen. Aber es ist notwendig, am Anfang ein Programm zu formulieren, das den Aufgaben unserer Epoche gerecht wird. Auf der Grundlage dieses Programms müssen Gesinnungsgenossen, die Pioniere der neuen Internationale mobilisiert werden. Kein anderer Weg ist gangbar."

Nur die Trotzkisten kämpfen für die Revolution

Unter Trotzkis Anleitung analysierten die ILO und ihre Nachfolger IKL/BVI den Klassencharakter korrekt, die Rolle und Dynamik des Faschismus, einer Massenbewegung, die sich auf Kleinbürgertum und Lumpenproletariat stützt und durch die atomisierende Zerschmetterung der Organisationen des Proletariats in den Dienst des Finanzkapitals stellt. Die revolutionäre taktische Antwort auf diese Bedrohung lautet: Schaffung einer antifaschistischen Arbeitereinheitsfront. Mit Hilfe einer solchen Taktik wäre es den Kommunisten möglich gewesen, den Bankrott der reformistischen Führer zu entlarven, ohne den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse zu gefährden. Mit ihr hätte der Faschismus zermalmt, die kommunistische Klassenführung errungen und zur proletarischen Machtergreifung vorangeschritten werden können.

Die Trotzkisten analysierten den Degenerationsprozeß in der UdSSR. Die Abkapselung des Sowjetstaats und die außerordentliche materielle wie kulturelle Zurückgebliebenheit der russischen Gesellschaft zur Zeit der Revolution bildeten den Nährboden für die Wucherung einer breiten schmarotzenden Bürokratie. Diese Kaste, angeführt von der Stalin-Fraktion, hatte die Arbeiterklasse der politischen Macht beraubt und ihre Vorhut terrorisiert und ausgelöscht. Die Trotzkisten erklärten diese Entartung auf jeder Stufe und formulierten die Strategie der politischen Revolution gegen die Bürokratie als einziges Mittel zur Wiederherstellung der politischen Macht des Proletariats im degenerierten Arbeiterstaat. Zugleich hielt die IKL/BVI eine korrekte Politik der bedingungslosen Verteidigung der übriggebliebenen Errungenschaften der Oktoberrevolution (vergesellschaftete Industrie, Außenhandelsmonopol, Plan) gegen die kapitalistisch-restaurativen Bestrebungen der Imperialisten aufrecht.

In Frankreich und Spanien untersuchten und bekämpften die Trotzkisten die stalinistische und sozialdemokratische klassenkollaboratorische Politik der Volksfront, die die Organisationen und Interessen der Arbeiterklasse der Politik der imperialistischen Bourgeoisie unterordnete. Trotzki leitete die kleinen Gruppen der BVI bei der Anwendung von Taktiken an, die den Gegebenheiten der stabileren imperialistischen Demokratie in Britannien und den USA angepaßt waren. In diesen Ländern und in Frankreich entwickelte er den "Entrismus" als kurz- bis mittelfristiges taktisches Manöver, das darauf abzielt, Revolutionäre an die Spitze der Vorhutelemente des Proletariats zu stellen, das noch nicht bereit ist, mit den reformistischen Massenorganisationen zu brechen.

Diese Taktik kann die Herausbildung eines revolutionär kommunistischen Flügels und einen scharfen Kampf sowohl gegen eine linkszentristische "revolutionäre" Opposition wie auch gegen die rechten bürokratischen Führer fördern. Der Entrismus stand zwar in Zusammenhang mit der Formierung zentristischer Tendenzen in reformistischen Parteien, aber die Trotzkisten beteiligten sich keinesfalls an der Bildung von zentristischen Blöcken oder näherten sich gar selber zentristischer Politik an. Von den Anhängern der Vierten Internationale wurden zentristische Führungen oder Parteien nicht als unvermeidbare Etappe angesehen oder gar befürwortet.

Trotzki arbeitete auch die Taktik der Spaltungen und Fusionen in Bezug auf nach links gehende zentristische Organisationen mit dem Ziel aus, sie für ein klares revolutionäres Programm zu gewinnen. In den kolonialen und halbkolonialen Ländern Asiens, Lateinamerikas und Afrikas verfocht die trotzkistische Bewegung das Programm der proletarischen permanenten Revolution, sogar dort, wo sie an einer anti-imperialistischen Einheitsfront mit nicht-proletarischen Elementen teilnahm. Sie wandte sich damit gegen die ursprünglich menschewistische "Etappentheorie", die von Stalin wieder hervorgeholt wurde und worin die unabhängigen Interessen des Proletariats der nationalen (bürgerlichen) Revolution untergeordnet wurden.

