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Massenflucht aus dem Kosovo – die Türen zum Westen sind geschlossen

von Margit Bauer

Die Bombenangriffe der NATO haben die volle Tragödie einer Massenvertreibung der Albaner und Albanerinnen nicht verhindert, sondern vielmehr beschleunigt. Jetzt haben sie kein Dach über dem Kopf, nichts zu Essen und kein Land, in das sie gehen könnten, um sich von den Strapazen zu erholen.

Viele irren im Kosovo umher und suchen nach einer Bleibe, andere haben die Grenze erreicht und werden von den Behörden des Nachbarlandes nicht hereingelassen, wieder andere haben es über die Grenze geschafft, und werden dort in Lagern untergebracht, wo sie unter erbärmlichsten Umständen dahinvegetieren.

Seit 24. März 1999 wurden 460-480.000 der rund zwei Millionen Menschen aus dem Kosovo vertrieben. Unzählige weitere ziehen im Kosovo umher. 262.000 – der größte Teil jener, die es über die Grenze geschafft haben – sind in Albanien angekommen. Von den übrigen sind 136.000 in Mazedonien, 61.000 in Montenegro. Weitere 40-50.000 haben Tage im Niemandsland zwischen Mazedonien und dem Kosovo verbracht und wurden nun über Nacht auch aus diesem Fleckchen Land vertrieben.

Die umliegenden Länder sind für einen Flüchtlingsansturm dieser Größe nicht gerüstet. Ihre Wirtschaften sind zu schwach, um so viele Menschen zu versorgen. Ausgerechnet Albanien, das ärmste Land Europas, trägt die Hauptlast der Flüchtlingswelle!

Hinzu kommt noch die instabile Lage in diesen Ländern selbst. In Mazedonien sind die Albaner – die ca. ein Drittel der Bevölkerung stellen – ebenfalls unterdrückt, wenn auch das Ausmaß geringer ist als im Kosovo. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit unter den Albanern höher und in der staatlichen Verwaltung – insbesondere Polizei und Militär – sind sie mit einem Anteil von weniger als 5% eindeutig unterrepräsentiert. Ein albanischer Bürgermeister, der die albanische Flagge am Rathaus hißte, wurde sogar zu einer jahrelangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Ansturm der Albaner könnte das Staatsgefüge Mazedoniens rasch brüchig werden lassen. Daher haben sich die Behörden auch am brutalsten gegen den albanischen Flüchtlingsstrom gewehrt.

Die bürgerlichen Medien versuchen uns weiszumachen, daß die geflohenen Albaner keinerlei Interesse daran hätten, aus den Nachbarländern herauszukommen, ja gar, daß die Vertreibung durch die Angebote imperialistischer Regierungen zum Zwangsexil werden könnten. Welch "edle" Motive für den staatlichen Rassismus! Diese gingen sogar soweit, daß bayrische Behörden noch bei Beginn der NATO-Bombardements Albaner abgeschoben haben! Die EU-Staaten beteuerten in selten trauter Einigkeit, daß es keine "Überbietungskonkurrenz" bei der Übernahme von Flüchtlingen geben dürfe!

Warum zieren sich dann die westeuropäischen Staaten derart, Flüchtlinge aufzunehmen? Warum versuchen immer noch Flüchtlinge über die grüne (oder blaue) Grenze zu kommen? Warum bieten die USA als Unterkunft gar nur ihren Militärstützpunkt Guantamo auf Kuba an, ein reines Verwahrungslager, das mit menschenwürdigen Bedingungen nichts gemein hat?

Unabhängig von anderen Erwägungen geht es für die imperialistischen Regierungen darum, die von den Schrecken eines Krieges geplagten und aus ihren Häusern gewaltsam vertriebenen Menschen möglichst fern von sich zu halten und die Probleme dieser Armut den armen Ländern des Balkans anzuhängen. Dementsprechend auch die auf dem Treffen der EU-Innenminister beschlossene Strategie, die Flüchtlinge zuerst in den Nachbarländern des Kosovo, in zweiter Linie in den vergleichsweise immer noch recht armen Ländern Türkei und Griechenland unterzubringen und erst dann in die reichen imperialistischen Kernländer Europas zu bringen. Die nun angebotenen ca. 100.000 Plätze für Flüchtlinge in EU-Ländern sind also erst der letzte Ausweg.

