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Korrospondenz zwischen den Leitungen von GAM und RSB

 

Brief der GAM an den RSB vom 7.12.1994

Im Oktober 1994 hat sich die Gruppe Revolutionär Sozialistischer Bund (RSB) konstituiert. Wir haben erfahren, daß die ehemalige Spartacus-Gruppe, die ja einer anderen politischen Tradition entstammt als die große Mehrheit des RSB, in die Organisation aufgenommen worden ist und dort sogar Fraktionsstatus genießt.

Seit kurzer Zeit hat sich unser Kontakt zu Euch wieder intensiviert. U.a. führten wir informelle Gespräche mit einem leitenden Genossen aus Hamburg, mit Genossen aus Berlin, München und Paderborn, in denen wir unsere Bereitschaft zum Beitritt bekundeten. Wir teilen die generelle Zielsetzung des RSB, Kräfte zu sammeln, um die revolutionären Herausforderungen bestehen zu können und sich auch international zu organisieren. Unserer Einschätzung nach ist gerade in Deutschland die Herausbildung einer schlagkräftigen revolutionären trotzkistischen Organisation von eminenter Bedeutung (vergl. dazu Arbeitermacht 37, "Ein Aktionsprogramm für Deutschland"). Im Rahmen eines Bundes, der für diese Ziele eintritt und auch bereit ist, neue Kräfte und Strömungen aufzunehmen, könnten wir uns eine konstruktive Mitarbeit vorstellen. Wir betrachten Eure Organisationsneugründung als Gelegenheit, sowohl über unterschiedliche Auffassungen von revolutionärer Praxis und kommunistischer Programmatik innerhalb des RSB zu diskutieren wie auch gemeinsam diese Organisation in praktischen Kampagnen aufzubauen. Wenn Ihr meint, daß ungeachtet mannigfaltiger politischer Differenzen alle sich auf den Trotzkismus berufenden Strömungen in einer Organisation zusammengefaßt werden sollen, um praktisch wirksame revolutionäre Politik umsetzen zu können, so wollen wir in freier innerorganisatorischer Konkurrenz mit anderen Strömungen unsere Meinung und Vorschläge dafür darlegen und von Euren Genossen prüfen lassen können. Es gibt unseres Erachtens keinen Grund, uns aus diesem Neuformierungs- und Klärungsprozeß herauszuhalten!

Über zwei Jahre sind nunmehr vergangen, seit sich ein großer Teil aus der Vereinigten Sozialistischen Partei herausgelöst hat und im folgenden mit anderen Einzelgruppen und Individuen zunächst eine eigenständige Organisation, die AGRS und dann die Gruppe Avanti, gegründet hat. Mitglieder der Gruppe Arbeitermacht haben sich bereits damals am Diskussionsprozeß beteiligt und auch auf Ortsebene (Bremen) der Gruppe Avanti eine konkrete enge Zusammenarbeit inkl. eines Angebots auf Eintritt angetragen, was jedoch zu diesem Zeitpunkt von Euch abgelehnt worden ist.

Natürlich wollen wir nicht verhehlen, daß wir in Bezug auf einige unserer Meinung nach Wesensfragen des Politikverständnisses und der Methode eine grundsätzlich andere Konzeption vertreten als das VS und vielleicht die Mehrheit des RSB. Differenzen bestehen unserer Erachtens in der Haltung und Einschätzung zum Vereinigten Sekretariat der IV. Internationale, im Parteiaufbauverständnis sowie in Charakterisierung und Umgang mit dem Reformismus, um nur die Kardinalfragen zu nennen. Auch sehen wir Unterschiede im systematischen Herangehen an die Bewertung von Differenzen, die wir analytisch auf ihre Ursachen zurückführen wollen. Ein besonderer Punkt ist zweifellos die Geschichte der VSP. Bereits deren prinzipienlose Entstehung wurde von der Gruppe Arbeitermacht kritisiert (siehe AM Journal Nr. 8, Winter 1987/88 mit unserer Stellungnahme in der Anlage).

Trotz all dieser ungeklärten Differenzen gibt es für uns keinen grundsätzlichen Hinderungsgrund, dem RSB beitreten zu können, unter der Voraussetzung, daß wir dort offen für unser Programm und unsere methodischen Vorstellungen eintreten können.

Dieses Angebot unseres Beitritts würde folgendes bedeuten:

• wir verkaufen das publikatorische Material des RSB,

• wir würden Mitglieder für den RSB zu werben versuchen,

• wir würden uns nach besten Kräften an der Interventionspraxis (Außenkampagnen) des RSB beteiligen,

• wir würden auch bei Differenzen die offiziellen Positionen des RSB nach außen vertreten,

• wir sichern absolute Loyalität bei der Durchführung von Beschlüssen des RSB zu,

• wir beharren aber darauf, stets die volle Freiheit der Kritik innerhalb des RSB zu erhalten, d.h. auch passiven und aktiven Zugang zu den internen Veröffentlichungen,

• wir wollen weiterhin Artikel im Revolutionären Marxismus veröffentlichen dürfen.

• wir wollen unsere Beziehungen zur Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale, der wir bislang als deutsche Sektion angehört haben, nicht abreißen lassen.

Wir fordern alle Genossen und Genossinnen des RSB auf, unser Beitrittsgesuch zu unterstützen. Einem möglichen Einwand gegen unseren Beitritt möchten wir gleich mit dem Hinweis begegnen, daß für uns zwar Theorie- und Propagandaarbeit einen zentralen Stellenwert hat, wir in der Vergangenheit die Fähigkeit zur politischen Praxis aber schon bewiesen haben (z.B. Mitarbeit bei Jugend gegen Rassismus in Europa, Berliner Kritische Gewerkschafter u.ä., o.a. Angebote an Euch und Teilnahme an Avanti-Gründungsdiskussion, Komitees gegen Golfintervention der imperialistischen Alliierten, PDS-Entrismus).

Wir möchten vorschlagen, daß wir zur Frage unseres Eintretens in den RSB zu einer Zusammenkunft Eurer Leitung eingeladen werden. Wir hoffen auf eine rasche und positive Antwort bis zum 6.1.1995. Am 7.1.1995 haben wir nämlich eine nationale Mitgliederversammlung. Falls bis dahin Eure Leitung oder ein anderes Entscheidungsgremium noch keine Entscheidung gefällt hat, bitten wir wenigstens bis zu o.a. Termin um einen Telefonanruf, daß und wann Ihr unseren Antrag diskutieren und entscheiden wollt. Eine ausbleibende Reaktion bis dahin müßten wir als Desinteresse Eurer Führung an unseren Vorschlägen werten!

Mit solidarischen Grüßen
i.A. der Mitgliedschaft der Gruppe Arbeitermacht

 

Brief des Politischen Sekretariats des RSB vom 20.2.1995

Nachdem am 29.1. in Hamburg ein Gespräch zwischen einem Leitungsmitglied des RSB und Vertretern der GAM stattgefunden hatte, übermittelte das Politische Sekretariat des RSB seine Entscheidung.

 

Liebe Genossinnen und Genossen,

der Eintritt in eine politische Organisation ist nur sinnvoll, wenn eine weitgehende Übereinstimmung in der Programmatik, im politischen Selbstverständnis und in den aktuellen Aufgaben besteht. Zwischen uns und Euch gibt es in allen diesen Fragen so große Differenzen, daß eine getrennte Organisierung konsequent ist.

Wir verstehen den RSB als Beitrag zum Aufbau der 4. Internationale, die von Euch grundsätzlich abgelehnt wird. Ihr wollt zwar aus Eurem internationalen Zusammenhang formal ausscheiden, aber weiter in seinem Sinne durch Publikationen und Diskussionen tätig bleiben. Das wäre mit einer loyalen Mitgliedschaft im RSB nicht zu vereinbaren.

Wir schlagen Euch statt dessen eine solidarische Zusammenarbeit vor.

Mit revolutionärem Gruß
H.J.S.

