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Nach dem Irak-Krieg

Fragiler Friede

Hannes Hohn, Neue Internationale 81, Juni 2003

US-Präsident Bush verkündet das Ende der Haupt-Kampfhandlungen im Irak - in einer Fliegermontur an Bord eines Flugzeugträgers. Seine Beschwörung von Freiheit und Demokratie im Irak schließt "ernste Warnungen" an Syrien und Iran ein, sich den Interessen der USA in der Region nicht zu widersetzen. Nach Afghanistan ist nun im Irak der nächste blutige Akt des Dramas "Weltbeherrschung" kaum beendet, da werden schon die nächsten "Schurken" auf die Bühne gezerrt. Nach dem Motto "Haltet den Dieb" bekämpft der Weltterrorist Nr. 1 seine Widersacher.

Worum es der Administration um Bush, Rumsfeld und Powell geht, wird in der Frage der angeblichen irakischen Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen - immerhin einer der Vorwände für den Angriff auf den Irak - überdeutlich. Es sind nicht nur bisher keine ABC-Waffen gefunden worden, auch die weitere "Suche" soll nur noch von US-Kräften durchgeführt werden. Die UN-Spezialisten wurden ausgebootet. Es wäre kein Wunder, wenn US-Boys demnächst nicht doch noch Saddams Teufelszeug in Iraks Sand finden würden - die US-Herstelleretiketten müssten sie vorher natürlich entfernen. Inzwischen gab die CIA kleinlaut zu, dass ihre Einschätzungen, wonach vom Irak eine "ernste Gefahr" ausginge falsch waren.

US-Strategie

Kaum waren die letzten Schüsse verhallt, begannen Plünderungen von Krankenhäusern, Museen und Depots. Die GIs sahen keinen Anlass, einzugreifen. Nur das Ölministerium und die Ölanlagen wurden - zufälligerweise?! - bewacht. Doch es geht nicht nur um Öl. Die USA verstärken ihre militärische Präsenz im Nahen Osten mit der Einrichtung von Stützpunkten im Irak. Damit sollen der islamische Fundamentalismus zurückgedrängt und andere arabische Regime besser kontrolliert werden. Auch der Druck auf die OPEC-Staaten kann so erhöht und der Ölpreis besser beeinflusst werden.

Vor allem brauchen die USA strategische Positionen an den Flanken Russlands und Chinas, die zuletzt stärker mit der EU kooperierten. Sie könnten eine antiamerikanische Achse EU-Moskau-Peking bilden - ein Horrorszenario für Bushs Hegemonialpläne. In Zeiten permanenter Krise und wirtschaftlicher Stagnation ist die Präsenz auf dem Weltmarkt wichtiger denn je, zudem China ein riesiger, noch nicht völlig von imperialistischem Kapital durchdrungener Markt ist.

Die aggressive Doktrin der Bush-Administration dient zugleich dazu, andere kapitalistische Staaten, insbesondere die EU, zur Räson zu bringen. Das spaltet die EU und behindert die Formierung eines europäischen imperialistischen Blocks um Deutschland und Frankreich. Diesem Ziel dient auch das Angebot einer eigenen Schutzzone im Irak an Polen.

Mit dem Irak-Krieg haben die USA ihre imperiale Ellenbogenfreiheit erweitert; die UNO ist nur noch Staffage. Die europäischen "Friedensengel" Chirac und Schröder hingegen wollen die Rolle der UNO wieder stärken, weil sie dieses Forum zur Artikulation ihrer Interessen und zur demokratischen Bemäntelung ihrer eigenen Ambitionen noch brauchen.

Besatzung statt Befreiung

Nach der militärischen tobt nun die Schlacht um die ökonomischen Ressourcen des Irak und die "Gestaltung" der Nachkriegsordnung. Bushs Pläne zielen auf ein Übergangsregime, in dem die USA das Öl kontrollieren und absichern und US-Konzerne die fettesten Auftragshappen beim Wiederaufbau bekommen. Nach einer Übergangszeit - einer Militärverwaltung unter Führung der USA - soll eine US-freundliche Regierung installiert werden, die eine "demokratische Ordnung" aufbauen soll. Jüngsten Meldungen zufolge soll der Übergang einige Jahre dauern. Die "Einführung der Demokratie" im Irak beginnt also mit der Vorenthaltung derselben und endet mit einer demokratischen Farce unter amerikanischer Militärpräsenz. Aus der Halbkolonie Irak wird für einige Jahre eine Kolonie.