Die Vierte Internationale wird gegründet

Unter dem Eindruck des heraufziehenden zweiten imperialistischen Weltkriegs faßte Trotzki 1938 die grundlegenden Lehren und Methoden der kommunistischen Tradition von Marx bis zu den ersten vier Kongressen der Komintern zusammen und erweiterte, entfaltete und bereicherte sie mit den Lektionen für die Trotzkisten seit 1923. Das führte zur Abfassung eines Programms: "Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der Vierten Internationale". Die Vierte Internationale wurde auf dem Fundament dieses Programms gegründet. Wir bekräftigen, daß es völlig korrekt war, die Vierte Internationale 1938 zu errichten. Wenn sie damals nicht gegründet worden wäre, hätte es eine noch größere Zersplitterung und Schwächung der revolutionären Kräfte während des Krieges gegeben und die Stimme des revolutionären Internationalismus wäre noch weniger hörbar gewesen.

Weder die Organisation noch der "Internationalismus" der Zentristen wie der britischen ILP, der französischen PSOP oder der spanischen POUM haben die Prüfung des Krieges bestanden. Die spätere Auflösung kann keinesfalls einer "voreiligen" Formierung der IV. Internationale angelastet werden. Wir weisen auch den damit verbundenen Irrtum zurück, wonach nur nationale Massenparteien mit tiefer Verankerung in der Arbeiterklasse des jeweiligen Landes eine Internationale bilden könnten. Diese Auffassung ist durch und durch nationalistisch und von der II. Internationale geprägt.

Angesichts der Degeneration der II. und III. Internationale und des Zauderns der Zentristen brauchte das internationalistische revolutionäre Programm der Trotzkisten eine internationale Partei. Die Zentristen, die gegen die Gründung der IV. Internationale waren, hatten nationale Parteien errichtet. Das zeigte, daß eine internationale Partei für Zentristen nur ein Luxus war, und verriet ihren Nationalismus. Wenn die Partei das Programm ist, so gilt dies auch für die Weltpartei. Sobald ein entfaltetes internationales Programm existiert und eine stabile internationale Führung um dieses Programm herum aufgebaut ist, kann es keinen Grund zum Aufschub mehr geben. 1938 waren diese Bedingungen gegeben. Auch wenn die politische Führung der IV. Internationale zur Hauptsache in der Person von Trotzki präsent war, genügte das für den Anfang in der Gründungsperiode. Er war in vielerlei Hinsicht eine Verkörperung des Brückenschlags zwischen Bolschewismus und IV. Internationale.

Die IV. war eine "Internationale", die anders als die ersten drei nicht aus proletarischen Massenorganisationen bestand. In den meisten Ländern waren es nur Propagandagruppen, die der Isolation zu entrinnen versuchten, die ihnen ihre geringe Stärke und die mörderische Feindschaft der Stalinisten auferlegt hatte. Teilweise Ausnahmen bildeten die USA, wo die Socialist Workers Party in den Blaukragen-Gewerkschaften systematisch agitierten und örtlich sogar Teile der Arbeiterschaft anführten, wie in Minneapolis, sowie die tiefe Verankerung der vietnamesischen Trotzkisten im Saigoner Proletariat. Zwar war die Vierte schwach an Kräften, aber wie Trotzki sagte, "stark durch die Doktrin, das Programm, die Tradition und die unvergleichliche Festigkeit der Kader".

Trotzkis Perspektive war darauf orientiert, daß die nationalen Sektionen der IV. und die Internationale selber in die Position kommen würden, sich rasch in eine ernsthafte Kraft im Proletariat zu verwandeln. In der proletarischen Führungskrise, die der imperialistische Krieg unermeßlich verschärfen würde, könnte sich die IV. mit ihrem korrekten Programm und einer ebenso festen wie gereiften Führung zu einer entscheidenden Massenkraft profilieren, die imstande wäre, diese Krise zu lösen. Daß sich diese Perspektive nicht materialisierte, entwertet keineswegs den Entschluß zur Gründung der Vierten Internationale 1938. Trotzkis Vierte, ihr Programm, ihre Thesen und Kader haben trotz des späteren Niedergangs einer nachfolgenden Generation das kostbare Vermächtnis von Marx, Engels und Lenin gerettet und vermittelt.

