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Politisch-ökonomische Perspektiven

2005 - ein Jahr der Entscheidung?

Martin Suchanek, Neue Internationale 98, März 2005

Mit dem Sieg im Kalten Krieg, der Restauration des Kapitalismus in Osteuropa und China und der damit verbundenen Desorientierung der Arbeiterbewegung und der Linken konnte sich die imperialistische Weltherrschaft zu Beginn der 1990er Jahre festigen. Die USA profitierten davon am stärksten und konnten ihre Überlegenheit gegenüber den imperialistischen Rivalen Europa und Japan ausbauen.

Ende der 1990er hatte sich das expansive Potential der "Globalisierung" - die Ausweitung des Waren- und Kapitaltransfers, die Öffnung neuer Märkte und die Erhöhung der Mehrwertrate im Produktionssektor - erschöpft. Die schon seit den 1970ern bestehende Akkumulationskrise blieb ungelöst. Im Gegenteil: Nach dem "langen Boom" der 1950er und 60er Jahre trat der Kapitalismus in eine Periode niedergehender Akkumulation ein. Die Globalisierung ist ein Versuch, diese Krise durch immer stärkere internationale Vernetzung der Produktion, die Bildung riesiger multi-nationaler Konzerne zu lösen.

Trotz wachsenden Reichtums und immer größerer Mengen an Gütern hat sich die Ungleichheit zwischen Arm und Reich weltweit vergrößert. Die Löhne der ArbeiterInnen in den meisten Ländern stagnieren oder sinken seit 15 Jahren, während die Gewinne vieler Konzerne drastisch steigen. Die tiefe Krise des Kapitalismus ist der Grund dafür, warum die nach dem Zweiten Weltkrieg von der Arbeiterklasse erkämpften sozialen Errungenschaften jetzt zerschlagen werden sollen.

Akkumulationskrise

Der grundlegende, im Kapitalismus nicht aufhebbare Widerspruch besteht darin, dass ständig neue Technologien entwickelt werden, welche die lebendige Lohnarbeit ersetzen. Das unterminiert die Basis der Profitmacherei selbst und drückt die Profitrate. Im Kapitalismus gibt es daraus nur einen Ausweg: Erhöhung der Ausbeutung und Vernichtung "überschüssigen" Kapitals. Seit den 1970ern hat die Bourgeoisie das auf verschiedene Weise versucht: durch Keynesianismus und Inflation, durch verschärfte Ausbeutung der "Dritten Welt", durch Thatcherismus und "Reaganomics".

Die Globalisierung hat diese Entwicklung auf die Spitze getrieben. Die Jagd um Absatzgebiete und profitabelste Standorte, die Zunahme der Finanzspekulation, das Wachstum privater und staatlicher Verschuldung, die Schaffung gigantischer Weltkonzerne, die Handel und Kapitaltransfers kontrollieren - all das hat nach einer kurzen Phase des Aufschwungs in den 1990er Jahren zu einer gigantischen Überproduktion, zu Stagnation und verschärfter Konkurrenz geführt.

Aufgrund ihrer überragenden Stellung und ihrer politisch-militärischen Vorherrschaft haben die USA in dieser Konkurrenz die Nase vorn, was aber auch ihre Rivalen, v.a. in Europa, "wachgerüttelt", hat.

Die Globalisierung hat kein "transnationales Kapital" geschaffen, sondern den Widerspruch zwischen fortschreitender Internationalisierung von Produktion und Austausch einerseits und nationalstaatlicher Organisierung des Kapitalismus andererseits verstärkt. Daher nimmt die Globalisierung die Form der Blockbildung an führt zu verschärfter Konkurrenz zwischen den Blöcken - v.a. zwischen den USA und der EU.