Angesichts der massiven Proteste der irakischen Massen, des Unmuts des zu kurz gekommenen britischen Helfershelfers und der "Versöhnung" mit Paris und Berlin hat man die ursprünglichen Pläne etwas entschärft. Statt des Ex-Generals Garner soll nun ein Ex-Diplomat die US-Besatzungsordnung managen. Am ursprünglichen Ziel der Kontrolle und der Ausplünderung des Irak unter weit gehendem Ausschluss anderer imperialistischer Aasgeier wird festgehalten. Deutschland wird vom Kuchen des Siegers wenig abbekommen, auch wenn Fischer mit Powell freundelt und Merkel sich Washington offen angebiedert hat.

Die von der UNO angenommene Irak-Resolution bestätigt die fast unumschränkten Machtbefugnisse der USA und Britanniens. Ihnen obliegt auch die Kontrolle über das irakische Öl. Die "Wiederaufbau" genannte Ausplünderung und Abhängigkeit des Irak beginnt mit dem Raub des Öls, der wichtigsten ökonomischen Ressource des Landes. Die Unterteilung des Irak in mehrere Besatzungszonen, ist jedoch nicht nur einfach eine Aufteilung der Beute.

Einerseits will man die Aufspaltung des Irak verhindern, weil dann im Norden ein kurdischer und im Süden ein schiitischer Staat entstehen könnten, die zu Initialzündern für die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden und die Pläne der Islamisten werden könnten. Beides liefe aber den Plänen der USA zuwider und brächte zudem NATO-Partner und Kurdenunterdrücker Türkei in Schwierigkeiten. Zudem ist ein irakischer Gesamtstaat für die USA besser zu kontrollieren.

Andererseits verweisen die Besatzungszonen auf ein anderes Problem. Unter der Fuchtel der USA wie auch unter einem bürgerlichen irakischen Regime ist es unmöglich, den sozialen, nationalen und religiösen Interessen der einzelnen Bevölkerungsgruppen - besonders der KurdInnen und der SchiitInnen - gerecht zu werden. Die Zonen-Lösung ist deshalb auch ein Versuch, die "regionalen" Probleme gesondert zu "lösen" und zugleich die irakische Zentralmacht von Anfang an zu schwächen und somit für den Imperialismus beherrschbarer zu machen.

Entgegen der Propaganda des Weisen Hauses war von Begeisterung der IrakerInnen über den Einmarsch der amerikanischen und britischen Truppen wenig zu spüren. Als sich gegen die Plünderer (die im Fall des Raubs von Kulturgütern sogar im Auftrag westlicher Hintermänner gehandelt haben) Selbstschutzorgane der irakischen Bevölkerung bildeten, kam es zwischen ihnen und US-Truppen mehrfach zu Schießereien. Auch auf antiamerikanische Demonstrationen wurde wiederholt von den "Befreiern" geschossen. Dutzende wurden dabei verletzt oder getötet.

Vor allem im Süden gibt es Massendemonstrationen von Schiiten gegen die US-Besatzung. Das ist kein Wunder. Die soziale Lage, v.a. die Versorgung mit Nahrung, Wasser und Strom sowie das Gesundheitssystem haben sich deutlich verschlechtert. Daran ist der Imperialismus dreifach schuld: durch die Sanktionen, durch den Krieg und durch die zu spät, unzureichend oder gar nicht gelieferten Hilfsgüter im "Frieden". Dass die UNO die Sanktionen inzwischen aufgehoben hat, spricht jedoch keineswegs für deren humane Ambitionen. Immerhin hat es mehrere Wochen gedauert, in denen hunderte IrakerInnen aufgrund fehlender Medikamente und Lebensmittel umgekommen sind, bis die Befreier dem von ihnen zerbombten Land einige Hilfslieferungen zukommen ließen.

Welcher Art die Demokratie Marke Bush ist, wird auch daran deutlich, dass zur Sicherung der "Ordnung" Teile des repressiven Staatsapparates Saddams (Verwaltung, Polizei) wieder reaktiviert werden. Dessen Auftrag, die Unterdrückung der Massen, bleibt gleich, nur die Auftraggeber haben gewechselt.