 

Brief der GAM an die Leitung des RSB vom 17.3.1995

Liebe Genossinnen und Genossen,

mit Bedauern und Verwunderung haben wir den Brief Eures Politischen Sekretariats vom 20.2.1995 gelesen.

Mit Bedauern, da wir meinten und meinen, daß die Zusammenarbeit und Diskussion zwischen unserer Organisation und RSB-Ortsgruppen bisher für beide Seiten positive Resultate zeigte. Das betrifft vor allem unsere Arbeit mit der und in der Berliner Ortsgruppe des RSB, wo wir seit Herbst 1994 regelmäßig an den Diskussionen teilnehmen und z.B. gemeinsam bei der Karl und Rosa-Demo im Januar intervenierten. Aber auch mit der Münchner Ortsgruppe führten wir nicht nur interessante politische Diskussionen. So organisierte sie eine Veranstaltung mit einem Sprecher der österreichischen Gruppe ArbeiterInnenstandpunkt (ASt) zum Thema "Haider, Rechtsradikalismus und Faschismus in Österreich", wie auch die Salzburger Ortsgruppe des ASt eine Veranstaltung zum Befreiungskampf in Kurdistan mit Max Brym von der Münchner OG des RSB durchführte. Sicherlich sind das nur wenige Beispiele, doch sie zeigen, daß eine erfolgreiche gemeinsame praktische Arbeit trotz politischer Differenzen zwischen unseren Organisationen möglich ist, ja schon stattfindet.

Mit Verwunderung nehmen wir Eure Begründung zur Kenntnis, so daß wir hier doch ein Stück länger verweilen wollen - nicht zuletzt in der Absicht, Euch zum Überdenken Eurer Entscheidung aufzufordern und die Sache noch einmal zu diskutieren. Wir denken, daß es das wert ist, ist doch der RSB selbst damit angetreten, nicht bloß ein Sammelbecken von VS-Mitgliedern zu sein, sondern ein Mittel zur Umgruppierung breiterer Teile der deutschen Linken auf der Basis des revolutionären Marxismus.

Eigentlich werden in dem kurzen Antwortbrief drei Argumente verwendet, unseren Beitritt abzulehnen und statt dessen eine "solidarische Zusammenarbeit" - was immer das genau sei - anzubieten. Erstens gäbe es zur Programmatik, zum politischen Selbstverständnis und zu den aktuellen Aufgaben so "große Differenzen, daß eine getrennte Organisierung konsequent ist". Zweitens würden wir die Vierte Internationale "grundsätzlich ablehnen", während sich der RSB als Beitrag zum Aufbau eben dieser verstünde. Drittens wäre eine loyale Mitgliedschaft im RSB nicht möglich.

 

1. Zu den Differenzen bezüglich Programm, politischem Selbstverständnis und aktuellen Aufgaben.

Wir wollen keineswegs verhehlen, daß wir programmatische Differenzen zum RSB wie auch zum Vereinigten Sekretariat der IV. Internationale haben. Doch sei uns die Frage erlaubt, worin das gemeinsame programmatische Verständnis des RSB heute besteht? Soweit wir sehen, hat der RSB selbst kein gemeinsames Programm. Die Bandbreite der politischen Meinung unter den Mitgliedern des RSB variiert sehr stark.

Zweitens würden wir gern eine Klärung des offenkundigen Widerspruchs hören, daß es einerseits, wie noch bei Gründung des RSB vertreten, prinzipienfest gewesen sei, mit der maoistischen KPD zur VSP zu fusionieren, während mit der GAM solche Differenzen bestünden, daß "eine getrennte Organisierung konsequent ist".

Wir denken, daß die Gründung des RSB selbst Teil einer notwendigen Umgruppierung in der deutschen Linken ist, in der die meisten entweder in die politische Anpassung an die PDS (oder eine andere reformistische Organisation) oder weg von der Arbeiterklasse wandern. Der RSB unterscheidet sich von diesem Weg in den Opportunismus und/oder das Sektierertum dadurch positiv, daß er eine Organisation in der Tradition der revolutionären Arbeiterbewegung schaffen und aufbauen will.

Zurecht anerkennt Ihr, daß eine solche Organisation auf einem Programm basieren muß, das auf der Methode des Übergangsprogramms von 1938 fußt. Der RSB hat kein solches Programm. Es ist jedoch notwendig, um in den aktuellen und kommenden Klassenkämpfen konsequent zu intervenieren und im besten leninschen Sinn revolutionäres Klassenbewußtsein in das Proletariat tragen zu können. Ein solches Programm sollte kein Katalog von Prinzipien sein, sondern muß eine Verbindung zwischen den aktuellen Aufgaben, dem Bewußtsein der Arbeiterklasse und unserem strategischen Ziel, der Machtergreifung des Proletariats in Deutschland und international, weisen. Es müßte von einer Analyse der internationalen Lage, ihrer Auswirkungen auf Deutschland, den davon abzuleitenden strategischen Problemen und Zielen des deutschen Imperialismus und den für die Bourgeoisie notwendigen Angriffen auf das Proletariat ausgehen. Es müßte zeigen, wie diese Angriffe abgewehrt werden können, warum dazu die deutsche Arbeiterbewegung reorganisiert werden muß und wie das Revolutionäre machen können. Es müßte ein klares Bild von der objektiven Lage geben und gleichzeitig zeigen, mit welchen Forderungen Revolutionäre darin intervenieren müssen, um die fortgeschrittensten Arbeiter und Intellektuellen zu gewinnen.

Wir denken zu diesem notwendigen Diskussionsprozeß einen wichtigen Beitrag leisten zu können. Soweit wir wissen, plant der RSB, in den kommenden Monaten eine Programmdebatte zu führen. Warum sollten wir daher nicht konkret versuchen, ob eine solche Debatte, gemeinsam geplant und durchgeführt, nicht zu einem brauchbaren Ergebnis führen kann?

An dieser Stelle wollen wir auch die Frage des Organisationsverständnisses anschneiden. Vielleicht denken manche Genossen, daß wir zwar gern über Programme und theoretische, strategische und taktische Probleme am grünen Tisch palavern und schreiben, vor Ort aber praktische Enthaltsamkeit predigen. Wir denken, daß das nur aus einer mangelnden Kenntnis unserer bisherigen Praxis stammen kann. So haben wir beispielsweise Anfang der 1990er Jahre einen Entrismus in die PDS durchgeführt. Ihr mögt vielleicht nicht mit jedem taktischen Schritt, den wir damals unternommen haben übereinstimmen, ja überhaupt die damalige Taktik ablehnen - in jedem Fall widerspricht der Entrismus in die PDS jedoch der These von unserer "praktischen Enthaltsamkeit". Dasselbe gilt für die Aktivitäten vor allem unserer Bremer Genossen im ÖTV-Streik 1992 und die Intervention der GAM in den Aufbau der JRE in den Jahren 1993 und 1994.

Wenn wir in der Vergangenheit immer wieder behaupteten, daß sich heute Organisationen von der Größe der GAM (aber auch des RSB, wie praktisch aller Gruppen der "extremen Linken") in einem bestimmten Stadium des Parteiaufbaus, dem einer "kämpfenden Propagandagruppe" befänden, so haben wir damit nie gemeint, daß ihre alleinige und ausschließliche Aufgabe in der Propaganda bestünde. Im Gegenteil, wir haben solche Sekten wie die MG, aber auch die SpAD und ihre Abfallprodukte, für die der Klassenkampf im wesentlichen eine literarische und denunziatorische Übung ist, abgelehnt. Wir haben immer die Auffassung vertreten, daß ein Element einer solchen kämpfende Propangandagruppe in der zielgerichteten, exemplarischen Intervention in den Klassenkampf liegen muß, sei das nun in den Betrieben, in einer reformistische Massenpartei, im antifaschistischen und antirassistischen Kampf, an den Schulen und Unis, in eine (beginnende) Jugendradikalisierung oder in der Solidarität mit anti-imperialistischen Befreiungskämpfen. Wir haben "nur" darauf bestanden, daß sie auf einer festen theoretischen und programmatischen Grundlage erfolgen soll oder diese im Prozeß der Intervention entwickelt werden muß.