Wir treten das Erbe der von Trotzki begründeten IV. Internationale an. Ihr Programm, das Übergangsprogramm, stellt den Gipfel der programmatischen Arbeit vorangegangener Generationen von revolutionären Marxisten dar. Es baute auf den Grundfesten aller früheren marxistischen Programme auf, dem kommunistischen Manifest, der programmatischen Erklärung der bolschewistischen Partei und v.a. den Prinzipien und Taktiken der revolutionären Komintern. Es repräsentierte eine Aufhebung des alten sozialdemokratischen Prinzips der Trennung in Minimal- und Maximalforderungen, die in der imperialistischen Epoche die reformistische Praxis der II. Internationale zementierte, und schuf statt dessen ausgehend von der in der revolutionären Komintern begonnenen Debatte ein System von Übergangsforderungen.

Die Methode des Übergangsprogramms

Das Übergangsprogramm wurde nach Trotzkis Tod von seinen vermeintlichen Schülern mißbraucht und mißverstanden. Es wurde schließlich als anwendbares Programm liquidiert und als lebloses Kultobjekt verehrt. Anders als die III. scharrte die IV. Internationale keine Arbeitermassen um ihr Banner. Ihre Integrität und Lebensfähigkeit lag in der wissenschaftlichen Korrektheit ihres Programms und dem Vermögen ihrer Kader, die Arbeitervorhut an die Internationale heranzuführen. Das Programm mußte gegen weit stärkere Gegner verteidigt werden. Es mußte im Klassenkampf angewendet, weiterentwickelt und auf neue Situationen und Aufgaben abgestimmt werden. An dieser Verantwortung trugen die Kader der IV. schwer, die nur gering an Zahl, arm an Klassenkampferfahrung und bedürftig an Theoretikern waren. Ein korrektes Verständnis des Übergangsprogramms, seines Charakters, seiner Lehre und Methode ist demnach zentral für Trotzkisten, die diese historischen Errungenschaften, die von Trotzkis Nachahmern in Theorie und Praxis lange verfälscht und verschleiert worden sind, wiederentdecken und neu anwenden wollen.

Trotzkis Programm markierte die erfolgreiche Lösung programmatischer Probleme seit dem Erfurter Programm von 1891, besonders konnte es die Brücke zwischen dem Kampf um Alltags- oder Teilforderungen und dem Kampf um die Macht schlagen.

Das alte Minimalprogramm blieb auf Forderungen im Rahmen des Kapitalismus beschränkt, z.B. für die Verbesserung der Lebensbedingungen des Proletariats: Acht-Stunden-Tag, soziale Absicherung, Lohnerhöhungen und eine Reihe demokratischer Forderungen wie allgemeines Wahlrecht und eine souveräne Versammlung, Wahl der Richter, Auflösung des stehenden Heeres und Formation einer Volksmiliz. Diese Forderungen überschritten nicht den Spielraum an möglichen Zugeständnissen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, obgleich in vielen Staaten der Einsatz kämpferischster, ja revolutionärer Methoden notwendig wäre, um sie zu erfüllen.

Anfang der 90er Jahre hoffte Engels, der das Erfurter Programm mit Vorbehalt unterstützte, daß die parlamentarische und gewerkschaftliche Massenmobilisierung für diese Ziele in einer Entscheidungsschlacht münden würde, die den Rahmen des kapitalistischen Staates und die bürokratischen, halbabsolutistischen Regierungen vieler Staaten des Kontinents sprengen und den Weg zur proletarischen Macht bahnen würde. Bei Engels Nachfolgern Kautsky, Bernstein, Bebel usw. mutierte diese Perspektive zu der einer friedlichen, evolutionären Entwicklung in der Gegenwart, die irgendwann in fernen Zukunft von einem unvermeidlichen Zusammenbruch oder einer Katastrophe für den Kapitalismus abgelöst werden würde. So verfälschten sie auch die strategischen und taktischen Methoden der Begründer des Marxismus.

