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Tarifabschluss bei der Post

NEIN zu diesem Abschluss!

Martin Schneider, Infomail 829, 15. Juni 2015

Nach einem 4 Wochen langen Streik der PostlerInnen schließen die Deutsche Post AG und die Gewerkschaft Ver.di einen Vertrag, der als Sicherung und Perspektive verkauft wird. Was verkauft wurde, war der Arbeitskampf von 32.500 KollegInnen! Ausverkauft!

Gefordert waren 5,5 %, herausgekommen sind 400 € für dieses Jahr einmalig, 2 % im Oktober 2016 und weitere 1,7 % noch ein Jahr später. Die geforderte Arbeitszeitverkürzung gibt’s nicht, die – vertragswidrig – ausgegliederten Bereiche werden nicht zurückgeholt.

Vier Wochen haben die Streikenden gekämpft, haben rund um die Uhr Streikposten gestanden, haben sich Infrastruktur und Kommunikation aufgebaut, haben den miesen Angriffen der Kapitalseite standgehalten, mussten Beleidigung, Verleumdung, Erpressung und Einschüchterung ertragen und haben trotzdem Tag für Tag neue KollegInnen in den Streik geholt, Schwankende überzeugt. Die KollegInnen haben vielerorts Streikbruch verhindert, den der eigenen KollegInnen, von StudentInnen, SchülerInnen, den von TagelöhnerInnen, die die Post zur Ausmerzung der Streikfolgen angekarrt hat. Sie bekämpften auch den Streikbruch, den die Regierungspräsidien einzelner Bundesländer zu verantworten haben, die die Sonntagsarbeit der Post genehmigten.

32.500 KollegInnen haben sich 20 Jahre nach dem letzten Vollstreik der Post komplett neu organisiert, zum Teil völlig desolate Strukturen überwunden, sich neu aufgestellt, Streikversammlungen abgehalten, Vorschläge diskutiert, Beschlüsse gefasst, sind in ihre Bezirke und Städte gezogen und haben ihre KundInnen von der Rechtmäßigkeit ihrer Forderungen und der Legitimität des Streiks überzeugt, haben Kontakte zu solidarischen GewerkschaftlerInnen und politischen Organisationen und Parteien aufgebaut.

Und obwohl die Verteilstrukturen der Post an vielen Stellen völlig zusammengebrochen sind und vielerorts nicht ein Brief oder Paket mehr ankam, war der Rückhalt in der Bevölkerung beachtlich hoch, laut einer offiziellen Umfrage auch einen Tag vor den Verhandlungen noch bei 63%. Selbst die bürgerliche Presse war keineswegs zum Sprachrohr des Bonner Towers mutiert. Lokale Aktionen der PostlerInnen füllten die Blätter. Die Postaktie sank und mit ihr Image und Prestige des weltgrößten Logistikkonzerns, und es war evident, dass der seine Beschäftigten für immer neue Gewinnziele immer brutaler ausquetschen will.

Dieser gemeinsame Kampf der PostlerInnen wird mit dem Abschluss weggeschmissen, Enttäuschung und Frustration werden gerade bei den Engagiertesten erzeugt.

Ist die Spitze von Ver.di einschließlich der BetriebsrätInnen zu blöd, den Arbeitskampf richtig einzuschätzen und das Kampfpotenzial des noch aus Bundespostzeiten hoch organisierten Betriebs für den bevorstehenden Sieg in den Ring zu werfen?

Wir meinen: Nein, die Gewerkschaftsspitze wollte es nicht anders. Die Signale aus Berlin waren nie darauf gerichtet, die Kampfmoral zu stärken oder den Arbeitskampf zu vertiefen. Es war von Beginn an klar, dass es der Ver.di-Führung niemals um die volle Durchsetzung der eigenen Forderungen ging. Deshalb wurde der Arbeitskampf unter Umgehung einer Urabstimmung begonnen und braucht am Ende auch keine Urabstimmung, um beendet zu werden

Das Ergebnis liegt auf der Linie der letzten zwanzig Jahre: Die Post darf die Strukturen weiter zulasten der Belegschaft ändern, lediglich die alten Arbeitsverhältnisse werden schlecht und recht abgesichert. Aber mit diesem Kurs haben die Vorläufergewerkschaft DPG und jetzt Ver.di den Vorstand so stark und frech gemacht, dass er sich traut, die Vereinbarungen zu brechen und uns so schwach, dass wir erst wieder lernen mussten zu kämpfen. Das wird jetzt auch verschenkt.

Denn gerade im Logistik-Sektor Rückgrat zu zeigen, hätte Auswirkungen weit über ihn hinaus gehabt. Nun ist das Umgekehrte der Fall. Nun sollen die KollegInnen wieder in den Betrieb zurückgeschickt und die Niederlage noch als Erfolg verkauft werden. Ihnen soll der Verrat ihrer eigenen Interessen als Erfolg verkauft werden, auf den sie stolz zu seien haben.