Mit dem Konzept der kämpfenden Propagandagruppe ist freilich auch eine weitere Überlegung verbunden. Wir gehen davon aus, daß sich kleine, von der Masse der Arbeiter relativ isolierte Gruppen im ersten Stadium ihrer Entwicklung zumeist nicht direkt an die Massen werden wenden können, sondern vor allem versuchen müssen, die Avantgarde oder Avantgardeelemente der Arbeiterbewegung und die besten Teile der Linken für ihre Perspektive und ihre Politik zu gewinnen, sie zu Kadern zu erziehen, die dieses Programm in größere Teile der Klasse tragen können.

Was die aktuellen Aufgaben betrifft, die wir anders als der RSB sehen würden, so ist diese Aussage für uns am rätselhaftesten. Beim Gespräch zwischen unseren Vertretern und Hans Jürgen Schulz schien es uns vielmehr so, daß über zentrale nächste Aufgaben - die Notwendigkeit der Jugendarbeit und des Aufbaus einer revolutionären Betriebs- und Gewerkschaftsopposition - Übereinstimmung bestehe. Hinzu kommt, daß wir uns auch darin einig waren, daß heute kein überhasteter Eintritt in die PDS im Osten gemacht werden solle.

Wir haben diesen Punkt etwas ausführlicher gestaltet, da wir denken, daß es für Genossen des RSB, die uns nicht kennen, sinnvoll ist, unserer Herangehensweise zu diesen Fragen kennenzulernen. Wir denken jedenfalls, daß unsere programmatischen Differenzen nicht so groß sind, daß sie den Eintritt in Eure Organisation verwehren - zumal ihr selbst gerade in einer Programmdebatte steckt. Vielmehr würden wir gerne wissen, welche konkreten programmatischen Fragen, welche politischen Positionen es sind, die unseren Eintritt unmöglich machen.

 

2. Die Haltung zur IV. Internationale

Die einzige Position, von der das Schreiben des Politischen Sekretariats des RSB konkret spricht, betrifft die Haltung zur IV. Internationale. Auch wenn weiter oben keine konkrete programmatische Differenz benannt wird, auch wenn es im RSB und auch im Vereinigten Sekretariat der IV. Internationale zahlreiche grundlegende programmatische Debatten gibt, so bleibt als einzig konkreter Beleg, warum wir von all diesen Dingen wie durch eine Mauer getrennt sein müssen: "unsere Haltung zur IV. Internationale".

Dieser Punkt ist angesichts der Geschichte und Praxis des VS seltsam. Schließlich wurde bei der Fusion mit der KPD auch nicht auf "unsere Haltung zur IV. Internationale" gepocht. Wie wichtig ist dieser Punkt wirklich, wenn sich andere europäische Sektionen in grünen oder Anti-EU-Parteien auflösen? Wie wichtig ist das beispielsweise bei der Fusion mit der morenoistischen SLT-Strömung? Worin besteht die Gemeinsamkeit zur "Haltung zur IV. Internationale" dabei inhaltlich?

Wie wenig die Formel "eine gemeinsame Haltung zur IV. Internationale" bedeuten kann, zeigt sich nicht zuletzt in Deutschland. Nicht nur, daß einige Genossen, die die Gründung des RSB nicht mitmachten, nach wie vor im Vereinigten Sekretariat sind und alles andere als einen "Beitrag zum Aufbau des RSB" leisten wollen - sie, nicht Ihr, werden gleichzeitig von anderen Sektionen des VS als "unser Parlamentsabgeordneter", als richtungsweisende Trendsetter hochgelobt. Hand aufs Herz, unter "gemeinsamer Haltung zur IV. Internationale" kann alles und nichts verstanden werden. In Wirklichkeit dient diese Formel zum Verdecken einer nicht oder nur oberflächlich existenten programmatischen Übereinstimmung, indem statt dessen die "gemeinsame Tradition" beschworen wird.

Doch abgesehen davon, stellt der Brief des Politischen Sekretariats unsere Haltung zur IV. Internationale falsch dar. Es ist nicht der Fall, daß wir den Aufbau der IV. Internationale "grundsätzlich" ablehnen. Was wir ablehnen, ist der Aufbau der IV. Internationale auf einem nicht-revolutionären Programm.

Unserer Meinung nach repräsentiert keine der existierenden, miteinander konkurrierenden Vierten Internationalen ein grundsätzliches mehr oder weniger an revolutionärer Korrektheit. Sie erwiesen sich seit dem Ende der 40er/Anfang der 50er Jahre als unfähig, das Programm des Trotzkismus zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Sie sind zu zentristischen Strömungen geworden. Die spezifische Form des Zentrismus des Vereinigten Sekretariats bestand unserer Auffassung nach darin, sich immer wieder gerade auftauchenden "Ersatzavantgarden" anzupassen (als aktuelles Beispiele seinen die PT in Brasilien, Sandinisten in den 80er Jahren, davon Castro und Guerillastrategie, die Grünen in den 80er Jahren, die Studentenbewegung, diverse Abspaltungen/Fraktionen der KPF oder der SP in Frankreich) genannt. Diese wurden zu im wahrsten Sinne des Wortes "unbewußten" Agenten der Weltrevolution hochstilisiert, die es nur nach links zu treiben gelte, während das eigene Programm und der Aufbau einer Partei auf dieser Basis in den Hintergrund trat.

Das ist ein Grund, warum für uns die Frage der Wiedererarbeitung des Programms so zentral ist. Nur auf der Basis eines revolutionären Übergangsprogramms kann eine neue revolutionäre Internationale entstehen. Die internationale Tendenz, aus der wir kommen, beansprucht zwar mit dem "Trotzkistischen Manifest" die Grundlagen eines solchen Programms erarbeitet zu haben, nicht jedoch schon heute eine neue - egal ob nun IV., V. oder sonstwie numerierte - Internationale zu sein. Daher nennt sich die LRKI ja auch Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale, nicht "revolutionär-kommunistische Internationale". Für uns dient das Programm u.a. als Mittel, die zweifellos existierenden subjektiv revolutionären Kämpfern in den verschiedenen Vierten anzusprechen, mit ihnen in einen Dialog zu treten.

Ihr werdet wahrscheinlich mit dieser Charakterisierung der Fragmente von Trotzkis Vierter Internationale, besonders des VS, nicht übereinstimmen. Doch wir fordern Euch auf, Euch zu fragen, worin Eure gemeinsame positive Auffassung des heutigen Vereinigten Sekretariats in programmatischer, strategischer und taktischer Hinsicht besteht. Worin erweist sich der revolutionäre Charakter des VS praktisch? Wie läßt sich die momentane politische und organisatorische Krise des VS erklären? Worin besteht ein politischer Ausweg aus Ihr? Oder gibt es gar keine Krise? Waren alles nur Fehler, Pech, persönliche oder organisatorische Unzulänglichkeiten? Wenn ja, warum gibt es sie so lange?

Ihr mögt diesen Fragen ausweichen, die kleine GAM verächtlich beiseite schieben. Doch die Fragen, die wir hier stellen, werden deshalb nicht verschwinden. Die Entwicklung selbst wirft sie auf. Ihr werdet sie Euch stellen müssen, wenn ihr eine revolutionäre IV. Internationale aufbauen wollt. Wie immer ein Genosse oder eine Genossin zum Vereinigten Sekretariat stehen mag, es ist unübersehbar, daß es nicht mehr so weitergehen kann. Der kommende Weltkongreß wird diese Tatsache wieder einmal deutlich vor Augen führen. Das ist keine Erfindung der GAM, sondern wird selbst von Mitgliedern des VS offen vertreten - wie z.B. Genossen aus der britischen ISG oder von der US-amerikanischen Gruppe "Socialist Action".