Das alte Programm der Sozialdemokratie

In einer Periode der kapitalistischen Expansion, der Anfangsphase der imperialistischen Epoche, wurden dem Proletariat schon auf Grund des Mitglieder- und Stimmenzuwachses der Arbeiterparteien und als Antwort auf gewerkschaftliche Maßnahmen Zugeständnisse durch die herrschende Klasse gemacht. Die Führer der Sozialdemokratie gaben sich ihrerseits mit schrittweisen Reformen und dem Aufbau von Parteien und Gewerkschaften zufrieden, d.h. mit dem von der Perspektive der proletarischen Macht getrennten Ringen um Reformen. Die Machteroberung wurden zum fernen "Endziel", zum Gegenstand abgehobener Propaganda, und ihre Strategie wurde durch die isolierte Taktik der Sozialreform ersetzt. Eine Kluft zwischen Maximal- und Minimalprogramm tat sich auf. Bernstein, der Vater des Revisionismus, wollte diesen Widerspruch damit lösen, indem er empfahl, die Sozialdemokratie solle als das auftreten, was sie wirklich sei, nämlich eine demokratische Partei der Sozialreform. Das "Endziel" war nichts, die "Bewegung" alles.

Die radikale Linke der Sozialdemokratie, besonders Lenin und Luxemburg, trat für revolutionäre Taktiken zur Durchsetzung der wichtigsten Forderung des Minimalprogramms ein (Massenstreik, bewaffneter Aufstand usw. zur Erlangung der demokratischen Republik). Sie wollten die Arbeiterparteien von Revisionisten und Reformisten säubern. Sie erkannten und analysierten die im modernen Kapitalismus für die Reaktion im Innern und die Kriege nach Außen verantwortlichen Kräfte (Imperialismus). Die sozialdemokratische Vorkriegslinke wies teilweise auf die Notwendigkeit der Überwindung des Programms Erfurter Prägung und seiner parlamentarischen und rein gewerkschaftlichen Taktik hin. Sie erhoben das "Endziel" zum strategischen Bezugspunkt ihrer revolutionären Taktiken.

Innerhalb der Linken kam Trotzki trotz einer Reihe schwankender Positionen, speziell zur Frage der Partei und der Einheit von Bolschewiki und Menschewiki, der völligen Aufhebung der Spaltung in Minimal- und Maximalziel am nächsten. Die Theorie der permanenten Revolution, die er damals nur auf Rußland bezog, erklärte die proletarische Revolution und eine Arbeiterregierung, die durch Massenstreik und Aufstand zu verwirklichen war und die nicht bei der Lösung der demokratischen Aufgaben haltmachen, sondern zur Erfüllung der Aufgaben der sozialistischen Revolution voranschreiten würde, zu unmittelbaren Zielen des Proletariats. Trotzki erkannte, daß die proletarische Revolution in einem zurückgebliebenen Land wie Rußland, das vorwiegend bäuerlich bevölkert war, Rückhalt unter der Bauernschaft gewinnen und internationalisiert werden mußte. Aber sogar Trotzki bot keine umfassende programmatische Alternative zum Erfurter Programm.

Das "marxistische Zentrum" der Sozialdemokratie um Bebel und Kautsky weigerte sich, Theorie und Praxis zu vereinheitlichen, wie Bernstein und Luxemburg es jeder auf seine Art wünschten. Sie verteidigten einen zunehmend abstrakten fatalistischen Marxismus gegen Bernstein, und andererseits verteidigten sie einen parlamentarischen und gewerkschaftlichen Kretinismus gegen Luxemburg.

Die akuten wirtschaftlichen und politischen Krisen der Vorkriegsperiode kündigten eine Epoche von Kriegen und Revolutionen an, die die Erfurter Synthese zum Deckmantel für den Aufstieg einer konservativen konterrevolutionären Bürokratie in den Arbeiterorganisationen machte. Unter dem Druck des Proletariats und der Linken war die II. Internationale gegen jeden europäischen Krieg, der von vornherein als imperialistisch auf allen Seiten angesehen wurde, eingestellt und war darauf aus, einen solchen Krieg in eine Gelegenheit zum Sturz des Kapitalismus umzumünzen. Im August 1914 bedeutete die Zustimmung der deutschen SPD zu den Kriegskrediten die Leugnung des formalen Marxismus zugunsten von Sozialchauvinismus durch die SPD-Parteiführer, denen sich bald darauf sämtliche großen Parteien der II. Internationale anschlossen.