Statt Vertrauen empfinden die IrakerInnen Empörung und Misstrauen gegenüber den Besatzern. Doch die islamischen Führer, die jetzt von den Moscheen zum Protest aufrufen, haben vor dem Überfall auf den Irak zwar den "Heiligen Krieg" proklamiert, aber ansonsten keinen Finger gerührt, um die Massen wirklich zum militärischen Widerstand gegen die Aggression zu formieren. Wie die feige Elite Saddams, welche die Streitkräfte führungslos im Stich ließ, schreckten sie vor der Bewaffnung der Arbeiter und Bauern zurück. Warum? Weil dieser auch ihre eigene Macht, ihre Privilegien in Gefahr gebracht hätte. Da war diesen "antiimperialistischen" Helden ein Platz in der Nachkriegordnung von Amerikas Gnaden doch lieber, als den ausgebeuteten und unterdrückten Klassen zu viel Macht zu geben.

Perspektive

Die jüngsten islamistischen Anschläge zeigen, dass der Sieg des Imperialismus der Region weder Wohlstand noch Frieden bringt, sondern die sozialen Probleme weiter zuspitzt und neue Verzweiflungsaktionen hervorruft.

Eine andere, aber wenig bessere Alternative bieten die von Bush handverlesenen bürgerlichen irakischen Exilpolitiker. Sie sind in der Bevölkerung unpopulär und verheißen dem Land nur eine Perspektive von Unterordnung, Abhängigkeit und Unterentwicklung. Doch auch die populäreren religiösen Führer bieten nur eine reaktionäre Lösung an: einen islamischen Gottesstaat, der soziale Rückständigkeit mit der Unterdrückung von Frauen, nationalen Minderheiten, von Demokratie und Arbeiterbewegung verbindet. Welcher Weg führt für die irakische Arbeiterbewegung und die unterdrückten Massen aus diesem reaktionären Teufelskreis heraus?

Die "Unordnung", die Instabilität der Nachkriegsordnung muss von den ArbeiterInnen und Bauern genutzt werden, um eigene Machtorgane aufzubauen. Ansätze dazu gab und gibt es: Selbstschutzgruppen gegen Plünderer, Massenproteste gegen die Besatzer und die tw. bewaffnete Bevölkerung. Am kurdischen Volk wird sich zeigen, dass alle beteiligten Seiten - die Türkei, die USA, die irakischen bürgerlichen Führer - dasselbe wollen: einen selbständigen Kurdenstaat verhindern. Dafür werden sie den KurdInnen sowohl die Waffen wegnehmen, sowie die nordirakischen Ölquellen vorenthalten. Die prowestlichen, bürgerlichen und halbfeudalen Kurdenführer werden ihrem eigenen Volk dabei in den Rücken fallen. Im Problem der KurdInnen findet sich in gewisser Weise das Schicksal des ganzen irakischen Volkes wieder. Es muss sich sowohl gegen die imperialistischen Besatzer wie gegen die einheimischen reaktionären Führer, gegen den repressiven Staatsapparat und die eigene Bourgeoisie wenden. Jede Möglichkeit muss genutzt werden, um die Klassenunabhängigkeit der irakischen Arbeiterbewegung zu fördern. Gewerkschaftliche Strukturen, Selbstverteidigungs- und Selbstverwaltungsstrukturen und eine revolutionäre Arbeiterpartei müssen aufgebaut werden.

Diese Kräfte müssen über religiöse und nationale Schranken hinweg den Kampf für eine multiethnische, weltliche Föderation sozialistischer Staaten im Nahen und Mittleren Osten führen. Die Grundbedingung dafür ist jedoch, die imperialistischen Besatzer aus dem Irak hinaus zu jagen! Der Imperialismus verfügt ohne Frage über wesentlich größere Machtmittel als Saddam, um die Massen auszubeuten und zu unterdrücken - das Übel Saddam wurde vom noch größeren Übel des Imperialismus abgelöst. Der Kampf gegen die Besatzung ist die Nagelprobe für alle Führer und Ideologien; er ist zugleich eine Herausforderung für die Arbeiterbewegung und die Linke hierzulande.

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Nr. 81, Juni 2003

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