 

3. Ist eine loyale Zusammenarbeit im RSB mit unseren Vorstellungen vereinbar?

Im Brief stellt das Politische Sekretariat fest: "Ihr wollt zwar aus Eurem internationalen Zusammenhang formal ausscheiden, aber weiter in seinem Sinne durch Publikationen und Diskussionen tätig bleiben. Das wäre mit einer loyalen Mitgliedschaft im RSB nicht zu vereinen."

Im Brief an den RSB vom 7.12.1994 haben wir schon festgestellt, daß wir bereit sind, uns der Organisationsdisziplin des RSB unterzuordnen: "Trotz all dieser ungeklärten Differenzen gibt es für uns keinen grundsätzlichen Hinderungsgrund, dem RSB beitreten zu können, unter der Voraussetzung, daß wir dort offen für unser Programm und unsere methodischen Vorstellungen eintreten dürfen.

Dieses Angebot unseres Beitritts würde folgendes bedeuten:

• wir verkaufen das publikatorische Material des RSB

• wir würden Mitglieder für den RSB zu werben versuchen,

• wir würden uns nach besten Kräften an der Interventionspraxis (Außenkampagnen) des RSB beteiligen,

• wir würden auch bei Differenzen die offiziellen Positionen des RSB nach außen vertreten,

• wir sichern absolute Loyalität bei der Durchführung von Beschlüssen des RSB zu;

• wir beharren aber darauf, stets volle Freiheit der Kritik innerhalb des RSB zu erhalten, d.h. auch passiven und aktiven Zugang zu internen Veröffentlichungen,

• wir wollen weiterhin Artikel im RM veröffentlichen dürfen,

• wir wollen unsere Beziehungen zur Liga für eine revolutionär-kommunistische Internationale, der wir bislang als deutsche Sektion angehört haben, nicht abreißen lassen."

Diese Worte waren nicht einfach hingesagt oder hingeschrieben. Wir meinen sie auch so. Wir wären als Mitglieder des RSB bereit, uns der vollen Organisationsdisziplin unterzuordnen, die Mehrheitspositionen des RSB nach außen zu vertreten und zu verteidigen, die Publikationen zu verkaufen und Mitglieder auf der Basis dieser Positionen zu gewinnen versuchen. Die einzige Bedingung, die wir stellen, ist die, daß wir im RSB so wie jedes andere Mitglied das Recht beanspruchen, unsere Positionen intern zu vertreten, in dem Ausmaß, das anderen Mitgliedern auch zusteht, im Internen Bulletin zu veröffentlichen usw. Das heißt, wir würden das Eintreten für unsere Positionen auf das Innenleben des RSB beschränken und denken, daß alles andere einem Disziplinbruch gleichkäme. Was das Vertreiben von theoretischen Organen und internationalen Publikationen der LRKI betrifft, so würden wir das zwar gerne weiter tun, würden jedoch eine etwaige abschlägige Entscheidung des RSB akzeptieren und uns daran halten.

Ein solches Vorgehen entspricht unserem Verständnis vom demokratischen Zentralismus. Die "Schlußfolgerung" des Politischen Sekretariats, daß mit unseren Differenzen eine loyale Mitgliedschaft im RSB nicht möglich wäre, fußt vielmehr auf dem im VS und teilweise wohl auch im RSB praktizierten Umgang mit dem demokratischen Zentralismus, wo es immer wieder vorkommt, daß Minderheiten ihre Positionen auch öffentlich gegen die Organisation vertreten. Das ist nicht unsere Methode. Wir denken, daß für die, die uns näher kennen, unser recht geschlossenes Auftreten nach außen ein Beleg ist. Es folgt genau aus der Anwendung dieser Methode, nicht daraus, daß es bei uns nie interne Differenzen gäbe oder gegeben hätte.

 

4. Warum wollen wir überhaupt in den RSB eintreten?

Wir denken, daß die gegenwärtige politische und ökonomische Umbruchperiode in Deutschland eine Neugruppierung der Linken erforderlich und möglich macht. Der RSB versteht sich als aktiver Teil in diesem Prozeß und ist unserer Einschätzung nach trotz all seiner Schwächen das interessanteste Projekt, das es heute gibt. Es wäre natürlich gelogen, wenn wir sagen würden, daß wir deswegen unsere Kritik am VS international oder wenigstens in Deutschland zurückziehen würden.

Doch neue Zeiten erfordern auch neue Taten. Wir sind davon überzeugt, daß die Fragen, die uns zur Kritik am VS bringen (aber natürlich auch eine Vielzahl anderer), von Revolutionären so oder so angegangen werden müssen. Wir glauben, daß wir trotz unserer geringen Größe politisches, programmatisches und theoretisches Kapital in den RSB einbringen können - Fähigkeiten, die sich beim Aufbau einer revolutionären Organisation in Deutschland auf fester programmatischer Grundlage als notwendig erweisen werden.

Wir ersuchen Euch unser Anliegen und diesen Brief noch einmal auf Leitungsebene zu diskutieren und stehen gerne für ein, hoffentlich baldiges, weiteres Gespräch zur Verfügung.

Mit solidarischen Grüßen
Gruppe Arbeitermacht

 

Brief der GAM an die Mitglieder des RSB vom 19.4.1995

Nachdem die Führung des RSB bis heute nicht auf obigen Brief der GAM reagierte, sondern nur nach einer Leitungssitzung in Berlin mitteilen ließ, daß sie zu einem Überdenken der Entscheidung des Politischen Sekretariats keine Veranlassung sehe, wandte sich die GAM mit folgendem Brief an die Mitgliedschaft des RSB.

 

Liebe Genossinnen und Genossen!

Seit nunmehr fünf Monaten haben wir uns bemüht, Anschluß an Eure neu gegründete Organisation, den "Revolutionär Sozialistischen Bund" (RSB), zu finden. Neben einigen Briefen zwischen unserer Organisation und dem Sekretariat des RSB sowie einem Gespräch zwischen Vertretern unserer Gruppe und Hans Jürgen Schulz gab es mit den Ortsgruppen in Berlin und München exemplarische Formen der Zusammenarbeit (Veranstaltungen, zur Karl und Rosa-Demo im Januar 1995, ...).

Doch das Sekretariat des RSB lehnte nicht nur unser Ansuchen auf Aufnahme ab, sondern wich auch jeder ausführlicheren, systematischen politischen Diskussion zwischen unserer Gruppe und der Führung des RSB zu Fragen der Basis eines Eintritts aus. So spricht das Sekretariat des RSB in seiner Antwort auf unseren Brief vom 7.12. zwar von programmatischen Differenzen, ohne diese jedoch inhaltlich irgendwie auszuführen. Wir würden nach wie vor gerne wissen, worin sie - abgesehen von der Zugehörigkeit zu einer anderen internationalen Organisation - in den Augen der RSB-Führung bestehen?

Es ist vor allem die Tatsache, daß es keine argumentierte inhaltliche Antwort auf unsere Schreiben und unsere politischen Positionen, die wir in verschiedenen Publikationen ausführlich dargelegt haben, gab, die uns dazu veranlaßt hat, uns mit einem Brief an die Mitglieder des RSB zu wenden. Wir wollen dabei einige zentrale Standpunkte unserer Gruppe, darunter unseres Programmverständnisses darlegen, um den Mitgliedern des RSB zu erlauben, sich selbst ein Bild über uns zu machen.

 

1. Was heißt programmatische Übereinstimmung?

Da wir nicht wissen, wie sehr und in welcher Form unsere Positionen durch die RSB-Führung der Mitgliedschaft bekannt gemacht wurden, wollen wir hier kurz auf zentrale Punkten unseres Programmverständnisses eingehen.

Für Trotzkisten und Trotzkistinnen ist es eine Binsenweisheit, daß eine politische Partei auf der Basis eines gemeinsamen Programms aufgebaut werden muß. Nur so, auf der Grundlage einer wissenschaftlichen politischen Methode, die in die Sprache von Strategie und Taktik übertragen wird, kann ihr Zusammenhalt garantiert werden. Nur so ist überhaupt erst ein wirklicher demokratischer Zentralismus in einer leninistischen Partei möglich.