Die Jahrhundertwende markiert den Beginn einer Phase größerer ökonomischer und politischer Instabilität des Weltkapitalismus - den Beginn einer vorrevolutionären Periode. Den ökonomischen Hintergrund bilden die strukturelle Krise des Kapitalismus und die weitgehende Erschöpfung der ihr partiell entgegenwirkenden ökonomischen Effekte der Globalisierung.

Eine neue Periode

Wir sind in eine Periode der Stagnation der Produktivkräfte eingetreten - das zeigt sich in der Form der "Expansion", z.B. den Investitionen in Rationalisierung und Aufkauf, im Wachsen der Arbeitslosigkeit und in der Zerstörung selbst bürgerlicher Verkehrsformen in vielen Halbkolonien. Das wiederum führt zu verschärfter innerimperialistischer Konkurrenz. Der "permanente" Krieg gegen den Terror ist ein Ausdruck davon.

Diese Krise ist im Kapitalismus nur durch eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Lohnarbeit und Kapital sowie zwischen den herrschenden Klassen selbst "lösbar" - samt aller "Begleiterscheinungen" wie Kapitalvernichtung und Krieg. Allerdings befindet sich der innerimperialistische Gegensatz aufgrund der Stärke der USA - die selbst ein stabilisierendes Element der kapitalistischen Ordnung (in politischer, militärischer wie ökonomischer Hinsicht) darstellt - noch in einer vorbereitenden Entwicklung.

Doch in den letzten Jahren hat sich auch schärferer Widerstand entwickelt, eine Umgruppierung in der Arbeiterbewegung hat begonnen. Der vorrevolutionäre Charakter der Periode erwächst nicht einfach daraus, dass es mehr Kämpfe gibt oder weil die Menschen "klüger", also revolutionärer, geworden wären, sondern daraus, dass die Organisationsformen der Arbeiterbewegung und der Unterdrückten, die jahrzehntelang in den Kapitalismus integriert waren, objektiv mit den aktuellen Erfordernissen des Kapitals in Konflikt geraten. Bestehende Errungenschaften können heute nur verteidigt werden, wenn sich die Arbeiterklasse selbst ändert, wenn die Führungskrise des Proletariats gelöst wird. Daraus folgt die zentrale Bedeutung der Frage einer neuen, der Fünften Internationale und der Schaffung neuer, revolutionärer Kampfparteien der Klasse.

Die Weltkonjunktur ist wesentlich von der US-Ökonomie abhängig. Dort mehren sich die Zeichen, dass der Aufschwung der letzten Zeit zu Ende geht. Daher müssen wir für 2005 mit einem stagnativen Grundton der Weltwirtschaft rechnen - und damit auch für den EU-Raum und Deutschland mit geringem Wachstum und faktischer Stagnation der Binnenökonomie.

Generalangriff des EU-Kapitals

Die Strategie des europäischen Kapitals hat einen Namen: die "Lissabon"-Agenda vom Sommer 2000. Damals setzten sich die EU-Regierungschefs das Ziel, Europa zur stärksten und dynamischsten Wirtschaftsregion der Welt zu machen. Diesem strategischen Ziel dient ein ganze Palette von Angriffen: Deregulierung des Marktes und Abbau des Binnenmarktschutzes, Privatisierung des Öffentlichen Dienstes und der Sozialleistungen (Renten, Gesundheitswesen, Bildung), Arbeitsmarktreformen mit Angriffen auf die Erwerbslosen, auf Löhne und Arbeitszeiten der Beschäftigten, "Vereinheitlichung der Steuerpolitik", d.h. Steuern auf Vermögen und Gewinne runter, Massensteuern rauf.

In Deutschland laufen die Attacken unter dem Motto "Agenda 2010", in Frankreich sind es die Renten- und die Bildungs"reform" und Privatisierungen, in Österreich ist es die Pensionsreform, in Italien ist das Arbeitsrecht im Visier ...