Die Bolschewiki brechen mit der Zweiten Internationale

Die Bolschewiki waren die einzige größere Partei, die sich an ihr Vorkriegsversprechen hielt und die Politik des revolutionären Defätismus mit den Losungen "Macht den imperialistischen Krieg zum Bürgerkrieg" und "Die Niederlage des eigenen Landes ist das kleinere Übel" verfolgte. Anderswo fochten Minderheiten wie K. Liebknecht unter der Parole "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" gegen die Sozialchauvinisten. Der Bolschewismus legte das Verständnis für die wahren Wurzeln des Krieges in der Theorie des Imperialismus als einer neuen Epoche kapitalistischer Krisen, Kriege und Revolutionen nieder. Die Bolschewiki führten auch revolutionäre Methoden für den Weg zur Macht ein: Einheitsfront, Massenstreik, bewaffneter Aufstand, und legten das Verständnis vom Wesen der proletarischen Staatsmacht klar: Zerschlagung der bürgerlichen bürokratisch-militärischen Staatsmaschinerie und ihre Ersetzung durch die Sowjetmacht, den kommuneartigen Staat.

Diese theoretischen und praktischen Errungenschaften machten den Bolschewismus 1917 zur Schmiede eines neuen Programms, das von der Notwendigkeit der proletarischen Machtergreifung als unmittelbare Aufgabe beherrscht war. Das machte die Tags- und Teilforderungen nicht überflüssig, stellte aber revolutionäre Methoden in Aktion und Agitation um die zentralen Lebensfragen Krieg, Hunger, Arbeitslosigkeit, Inflation, Wirtschaftschaos, die alle durch die heftigen Krisen des Imperialismus hervorgerufen waren, in den Mittelpunkt. Der Kampf um diese Forderungen organisierte und orientierte Arbeiter zum Kampf um die Macht. Diese von den Bolschewiki 1917 angewandten Übergangslosungen (siehe Lenins programmatische Broschüre "Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll") wurden Teil des Arsenals des internationalen Proletariats als Resultat der Arbeit der Komintern von 1919 bis 1923.

Auf dem 3. und 4. Kongreß systematisierte die Komintern die Einheitsfronttaktik, das Aktionsprogramm der Sofort- und Übergangsforderungen sowie die Taktik der Arbeiterregierung als Mittel zur Überwindung der subjektiven ideologischen Schwäche des Proletariats, die sich in der Existenz der reformistischen Führungen manifestierte, und zur Erleichterung des Kampfes um die Machtergreifung. Die Komintern brach entschlossen mit dem kautskyschen Erbe der II. Internationale, v.a. erkannte sie das Wesen der Epoche als eine des Übergangs zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Aber dies war kein objektiver Prozeß. Ihm lagen objektive Bedingungen zugrunde, seine Lösung hing indes vom Kampf zwischen Parteien und Klassen ab. Aus dieser Analyse schlußfolgerte die Komintern:

"Der Charakter der Übergangsepoche macht es für alle kommunistischen Parteien zur Pflicht, ihre Kampfbereitschaft bis zum Äußersten zu steigern. Jeder Kampf kann zum Machtkampf werden."

In der imperialistischen Epoche, wo Tagesforderungen mit kapitalistischen Prioritäten kollidieren, zeigen direkte Aktionen für solche Forderungen die Entwicklungsmöglichkeiten für den Kampf um die Macht. Revolutionäre müssen deshalb den Verbundcharakter aller proletarischen Forderungen und die Notwendigkeit zur kämpferischen Organisierung überall für sie hervorstreichen. Die Konsequenz daraus konnte nur heißen: zerstört den Kapitalismus, um euch zu verteidigen.

"Die kommunistischen Parteien schlagen kein Minimalprogramm vor, um das wacklige Gerüst des Kapitalismus zu festigen und auszubauen. Die Zerstörung dieser Struktur bleibt ihr Leitziel und ihre unmittelbare Mission. Aber um diese Mission auszuführen, müssen die kommunistischen Parteien Forderungen erheben, deren Erfüllung ein direktes und dringendes Bedürfnis der Arbeiterklasse ist, und sie müssen diese Forderungen in Massenkämpfen verfechten ohne Rücksicht darauf, ob sie mit der Profitökonomie der Kapitalistenklasse vereinbar sind."

Weiter heißt es dort:

"Wenn die Forderungen mit den Lebensbedürfnissen der breiten proletarischen Massen übereinstimmen und wenn diese Massen spüren, daß sie nicht existieren können, bis die Forderungen erfüllt sind, dann wird der Kampf dafür zum Ausgangspunkt für den Kampf um die Macht. Anstelle des Minimalprogramms der Reformisten und Zentristen rückt die kommunistische Internationale den Kampf für die konkreten Bedürfnisse des Proletariats, für ein System von Forderungen, die in ihrer Totalität die Macht der Bourgeoisie zersetzen, das Proletariat organisieren, Kampfetappen auf dem Weg zur proletarischen Diktatur darstellen und die jede für sich das Bedürfnis der breitesten Massen ausdrücken, auch wenn die Massen selber noch nicht bewußt für die proletarische Diktatur sind."

