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Berichte von Aktionen

Stimmung gut,
Führung mies

Neue Internationale 81, Juni 2003

Schweinfurt, 29. April

9.00 Uhr. Am Haupttor von ZF Sachs wehen Fahnen der IG Metall. Die ersten Arbeiter kommen aus den Fabrikhallen. Die KollegInnen wollen gegen die geplante "Streichung des Krankengeldes", gegen die "Reduzierung des Kündigungsschutzes", gegen die "Kürzung des Arbeitslosengeldes" durch die Schröder-Regierung auf die Straße gehen, wie es im Aufruf zur "Protestaktion" der IG Metall Schweinfurt heißt.

An ihren Gesichtern kann man den Ernst der Lage ablesen. Einige Hundert versammeln sich am Tor. Auf ihren Transparenten ist zu lesen: "Denk ich an Rürup und an Hartz - wird mir vor den Augen schwarz", "Schröder, Stoiber, Rürup, Merkel - sozialpolitisch alles Ferkel". Zwei Schweine sind darauf zu sehen.

Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Hinter dem Transparent: "Hartz, Rürup - was noch? Widerstand gegen Sozialraub" viele Fahnen der IG Metall. Es geht an der Kugellagerfabrik SKF vorbei, wo sich noch einige Hundert Blaumänner einreihen. Der imposante Zug bewegt sich zum Kundgebungsplatz. Dort sind inzwischen dreitausend Kolleginnen und Kollegen von ZF Sachs, SKF, Bosch Star Rexrot, FAG Kugelfischer u.a. aus dem Schweinfurter Norden eingetroffen. Insgesamt stehen viertausend MetallerInnen gegen die Pläne Schröders vor der Rednerbühne. Ihre Haltung haben sie unmissverständlich mit Pinsel und Farbe aufgemalt: "Sozialabbau ist Krampf. Ihr fordert uns zum Kampf", "Jugend kämpft mit" und "Gegenwehr. Schröder, wir kuschen nicht. Generalstreik".

 

Stuttgart, 21. Mai

Etwa 3.000 MetallerInnen und ver.di Mitglieder versammeln sich um 16.30 Uhr auf dem Cannstatter Marktplatz. Die Stimmung ist gut, aber nicht wirklich kämpferisch. Der Termin stand lange fest. In Stuttgart waren sich IGM und ver.di früh einig, dass eine Kundgebung nötig ist, lange bevor die Bundesvorstände für den 24. Mai entschieden haben.
Ein Pfarrer redet zuerst, dann der Bezirksleiter der IGM und designierter zweiter Vorsitzender, Berthold Huber. Die Stuttgarter Nachrichten werden am nächsten Tag schreiben, dass der Pfarrer kämpferischer war.

Huber spricht lange von der Reformbereitschaft der Gewerkschaft und der Notwendigkeit von Reformen, z.B. bei der Rentenversicherung. Wer so redet, will nicht mobilisieren. Als Huber sich zur SPD bekennt, erntet er Pfiffe. Als er erklärt, dort Mitglied bleiben zu wollen, folgt Hohngelächter.

Nach einer Unterbrechung mit Musik hat sich der Platz zur Hälfte gelehrt. Das war wohl Absicht. So redet ver.di Geschäftsführer Riexinger vor weniger ZuhörerInnen, dafür aber wirklich kämpferisch. Die Stimmung steigt und der Beifall kommt stärker und häufiger als vorher. Riexinger benennt die hohe Arbeitslosigkeit als die Ursache für die Krise der Sozialsysteme und die Unternehmer als die Verantwortlichen dafür. Er spricht sich für mehr Mobilisierung aus und für Streiks.

 

Leipzig, 24. Mai

In Leipzig demonstrieren etwa 15.000 GewerkschafterInnen. Sie kommen vor allem aus dem Raum Leipzig. Hunderte Busse waren außerdem aus Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen eingetroffen.

Die Proteststimmung gegen die Agenda 2010 bringt eine Gruppe der IG BAU Jugend am besten auf den Punkt. Sie steht mit ihrem Transparent minutenlang auf dem Leipziger Ring und skandiert unter großem Jubel der Umstehenden: "Wir sind das Volk!". Die Menge greift die Losung auf und ruft: "Jetzt geht's los!".