Der Klassenkampf in Deutschland spielt eine entscheidende Rolle, weil die BRD neben Frankreich die Führungsmacht des europäischen Imperialismus ist. Dabei geht es nicht nur um Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch darum, das Kräfteverhältnis zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie entscheidend zu verschieben. Nur so kann die BRD künftig eine politische, ökonomische und militärische Führungsrolle in einer mit den USA in jeder Hinsicht konkurrenzfähigen EU spielen.

Die Angriffe zielen daher nicht "nur" auf einzelne Schichten der Arbeiterklasse. Die europäischen Kapitalisten und ihre Regierungen sind gezwungen, gegenüber dem Hauptkonkurrenten USA ihren "entscheidenden Wettbewerbsnachteil" - die Errungenschaften der Arbeiterklasse und deren Kampffähigkeit - zu überwinden.

Deshalb stehen die Gewerkschaften auch im Zentrum der Angriffe, obwohl sie bisher alles andere als Horte des Klassenkampfes oder gar der Bedrohung der Herrschaft des Kapitals waren. Trotz ihrer bürokratischen Führungen sind sie und die von ihnen ausgeübten Schutzrechte der Arbeiterklasse ein reales Hindernis für die Pläne des Kapitals.

Kompromisse und Ausverkäufe durch die Bürokratie wie früher reichen dem Kapital heute angesichts der verschärften Weltmarktkonkurrenz nicht mehr aus. Die Kapitalisten wollen nicht länger davon "abhängig" sein, dass reformistische BürokratInnen in Gewerkschaft oder SPD die Lohnabhängigen im Zaum halten. Sie wollen die Kampfkraft der Klasse insgesamt zerstören!

Das ist auch nötig, um den Widerstand gegen die Schaffung des imperialistischen EU-Blocks, gegen die Militarisierung des Kontinents, gegen die Schaffung von "Eingreiftruppen", die es mit der US-Armee aufnehmen können, zu lähmen.

Der Generalangriff ist ein notwendiger Teil der Schaffung des imperialistischen EU-Blocks. Die Kämpfe der nächsten Jahre werden daher nicht nur über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Millionen hier entscheiden, sondern auch darüber, ob und wie eine imperialistische Großmacht in Europa entsteht.

Eine Zwischenbilanz

In ihrer zweiten Amtszeit hat Rot/Grün die Angriffe deutlich verschärft. In den letzten beiden Jahren hat ihr Generalangriff zu herben Niederlagen geführt. Mit den Hartz- und Agenda-Gesetzen, mit Gesundheits- und Renten"reform" wurde der "Soziallohn" deutlich gesenkt. Die Arbeitslosigkeit stieg weiter, während zugleich der Billiglohnbereich ausgeweitet wurde. Die Armut nahm rapide zu. Der Angriff auf Arbeitszeit und Löhne ging 2004 auf allen Ebenen weiter und hat zu tw. sehr erfolgreichen Vorstößen des Kapitals geführt.

Mitte 2003 nahm der Widerstand zu. Die Niederlage im Streik für die 35-Stunden-Woche im Osten und die Demobilisierung der Aktionen gegen die Agenda 2010 führten nicht nur zu Demoralisierung, sondern auch zu einer Linksentwicklung und Aktivierung des linken Flügels der Arbeiterbewegung und zu einem Aufschwung von Aktionsbündnissen, Sozialforen, Sozialbündnissen usw.

Am 1. November 2003 zeigte sich außerdem das Potential einer Bewegung gegen den Generalangriff. Es war eine Massendemonstration mit starker betrieblicher Beteiligung, in der eine mögliche Aktionseinheit von RevolutionärInnen, AntikapitalistInnen, GewerkschafterInnen, Arbeitslosen, ImmigrantInnen usw. sichtbar wurde. Danach gab es auch größere studentische Mobilisierungen inkl. einiger längerer Uni-Besetzungen.

Nicht zuletzt zeigte sich das Anwachsen einer kämpferischen Bewegung nach dem 1. November auch beim ESF in Paris und bei der Aktionskonferenz im Januar 2004, wo LinksreformistInnen und attac gegen einen heterogenen "linken Flügel" in die Defensive gerieten.