Was macht das besondere eines revolutionären Programms, eines Programms auf der Basis der Übergangsmethode aus?

Ein solches Programm muß von der objektiven Lage ausgehen. Es muß herausarbeiten, worin die grundlegenden und entscheidenden Klassenauseinandersetzungen in der kommenden Periode bestehen werden und für welches Programm, für welche Forderungen, Organisationsformen usw. das Proletariat - und das heißt zuallererst seine Avantgarde - gewonnen werden muß, um seine Klassenziele durchsetzen zu können. Ein solches Programm muß eine Antwort auf die Krise der proletarischen Führung geben. Das Programm ist für Trotzkisten und Trotzkistinnen eine Anleitung zum Handeln, kein Katalog ewiger Wahrheiten oder für ganze Epochen korrekter Prinzipien.

Es muß auf der Grundlage einer objektiven Analyse der Lage, der ökonomischen und sozialen Situation der Klassen, des ökonomischen und politischen Verhältnisses auf internationaler Ebene, des Verhältnisses zwischen den Klassen der Gesellschaft, ihren Organisationen und Führungen basieren und als eine Anleitung zum Handeln darlegen, wie eine Brücke zwischen den heutigen Kämpfen zur sozialistischen Revolution geschaffen werden kann.

Ein solches Programm hat der RSB nicht. Das sagten wir auch in unserem Brief vom 17.3.:

"Zurecht anerkennt Ihr, daß eine solche Organisation auf einem Programm basieren muß, das auf der Methode des Übergangsprogramms von 1938 fußt. Der RSB hat kein solches Programm. Es ist jedoch notwendig, um in den aktuellen und kommenden Klassenkämpfen konsequent zu intervenieren und im besten leninschen Sinn revolutionäres Klassenbewußtsein in das Proletariat tragen zu können."

Ein derartiges Programm fehlt unserer Meinung nach nicht nur dem RSB, sondern auch dem Vereinigten Sekretariat der IV. Internationale insgesamt.

Ihr mögt nun erwidern, daß das nicht stimme. Die einen werden sagen: "Wir stehen auf dem Übergangsprogramm von 1938." Andere werden vielleicht erwidern, daß Ihr ein gemeinsames "trotzkistisches Grundverständnis" habt, die nächsten eventuell, daß z.B. das "programmatische Manifest der IV. Internationale" ein solches Programm darstellen würde. Gehen wir diese möglichen Einwände durch.

Natürlich war das Übergangsprogramm von 1938 revolutionär. Doch gerade, weil es eine Anleitung zum Handeln war, die eine Antwort auf die Aufgaben einer bestimmten Periode geben sollte und gab, erledigt sich mit dem Hinweis darauf, daß man "noch immer darauf stehe" für die Vereinheitlichung einer Kampforganisation in der Intervention in den Klassenkampf heute wenig. Auf dem Programm von 1938 stehen so unterschiedliche politische Gruppierungen wie die "Spartakist Arbeiterpartei", der "Bund Sozialistischer Arbeiter", die Lambertisten und einige Dutzend mehr, die sich in zentralen Ereignissen des Klassenkampfes der letzten Jahrzehnte auf verschiedenen Seiten der Barrikaden befanden (oder befunden hätten).

Der Grund liegt darin, daß das Programm von 1938 in den Händen dieser Gruppierungen zu einer Leerformel verkam, jedoch nicht den Bedürfnissen des Klassenkampfes angemessen weiterentwickelt wurde. Was schon für das Übergangsprogramm Trotzkis zutrifft, trifft noch vielmehr für den bloßen Bezug auf "Prinzipien" zu. Wenn wir die Geschichte der "Vierten Internationale(n)" nach dem Zweiten Weltkrieg betrachten, so waren diese ja nicht nur von zahlreichen Spaltungen, sondern auch von nicht viel weniger häufigen prinzipienlosen Fusionen geprägt. Diese waren regelmäßig mit Erklärungen über ein gemeinsames Bekenntnis zur permanenten Revolution, zur politischen Revolution, zum proletarischen Internationalismus, zum Aufbau proletarischer Avantgardeparteien und etlichen schönen Dingen mehr gespickt. Aber es mangelte erstens immer wieder an einer Bilanz der vorangegangenen politischen Entwicklung der jeweiligen Fusionspartner (insbesondere der Gründe, warum man bislang getrennte Organisationen hatte, welche politische Methode der unterschiedlichen Gruppierungen eigentlich korrekt war usw.). Zweitens wurde darauf verzichtet, die Tiefe der Vereinheitlichung daran zu überprüfen, wie sehr gemeinsame "Prinzipien" zu gemeinsamen programmatischen, strategischen und taktischen Schlußfolgerungen führten.

Was nun das "Programmatische Manifest der Vierten Internationale" betrifft, so hat dieses eben nicht den Charakter eines Programms, es ist kein System von Übergangsforderungen, das auf der Methode von Trotzkis Übergangsprogramm basiert. Es versucht, manche Schwierigkeiten beim Aufbau revolutionärer Organisationen zu erklären, und bekräftigt die Notwendigkeit einer demokratisch geplanten Wirtschaft. Aber es zeigt nicht, wie die proletarische Avantgarde für den Kampf für den Sozialismus gewonnen werden kann - ganz abgesehen davon, wie diese den Rest der Klasse hinter sich scharren könnte, den Einfluß der Reformisten, Zentristen, kleinbürgerlichen und bürgerlichen Nationalisten wie aller nicht-proletarischer Ideologen und Ideologinnen in der Arbeiterklasse und unter ihren Verbündeten zerstören oder wenigstens zurückdrängen kann.

Für Eure internationale Strömung ist die Frage des Programms in Wirklichkeit zu einem zweitrangigen Problem geworden. Damit einhergehend ist auch die Frage des Kampfes um eine revolutionäre Führung der Klasse, d.h. des Aufbaus einer Partei auf einem solchen Programm, immer wieder verwässert und zugunsten von "Abschneidern" durch prinzipienlose Fusionen und des Aufgehens in allen möglichen "revolutionären Bewegungen" hintangestellt worden.

Das bringt u.a. auch der letzte Weltkongreß des VS von Februar 1991 zum Ausdruck. In der Resolution zu Lateinamerika heißt es:

"Unsere Organisationen haben in der lateinamerikanischen revolutionären Avantgarde einen Platz. Wir sind ein Teil von ihr; wir teilen viele ihrer Fehler, aber auch viele ihrer Vorzüge. Wir sind stolz darauf. Wir haben kein irgendwie geartetes Interesse an einer getrennten Existenz, einfach um eine bestimmte selbstproklamierte Vision zu bekräftigen. Wo es der Prozeß der Reorganisation der revolutionären Avantgarde möglich macht, sollte das die Priorität für unsere Aktivität und unser Wachstum sein. Die Vierte Internationale wurde für die Revolution geschaffen und alles soll diesem Ziel untergeordnet werden."

Doch worin besteht die "bestimmte selbstproklamierte Vision" für Trotzkisten? In ihrem Programm, in der Erkenntnis des Versagens der Stalinisten, Sozialdemokraten, Zentristen, Nationalisten usw., einen Ausweg für die Massen, einen Weg zur revolutionären Machtergreifung und zur Internationalisierung der Revolution zu weisen, und in der Notwendigkeit der Schaffung einer neuen revolutionären Führung. Revolutionäre Kommunisten und Kommunistinnen teilen eben nicht die Fehler der Sandinisten und sonstiger Ersatzavantgarden - oder sollten es wenigstens nicht tun. Schon gar nicht sollten sie "stolz" darauf sein. Sie müssen vielmehr mit den Fehlern dieser Kräfte brechen, ihre methodischen Ursachen aufdecken und bekämpfen. Nur so werden sie sie nicht wiederholen.