Das Programm als Brücke zu den Massen

Die Komintern arbeitete den Gedanken der Brücke heraus, um den Übergang vom Kampf im Kapitalismus zum Kampf gegen den Kapitalismus zu erleichtern. Diese Brücke, dieses System von Forderungen, dieses Programm mußte auf den objektiven Bedingungen aufgebaut sein, auf dem Zustand der Wirtschaft, den eigentlichen Bedürfnissen der Massen, dem Charakter der Periode, den frischen Erfahrungen im internationalen Klassenkampf und ihrem Einfluß auf die Massen. Von diesen Überlegungen ließen sich z.B. die verschiedenen Aktionsprogramme der Komintern leiten.

Als jedoch die Komintern zur Debatte ihres Programms kam, waren die Verfasser der Thesen zur Taktik, dem "Übergangsprogramm" der Komintern, bereits ausgeschlossen worden. Der scholastische Bucharin entwarf als bezahlter Schreiberling des bürokratischen Spießers Stalin das Programm. In der Absicht, die Fehler der Komintern zu bemänteln und die reaktionäre Theorie und Praxis vom "Sozialismus in einem Land" zu rechtfertigen, wurde das Programm auf ein abstraktes, überflüssiges Dokument gestutzt. Die Übergangsmethode ging verloren und mit ihr der notwendige Bezug des Programms auf objektive Bedingungen. Trotzki verteidigte in seiner Kritik an Bucharins Entwurf die alte Position der Komintern und führte sie weiter aus:

"Aber ein Programm der revolutionären Tat darf natürlich keine bloße Sammlung abstrakter Feststellungen sein, die auf alles das, was sich in diesen historischen Jahren ereignet hat, keinen Bezug nimmt. Ein Programm kann natürlich nicht die Ereignisse der Vergangenheit beschreiben, es muß aber von diesen Ereignissen ausgehen und sich auf diese stützen, sie umfassen und sich auf sie beziehen. Ein Programm muß durch seine Stellungnahme ermöglichen, daß man alle wichtigen Tatsachen aus dem Kampfe der Proletariats und aus dem Meinungsstreit innerhalb der Komintern verstehen kann. Wenn das schon in bezug auf das Programm als ganzes richtig ist, so um so mehr in bezug auf jenen Teil desselben, der besonders den Fragen der Strategie und der Taktik gewidmet ist. Hier müßte man nach dem Ausdrucke Lenins neben dem Eroberten auch das Entgangene vermerken, welches auch zum 'Eroberten' werden kann, wenn man es begriffen und sich angeeignet hat. Die proletarisch Avantgarde braucht keinen Katalog der Gemeinplätze, sondern eine Anleitung zur Tat."

Angesichts der Aufgabe zur Schaffung einer neuen Internationalen mußte Trotzki ein Übergangsprogramm ausarbeiten. Die Grundzüge des Programms von 1938 "Der Todeskampf des Kapitalismus und die Aufgaben der IV. Internationale" verarbeiteten die Lehren der Komintern und ihres Zusammenbruchs. In erster Linie war es ein Programm mit Bezug auf die objektive Lage: scharfe Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr, Aufkommen des Faschismus, Bankrott der Komintern.

Ein Aktionsprogramm

Es konzentrierte sich klar auf die Lösung der Führungskrise in der vorrevolutionären Situation, die durch die oben angeführten Faktoren heraufbeschworen wurde. Wer dieses Programm des "Katastrophismus" bezichtigt, sollte die Größe der Katastrophe, den Krieg bald nach der Veröffentlichung des Übergangsprogramms, bedenken. Wie das Kommunistische Manifest von Marx und Engels sah es eine scharfe Krise voraus und versuchte die Arbeiterklasse auf eine revolutionäre Lösung zu lenken. Es war also nicht fatalistisch, sondern vom Geist des revolutionären Optimismus und dem Willen zum Triumph über die entmutigendsten Hindernisse erfüllt.