Die verschärften Angriffe, aber auch die Bewegung vom 1. November und die Europäischen Sozialforen führten zu einem rhetorischen Linksschwenk eines Teil der Gewerkschaftsbürokratie. Dieser "traditionalistische Flügel" (Peters) setzte sich auch innerhalb des DGB gegen den rechten Flügel (Zwickel/Huber) durch - es kam zur Mobilisierung vom 3. April 2004. Diese Massendemos mit über 500.000 markieren in mehrfacher Hinsicht einen Wendepunkt.

Die Gewerkschaftsbürokratie zeigte, dass sie noch mobilisierungsfähig ist - um die Bewegung danach bewusst wieder zu demobilisieren. Das ging einher mit derben Niederlagen der Arbeiterklasse, darunter zentrale Arbeiterschichten in der Großindustrie (Autokonzerne, Siemens). Diese Niederlagen und die Bremsmanöver der Bürokratie führten zur Demoralisierung von Teilen der Arbeiterklasse und zu einem Rückfluten der Bürokratie zur SPD und einer Stärkung des rechten Flügels. Das lässt sich insbesondere an der Wahlalternative beobachten, deren InitiatorInnen auf mehr Zuspruch durch die Gewerkschaftsbürokratie gehofft hatten.

Mit den Montagsdemos war im Herbst 2004 eine spontane Massenbewegung entstanden. Nach rund zwei Monaten war die Bewegung aber an ihre Grenzen gestoßen und auf einen kleinen Kern geschrumpft.

Insgesamt endete das Jahr 2004 mit einer Reihe von Niederlagen. Diese Niederlagen (und die Krise, die natürlich auch Mittelschichten und Kleinbürgertum bedroht) sind auch für das Wachstum der Rechtsradikalen verantwortlich. Die Erfolge der NPD verweisen auf die Gefahr der Entstehung einer faschistischen Massenpartei. Auch das NPD/DVU-Wahlbündnis ist ein deutliches Warnsignal.

2005 - ein Jahr der Einscheidung?

Auch 2005 werden die Angriffe weitergehen. Erstens, weil die konjunkturellen Möglichkeiten, die Angriffe abzufedern, wegen des geringen Wirtschaftswachstums minimal sind. Zweitens haben die Kapitalisten schon erklärt, dass es "keine Pause bei den Reformen" geben darf (daher auch die aktuelle Debatte um die "Mitbestimmung"). Die "Gesundheitsreform" wird für die weitere Senkung von Lohnbestandteilen - den "Lohnnebenkosten" - zentral sein.

Doch es geht dem deutschen Imperialismus auch um wichtige politische Vorhaben:

Fortführung der EU-Integration durch Umsetzung der EU-Verfassung und Klärung des Beitritts der Türkei;

Umbau der Bundeswehr zu einer interventionsfähigen Armee;

Fortführung der Politik, sich der "Dritten Welt" als "verständiger" Imperialist im Vergleich zu den USA zu profilieren;

engere Kooperation mit Frankreich, Integration Russlands und Zusammenarbeit mit wichtigen Halb-Kolonien (Indien, Brasilien, Südafrika), um gemeinsame UN-Politik zu betreiben.

Im Öffentlichen Dienst könnte es wegen des Angriffs auf die Arbeitszeit und der Neuverhandlung des Bundesmanteltarifvertrags zu einer entscheidenden Auseinandersetzung mit den Beschäftigten und ver.di kommen. Eine wichtige Weichenstellung erfolgte schon Anfang 2005 mit der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst. Die ver.di-Führung hat von vornherein klein beigegeben, noch nicht einmal einen Hauch von Widerstand organisiert und einen desaströsen Abschluss ausgehandelt.