Daher besteht auch der in der Resolution dargestellte Gegensatz zwischen dem Aufbau der eigenen, auf einer bestimmten "Vision" gegründeten Partei und der sozialistischen Revolution nicht. Die Formel, daß alles der Revolution untergeordnet sei - so richtig sie für sich genommen ist -, dient nur dazu, den Verzicht auf den Aufbau der eigenen Internationale zu predigen. Natürlich haben Revolutionäre ein Interesse an einer eigenen Partei. Es ist ihr Ziel, eine solche aufzubauen, weil sie wissen, daß sie eine unerläßliche Bedingung für die siegreiche proletarische Revolution und die Schaffung eines revolutionären Arbeiterstaates ist. Für uns ist das eine Lehre, die wir aus der Geschichte ziehen, nicht irgendeine "selbstproklamierte Vision".

Das heißt nicht, daß wir keine Taktiken der Zusammenarbeit mit anderen Parteien der Arbeiterklasse und der Unterdrückten suchen müssen. Das heißt nicht, daß wir nicht in solche Parteien sogar eintreten könnten, um die Massen von ihren Führern abzuspalten. Doch all das sind Taktiken, a) um die Einheit der Klasse im Kampf voranzutreiben und b) um das Proletariat und die Unterdrückten von der Unzulänglichkeit und dem Verrat ihrer jetzigen Führungen in der Praxis zu überzeugen und für die kommunistische Partei zu gewinnen.

Die Resolution des letzten Weltkongresses des VS lehnt diesen Weg nicht nur ab, sie hat auch eine sehr rosige Entwicklung der Sektionen in Lateinamerika für ihren "nicht-sektiererischen Weg" in Aussicht gestellt. Doch wie sieht diese Bilanz heute aus? Die mexikanische PRT, ehemals der Stolz des VS in Lateinamerika, ist praktisch von der Bildfläche verschwunden. Die brasilianische PT ist längst zu einer reformistischen Partei geworden (was sie im übrigen auch schon 1991 entgegen der Prognose des VS war).

Nicht nur auf den Aufbau der eigenen Partei, auch auf die Entwicklung eines eigenen Programms und dessen praktische Überprüfung wurde verzichtet. Selbst die "Prinzipien" blieben nicht unberührt. Die Strategie der Sandinisten in Nikaragua, die zu keinem Sturz des Kapitalismus führte, wurde als die einzig mögliche Strategie der Machtergreifung in einem solchen Land gefeiert. Die Strategie der permanenten Revolution wurde damit praktisch ad acta gelegt.

Eine ähnliche und nicht minder folgenschwere Anpassung an nicht-revolutionäre Strömungen und Ideologien wurde in Osteuropa und in der Sowjetunion gemacht. Leute wie Kuron und das KOR in Polen, wie Petr Uhl in der CSSR, Kargalitzky in der Sowjetunion wurden als "Revolutionäre" oder gar als Trotzkisten hofiert. Das VS ist 1981 mit der Losung "Solidarnosc an die Macht" aufgetreten, obwohl das Programm ihrer Führung auch schon damals auf die kapitalistische Restauration hinausgelaufen ist. Das heißt nicht, daß Revolutionäre nicht gegen den Putsch von Jaruzelski und die Zerschlagung von Solidarnosc auftreten hätten müssen. Sie hätten jedoch von Beginn an einen Kampf gegen die stalinistische Bürokratie und für die politische Revolution mit einem Kampf gegen die klerikalen, sozialdemokratischen und sonstigen bürgerlichen Strömungen in Solidarnosc und für den Aufbau einer eigenen trotzkistischen Arbeiterpartei verbinden müssen.

In Deutschland habt Ihr mit der VSP fusioniert und dabei grundlegende Fragen des Programms zugunsten der "Einheit der Revolutionäre" außen vorgelassen. Die Rechnung bekamt Ihr in der revolutionären Krise in der DDR und dem Sieg der Konterrevolution mit der kapitalistischen Wiedervereinigung präsentiert. Die VSP konnte darauf keine Antwort gegeben, nicht weil die KPDler zu "demoralisiert" gewesen wären, sondern weil von Beginn an überhaupt darauf verzichtet worden war, eine Position dazu zu entwickeln. Und daß die Frage der Einschätzung der DDR, des Sturzes des Bürokratie, der Wiedervereinigung usw. für die deutsche Revolution zentrale Fragen sind, war auch 1985 keine Neuigkeit. Es ist alles andere als ein Zufall, sondern das Resultat einer opportunistischen Politik der Vergangenheit, daß sich die VSP nicht als Mittel, sondern als Hindernis zur Intervention in der DDR entpuppte.

Nicht zuletzt führte diese Form "programmatischer Übereinstimmung" auch dazu, daß Mitglieder des VS in einem Land in den letzten Jahren immer wieder gegensätzliche Parteiaufbauprojekte verfolgten bzw. verfolgen. Wir denken dabei z.B. an jene Genossen und Genossinnen, die statt in die VSP zu gehen zu den Grünen gingen. Wir denken dabei an die recht eigentümliche Situation in den USA, in Ecuador oder Polen, wo zwei Organisationen konkurrieren - natürlich, um, nach dem Motto "doppelt hält besser", die "IV. Internationale aufzubauen". Wir denken dabei an Leute wie Moneta, Klein, Dubois usw., die die Gründung des RSB öffentlich denunzierten - und nebenbei Mitglieder oder Freunde der IV. Internationale zu sein beanspruchen und in den Zeitungen anderer Sektionen lobend hervorgestrichen werden. Offenkundig stehen auch sie auf dem "programmatischen" Boden des Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale - mit dem feinen Unterschied freilich, öffentlich gegen den Aufbau des RSB aufzutreten. Und es sind in Deutschland diese Leute, auf die das VS setzt, nicht der RSB, der entgegen Eurer Hoffnungen wohl nicht als die Sektion des VS anerkannt werden wird.

Wir denken, daß es für die Genossinnen und Genossen im RSB an der Zeit ist, sich nach den politischen Gründen des Niedergangs der eigenen Internationale zu fragen. Wir haben dafür eine Erklärung und ein Interesse, diese mit Euch zu diskutieren.

2. Die Ursache der Krise des Vereinigten Sekretariats

Kurz gesagt, glauben wir, daß der Grund für die momentane Krise des VS schon in der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt, als die Vierte Internationale (wie ihre späteren Spaltprodukte) nicht fähig war, das Programm des Trotzkismus zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Das zeigt sich an der Frage des tiefen Entrismus Pablos, aber insbesondere auch an der Position, die angesichts der Revolution zu Jugoslawien entwickelt wurde.

Trotzkis Übergangsprogramm basierte auf einer bestimmten Perspektive für die kommende Periode:

a) eine Welle des revolutionären Aufschwungs, insbesondere in imperialistischen Kernländern,

b) eine qualitative Transformation der IV. Internationale zu einer Kraft mit Masseneinfluß, die auf der Basis des Übergangsprogramms die Führung der Arbeiterklasse erringen würde,

c) mache die Todeskrise des Kapitalismus seine Überleben nur auf einer diktatorischen, (halb)faschistischen Basis möglich,

d) die Zerstörung der stalinistischen Bürokratie in der UdSSR durch die politische Revolution oder den siegreichen Imperialismus,

e) die Desintegration der traditionellen Führungen der Arbeiterklasse, des Stalinismus und Sozialdemokratie, da ihre materiellen Wurzeln mehr und mehr verschwinden würden.

Doch die Vierte Internationale ging nach dem Zweiten Weltkrieg nicht daran, eine neue Perspektive zu erarbeiten, sondern schrieb sie z.B. in der Resolution der internationalen Vorkonferenz vom April 1946 "Der neue imperialistische Friede und der Aufbau der Parteien der IV. Internationale" fort.