Und selbst diese Flüchtlinge werden, so betont Innenminister Schily, nur zeitlich begrenzt aufgenommen. Damit meint er, daß diese – kaum ist das Bombardement eingestellt – wieder in den zerstörten Kosovo abgeschoben werden sollen. Kaum sind die Brände erloschen und die Flüchtlinge haben zum ersten Mal wieder tief durchgeatmet, sind sie schon wieder zu ungebetenen "Gästen" geworden. Es soll ihnen also nicht einmal die Chance gegeben werden, sich in einem der wohlhabendsten Länder dieser Welt von den Strapazen soweit zu erholen, daß sie wieder zu Kräften kommen.

Gleichzeitig zeigt der Flüchtlingsstrom auch den Erfolg der serbischen Politik, den Kosovo von Albanern zu entvölkern, um jene Teile unter rein serbische Kontrolle zu bekommen, die wirtschaftlich interessant sind, da sie Industrie oder Bodenschätze beherbergen. Der Imperialismus könnte einer solchen Lösung durchaus zustimmen, will er doch die Stabilität der ganzen Region nicht gefährden. Damit würde den Albanern lediglich jener Teil des Landes überlassen werden, von dem sie wirtschaftlich kaum überleben können. Aber auch ohne Teilung ist aufgrund der Armut und Zerstörung des Landes eine weitere Abwanderung in die industriellen Zentren Europas vorhersehbar – wo sie abermals an die rassistischen Einwanderungsschranken der imperialistischen Länder stoßen.

Durch ihre rassistische Politik der scharfen Einwanderungskontrollen versuchen die EU-Länder und die BRD, die Armut osteuropäischer Länder von sich fern zu halten – nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn. Diese erfährt jetzt während des Kosovokrieges ihre zynische Zuspitzung. Nicht einmal angesichts von Massenvertreibung, Massenhunger und Krieg ist es möglich, in den sicheren Häfen der EU um Asyl anzusuchen. Ein generelles Asylrecht wird verwehrt! So wurde die Kosovarin Besa Rracaj am 23. April dieses Jahres verhaftet, von ihrem Mann getrennt und nach Italien abgeschoben, da die Ehe der beiden wegen fehlender Bestätigungen durch serbische Behörden nicht "ausreichend dokumentiert sei" (siehe Frankfurter Rundschau, 27.4., S. 6).

Als Arbeiter, Angestellte und Jugendliche haben wir kein Interesse an der Armut und dem Elend dieser Menschen. Sie werden ebenso wie wir zur Kasse gebeten für eine Politik, die sie nicht bestimmt haben. Viele Lohnabhängige haben für die diversen Hilfsprojekte Geld und Kleider gespendet. Milliarden DM wurden gesammelt – das meiste davon von jenen, die selbst nicht zu den Reichen dieses Landes gehören. Kurzum, die Kosten für die miese und zynische imperialistische Flüchlingspolitik werden hier noch einmal "privatisiert", während die Becksteins und Schilys schon die Knete für die nächsten Polizeieinsätze zur Abschiebung der Kurden und Bosnier bereitstellen.

Asylrecht für alle Kosovo-Albaner in der BRD und in der ganzen EU!

Keine Verfolgung und Abschiebung von illegal Einreisenden, die über die grüne Grenze oder durch Schlepper in die BRD oder andere Ländern kommen!

Stopp aller Abschiebungen! Keine Abschiebung von Kosovo-Albanern nach Beendigung des Krieges!

Offene Grenzen, weg mit den rassistischen Einwanderungsgesetzen! Gleiche Rechte für alle, die in der BRD und in der EU leben!

Bezahlung der Betreuung der Flüchtlinge durch verstärkte Besteuerung der Profite und Spekulationsgewinne, kontrolliert von Arbeiterorganisationen und den Vertretern und Vertreterinnen der Flüchtlinge!