Nach den bisherigen Niederlagen gilt es daher für die Arbeiterklasse, die eigenen Reihen neu zu ordnen. Die unmittelbare Gefahr besteht darin, dass es zu einer geradezu inflationären Ausweitung betrieblicher Verschlechterungen kommt und einzelne Abwehrgefechte inmitten eines mehr oder weniger ungeordneten Rückzugs stattfinden. Das würde zu einer weiteren Schwächung der Gewerkschaften und der Kampfkraft der Klasse führen und könnte den Beginn einer wirklich strategischen Niederlage bedeuten oder diese "einläuten".

2005 werden sich auch die betrieblichen Angriffe weiter verschärfen. Die Gewerkschaftsbürokratie wird wegen ihrer Standortlogik weitere Niederlagen hinnehmen, was zu einem weiteren Rückgang der gewerkschaftlichen Organisation führt. Doch damit gerät die Bürokratie auch zunehmend selbst unter Druck. Es entsteht die Möglichkeit, dass die fortschrittlichsten Teile der Arbeiterklasse die reformistische Führung in Frage stellen. Dazu sind organisierte Basisstrukturen notwendig, welche konsequent den Klassenkampf in den Vordergrund der Gewerkschaftsarbeit stellen.

Krise des Reformismus

Der Generalangriff der regierenden SPD auf die Arbeiterklasse hat dazu geführt, dass die seit der Festigung des Kapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg in der (west)deutschen Arbeiterklasse fast absolute Dominanz der SPD erschüttert wurde. Massenaustritte, Stimmenverluste und eine Erschütterung der Vormachtstellung der SPD in den Gewerkschaften sind Ausdruck dessen.

Da der Generalangriff und die Krise auch nächstes Jahr keine "Reformpause" erlauben, ist die SPD an der Regierung weiter gezwungen, ihre eigene soziale Basis anzugreifen, was ihre Existenz als Massenpartei gefährdet.

Dass sich die SPD trotz ihrer Politik noch einigermaßen halten konnte, hat sie v.a. der Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie zu verdanken, die noch immer beachtliche Teile der Arbeiteraristokratie an die Sozialdemokratie bindet oder zumindest ruhig stellt. Die Angriffe von Kapital und bürgerlicher Opposition auf Tarifautonomie und "Mitbestimmung" dienen dabei als Mittel, den "Schulterschluss" mit der SPD zu rechtfertigen.

Heute ist die Gewerkschaftsbürokratie mit SPD-Parteibuch das entscheidende und einzig übrig gebliebene organische Bindeglied der SPD zum Proletariat - was den Charakter der SPD als bürgerlicher Arbeiterpartei noch ausmacht.

Die PDS konnte von der Krise der SPD kaum profitieren. Das liegt an ihrer Strategie, im Verbund mit der SPD einen "Politikwechsel" herbeizuführen und sich dementsprechend nach rechts zu bewegen. Daher wollte die PDS auch nie die Dominanz der SPD in den Gewerkschaften herausfordern. Die sozialdemokratische Gewerkschaftsbürokratie gilt der PDS vielmehr als zentraler "Bündnispartner" in die SPD hinein. Damit ist aber eine "Westausdehnung" der PDS praktisch unmöglich. Hinzu kommt, dass die Politik der PDS in den Landesregierungen in Schwerin und Berlin ihre eigene Basis unterminiert.

Die Politik der Gewerkschaftsbürokratie und der PDS, ihre, wenn auch nicht immer bruchlose Unterordnung unter die SPD, haben der Widerstandsbewegung und den entstehenden Absatzbewegungen von der SPD schwer geschadet. Erstens, weil die DGB-Bürokratie dafür sorgte, dass der Kampfwille der Arbeiterklasse immer wieder ins Leere lief, die Mobilisierungen verpufften und schwere Niederlagen folgten. Zweitens haben die Misserfolge der letzten Monate auch zu einer gewissen Demoralisierung geführt. Drittens, weil die Inkonsequenz und Alternativlosigkeit des DGB und der PDS für sozial deklassierte sowie schlechter organisierte, politisch weniger bewusste Schichten die Rechts-Extremisten als "radikale" Alternative erscheinen lassen.