Doch wie auf der Ebene der Perspektive für einige Zeit ein Katastrophismus fortgeschrieben wurde, so gab es auf der Ebene des Programms und des Parteiaufbaus eine opportunistische Degeneration. Letztere ist es, worin wir den Bruch mit dem revolutionären Programm in der Vierten sehen. Dabei sind vor allem zwei Ereignisse herauszustreichen:

1. Die Anpassung an den Titoismus nach dem Bruch von Stalin und Tito.

So wurde die Errichtung des jugoslawischen degenerierten Arbeiterstaates fälschlicherweise mit einem Bruch Titos mit dem Stalinismus identifiziert, Tito und der Bund der Kommunisten Jugoslawiens zum Zusammenschluß mit der IV. Internationale aufgefordert:

"In Jugoslawien, dem ersten Land, in dem das Proletariat nach der Degeneration der UdSSR die Macht ergriffen hat, spielt der Stalinismus keine Rolle mehr in der Arbeiterbewegung."

"Wenn Stalinismus als Unterordnung der Interessen der Arbeiter eines beliebigen Landes unter die der Sowjetbürokratie definiert wird, dann ist die KPJ, die seit 1941 eine Politik verfolgte, die zu dem Bruch von 1948 führt, keine stalinistische Partei mehr im vollen Sinne des Wortes."

Die KPJ wurde aufgrund dessen, daß Stalinismus mit Unterordnung unter den Kreml gleichgesetzt wurde, als zentristische Organisation charakterisiert, deren Herrschaft nicht mehr politisch-revolutionär überwunden, sondern durch "brüderliche Kritik" auf den richtigen Kurs gebracht werden müsse:

"Nur eine Änderung des internationalen Kräfteverhältnisses zwischen den Klassen, ein Aufschwung der revolutionären Weltbewegung, die Hilfe und brüderliche Kritik dieser Bewegung und ein wachsendes Verständnis seitens der Führer und Kader der KP, wird es ermöglichen, die Herausbildung falscher Positionen zu vermeiden, die zu einer Liquidierung der fortschrittlichen Effekte der jugoslawischen Affäre führen dürfte."

2. Die Lostrennung von Trotzkis Entrismuskonzeption zum sog. Entrismus sui generis.

Wenn die jugoslawische KP unter dem Druck der Ereignisse von der stalinistischen Spielart des Reformismus brechen konnte, so war es nur ein logischer nächster Schritt, das auch für andere KPen (und schlußendlich für Sozialdemokratische Parteien) anzunehmen:

"Die jugoslawische Affäre hat ebenso wie Verlauf und Sieg der chinesischen Revolution und wie die anderen heutigen Kolonialrevolutionen (Korea, Vietnam, Burma, Malaya, Philippinen) gezeigt, daß es den Kommunistischen Parteien unter bestimmten Umständen nach wie vor möglich ist, eine revolutionäre Orientierung zu skizzieren, d.h. sich gezwungen sehen, einen Kampf um die Macht zu führen."

Da die Ereignisse (d.h. die in der Sicht der damaligen Vierten noch andauernde revolutionäre Krise) die stalinistischen (und sozialdemokratischen) Parteien oder Teile davon ohnedies nach links zum Bruch mit dem Reformismus und unwillkürlich auf die Bahn der proletarischen Machtergreifung treiben würden, wurde der unversöhnliche Kampf gegen diese Tendenzen durch eine Politik der langfristigen, geduldigen Beratung abgelöst. Zahlreiche Sektionen traten in reformistische Massenparteien ein und lösten sich darin als sichtbare ideologische Strömung für Jahre, ja Jahrzehnte auf.

Das Problem des VS wie auch der anderen Strömungen, die sich auf den Trotzkismus berufen, besteht darin, daß trotz heftiger Kritik aneinander, diese zentristischen Fehler nicht korrigiert, sondern in immer neuen Formen wiederholt und teilweise mit neuen ergänzt wurden. So fungierten nach Tito und Mao Fidel Castro, Che Guevara, die lateinamerikanische Guerilla und die Sandinisten als neue Ersatzavantgarden. In Europa wurde die Studentenbewegung zu einer neuen Massenavantgarde hochstilisiert, um dann in manchen Ländern von einer Orientierung auf die Grünen und einer "Neuzusammensetzung der Revolutionäre" abgelöst zu werden.

Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus wird diese Abkehr vom Trotzkismus vom VS in den Dokumenten zum kommenden Weltkongreß vertieft:

"Gewisse historische Bezüge zu den komplexen Scheidelinien und Spaltungen im Schoße der kommunistischen Bewegung der 30er Jahre werden relativ werden, überlassen einer Neubewertung der klassischen und grundlegenden Trennung zwischen Revolutionären und Reformisten den Platz."

Aus dem Zusammenbruch des Stalinismus und der weiteren Rechtsentwicklung der Sozialdemokratie wird nicht die Notwendigkeit des revolutionären Programms, sondern, im Gegenteil, dessen Überholtheit gefolgert.

"Das 'Übergangsprogramm' ist direkt betroffen:

Wir befinden uns nicht in einer 'vorrevolutionären Periode der Agitation, der Propaganda und der Organisierung', sondern in einer nicht-revolutionären Periode weitgehender politischer Ohnmacht, in der den Kämpfen der Massen adäquate politische und organisatorische Mittel fehlen, in der sie keine Gesamtperspektive und keine Hoffnung haben, die gegenwärtige Gesellschaft grundlegend ändern zu können;

Wie soll es somit möglich sein, 'die Brücke' zu errichten, die von den 'aktuellen Bedingungen und dem aktuellen Bewußtsein breiter Schichten der Arbeiterklasse' ausgeht - und was für Bedingungen sind das -, und sie davon überzeugen, daß ihre 'einzige Schlußfolgerung sein muß: die Eroberung der Macht durch das Proletariat' (Trotzki, 1938)?"

Der Autor dieser Passagen übersieht freilich, daß den Massen auch 1938 - und erst recht während des Zweiten Weltkrieges Ð "adäquate politische und organisatorische Mittel" fehlten. Die ganze Crux des Übergangsprogramms besteht ja darin, daß es von der Unreife der subjektiven Voraussetzungen der Revolution ausgeht und einen Weg zur Überwindung ebendieser skizziert. Gerade dazu gilt es, ein revolutionäres Aktionsprogramm zu entwickeln, damit zu intervenieren und darum die Partei aufzubauen. Doch statt sich dieser Aufgabe zu stellen, wird uns der Rat erteilt, die "klassische und grundlegende Trennung zwischen Revolutionären und Reformisten" neu zu bewerten. Genossinnen und Genossen, das ist kein Ausweg aus der Krise der IV. Internationale, sondern der Auftakt zur endgültigen Liquidation selbst von existierenden Prinzipien und organisatorischen Strukturen.

Unserer Auffassung nach ist es nicht möglich, eine revolutionäre IV. (oder sonstwie numerierte) Internationale zu schaffen, ohne mit diesen programmatischen Fehlern in der Vergangenheit und Gegenwart zu brechen. Wir lehnen daher, wie wir schon in unserem Brief an das Sekretariat des RSB schrieben, den Aufbau der IV. Internationale nicht "grundsätzlich" ab, sondern ihren Aufbau auf einem nicht-revolutionären Programm.

 

3. Warum sollen wir dem RSB nicht beitreten?

Unsere Charakterisierung der IV. Internationale und politische wie programmatische Schlußfolgerungen, die wir daraus zogen, sind es, die es laut Sekretariat des RSB nötig und konsequent machen, daß wir nicht eintreten könnten.

Dabei übersieht das Sekretariat freilich, daß sich, wenn schon nicht unbedingt die Antworten, so doch die Fragen, die wir hier aufwerfen ganz unabhängig von der Existenz der GAM stellen. Eine Krise des Vereinigten Sekretariats kann selbst der größte Optimist nicht leugnen? Doch was sind seine politischen Gründe? Daß der RSB kein Aktionsprogramm für Deutschland hat, ist ebensowenig zu übersehen, wie dessen Notwendigkeit für eine prinzipienfeste und zielgerichtete Intervention in die wichtigen Klassenkämpfe der kommenden Periode.

