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Soziale Unterdrückung

ASG und Frauenbefreiung

Helga Müller, Neue Internationale 98, März 2005

Dass die ASG ein Kapitel "Geschlechterdemokratie: Gleichberechtigung von Frauen und Männern" in ihr Programm aufnimmt, ist natürlich zu begrüßen. Doch es fragt sich, wie sie ihre hehren Ziele unter Bedingungen von Massenarbeitslosigkeit und kapitalistischer Krise praktisch umsetzen will.

Die Lage von Frauen wird durchaus realistisch analysiert: Alle Fortschritte bzgl. der Gleichstellung von Mann und Frau können "nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Diskriminierung von Frauen noch immer in den Strukturen unserer Gesellschaft tief verankert ist". Und: "Vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und betrieblicher Rationalisierung wird die alltägliche flexible Selbstausbeutung zwischen Privatleben und Beruf besonders für Frauen zur individuellen Überlebensstrategie."

Doch anstatt die Strukturen dieser Gesellschaft, die Frauen - vor allem Arbeiterinnen, die im Programm aber gar nicht besonders erwähnt werden! - dazu zwingen, ihre Existenz individuell zu meistern, grundsätzlich in Frage zu stellen, fordert das Programm lediglich, dass "in vielen Bereichen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, deutlich höhere Einkommen durchgesetzt werden" müssen.

Das ist selbstverständlich richtig. Doch wie will die ASG dies umsetzen - angesichts der Verankerung von Niedriglohnsektoren in den Tarifverträgen oder im jetzt "reformierten" Tarifrecht des öffentlichen Dienstes? Es ist ja bekannt, dass der Anteil von Frauen und ImmigrantInnen dort besonders hoch ist. Etwa durch ein Gesetz, das Diskriminierung in der Privatwirtschaft unterbindet, wie es im Programm heißt? Wer soll das durchsetzen und durch wen soll das in den Betrieben umgesetzt und kontrolliert werden?

Noch weniger Realitätssinn offenbart das Programm, wenn davon gesprochen wird, dass "den Vorstellungen vieler Frauen bezüglich Berufstätigkeit und Lebensplanung ... eine männlich geprägte Erwerbswelt ... mit ... der üblichen "Opferung" des Privatlebens zugunsten des Berufs" entgegensteht. "Viele Frauen fordern hingegen Raum für ein gleichberechtigtes Leben neben der Erwerbsarbeit ein, ohne dabei auf einen Aufstieg im Beruf verzichten zu wollen."

Abgesehen davon, dass mit dieser Frage nicht unbedingt die Mehrheit der Frauen unter den heutigen Arbeitsbedingungen konfrontiert sind, sondern eher mit der puren Existenzsicherung, finden auch wir eine Gesellschaft, in der es möglich ist, Beruf, Partnerschaft und Freizeit gleichberechtigt miteinander zu verbinden, erstrebenswert. Wir streben letzten Endes sogar eine Gesellschaft an, in der die Trennung von Beruf als Existenzsicherung und Freizeit aufgehoben ist!

Aber anstatt aufzuzeigen, dass die Trennung zwischen Beruf einerseits, Familie und Freizeit andererseits, eine Existenzgrundlage der kapitalistischen Wirtschaftsform ist, wird im Programm darauf verwiesen, dass dort, wo obiger Forderung der Frauen entsprochen wird "alternative Modelle der Arbeitsorganisation" entstehen.

So einfach ist das! Wir bestreiten nicht, dass in Betrieben, in denen es noch einen gewissen wirtschaftlichen Spielraum gibt, einige Ansätze für solche Modelle existieren. Doch die gesellschaftliche Realität ist insgesamt eine ganz andere: Unternehmerverbände und Regierungen laufen seit längerem gegen die 35-Stunden-Woche Sturm und fordern die 40-, 42- und noch mehr Stundenwoche. In wichtigen Betrieben der Metallindustrie ist die Verlängerung der Wochenarbeitszeit bereits durchgesetzt, in mehreren Bundesländern ist die 40- bzw. 42-Wochenstunde für Beamte schon Realität! Soviel zum Realitätssinn der ASG!

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Nr. 98, März 2005

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*  Soziale Unterdrückung: ASG und Frauenbefreiung
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