Krise der Bewegung

Der Schaden, den die Politik der Bürokratie verursacht hat, zeigt sich in einer Stagnation der Widerstandsbewegung und allgemeiner Perspektivlosigkeit. Ihre Politik führt zugleich dazu, dass sich neoreformistische oder syndikalistische, aber auch links-radikale Kräfte und Ideologien stärken können.

Die "Widerstandsbewegung" und der Bruch mit der SPD zeigen sich auf mehreren Ebenen: in der Herausbildung der stark elektoral geprägten Wahlalternative, gewerkschaftlich im Auf und Ab der Gewerkschaftslinken und schließlich in der Form der politisch heterogenen "sozialen Bewegung".

In der Wahlalternative, in der Gewerkschaftslinken sowie in attac sind wichtige, wenn nicht die größten Teile von reformistischen BürokratInnen beherrscht. Der Generalangriff und die Rechtsentwicklung der SPD, der PDS sowie der Gewerkschaften insgesamt haben sie diesen Bewegungen oder Projekten zugetrieben. Zugleich verringert der Niedergang der Bewegung den Druck der Basis auf diese BürokratInnen. Ihr Hauptgeschäft besteht darin, bestehende Ansätze von Organisationsstrukturen des Widerstandes zu Diskussionsforen (für reformistische Politik) zu machen, diese mit symbolischen Aktionen zu garnieren und auf einen "neuen" Keynesianismus, auf die Rettung des "Sozial"staats etc. zu orientieren. Diese Politik ist nicht nur utopisch und demobilisierend, sondern auch ein Einfallstor für die Unterstützung des Imperialismus und seines vorgeblich "humaneren" Projekts gegenüber den USA.

In den Sozialbündnissen, in der Wahlalternative, im deutschen Sozialforum usw. könnten sich die diversen ReformistInnen nicht so leicht durchsetzen, wenn sie nicht von linken reformistischen Gruppierungen wie der DKP oder von Zentristen wie Linksruck oder isl gestützt würden.

Als scheinbare Antwort auf diesen Opportunismus der nach rechts gehenden Zentristen haben sich in der Sozialbewegung die mao-zentristische MLPD in Form einer recht obskuren Mischung von Linksradikalismus und Opportunismus sowie Formen des Links-Syndikalismus einschließlich subjektiv "revolutionärer" Formen (in der Gewerkschaftslinken über express/TIE, tw. die FAU sowie ein Teil der Autonomen) gestärkt.

Während Linksruck, isl und DKP eine opportunistische Anpassung an die "linke" Bürokratie für unabdingbar erachten, um "die Einheit der Bewegung" und das "Selbstvertrauen" der Menschen voranzubringen, stellen MLPD und linke SyndikalistInnen das Problem so dar, als hätte die reformistische Bürokratie gar keine materielle Basis mehr in der Arbeiterklasse und könne daher einfach durch Voluntarismus beiseite geschoben werden.

Dabei teilen beide Flügel falsche "Grundannahmen". Die Bewegung schreite trotz aller Rückschläge und "Manipulationen" (Niederlagen gibt es nicht) stetig voran. Die ReformistInnen hätten keine materielle Basis, da es eine Arbeiteraristokratie gar nicht gibt.

Unter den ZentristInnen spielen SAV, RSB und manche maoistische Gruppierungen eine vergleichsweise "vernünftigere" Rolle, die jedoch bei entscheidenden Fragen ebenfalls bei "halb-revolutionären" Programmen stecken bleibt.

Welche Aufgaben?