Weiter. Die Spartacus-Gruppe in Essen, die von ihrer politischen Tradition vom Standpunkt des VS aus Euch genauso nahe oder fern wie wir steht, konnte gleich als Fraktion in den RSB eintreten (etwas, was wir nie beanspruchten!). Sie unterhält weiter Beziehungen zur französischen Gruppe Lutte Ouvrier, die dort neben der VS-Sektion existiert. Ansonsten findet die Spartacus-Gruppe das VS ganz gut, an dem sie ja nur die "Tendenz zur Selbstauflösung" gestört hat. Freilich hätten wir gerne erklärt, worin eigentlich für Euch der Vorzug besteht, die internationale Führung des VS als "permanente Selbstauflöser" - denn irgendwer muß ja für die länderübergreifende Umsetzung und Fortschreibung dieser Methode verantwortlich sein -, denn als Zentristen zu bezeichnen?

Wir fragen weiter, warum es für Euch ein programmatisches Problem mit unserem Eintritt geben soll, wo das programmatische Manifest der IV. Internationale erklärt:

"Übereinstimmung für den Aufbau einer Internationale ist also keine Vorbedingung für den Aufbau nationaler Parteien mit anderen Strömungen, sofern es eine Übereinstimmung über die grundlegenden Ziele und Praxis gibt."

Schon in unserem Brief haben wir dazu festgestellt:

"Beim Gespräch zwischen unseren Vertretern und Hans Jürgen Schulz schien es uns vielmehr so, daß über zentrale nächste Aufgaben - die Notwendigkeit der Jugendarbeit und des Aufbaus einer revolutionären Betriebs- und Gewerkschaftsopposition - Übereinstimmung bestehe. Hinzu kommt, daß wir uns auch darin einig waren, daß heute kein überhasteter Eintritt in die PDS im Osten gemacht werden solle."

Wir würden bis heute gerne wissen, was das Sekretariat des RSB hier anders sieht, was es näher diskutieren möchte usw. Wir warteten bisher vergeblich darauf.

Ebenso vergeblich warten wir bisher auf eine Erklärung, worin die programmatischen Grundlagen des VS genau bestehen, wo doch umgekehrt Vorbereitungsdokumente zum Weltkongreß feststellen, daß "unsere programmatischen Antworten nicht ausreichen".

Wir denken, daß der wirkliche Grund darin besteht, daß die RSB-Führung zwar gern nach außen den Eindruck erweckt, alle Kräfte bündeln zu wollen, die am Aufbau einer starken trotzkistischen Organisation in Deutschland und international interessiert sind, jedoch dann die Tür zumacht, wenn diejenigen, die diese Aufforderung aufgreifen nicht ganz nach ihrem Geschmack sind.

Das betrifft nicht nur die Frage der Mitgliedschaft, sondern selbst die von Euch öffentlich ausgeschriebene RSB-Schulung in Amsterdam. Kaum hatten sich zwei Genossen unserer Gruppe dafür angemeldet, kam eine "neue" Entscheidung, daß nämlich Mitglieder anderer Gruppen keinen Zutritt dazu haben.

Es ist natürlich das gute Recht einer Organisation, die Teilnahme an ihren Schulungen auf wen immer zu begrenzen. Wir halten es aber für unseriös, so zu tun, als gebe es diese Einschränkungen nicht, um sie dann, wenn das Angebot wahrgenommen wird, hervorzuzaubern. Im übrigen würden wir gerne wissen, ob das auch für VSP-, SPD- oder PDS-Mitglieder gilt. Dabei hätten gerade bei der Schulung in Amsterdam die Mitglieder des RSB die Möglichkeit gehabt, zu sehen, ob eine gemeinsame konstruktive Zusammenarbeit sinnvoll und möglich ist. Doch diesem Test wollte uns die Leitung des RSB erst gar nicht unterziehen - trotz des unbestimmten Angebots einer "solidarischen Zusammenarbeit" zwischen den beiden Organisationen.

Der Grund für die Weigerung, die GAM in den RSB zu lassen oder das zumindest seriös in der Leitung und der Mitgliedschaft des RSB zu diskutieren, besteht darin, daß wir eine linke Kritik am VS und seiner deutschen Sektion haben. Es besteht darin, daß wir von Beginn an auf eine ernsthafte programmatische Debatte gedrängt haben. Doch, ob mit oder ohne GAM, Ihr werdet um sie nicht herumkommen. Ihr werdet nicht um die Frage herumkommen, warum die IV. Internationale in der heutigen Krise ist.

Einige Genossen und Genossinnen werden argumentieren, daß wir nur einen Entrismus in den RSB machen wollten, um Mitglieder abzuspalten. Sie werden argumentieren, daß die schwedische Sektion unserer internationalen Tendenz aus der dortigen VS-Sektion, der "Sozialistischen Partei" (SP), hervorging. Freilich waren das keine von uns kreierten "Entristen", sondern langjährige Mitglieder dieser Organisation, von denen manche seit ein oder zwei Jahrzehnten Mitglieder des VS und in der Leitung und der Redaktion der schwedischen SP tätig waren. Sie hatten vielmehr seit Ende 1993 einen Tendenz- und später einen Fraktionskampf um ein Aktionsprogramm und gegen das im Februar 1994 schließlich angenommene Programm der SP geführt, das einen Vorgeschmack darauf liefert, was die "Neuformulierung des Verhältnisses zwischen Reform und Revolution" in der Praxis bedeutet.

Das Ziel ist dort nicht mehr Sowjetdemokratie, sondern "eine zentrale nationale Volksversammlung, ein Parlament, das vom Volk in freien, allgemeinen und direkten Wahlen" gewählt wird. Die proletarische Staatsmacht wird hier nicht als Form der Klassenherrschaft des Proletariats präsentiert, sondern zur "idealen" bürgerlichen Demokratie umgebogen. Kein Wunder, daß laut neuem SP-Programm "die Arbeiterbewegung (bloß) unmittelbar die Zusammenarbeit mit jenen Kräften des Volkes suchen muß, die die Bevölkerung und die Umwelt an erste Stelle setzen. Das Ziel muß darin bestehen, eine gemeinsame Regierung zu schaffen, die einen guten Sozialstaat im Interesse des Volkes und der Umwelt verteidigt und entwickelt." Armee und Polizei müssen für die SP auch nicht mehr durch die proletarische Revolution zerschlagen werden, sondern "die alten Loyalitäten und Hierarchien sowie die Nähe zwischen diesen Körperschaften müssen durch demokratische Reformen zerbrochen werden."

Womit wir freilich bei nichts Neuen, sondern beim Reformismus der Zweiten Internationale wären. Welcher Kommunist, welche Kommunistin kann gegen einen programmatischen Kampf und notfalls einen organisatorischen Bruch mit diesen Auffassungen und der Organisation, die sie vertritt, sein? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu beantworten.

Wir haben nie verhehlt, daß wir auch in Deutschland gegen solche Auffassungen offen im RSB wie im VS eintreten würden. Wir haben nie verhehlt, daß wir für unsere politischen Auffassungen im RSB offen argumentieren würden. Doch wir meinen keineswegs, daß sich in einer organisierten, gemeinsamen Debatte keine revolutionäre Organisation auf fester programmatischer Basis aufbauen ließe. Die Führung des RSB hat dem freilich ohne inhaltliche Diskussion und Argumentation eine Absage erteilt. Wir wissen nicht, ob und wie sehr die Frage überhaupt in der Mitgliedschaft des RSB diskutiert wurde, ja ob diese die Briefe, die wir an den RSB schickten, kennt und über Originaldokumente von uns informiert wurde.

Wir senden daher mit diesem Brief Kopien des Briefwechsels, zentrale politische Dokumente von uns und zwei unveröffentlichte Dokumente, die sich mit dem kommenden Weltkongreß des Vereinigten Sekretariats der IV. Internationale und der Einschätzung der VSP befassen.

Wir ersuchen Euch, im RSB für eine politische Diskussion mit der GAM und die Unterstützung des Eintritts der GAM einzutreten. Für weitere Informationen und Nachfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit kommunistischen Grüßen
Gruppe Arbeitermacht

 

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