Das Übergangsprogramm ging von den Erfahrungen der Klassenkämpfe aus den vorausgegangenen zehn Jahren aus. Anders als Bucharin hatte Trotzki in seinem Programm nichts zu verbergen. Die Lehren der deutschen Niederlage, der Volksfront in Frankreich und Spanien, des Niedergangs der russischen Revolution, des anti-imperialistischen Kampfes in China waren alle ins Programm aufgenommen. Seine Losungen ergaben sich aus der positiven wie negativen Erfahrung dieser bedeutsamen Geschehnisse.

Das Programm war international. Der drohende Krieg machte eine internationale Formierung dringlich. Trotzki verließ sich dabei auf die Erfahrung der Sektionen der Bewegung für die IV. Internationale und analysierte die Widersprüche und Zusammenhänge im System des Weltkapitalismus und der UdSSR. Das Übergangsprogramm enthält eine Festschreibung der permanenten Revolution; die Revolution muß sich internationalisieren, oder sie wird geschlagen. In zurückgebliebenen Ländern kann die Aufgabe der demokratischen Revolution nur durch die proletarische Revolution gelöst werden. Diese Gesamtstrategie kann nur erfüllt werden, wenn die Führungskrise bewältigt wird, indem die revolutionären kommunistischen Parteien Massenanhang gewinnen und sie in die permanente Revolution gegen den Imperialismus führen.

V.a. war das Übergangsprogramm wie der berühmte Abschnitt 2 im kommunistischen Manifest, die Thesen zur Taktik der Komintern und Lenins "Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll" ein Aktionsprogramm, das sich auf die Aufgaben der kommenden Periode orientierte. Es war im echten Sinn eine Anleitung zum Handeln. Im "Rückblick auf die Gründungskonferenz" 1938 legte die Vierte Internationale diesen entscheidenden Aspekt des Programms dar:

"Welch einen Kontrast bietet es zu den vagen Verallgemeinerungen und täuschenden Abstraktionen, die die offiziellen Führungen der Arbeiterklasse als Handlungsanleitungen in der gegenwärtigen turbulenten Weltlage zumuten! Es ist nicht so sehr das Basisprogramm der IV. Internationale wie vielmehr das Aktionsprogramm für die kommende Periode, in der wir leben."

Das Wesen der Übergangsforderungen

Das Aktionsprogramm für das Proletariat trug Übergangscharakter. Seine Forderungen waren miteinander verbunden und führten alle zu demselben Ziel, der Eroberung der Staatsmacht durch die Arbeiterklasse. Deswegen sind alle Forderungen für die Bedürfnisse der Massen z.B. gegen Arbeitslosigkeit mit dem Kampf um Arbeiterkontrolle, der Formation von Betriebskomitees, Massenaktionen, Fabrikbesetzungen verknüpft. Diese Kampforgane des Proletariats gipfeln im Herzstück des Programms, dem Ruf nach Sowjets. Die Forderungen nach gleitender Lohn- und Arbeitszeitskala, nach Öffnung der Geschäftsbücher enthüllen die Anarchie des Kapitalismus, kehren den Kern der Planwirtschaft hervor und schaffen die organisierten Kräfte zur Eroberung und Ausübung der Staatsmacht, die für den Übergang zu einem vollen gesellschaftlichen Plan unerläßlich ist.

Nur ein solches Programm vermag den Kampf für eine sozialistische Revolution mit dem Tageskampf des Proletariats zu verquicken. Trotzki hat dies im Programm selber ausgesprochen:

"Die strategische Aufgabe der IV. Internationale besteht nicht darin, den Kapitalismus zu reformieren, sondern darin, ihn zu stürzen. Ihr politisches Ziel ist die Eroberung der Macht durch das Proletariat, um die Enteignung der Bourgeoisie durchzuführen. Die Lösung dieser strategischen Aufgabe ist aber undenkbar ohne die sorgfältigste Aufmerksamkeit gegenüber alle Fragen der Taktik, selbst den geringfügigen und partiellen.

Alle Teile des Proletariats, alle seine Schichten, Berufe und Gruppen müssen in die revolutionäre Bewegung hineingezogen werden. Was die Besonderheit der gegenwärtigen Epoche ausmacht, ist nicht, daß sie die revolutionäre Partei von der prosaischen Arbeit des Alltags befreit, sondern daß sie erlaubt, diesen Kampf in unauflöslicher Verbindung mit den Aufgaben der Revolution zu führen."