In dieser Situation müssen sich RevolutionärInnen darauf zu konzentrieren, zentrale strategische Fragen aufzuwerfen. Wir richten uns dabei an eine heterogene Avantgardeschicht, die von politisch in Bewegung geratenen Jugendlichen, über eine ökonomische Vorhut in den Betrieben bis zu einer linksreformistisch/zentristischen politischen Vorhut reicht und nach grundsätzlichen Antworten sucht.

In dieser Phase der Neuformierung im Abwehrkampf und einer politisch-strategischen Neuorientierung muss für KommunistInnen - natürlich neben praktischen Aktions- und Bündnisvorschlägen - die Polemik gegen Reformismus und Zentrismus einen größeren Platz einnehmen.

Wegen des Charakters der gegenwärtigen Periode sind die Auseinandersetzungen innerhalb der "Bewegung" in Deutschland Teil der Auseinandersetzung in einer internationalen Bewegung, die sich im WSF und ESF, aber auch in zahlreichen "Vernetzungen" linker Gewerkschafter oder in der Anti-Kriegsbewegung auch internationale Strukturen geschaffen hat. In dieser Bewegung hat sich die politische Auseinandersetzung zwischen reformistischen und "radikalen" Kräften verschärft.

Zentrale Losungen, die wir in den Kämpfen, in den vorhandenen Strukturen des Widerstandes, der Linken und der Arbeiterbewegung vertreten, sind daher:

Gemeinsamer, europaweiter- und internationaler Abwehrkampf! Politische Massenstreiks bis hin zum Generalstreik gegen den Generalangriff!

Gegen Rassismus und Faschismus! Für Arbeitereinheitsfront gegen die Nazis und Angriffe auf ImmigrantInnen durch Rechte und Staat!

Gegen die Formierung der imperialistischen EU! Gegen Lissabon-Agenda, EU-Verfassung, Aufrüstung und imperialistische Intervention! Solidarität mit dem antiimperialistischen Widerstand!

Aufbau einer klassenkämpferischen, bundesweiten Basisbewegung in Betrieb, Gewerkschaft und der Gewerkschaftslinken, die sich betrieblich verankert und für eine neue Führung der Gewerkschaften kämpft!

Aufbau lokaler, regionaler und bundesweit koordinierter Aktionskomitees gegen den Generalangriff, die alle Betroffenen und alle Organisationen der Arbeiterbewegung, der Linken usw. einbeziehen!

Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation als Teil einer neuen revolutionären Jugendinternationale!

Aufbau einer neuen Arbeiterpartei, die gegen den Generalangriff, gegen Krieg und Sozialraub kämpft! Wir treten dafür ein, dass diese Partei von Beginn an revolutionär-kommunistisch ist und für den Sturz des Kapitalismus und den Aufbau einer neuen, der 5. Internationale kämpft! Dafür treten wir insbesondere in der ASG ein.

Unser Kampf gipfelt in der Losung "Für die Vereinigten Sozialisten Staaten von Europa". Entgegen der reformistischen Illusion eines "sozialen" - d.h. kapitalistischen Europas‘ - zielt unsere Forderung in eine gänzlich andere Richtung:

Für die internationale proletarische Revolution zum Sturz des Kapitalismus! Für die Errichtung einer globalen demokratischen Planwirtschaft auf Basis eines Rätesystems!

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Nr. 98, März 2005

*  Nein zum Europa des Kapitals! Für ein sozialistisches Europa!
*  EU-Dienstleistungsrichtlinie: Lohndrücker Bolkestein
*  Baskenland: Stoppt die Repression!
*  Siemens: Entlassungen trotz Rekordgewinn
*  Heile Welt
*  Politisch-ökonomische Perspektiven: 2005 - ein Jahr der Entscheidung?
*  Kritik des ASG-Programms: Reformistischer Wunschzettel
*  Soziale Unterdrückung: ASG und Frauenbefreiung
*  ASG-Spitze: Hände weg von den Linken!
*  SAV-Programmvorschlag für die ASG: Alternative oder Flickwerk?
*  Wahlfarce im Irak: Divide et impera