Nochmal genauer zum Ergebnis: Sicherheit und Perspektive werden versprochen, doch für wen? Für die mittlerweile 6.500 Delivery-KollegInnen jedenfalls nicht. Die bleiben aus dem Haustarif der Post draußen. Übrigens wurde dadurch bekannt, dass 26.000 Befristete aufgebaut wurden, die perfekt eingearbeitet in die Delivery wechseln mussten. Das wirft ein Licht auf die BetriebsrätInnen, die jeder befristeten Einstellung zugestimmt haben. Mit dem Fortbestand der Delivery wird der Tarifstruktur bei der Post ein schwerer Schlag versetzt. Die noch verbliebenen 7650 DHL-KollegInnen bleiben „individualrechtlich“ im Haustarif, d.h. nichts anderes, als dass jeder durch Fluktuation freiwerdende Bezirk zur Delivery geht. Die Zusage gilt den 7650 KollegInnen, nicht ihren Bezirken, d.h. strukturell geht der Weg bergab. Am Ende ist die komplette Paketzustellung bei DHL-Delivery und im Logistiktarif.

Befristete, die seit zwei Jahren ohne Unterbrechung im Konzern sind, kommen bei „Eignung“ in die „Mutter“. Warum nicht alle? Kein Befristeter, der sich in 2 Jahren bei der Post durchboxen muss, ist ungeeignet. Und über den Rest des Heers aller Befristeten entscheidet die AG nach Gutsherrenart. Sicherheit und Perspektive also nicht für die, die es brauchen. Nein, hier wird die Spaltung zwischen denen gezielt vertieft, die als Stammbelegschaften im Konzern in festen Bezirken zu relativ guten Löhnen arbeiten, und denen, die in den untersten Lohngruppen prekär die „Drecksarbeit“ machen sollen.

Bezüglich Lohnhöhe bedeutet der Abschluss Reallohnverlust in diesem Jahr, im nächsten und weiteren im Jahr darauf. Bei einem Unternehmen, das Jahr für Jahr milliardenschwere Gewinne einfährt! Das bedeutet nichts anderes als eine Abkopplung von der Lohnentwicklung in anderen Branchen. einen Schritt weiter in den Niedriglohn für die KollegInnen, die ohne Besitzstand sind, und für alle, die nachkommen. Die Laufzeit beträgt32 Monate. Vorher ist Friedenspflicht, egal welche Schweinerei aus dem Konzern kommt.

Zur Forderung nach der 36-Stunden-Woche: Arbeitszeitverkürzung hätte endlich Entlastung in diesem Stress-Job bedeutet. Zweitens wäre sie nur gerecht, weil die Post den Ausgliederungsschutz gebrochen hat. Drittens hätte Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze geschaffen.

Weil unsere Forderungen nicht erfüllt wurden, muss dieser Abschluss abgelehnt werden! Wir verlangen überall Konferenzen, auf denen die Streikenden über das Ergebnis abstimmen und Delegierte zu einer bundesweiten Tarifkonferenz wählen können, die dann entscheidet!

Wir müssen aber auch Konsequenzen für die Zukunft ziehen: Die Politik des Gewerkschafts- und Betriebräte-Apparates verbleibt auf der Linie der letzten 20 Jahre, die Privatisierung, Ausgliederung und Niedriglohn gebracht hat und jetzt den Ausverkauf des Streiks.

Von dieser Linie werden die nicht freiwillig abgehen. Deshalb darf sich der Unmut diesmal nicht ins Leere verlaufen. Die PostlerInnen, die jetzt bemerkt haben, dass sie sehr wohl in der Lage sind, sich im Streik selbst zu organisieren, dürfen sich nicht einfach wieder zur Arbeit zurück begeben. Wir brauchen regionale und überregionale Kontakte und Treffen.

Wir müssen eine Alternative zur Politik der Begleitung des Niedergangs entwickeln und in der Gewerkschaft durchsetzen. Eine Alternative, die auf Kampf gegen das Kapital setzt und auf Solidarität innerhalb der Post und mit allen anderen kämpferischen Belegschaften.

Das wird auf Widerstand des Managements und des Gewerkschaftsapparates treffen. Deshalb müssen wir einerseits geschickt vorgehen, aber andererseits uns selbst gut organisieren. Wir dürfen nicht warten bis zum nächsten Ausverkauf, sondern müssen die Zeit nutzen: jetzt, wo sich gezeigt hat, wer kämpfen will und wer nicht.

Das ist die Lehre aus 4 Wochen Poststreik im Sommer 2015: Für eine kämpferische, anti-bürokratische Basisbewegung bei der Post!

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