Die Mittel dafür hielt das System der Übergangsforderungen bereit, die bei den aktuellen Bedürfnissen anfangen (was nicht verwechselt werden darf mit der augenblicklichen Mentalität der Arbeiter, wie Trotzki wiederholt den SWP/US-Mitgliedern einschärfte). Seit Trotzkis Tod haben viele geschworene Trotzkisten Forderungen aus dem System der Übergangsforderungen isoliert, entweder als Gewerkschaftsforderungen oder als Teil eines Programms zur Reform von Einrichtungen des Kapitalistenstaates. E. Mandel vom VS hat sie in den 60er Jahren als eine Reihe von "Strukturreformen" aufgestellt. Andere wie die britische Militant-Gruppe handhaben sie als Trick. "Kämpft für diese Forderungen jetzt" rufen sie, "und später werden wir enthüllen, daß sie gegen den Kapitalismus gerichtet sind" flüstern sie sich gegenseitig zu. Beide Sichtweisen führen unvermeidlich zum Opportunismus. Trotzki selber sagte unmißverständlich, daß Übergangsforderungen weder der Reform dienen noch Tricks sind:

"Nicht eine unserer Forderungen wird im Kapitalismus verwirklicht werden. Darum nennen wir sie Übergangsforderungen. Sie schaffen eine Brücke zur Mentalität der Arbeiter und dann eine materielle Brücke zur sozialistischen Revolution. Die ganze Frage ist, wie man die Arbeiter zum Kampf mobilisiert. (...)

Die Revolutionäre sind immer der Meinung, daß die Reformen und Errungenschaften nur ein Nebenprodukt des revolutionären Kampfes sind. Wenn wir sagen, wir fordern nur das, was sie geben können, wird uns die herrschende Klasse nur mit einem Zehntel oder nichts von dem geben, was wir fordern. Wenn wir mehr fordern und unsere Forderungen aufdrängen können, sind die Kapitalisten gezwungen, das Maximum zu geben. Je größer und militanter der Geist der Arbeiter ist, desto mehr wird gefordert und gewonnen. Es sind keine sterilen Losungen; sie sind Druckmittel gegenüber der Bourgeoisie und werden sofort die größtmöglichen materiellen Erfolge erzielen."

Sie sind also ein Mittel zur Erlangung wirklicher Zugeständnisse und zur Mobilisierung der Massen für ihre eigenen Bedürfnisse gegen den Kapitalismus, was leicht zu einem Kampf um die Macht werden kann. Die Anwendung des Übergangsprogramms und seiner Forderungen verändert sich naturgemäß nach den jeweiligen Umständen. Der Schwerpunkt auf speziellen Forderungen bzw. die Neuorientierung des Programms hängen vom Stand des Klassenkampfes, der Wirtschaft und des politischen Lebens ab. Die Methode des Übergangsprogramms bleibt jedoch gültig, egal ob in Zeiten von Boom oder Krise, von Rückzug oder Vormarsch bzw. in zurückgebliebenen oder fortgeschrittenen Ländern. Das Ziel von Revolutionären ist, die Arbeiter über die "Übergangsbrücke" von ihrer augenblicklichen Lage hin zur sozialistischen Revolution zu führen. All diese Merkmale sind im Übergangsprogramm enthalten. Dieses Programm war nicht Trotzkis Erfindung, sondern wie er selber sagte, "die Summe der kollektiven Arbeit bis zum heutigen Tag".

Zusammenbruch der Vierten Internationale während des Krieges

Nach Trotzkis Ermordung 1940, der Liquidierung seiner engsten Mitarbeiter L. Sedow, R. Klement und E. Wolf durch die Stalinisten sowie der Desertierung führender Mitglieder der Internationale Serge, Leonetti, Muste, Zeller, Fischer, Naville, Rous, Shachtman u.a. bestand die zentrale Führung der Vierten Internationale praktisch nicht mehr. Die Trotzkisten vollbrachten vorbildhafte Heldentaten im Krieg, aber als internationale Organisation löste sich die Vierte Internationale auf. Dieser Zusammenbruch, der durch die kriegsbedingte Zersplitterung noch verschärft wurde, könnte als Schicksal für jede revolutionäre Organisation ohne Massenparteien oder staatlichen Rückhalt gelten. Anfangs verfügten die Sektionen über das Übergangsprogramm und die Erklärungen der IV. Internationale zum Krieg und anderen Problemen als Grundlage für ihre Einheit. Doch sie begannen bald, sich mit diesen Positionen und untereinander zu entzweien.

 

Der Letzte macht das Licht aus

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vor dem 14. Weltkongreß:

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