Dies charakterisiert mehr als die Reden von Bsirske & Co. die Stimmung der ArbeiterInnen, die weitaus mehr an Protest erwarten als bis jetzt zaghaft geplant wurde. Viele GewerkschafterInnen kritisieren in Gesprächen, dass ihnen die Strategie der Protestführung (jedes Wochenende eine Demo etc.) nicht klar sei und von der Gewerkschaftsführung nicht erklärt werde, welche Kampftaktik geplant sei.

Zur Schande der Gewerkschaftssprecher ist es dann Pfarrer Führer von der Nikolai-Kirche, der das Wort "Generalstreik" in den Mund nimmt - und prompt vom lautesten Beifall unterbrochen wird.

Wenn es eine entschlossene Gewerkschaftsführung geben würde, wäre mit diesen KollegInnen jeder Massenstreik zu machen!

 

Hannover, 24. Mai

10.000 demonstrieren gegen die Agenda. Die allgemeine Stimmung auf der Kundgebung ist nicht mehr so erwartungsvoll und kämpferisch wie noch bei den Auftaktveranstaltungen am 1. und 17. Mai. Keine Wagen begleiten den Demonstrationszug, es gibt keine Sprechchöre, nur Trillerpfeifen.

Zudem war die Dramaturgie der Kundgebungsreden schlecht gewählt. Der eigentliche Hauptredner, DGB-Vorsitzender Sommer, hielt als dritter von fünf Rednern seinen Beitrag, während am Schluss nur noch das fast teilnahmslose und deutlich 'reformwilligere' Gebrabbel eines IG BCE-Fürsten und das unsägliche Gejammer eines GdP-Funktionärs über die Arbeitsbedingungen der Polizei folgte. Vielleicht war das doch kein Zufall. Sommer hielt zwar die beste und kämpferischste Rede, aber auch er hatte keine andere Lösung als moralische Appelle an die 'Einsicht' der Regierung zu richten und auf dem Parteitag am 1.6. noch mal Druck zu machen.

 

Kassel, 24.5.

Etwa 6.000 GewerkschafterInnen aus Hessen und aus Thüringen sind nach Kassel gekommen. In zwei Demo-Zügen, die sich kurz vor dem Kundgebungsort in der Kasseler Innenstadt vereinigten, war eine gute, kämpferische Stimmung. Auf Transparenten wurden Streikforderungen erhoben, Schröder als "sozialer Desperado" und die SPD als Sozialpiraten Deutschlands bezeichnet. Spechchöre schallten: "Schröder heißt er, uns bescheißt er". Auffallend auch die Teilnahme zahlreicher Mitglieder der BCE. Doch für zwei Bundesländer sind es insgesamt viel zu wenig TeilnehmerInnen.

Auf der Kundgebung reden unter anderem IGM-Vize Peters und Engelen-Kefer. Doch sie geben dem Kampfeswillen der Versammelten keine Perspektive. Die Forderungen aus der Demonstration nach Generalstreik werden nicht aufgegriffen. Ihre Reden ergehen sich nur in vagen Andeutungen. Zwar wurde die Forderung nach höherer Besteuerung "der Reichen und der Superreichen" sowie der Wiedereinführung der Körperschaftssteuer in der alten Form erhoben - aber kein Wort dazu, wie das durchgesetzt werden kann.

 

Nürnberg, 24. Mai

Zwischen 15.000 und 20.000 versammeln sich. Hunderte von Plakaten fordern "Streik gegen Sozialraub". Eine Initiative für eine regionale Konferenz gegen Sozialabbau sammelt InteressentInnen und UnterstützerInnen. Der Kampf geht weiter!

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Nr. 81, Juni 2003

*  Schröders Raubzug: Agenda wegstreiken!
*  Berichte von Aktionen: Stimmung gut, Führung mies
*  Heile Welt
*  Österreich: Tschüsserl, Schüsserl!
*  Palästina: Road Map to Peace?
*  Nach dem Irak-Krieg: Fragiler Friede
*  Nach den Wahlen in Argentinien: Sieg der Reaktion?
*  Jugendorganisation REVOLUTION: Control Obrero
*  Ausbildung und Uni: Jugend ohne Zukunft
*  17. Juni 1953: Aufstand der Arbeiter
*  Kongress der LRKI/L5I: Neues Programm, neue Losung